Protokoll der Sitzung vom 14.06.2007

Erstens gehen wir an die explizit ausgewiesene Staatsverschuldung heran. Wir reduzieren die Nettokreditaufnahme ganz erheblich. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen, wo wir herkommen, nämlich aus einem Zeitalter der finanzpolitischen Sorglosigkeit und der Ausgabensteigerungen, die völlig zügellos waren. Sie haben dazu geführt, dass wir im Jahr 2003 eine Nettokreditaufnahme von 6,6 Milliarden € hatten, im Jahr 2004 eine von 6,7 Milliarden € und der gleiche Betrag noch einmal im Jahr 2005.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Dann greift die Politik der neuen Landesregierung: Im Jahr 2006 konnten wir die Nettoneuverschuldung bereits auf 3,2 Milliarden € reduzieren. Das ist die Frucht guter konjunktureller Entwicklung, aber auch harter Entscheidungen. Jetzt gelingt es uns, die Nettokreditaufnahme im laufenden Jahr weiter auf 2,3 Milliarden € zu reduzieren. Das ist

nicht das Ende der Fahnenstange. Schon jetzt ist absehbar, dass es uns gelingen wird, die Nettokreditaufnahme im nächsten Jahr auf unter 2 Milliarden € zu reduzieren. Unser Ziel muss sein, irgendwann die Null zu erreichen.

(Martin Börschel [SPD]: Bis jetzt haben Sie noch nichts erreicht!)

885 Millionen € des Betrags, der uns mehr zur Verfügung steht, wird zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme, also der explizit ausgewiesenen Staatsverschuldung, aufgewandt.

Wenn jetzt gesagt wird, es wäre doch gut, zusätzliche Steuereinnahmen zu nutzen, um die Nettokreditaufnahme zu senken,

(Gisela Walsken [SPD]: Das haben Sie selbst gesagt!)

dann fällt mir die Regierungserklärung von Johannes Rau und seinem Finanzminister aus dem Jahr 1995 ein.

(Gisela Walsken [SPD]: Das hat Ihr Finanz- minister gesagt!)

Der hatte damals ganz groß angekündigt, jetzt müsse die Finanzsituation des Landes, die beklagt worden war, wieder in Ordnung gebracht werden. Es müssten Spielräume genutzt werden, um die Nettokreditaufnahme zu senken.

Aber wie war denn das Ergebnis? – Ich habe mir die Zahlen einmal herausgesucht: Im Jahr 1995 hatten wir Steuereinnahmen von 33,4 Milliarden €, die im Laufe der Legislaturperiode um 4,4 Milliarden € auf 37,8 Milliarden € stiegen. Es gab also in diesem Zeitraum Steuermehreinnahmen in Höhe von 4,4 Milliarden €. Wer jetzt denkt, das hätte eventuell dazu geführt, dass die Nettokreditaufnahme abgesenkt worden wäre,

(Lachen von Minister Dr. Helmut Linssen)

weil dies der Ministerpräsident und sein Finanzminister angekündigt hatten, liegt weit neben der Realität.

(Gisela Walsken [SPD]: Das ist genau wie bei euch! Das ist genau dieselbe Situation! – Minister Dr. Helmut Linssen: Das ist genau umgekehrt!)

Im gleichen Zeitraum haben diejenigen, die jetzt krakeelen, die Nettokreditaufnahme von 3,1 Milliarden € auf 3,5 Milliarden € erhöht.

(Beifall von der CDU)

Das ist die Basis für unsere missliche Lage. – So weit, liebe Frau Kollegin Walsken, die Ausführun

gen zur explizit ausgewiesenen Staatsverschuldung.

Aber es gibt auch noch mehr, das wissen wir doch alle. Es gibt auch die implizit vorhandene Staatsverschuldung in der Form von Pensionszusagen.

(Beifall von der CDU)

Der Landesrechnungshof rechnet uns vor, dass sie einen Betrag von rund 112 Milliarden € ausmachen. Das sind 112 Milliarden € Staatsverschuldung, die nicht explizit ausgewiesen, aber für uns realistisch implizit vorhanden sind. Jetzt gelingt es uns, diese bestehende Staatsverschuldung ebenfalls anzupacken und auch an dieser Stelle ein deutliches Signal zu setzen, indem dieser Teil der Staatsverschuldung um 680 Millionen € reduziert wird.

(Beifall von der CDU)

Das ist genau die Erfüllung unserer Ankündigung. Wir müssen die Steuermehreinnahmen zur Reduzierung von Staatsverschuldung einsetzen.

