Protokoll der Sitzung vom 23.05.2007

(Zuruf von der SPD: Doch!)

Die Landesregierung unterstützt das Vorgehen des Bundessortenamtes, die Wertprüfung in Borken nicht durchzuführen, da der 150-mMindestabstand zu konventionellen Maisfeldern nicht eingehalten werden kann.

Die Länder überwachen die Einhaltung der Anforderungen des Gentechnikgesetzes. Die zuständige Überwachungsbehörde in Nordrhein-Westfalen – Frau Abgeordnete Schulze hatte die Zuständigkeit thematisiert – fordert zur Einhaltung der guten fachlichen Praxis einen Mindestabstand von 150 m zur nächsten konventionellen Maisfläche und wird dies, falls erforderlich, per Ordnungsverfügung einfordern. Damit es da überhaupt keine Zweifel gibt, meine Damen und Herren!

(Annette Watermann-Krass [SPD]: Machen Sie es doch!)

Dieser Mindestabstand entspricht den bisher bekannten Inhalten des Entwurfs vom Bundesministerium zur Novellierung des Gentechnikgesetzes, in dem ebenfalls grundsätzlich ein Mindestabstand von 150 m vorgesehen ist. Es ist logisch, sich in Nordrhein-Westfalen schon jetzt an das zu halten, was auf Bundesebene mit dem neuen Gentechnikgesetz politisch auf den Weg gebracht wird. Deswegen ist es schon sehr künstlich, Frau Abgeordnete Schulze – das ist auf Bundesebene mit der SPD abgestimmt –, wenn Sie hier im Landtag eine völlig andere Linie fahren bzw. die

sen Weg der Verunsicherung weiter beschreiten. Das entspricht auch nicht der verantwortlichen Debatte, wie sie auf Bundesebene zwischen den Koalitionsfraktionen geführt wird.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, in der Koalitionsvereinbarung von Nordrhein-Westfalen haben wir uns für einen verantwortbaren Umgang mit der Grünen Gentechnik ausgesprochen. Der Schutz von Mensch und Umwelt hat daher auch für die Landesregierung höchste Priorität.

Entgegen der Darstellung im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen stehen die Maßnahmen bezüglich des 150-m-Abstandes nicht im direkten Zusammenhang mit der Anordnung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zum Saatgut MON810. Entgegen den Ausführungen im Antrag ist der Verkauf von gentechnisch verändertem Saatgut MON810 nicht generell verboten.

Richtig ist, dass ab sofort Saatgut der Linie MON810 erst dann für den kommerziellen Anbau abgegeben werden darf, wenn dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom Inhaber der Genehmigung für MON810, also der Firma Monsanto, ein Monitoringplan zur Beobachtung möglicher langfristiger Umweltwirkungen vorgelegt wird. Sofern der Monitoringplan vorliegt, kann MON810 wieder verkauft werden. Bereits an Landwirte abgegebenes oder ausgesätes Saatgut ist 2007 von diesen Regeln nicht betroffen. Die Zulassung von MON810 zur Verwendung für Lebens- und Futtermittel ist davon ebenfalls nicht berührt, weil diese Regelung erst jetzt von der Europäischen Union erlassen worden ist.

Meine Damen und Herren, eines ist mir in diesem Zusammenhang sehr wichtig: Es wurde von der Bundesbehörde keine Gefährdung für die menschliche Gesundheit festgestellt. Von daher ist die künstliche Aufregung, die hier eben erzeugt worden ist, fehl am Platz.

Mit dem vom BVL an Monsanto ergangenen Bescheid wird das Unternehmen verpflichtet, ein entsprechendes Monitoring durchzuführen, wie es für die Neugenehmigung gemäß jetziger EURechtslage verbindlich ist. Ziel der Maßnahme des BVL ist es, zukünftig sicherzustellen, dass der großflächige kommerzielle Anbau von MON810 von einer Umweltbeobachtung begleitet wird, und nicht abzuwarten, bis die Neugenehmigung mit Monitoringplan vorliegt. Sofern es Hinweise auf potenzielle Risiken für die Umwelt gibt, müssen diese natürlich verfolgt werden. Deswegen soll ja ein Monitoring durchgeführt werden.

Die Landesregierung hat sich stets für einen verantwortungsvollen Umgang und eine verantwortungsvolle Nutzung der Gentechnik ausgesprochen. Im Rahmen dieser Verantwortung beteiligt sich mein Ministerium aktiv an der praxisorientierten Entwicklung des Monitoringprogramms zur Erfassung der potenziellen Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf die Umwelt. Die Landesregierung begrüßt es daher, dass der Anbau von MON810 in Deutschland verbindlich mit einem Monitoring begleitet wird. Mögliche Risken für die Umwelt müssen frühzeitig erfasst werden, damit es nicht zu unerwarteten langfristigen Auswirkungen auf die Umwelt kommen kann. Sofern es offene Fragen bezüglich des Anbaus gibt, müssen wir die möglichen Risiken natürlich erforschen.

