Protokoll der Sitzung vom 23.08.2007

auf, die der Abgeordnete Remmel, der im Saal ist, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt hat:

Wurden die PFT-Filter für Millionen Menschen zum Versuch abgeschaltet?

In der Sitzung des Umweltausschusses am 15. August 2007 wurde Minister Uhlenberg konkret gefragt, wie die deutliche Erhöhung der PFT-Werte im Trinkwasser der Ruhr im Mai und Juni 2007 auf über 100 ng zustande gekommen ist.

Minister Uhlenberg ließ daraufhin erklären, dass der Anstieg nichts mit der Wasseraufbereitung in den Trinkwasserwerken zu tun habe, sondern lediglich auf eine Abflusssteuerung aus der Möhnetalsperre zurückzuführen sei.

Im „Westfälischen Anzeiger“ vom 18.08.2007 wird dagegen berichtet, dass die Wasserwerke Westfalen trotz PFT-Belastung die PFTFilterung mit Aktivkohle zeitweise komplett abgeschaltet haben.

Wer hat die Abschaltung der Aktivkohlefilter zur PFT-Reduzierung im Trinkwasser von Millionen Menschen veranlasst?

Ich bitte Herrn Minister Uhlenberg um Beantwortung. Bitte schön, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Bei den Wasserwerken Westfalen sind bei mehreren Wasserwerken in der Folge der Belastung des Roh- und Trinkwassers mit perfluorierten Tensiden im Mai letzten Jahres die bereits vorher installierten Aktivkohlefilteranlagen, die im Bedarfsfall eingesetzt werden konnten, zur Reduzierung der PFTBelastung kurzfristig in Betrieb genommen worden.

Hierdurch wurde es möglich, die anfangs relativ hohen Rohwasserkonzentrationen im Trinkwasser so weit zu senken, dass zu jeder Zeit der von der Trinkwasserkommission des Bundesgesundheitsministeriums empfohlene lebenslang gesundheitlich duldbare Orientierungswert von 0,3 μg pro Liter sicher eingehalten werden konnte.

Von Dezember 2006 bis einschließlich Juli 2007 haben die Wasserwerke Westfalen gemäß einer internen Vorgabe im Unternehmen keine Aktivkohle zudosiert. Dies wird von den Wasserwerken Westfalen damit begründet, dass die Rohwasserqualität bereits unter dem Wert von 0,3 μg pro Liter lag und dass mit der auf der Oberfläche der Sandfilterbecken angesammelten Aktivkohle aus der vorlaufenden Zudosierung eine zusätzliche Sicherheitsbarriere vorhanden war.

Ein Anstieg von PFT-Werten im Trinkwasser im Mai und Juni 2007, der von Ihnen, Herr Abgeordneter Remmel, in der Anfrage dargestellt wird, kann demzufolge nicht mit der fehlenden Zudosierung in Zusammenhang gebracht werden, sondern ist auf die von mir in der Sitzung des Umweltausschusses in der vergangenen Woche dargestellten Ursachen zurückzuführen. Wir haben uns intensiv über diesen Punkt ausgetauscht.

Die Wasserwerke Westfalen haben in Umsetzung der Arnsberger Vereinbarung ihre Wasserwerke mit Aktivkohledosieranlagen für den Dauerbetrieb ausgerüstet, die sie im Juli 2007 in Betrieb setzten. Die Wasserwerke Westfalen haben die Entscheidung über das Einstellen der Aktivkohledosierung in eigener Verantwortung ohne Beteiligung der Bezirksregierung oder meines Hauses getroffen. Rechtlich waren sie hierzu auch nicht verpflichtet. Für das Verhalten der Wasserwerke habe ich keinerlei Verständnis.

(Beifall von der FDP)

Ein Abschalten der Aktivkohledosieranlagen war aus Gründen des vorsorgenden Gesundheitsschutzes nicht vertretbar. Auch das Verschweigen dieses Vorgangs gegenüber meinem Haus und gegenüber der Bezirksregierung kann und werde ich nicht akzeptieren.

(Beifall von der CDU)

Angesichts der politischen Debatte um PFT, eines notwendigen gemeinsamen Handelns und der notwendigen Information der Öffentlichkeit wäre Transparenz hierbei dringend geboten gewesen.

Das Verhalten der Wasserwerke Westfalen ist vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussion um PFT und um weitere organische Mikroverunreinigungen wie Arzneimittel und Röntenkontrastmittel sowie vor dem Hintergrund der Umsetzung der Arnsberger Vereinbarung nicht nachvollziehbar. Es zeugt auch nicht von Kooperationsbereitschaft und Zuverlässigkeit in der Zusammenarbeit.

Meine Damen und Herren, ich habe in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass es mein Ziel ist, über die Einhaltung des gesundheitlich duldbaren Orientierungswertes von 0,3 μg pro Liter hinauszugehen und im Sinne eines vorsorgenden Gesundheits- und Verbraucherschutzes den Zielwert von 0,1 μg pro Liter zu erreichen.

Daher habe ich die Bezirksregierung als zuständige Wasserbehörde unmittelbar angewiesen, die Wasserwerke Westfalen aufzufordern, die Zudosierung von Aktivkohle in ihren Wasserwerken weiterzuführen, um sicherzustellen, dass der Zielwert von 0,1 μg pro Liter Trinkwasser im Sinne

eines vorsorgenden Gesundheits- und Verbraucherschutzes erreicht wird.

Vielen Dank, Herr Minister Uhlenberg. – Ich wollte schon fast sagen, weitere Fragen lägen nicht vor, aber das hat sich gerade geändert. Frau Beer hat eine Zusatzfrage. Bitte schön, Frau Abgeordnete Beer.