(Beifall von der CDU)

Erstaunlich finde ich nur, dass daran überhaupt Kritik geübt wird. Ich dachte eigentlich, wir wären in diesem Haus schon etwas weiter. In der vergangenen Legislaturperiode gab es doch entsprechende Anträge von allen Fraktionen.

(Zuruf von Gisela Walsken [SPD])

Ich kann ja verstehen, dass die Frau Kollegin Walsken so sehr dazwischenredet, um diesen Hinweis nicht hören zu müssen. – Alle Fraktionen dieses Hauses haben in der letzten Wahlperiode angemahnt, es müsse mehr getan werden, um die Staatsverschuldung in der Form von Pensionszusagen anzupacken. Die CDU hat im Jahr 2003 den Antrag „Raus aus der Pensionsfalle“ gestellt. Die FDP-Fraktion hat im Jahr 2004 den Antrag „Nachhaltige Vorsorge für Beamtenpensionen ohne politische Zugriffsmöglichkeit“ gestellt. Die damaligen Koalitionsfraktionen – die heutigen Akteure waren damals auch beteiligt – SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben mit ihrem Antrag „Versorgungsfonds muss zur Abfederung der beträchtlichen Versorgungslasten ergänzt werden“ am 27. Januar 2004 genau das gefordert, was jetzt endlich ein Finanzminister umsetzt.

(Beifall von der CDU)

Daraus schließe ich, dass wir uns bei allem verständlichen Oppositionsgeplänkel in der Sache im Rahmen der Ausschussberatungen vielleicht doch noch einigen können, sodass wir gemeinsam etwas machen und gemeinsam den Rausch der Sorglosig

keit der Vergangenheit beenden können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Klein. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Herr Abgeordnete Sagel das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Finanzminister rechnet für das Jahr 2007 mit 1,415 Milliarden € an Mehreinnahmen aus Steuern gegenüber dem bisherigen Ansatz im Haushaltsplan. Für das Jahr 2007 rechnet er zudem mit 150 Millionen € an Minderausgaben für den Länderfinanzausgleich. Das führt zu einer Haushaltsverbesserung von insgesamt 1,565 Milliarden €. So lauten die kühlen Fakten.

Doch wie ist dies zu bewerten? – Aus meiner Sicht stellt sich die Situation so dar: Der Finanzminister ist im Vorruhestand, denn mit politischem Handeln hat das eben genannte Ergebnis so gut wie nichts zu tun.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Helmut Linssen verlässt sich auf sein Glück und genießt seinen Vorruhestand in der steuerlichen Hängematte.

(Dr. Robert Orth [FDP]: Bitte nur einmal et- was Neues!)

Das gilt im Übrigen auch für die jetzt vorgestellten Eckdaten für den Haushalt 2008. Schwarz-Gelb hat die Senkung der Nettoneuverschuldung nicht eigenem Handeln, sondern den immens steigenden Steuermehreinnahmen und dem Brechen von Wahlkampfversprechen, zum Beispiel Landesjugendplan, zu verdanken.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die Steuereinnahmen von mindestens 41,1 Milliarden € im nächsten Jahr übertreffen die Einnahmen des Jahres 2004 – man höre und staune – um 7,2 Milliarden €.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das hätten wir auch gerne gehabt!)

Trotzdem geht die Neuverschuldung nur um 4,3 Milliarden € zurück. Von angeblichen Strukturreformen, wie es der Finanzminister laufend postuliert, kann keine Rede sein. Stattdessen steigen die Schulden trotz gigantischer Mehreinnahmen weiter auf mehr als 118 Milliarden €. CDU und FDP betreiben also keine Konsolidierung. Um zu

zeigen, dass ich mit meiner Einschätzung richtig liege – ich sage das ganz neutral –,

(Lachen von CDU und FDP)

lasse ich drei Zeitungen zu Wort kommen.

(Dr. Jens Petersen [CDU]: Die „taz“!)

Die „taz“

(Lachen von CDU und FDP)

es wird noch besser –, ganz im Sinne meines Bildes von dem Vorruhestandsminister Linssen in der Hängematte, sagt, die neue Gemütlichkeit sei eingezogen.

Fast noch besser ist der Artikel in der – vielleicht lachen Sie jetzt nicht mehr – „Neuen Westfälischen“, eine, wie ich meine, konservative Zeitung. Diese schreibt: