Protokoll der Sitzung vom 19.09.2007

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal auf die Genese der jetzt vorliegenden Beschlussvorlage eingehen. In der großen Volkspartei CDU gibt es in manchen Fragen durchaus verschiedene Positionen. Das hängt neben der Überzeugung des Einzelnen häufig von Funktionen ab, die unsere Freunde vor Ort haben, bisweilen auch von regionalen Bedingungen. So urteilt ein Freiberufler oder ein Handwerker vermutlich anders über die Notwendigkeit der Änderung von § 107 GO als ein Geschäftsführer oder Mitarbeiter eines kommunalen Unternehmens. Auch die Frage der Entkopplung wird von hauptamtlichen Kommunalbeamten unter Umständen anders beurteilt als von einem ehrenamtlichen Ratsmitglied. All dies weiß jeder. Zudem gibt es zwischen Parteien unterschiedliche Beurteilungen. Auch das ist normal.

Vor diesem Hintergrund ist die heutige Beschlussempfehlung, ist die Novelle der Gemeindeordnung ein gelungener Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen. Sicher könnte sich jeder in Einzelfragen auch andere Lösungen vorstellen. Aber seien Sie versichert, dass dieser Vorschlag von einer ganz breiten – auch kommunalen – Mehrheit in der CDU getragen wird. Alle unsere kommunalen Verantwortungsträger erkennen an, dass von den Verantwortlichen um einen fairen Kompromiss gerungen worden ist.

(Beifall von der CDU – Lachen von der SPD – Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Gerade Sie, Herr Jäger, sollten jetzt nicht so scheinheilig tun, als wäre eine solche Entscheidungsfindung außergewöhnlich. Ich will dazu nur einen Satz sagen. Ich selbst habe zehn unangenehme Jahre Rot-Grün in diesem Hause erlebt – mit Streitkultur in ihrer schlimmsten Form – und weiß deshalb die nicht immer einfache Zusammenarbeit mit der FDP zu schätzen.

(Heiterkeit von Manfred Kuhmichel [CDU] und der SPD)

Lassen Sie mich abschließend auf Ihre Änderungsanträge eingehen. Ich habe selten ein schlimmeres Armutszeugnis parlamentarischer

Arbeit gesehen. Seit Beginn dieser Wahlperiode haben Sie, auch schon vor Einbringung des GOGesetzentwurfs, unzählige Male das Thema „GONovelle“ auf die Tagesordnung dieses Hohen Hauses gesetzt und herzzerreißend diskutiert. In der entscheidenden Ausschusssitzung mit der abschließenden Beratung über diesen Gesetzentwurf kam von Ihnen außer kleinlichem Gemäkel nichts – keine Alternative, gar nichts!

(Beifall von der CDU)

Heute kommen Sie mit einem ganzen Bündel von Änderungsanträgen, obwohl Sie genau wissen, dass Sie mit diesem Prozedere keinerlei Aussicht auf Erfolg haben. Vor einem halben Jahr ist der Gesetzentwurf eingebracht worden; Sie hätten also ausgiebig Zeit gehabt, Ihre Vorstellungen einzubringen. Heute damit zu kommen, macht lediglich deutlich, dass Sie Ihre Arbeit nicht ernst nehmen, dass Sie nur für die Galerie arbeiten und dass Ihnen das Schicksal unserer Städte völlig egal ist.

(Ralf Jäger [SPD]: Das ist doch albern, Herr Lux! – Britta Altenkamp [SPD]: Sind Sie Ab- geordneter oder Schauspieler?)

Von daher werden wir Ihre Änderungsanträge ablehnen und dem vorliegenden Beschlussvorschlag zustimmen. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lux. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Töns das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lux, wenn ich das am Rande bemerken darf: Es ist schon ziemlich abenteuerlich, wie Sie die Koalitionsverhandlungen zum § 107 beurteilen. In Ihrer Fraktion haben – das will ich vorwegschicken – einige Kollegen die Faust in der Tasche, und zwar mit Recht:

(Beifall von der SPD)

weil sie sich vor Ort auskennen und ganz genau wissen, dass das, was Sie jetzt tun, eine Zerschlagung, ein Ausbluten der Stadtwerke ist.

(Widerspruch von der CDU)

Dann schicken Sie Herrn Weisbrich durchs Land, der in jeder Kommune bei Podiumsdiskussionen etwas anderes behauptet, warum das abgeschafft werden muss. Er fängt bei der EU an – das stimmt ja alles so nicht – und hört bei der Änderung der Querfinanzierung auf. Ich finde das

schon abenteuerlich; manchmal ist die Argumentation ziemlich dreist.

(Beifall von der SPD)

Das Ganze nennt sich GO-Reformgesetz bzw. Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Allein diese Bezeichnung ist eine Farce, muss man sagen, wenn man sich das Gesetz anschaut. Sie ändern die Gemeindeordnung nicht, um den Kommunen mehr Freiheiten zu geben, sondern um ihnen entscheidende Entwicklungsmöglichkeiten zu nehmen. Das ist das Ziel.

Dieser Gesetzentwurf trägt nicht nur die Handschrift dieses liberalen Innenministers, er dient auch nur den Interessen der FDP. Dies ist ein FDP-Gesetz!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

So mancher Abgeordnete der CDU hat, wie gesagt, die Faust in der Tasche, und das wohl auch mit Recht. Herr Stahl ist zum Zuchtmeister seiner Fraktion geworden.