Sicherheit von Mensch und Umwelt sowie Transparenz haben für die Landesregierung höchste Priorität. Was im Moment in Bezug auf diese wenigen Quadratmeter abläuft, auf denen angebaut wird, ist ein ganz normaler Vorgang, der vonseiten der Landesregierung entsprechend begleitet wird.

Obwohl es eigentlich bekannt ist, zumindest bei denjenigen, die diese Frage gestellt haben, ist gefragt worden, welche Behörde denn letztlich die Verantwortung trägt. Für die Anordnung ist die Bundesbehörde zuständig. Aber natürlich wird das vom Land überwacht. Dafür ist die jeweilige Bezirksregierung zuständig, in diesem Fall die Bezirksregierung Münster.

Man kann nicht sagen, dass die Landesregierung oder irgendeine Behörde hier einen Fehler gemacht hat. Es bringt auch nichts, Frau Abgeordnete Schulze, wenn man auf einmal mit Nebelkerzen wirft. Sie haben in diesem Zusammenhang die Landwirtschaftskammer erwähnt: Es würden auf Flächen, für deren Überwachung die Landwirtschaftskammer zuständig sei, gentechnisch manipulierte Pflanzen angebaut. – Die Landwirtschaftskammer – das darf ich an dieser Stelle noch einmal sagen – hat mit diesem Vorgang überhaupt nichts zu tun. Von daher sollte man hier nicht immer wieder mit Nebelkerzen werfen. Wir halten uns an diesen Vorgang, wir setzen ihn entsprechend um. Die Verbraucherinnen und Verbraucher in Nordrhein-Westfalen können sich auf die Landesregierung verlassen.

Aber, meine Damen und Herren, eines möchte ich auch deutlich sagen: Es geht in Zukunft nicht mehr um die Frage, ob es gentechnisch veränderte Produkte gibt, sondern es geht um die Frage, wie dieser Prozess auf den Weg gebracht wird. Von daher freue ich mich darüber, dass das Gentechnikgesetz auf Bundesebene im Herbst dieses

Jahres endlich verabschiedet wird und dass ein zusätzliches Stück Rechtssicherheit in diesen Prozess einkehrt. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister. – Für die SPD spricht nun der Kollege Karthaus.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kemper beschwört die friedliche Koexistenz zwischen dem Anbau genveränderter Nutzpflanzen und der konventionellen Landwirtschaft. Bemerkenswert ist auch sein Kommentar: „Risiko ist überall im Leben.“ Abenteuerlich!

(Beifall von der SPD)

Anscheinend kennt er wie auch der Kollege Romberg nicht den Unterschied zwischen den Extrakten, die den Bacillus thuringiensis enthalten und die es auch im biologischen Anbau seit vielen Jahren gibt, und den Pflanzen, die ihn innehaben, die genverändert sind. Das ist ein riesiger Unterschied.

(Beifall von der SPD)

Wenn Sie von Fachlichkeit sprechen, dann sollten Sie das als erstes wissen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es wird so viel über den 150-m-Abstand gesprochen. Fachkreise wissen, dass das eine sehr umstrittene Sache ist, denn Gräserpollen – dazu gehört auch der Mais – fliegen ziemlich weit, kilometerweit. Nun zeigt sich, dass der 150-m-Abstand überhaupt nicht eingehalten wird. Man geht über diese Verfügung einfach hinweg, wie man im Fall Borken sieht. Deshalb kommt es ja zu diesem Aufschrei, zu diesen Nachforschungen: weil diejenigen, die mit diesem Material umgehen, sich an diese Auflagen nicht halten. Deshalb will Monsanto in dem Fall selbst weitermachen und diesen Anbau fortführen. Es herrscht wirklich der Eindruck, Herr Minister: Drunter und drüber!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wie soll denn noch Vertrauen aufkommen, wenn deutlich wird, dass sich diejenigen, die mit diesem Material umgehen, nicht an diese Auflagen halten?

Sie haben von der Landwirtschaftskammer gesprochen und gesagt: Die hat gar nichts damit zu tun. – Vielleicht sollte sie etwas damit zu tun haben, um Kontrolle durchzuführen.