Sehr geehrter Herr Minister, ich danke für Ihre Antwort. Ich würde uns gern Ihren Sprechzettel anlässlich der Unterzeichnung der Arnsberger Vereinbarung am 25.08.2006 in Erinnerung rufen. Sie haben ausgeführt:

„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir im offenen Dialog und mit freiwilligen Vereinbarungen für die Menschen in NordrheinWestfalen viel mehr erreichen können als mit immer neuen Gesetzen, Verordnungen oder Anweisungen.“

Stimmen Sie mir zu, dass die Einschätzung, die Sie vorgenommen haben, falsch ist? Wie werden Sie in Zukunft auf den Vertrauensbruch reagieren?

Bitte, Herr Minister Uhlenberg.

Frau Abgeordnete, ich habe gerade deutlich gemacht, wie ich auf diesen Vertrauensbruch reagiert habe. Ich setze weiterhin auf einen offenen Dialog. Ich bin der Auffassung, dass die Arnsberger Vereinbarung richtig ist. Aber Sie sehen auch bei diesem Vorgang: Wenn sie nicht eingehalten wird oder wenn die Informationspolitik vonseiten eines Partners aus der Arnsberger Vereinbarung nicht so betrieben wird, wie es notwendig und verantwortlich ist, reagiere ich als Umweltminister umgehend.

Der zweite Fragesteller ist der Kollege Remmel von den Grünen. Bitte schön.

Sehr geehrter Minister, wann wurden die Bezirksregierung bzw. das Ministerium erstmals über diesen Vorgang informiert?

Bitte, Herr Minister.

Am Freitag, am letzten Freitag.

Vielen Dank. – Nächste Fragestellerin ist Frau Löhrmann von den Grünen.

Herr Minister Uhlenberg, die gesamte Angelegenheit hat einen relativ langen Vorlauf. Sie hat auch eine heftige Auseinandersetzung hervorgerufen, auch persönlich zwischen Ihnen und dem Kollegen Remmel.

Ich bin jetzt nicht die entschuldigungspolitische Sprecherin der Grünen, wie das Herr Papke für die FDP ist. Aber angesichts dessen, wie Sie versucht haben, Herrn Remmel der Panikmache zu bezichtigen, und angesichts dessen, was Sie heute eingeräumt haben: Halten Sie es nicht für richtig, sich bei Herrn Remmel dafür zu entschuldigen?

Bitte, Herr Minister.

Nein, ich sehe überhaupt keine Veranlassung, mich bei Herrn Remmel zu entschuldigen. Das wissen Sie auch, Frau Abgeordnete Löhrmann.

Ich bleibe bei meiner Behauptung, dass Herr Remmel insbesondere im Zusammenhang mit den Vorkommnissen am Möhnesee in unverantwortlicher Art und Weise zur Panikmache beigetragen hat.

(Beifall von der FDP)

Die zweite Frage des Kollegen Remmel.

Ziehen Sie aufgrund des jetzt bekannt gewordenen Sachverhalts auch weitere Konsequenzen, bezogen auf die Zuverlässigkeit der Wasserversorger, über die Wasserwerke Westfalen hinaus? Zweifeln Sie insgesamt an der Zuverlässigkeit der Wasserversorger entlang der Ruhr, jedenfalls an derer, die bislang keine feste Aktivkohle installiert haben?

Bitte schön, Herr Minister.

Herr Abgeordneter, wir werden die Arbeitsweise der Wasserwerke gerade auch im Zusammen

hang mit unserer Arnsberger Vereinbarung entsprechend begleiten und überprüfen. Wir werden dort, wo es notwendig ist, auch einfordern, dass Aktivkohledosierungen eingeschaltet und betrieben werden.

Die zweite Frage von Frau Beer von den Grünen.

Herr Minister Uhlenberg, Ihre Antwort eben hat mich nicht zufriedengestellt. Ich darf noch einmal aus einem Ihrer Interviews zitieren, in dem Sie sagen: Das heißt, dass mein Dialogstil mit den Wasserwerken zum Erfolg führt, dass wir mehr erreicht haben.

Sie haben mit Ihrem Dialogstil Schiffbruch erlitten. Wollen Sie immer noch behaupten, dass dies die erfolgreiche Art und Weise ist, die Menschen im Land vor Gesundheitsschädigungen zu bewahren?

Bitte, Herr Minister.

Frau Abgeordnete Beer, ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Dialogstil erfolgreich ist. Ich möchte darauf verweisen, dass es zwischen der Vorgängerregierung und der Wasserwirtschaft in den vergangenen Jahren keine Gesprächsbasis gegeben hat, dass man nicht miteinander gesprochen hat.

Die Arnsberger Vereinbarung, die ich mit der Wasserwirtschaft in Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebracht habe, beinhaltet, dass es jetzt vonseiten der Wasserwirtschaft in NordrheinWestfalen Investitionen in einer Größenordnung von 60 Millionen € gibt, um die Wasserqualität in Nordrhein-Westfalen zu verbessern. Das ist der eine Teil des Dialogs. Das ist ein gutes Ergebnis des Dialogs.

Auf der anderen Seite mache ich aber auch deutlich, dass ich die Politik der Wasserwirtschaft in Nordrhein-Westfalen weiterhin kritisch begleiten werde.

Nächste Fragestellerin ist Frau Schulze von der SPD.

Herr Minister, können Sie uns erläutern, welche Gefahren durch die Abschaltung der Filter für Verbraucherinnen und Verbraucher genau entstanden sind?