Protokoll der Sitzung vom 25.05.2007

Bekommen wir auch von Ihnen, Herr Minister Laumann als Sozial- und Gesundheitsminister, einen Bericht zu den Konsequenzen, die Sie aus den Erkenntnissen der Studie ziehen können?

Die am schwersten wiegende Erkenntnis ist, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien nicht nur in einzelnen Bereichen von Gesundheit und Lebensqualität schlechtere Ergebnisse aufweisen, sondern in durchweg allen.

Wir fordern: Handeln Sie und stellen Sie die Weichen richtig! Hören Sie auf, in Sonntagsreden darüber zu trauern, dass Sie erst seit zwei Jahren regieren dürfen! Lassen Sie nicht noch drei Jahre

tatenlos verstreichen! – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Meurer. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herrn Dr. Romberg.

(Unruhe)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Frau Meurer, angesichts Ihres Redebeitrags könnte man meinen, Sozialdemokraten hätten in diesem Land über Jahrzehnte überhaupt keine politische Verantwortung getragen, und man könnte meinen, Sie würden auch im Bund keine politische Verantwortung übernommen haben.

(Beifall von der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Man könnte meinen, Sie haben kei- nen anderen Redebaustein!)

Das war eine sehr merkwürdige Vorstellung, die Sie hier geboten haben, Frau Meurer.

Wir haben im Rahmen des Sozialberichts gestern sehr ausführlich diskutiert, dass die sozialen Unterschiede immens sind und dass es auch Kinderarmut gibt. Das waren Daten aus den Jahren 2000 bis 2005. Das war Ihr Abschlussbericht für Ihre Sozial- und Armutspolitik. Insofern brauchen wir uns so etwas von Ihnen heute Morgen nicht anzuhören.

(Beifall von FDP und CDU)

Frau Meurer, ein weiterer Punkt. Sie haben recht: Von legalen Drogen, von Alkohol, von Nikotin sind gerade Haupt- und Realschüler und arme Kinder deutlich mehr betroffen. Auch uns bereitet Sorge, dass bei Hauptschülern ein fünfmal höherer Rauchkonsum als bei Gymnasiasten vorzufinden ist.

Aber bei den illegalen Drogen, die Sie angesprochen haben, ist es nicht so – auch nach der Studie nicht. Suchtkonsum ist eben kein Armutsrisiko. Vielmehr finden wir illegale Drogensucht in breiten Teilen der Gesellschaft. Man bedenke nur, was an Cannabis auch in relativ reichen Schichten konsumiert wird und dass dieser Konsum geradezu als „in“ angesehen wird. Dieser Konsum ist aber gefährlich, und er hat nicht nur etwas mit reich und arm zu tun.

Ich hatte auch erwartet, dass Sie sich zu dieser Schoko- oder Fettsteuer äußern, die die SPD

Gesundheits- und Ernährungspolitiker im Bund erneut angesprochen haben.

(Ursula Meurer [SPD]: Ich entspreche eben nicht allen Ihren Erwartungen!)

Diese Politiker meinen, sie könnten Lebensmittel in gesund oder krank machend einstufen.

(Zurufe von der SPD)

Ja, natürlich: Sie können genau sagen, welches Lebensmittel für einen individuellen Menschen förderlich ist oder nicht. – Ich sage Ihnen als Arzt: Dies ist nicht möglich. Denn Menschen sind individuell, und auch das, was sie vertragen und ihnen gut tut oder nicht, ist individuell. Kein Bundesinstitut kann festlegen, was für den Menschen gut oder schlecht ist.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

Eltern müssen mehr Verantwortung übernehmen. Wir können nicht alles auf den Staat abschieben. Eltern tragen zunächst einmal die Verantwortung, aber wenn Eltern keine Gesundheitskompetenz haben, ist der Staat gefordert. Ich werde meinem Sohn beibringen, welches gesundheitsfördernde Maßnahmen sind. Ich weiß es nämlich, aber viele Menschen wissen es nicht, und deshalb muss Gesundheitserziehung hier in NordrheinWestfalen ernster genommen werden als in den vergangenen Jahren.

Dazu haben wir klare Absprachen getroffen. Wir haben frühzeitig beispielsweise den Antrag zur Verbesserung der Situation bei psychischen Erkrankungen eingebracht. Wir haben eine breite Expertendiskussion auch im Ausschuss geführt.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Was haben Sie danach gemacht?)

Wir sagen in unserem Antrag: Wir brauchen flächendeckend Aufklärung an den Schulen.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Ich sage: Handeln!)