(Beifall von der SPD)

Wir fordern im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher: Sehen Sie verlässliche Kontrollen vor! Sorgen Sie bitte dafür, dass Risiken für Umwelt und Verbraucher ausgeschlossen sind. Denn unsere Gentechnik hat nur dann eine Zukunft, wenn das ehrlich gewährleistet ist. – Danke schön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Karthaus. – Für die CDU spricht nun Herr Ortgies.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Aktuellen Stunde möchte ich versuchen klarzumachen: Über was sprechen wir eigentlich? Über welche Dimensionen reden wir hier? Weltweit gibt es einen Anbau gentechnisch veränderter Organismen von schätzungsweise 100 Millionen ha. Ich schätze, dass knapp die Hälfte davon gentechnisch veränderter Mais ist, also 50 Millionen ha weltweit. Die Produkte, die verfütterten Produkte, die Nachfolgeprodukte werden wir in vielen Nahrungsmitteln, in vielen Endprodukten wiederfinden und täglich – vielleicht unbewusst – konsumieren. Das mag man beklagen. Das ist allerdings nicht zu verhindern, vor allen Dingen nicht isoliert in Nordrhein-Westfalen.

(Svenja Schulze [SPD]: Aha! Ich denke, das wird kontrolliert?)

Meine Damen und Herren, in Deutschland, außerhalb Nordrhein-Westfalens, werden von der Maissorte MON810, über die wir heute sprechen, ca. 3.400 ha mit Genehmigung angebaut. Das sind, wenn ich richtig rechne, 34 Millionen m².

(Svenja Schulze [SPD]: Das ist die Koexis- tenz, ja?)

Wir reden heute über 1.000 m² in Borken und über 25 m² im Versuchsgarten unter Glas in Köln. – Das einmal zu den Dimensionen!

Die Firma Monsanto hat den Abstand von 150 m nicht eingehalten und hat nicht ordnungsgemäß und nicht rechtmäßig gehandelt. Das ist nicht klug. Man kann es auch als Dummheit bezeichnen, wenn man sich auf diesem hochsensiblen Gebiet nicht genau an die Grenzen hält, die rechtmäßig vorgegeben sind. Daraus allerdings eine Aktuelle Stunde im Landtag NordrheinWestfalen zu machen, ist, als würde man die Mücke zum Elefanten machen. Ich frage mich manchmal, ob Rot-Grün nach zwei Jahren Oppo

sition wirklich nichts Besseres zu tun hat, als solche Anträge zu stellen.

Meine Damen und Herren, Heinrich Kemper und Minister Uhlenberg haben sehr detailliert die rechtlichen Zusammenhänge dargestellt, wie es zu diesem Problem in Borken gekommen ist. Das Land Nordrhein-Westfalen kontrolliert über den Regierungspräsidenten die ordnungsgemäße Durchführung dieser Versuche, dieses Monitorings. Das ist so geschehen. Es kontrolliert auch die Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgaben.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch einmal die grundsätzliche Position unserer Fraktion darstellen. Wir wollen auch in Zukunft die Koexistenz von gentechnikfreiem Anbau und Gentechnikanbau in Deutschland und in NordrheinWestfalen gewährleistet wissen.

(Svenja Schulze [SPD]: Genau! So wie beim Reis!)

Jeder, der gentechnikfrei produzieren will, muss das auch in Zukunft können.

Wir möchten weiterhin eine klare Kennzeichnungspflicht, damit die Verbraucher wissen, was sie kaufen. Das nennt man Wahlfreiheit. Wir wollen auch eine Nachverfolgbarkeit der Produkte. Das haben wir in den Diskussionen immer wieder klargemacht.

Aber ich sage auch – ich habe die Zahlen dargestellt –: Bei einem weltweiten, bei einem globalen Handel, bei offenen Grenzen, bei freiem Handel ist eine absolute Gentechnikfreiheit eine Illusion.

Frau Schulze, wir waren auf der BioFach in Nürnberg und haben uns dort zusammen einen Vortrag angehört, in dem diese Probleme dargestellt wurden. Danach ist es praktisch unmöglich, gänzlich gentechnikfreie Produkte herzustellen. Spuren werden Sie immer finden. Oder wollen Sie den Wind verbieten oder den Lauf der Flüsse stoppen? Nordrhein-Westfalen können Sie auch nicht mit einer großen Mauer umgeben. Ich habe die Zahlen noch einmal genannt: 500 Milliarden m2 Anbau weltweit.

Die Position der Grünen hierzu ist mir klar: Sie zelebrieren Ihre Fundamentalopposition seit Jahren hier im Landtag.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Die Wahrung der Schöpfung ist offenbar Fundamentalop- position!)

Fakten stören da nur. Mich wundert aber die Position der SPD: Sie trägt im Bund die Gentechniknovelle mit, und hier argumentiert sie dagegen.