(Zurufe von der CDU: Och!)

Herr Biesenbach muss in der Ausschusssitzung anwesend sein, damit die Abstimmungen funktionieren. Das macht sehr deutlich, wie schwer es ist, das durchzusetzen, Herr Stahl; das sieht man. Warum können Sie eigentlich nicht auf die kritischen Anmerkungen Ihrer Kollegen hören?

(Hendrik Wüst [CDU]: Sie sehen uns nicht erschüttert!)

Dass Sie auf unsere Kritik nicht hören, Herr Stahl, kann ich fast verstehen. Aber warum hören Sie ausgerechnet auf Ihren Koalitionspartner FDP – die kommunalpolitische Kraft in NordrheinWestfalen, in manchem Rat überhaupt nicht vorhanden? Bei der CDU mag es kommunalpolitische Kompetenz geben, bei der FDP existiert sie definitiv nicht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Man kann darüber reden, ob man an der GO punktuell etwas ändern müsste. Wir verschließen uns da nicht. Darum stellen wir zu Ihrem Gesetzentwurf eine Reihe von Änderungsanträgen, die deutlich machen, dass uns die kommunale Selbstverwaltung sehr wichtig ist.

Wir beantragen erstens – das ist richtig so, da liegt der Gesetzentwurf vollkommen falsch –, die Amtszeit der Oberbürgermeister, Bürgermeister, Landräte bei fünf Jahren zu belassen.

Es hat nicht mit mehr Demokratie zu tun, wenn man Bürgermeister, Oberbürgermeister und Land

räte getrennt von den Räten wählt. Das hat nicht mit mehr Demokratie, sondern das hat am Ende mit Politikverdrossenheit und sinkender Wahlbeteiligung zu tun.

Zweitens sollte man über die Änderung von § 44 reden. Da geht es um die Freistellung der in den Räten tätigen Bürgerinnen und Bürger. Veränderte Rahmenbedingungen fordern eine Stärkung der ehrenamtlich Tätigen in den Räten. Ich finde, an der Stelle sollten wir etwas tun. Das ist nach meiner Überzeugung eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.

Drittens. Die Höhe der Aufwandsentschädigung der Ratsmitglieder – diese ist in § 45 geregelt; hier wird es wieder abenteuerlich, Herr Lux – soll der Ausschuss nach unserer Überzeugung im Einvernehmen mit dem Innenminister festlegen. Sie wollen das abschaffen. Sie überlassen das Ihrem Innenminister. Was treibt Sie hier eigentlich an? Warum kastriert sich Ihre Fraktion in dieser Frage selbst?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist ein Punkt, den ich überhaupt nicht verstehen kann.

Viertens – hier wird es skandalös – wollen Sie die Entschädigung der Gruppen- und Einzelvertreter deutlich erhöhen. Wissen Sie eigentlich, wen Sie damit unterstützen? Es sind gerade die extremen Parteien, die Nutznießer einer solchen finanziellen Ausstattung sind. Ein liberaler Innenminister trägt zur besseren Finanzierung von zum Teil verfassungsfeindlichen Gruppen bei! Ich finde, das ist ein Skandal.

(Horst Becker [GRÜNE]: Da ist er liberal! Sonst nicht!)

Ja, da geht es auch wieder um die FDP.

Lassen Sie mich fünftens noch einmal auf den zu Beginn erwähnten § 107 eingehen, den Sie ändern wollen. Unser Änderungsantrag besagt: Wir wollen ihn belassen, wie er ist: weil er gut ist für die Kommunen, für die in den Kommunen tätigen Unternehmen, für die kommunalen Unternehmen und für die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall von der SPD)

Dieser Paragraf – einige werden es nicht wissen; schließlich haben wir auch Gäste hier im Haus – regelt die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen. Sie wollen das Ende der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen. Das ist pure Ideologie. Hier geht es nur um „Privat vor Staat“. Das wird

nicht inhaltlich ausgeführt und es wird nicht begründet.

Im Übrigen haben Sie die Begründung an der Stelle vergessen. Darum wird noch etwas nachgelegt. Das ist interessant. Deswegen müssen Sie ja heute den Entschließungsantrag einbringen.

Die Stadtwerke in unserem Land arbeiten hocheffizient – und das zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen.

(Beifall von der SPD)

Es sind keine Kraken, wie es schon einmal von Ihnen zu hören war. Und das wissen auch viele kommunalpolitisch Tätige in Ihrer Fraktion, Herr Stahl. – Herr Lux, das ist externer Sachverstand. Das muss man auch wissen.

Sie sind gegen die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen und wollen wirtschaftlich gesunde Stadtwerke zerschlagen.

(Christian Weisbrich [CDU]: Wer sagt denn so was? – Gegenruf von Marc Jan Eumann [SPD]: Sie wissen doch genau, was Sie da machen!)

Sie wissen nicht, dass diese Betätigung der Kommunen den Menschen in unserem Land dient und dass es für sie kostengünstiger ist. Aber Sie wollen die Gewinne privatisieren und überlassen der Gemeinheit die Verluste aus bestimmten Bereichen, die in der Daseinsvorsorge unvermeidlich sind.