Es muss über solche psychischen Störungen flächendeckend aufgeklärt werden. Bisher war es im Land so – es gab auch in Ihrer Regierungszeit gute Initiativen –, dass man Gesundheitskompetenz in Form von Modellprojekten an Schulen herangetragen hat. Dies geschah aber nicht flächendeckend. Genau das ist das Problem: Man war auf den Goodwill eines engagierten Lehrers oder darauf angewiesen, dass ein Arzt irgendwo die Initiative ergriffen hat, an die Schule herangegangen ist und dort Unterricht erteilt hat. Gesundheitserziehung – das ist mein Anspruch – muss in den Schulen in Nordrhein- Westfalen flächendeckend implementiert werden.

(Beifall von FDP und CDU)

Denn es geht nicht anders. Und da nicht alle Eltern den gleichen Status aufweisen, können wir von ihnen nicht alles erwarten.

Es ist wichtig, dass man in den Schulen etwas über die Zivilisationskrankheiten, die einen frühzeitig treffen können, lernt. Auch Schlaganfälle gibt es mittlerweile im Jugendalter. Herzinfarkte, Diabetes oder Depressionen sind Krankheiten, die auch schon junge Menschen befallen können. Insofern ist es gut und richtig, dass junge Menschen schon frühzeitig erfahren, was diese Erkrankungen bedeuten und wie sie sich selbst schützen können. – Dazu zählen einfache Dinge.

Diese jungen Menschen fragen sich, was sie machen können, wenn sie Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen haben. Das sind die Hauptbeschwerden, derentwegen Menschen zum Arzt gehen. Warum sollen Kinder und Jugendliche nicht frühzeitig lernen, wie sie mit diesen Krankheiten umgehen können?

Wir sehen doch, dass es Eltern ohne Gesundheitskompetenz ihren Kindern falsch vorleben. Diese Eltern werfen sich beispielsweise bei Kopfschmerzen dauerhaft Schmerzmittel ein, anstatt gesundheitsfördernde Maßnahmen zu betreiben.

Ich greife als Stichwort die Rückenschule auf. Viele junge Menschen – es ist wie bei uns Alten – leiden unter immensen Rückenbeschwerden. Wie man diesen Beschwerden vorbeugen kann, muss doch schon im Kindergarten und in der Schule aufgezeigt werden. Das ist in den letzten Jahren unter Ihrer Regierungsverantwortung nicht passiert. Das werden wir jetzt ändern.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Sport ist sehr wichtig. Wie war das mit dem Unterrichtsausfall gerade im Sport während Ihrer Regierungsverantwortung?

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Wer kürzt den Sportunterricht von drei auf zwei Stun- den?)

Sehr viel Sportunterricht ist ausgefallen. Sportunterricht muss aber ernst genommen werden, und er gehört genauso zur Gesundheitsförderung dazu wie andere Dinge, bei denen Bildung eine Rolle spielt.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Diese Re- gierung kürzt den Sportunterricht!)

Aufklärung ist wichtig. Das zeigt sich im Bereich der Säuglingssterblichkeit. Dort können wir erhebliche Fortschritte verzeichnen.

Wir stellten beispielsweise fest, dass die Säuglingssterblichkeit insbesondere unter den Migranten stark vertreten ist. Jetzt ist es fast an jeder Geburtsklinik Standard, dass Informationen auch in der Muttersprache der Mutter, die kein Deutsch versteht, gegeben werden. Denn mit einfachen Maßnahmen – beim plötzlichen Kindstod ist es die Rückenlage im Schlaf oder der Schlafsack – kann man Abhilfe schaffen. Allerdings müssen diese einfachen Dinge erlernt werden, und sie müssen bei den Menschen – insbesondere bei denen, die kein Deutsch sprechen – ankommen.

Wir tun insgesamt betrachtet viel zu wenig für Prävention. Deswegen ist es wichtig, die Anzahl der Vorsorgeuntersuchungen zu erhöhen; auch diesbezüglich wurden Maßnahmen besprochen. Häufig ist es nämlich so, dass die Vorsorge beim Auto, die Inspektion, von manchen Eltern immer noch als wichtiger erachtet wird als die Vorsorge beim eigenen Kind. Dieses Denken muss endlich aufhören. Das Kind ist das Wichtigste.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Sie haben über- haupt keine Verantwortung! Bei Ihnen tragen immer nur die Eltern die Schuld!)

Natürlich ist das Verantwortung, Herr Groth.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Sie sind verantwort- lich für die Politik!)

Das muss anders werden. Verantwortlich betriebene Vorsorge, Prävention und Aufklärung sind Dinge, die in der Vergangenheit eine zu kleine Rolle gespielt haben. Nordrhein-Westfalen wird ein Gesundheitsland. Im Moment haben wir bereits eine Gesundheitswirtschaft, aber wir wollen auch Gesundheitsaufklärung und -prävention.

Dieser Gesundheitsbericht für NordrheinWestfalen wird in fünf Jahren sicherlich anders ausfallen. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Dr. Romberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Steffens.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Romberg, ich glaube, dass es nach zwei Jahren Regierungszeit langsam verbraucht ist, sich immer nur hier hinzustellen und sagen: Sie hätten auch etwas tun können.