Liebe Frau Kollegin Beer, ich würde Ihnen raten, zunächst einmal zuzuhören, dann würde sich vielleicht auch die Antwort ergeben.
Nicht nur die Sprache wirkt auf Verhalten und Bewusstsein, auch das Handeln. Das ist offensichtlich der unterstützenden SPD-Fraktion nicht hinreichend bewusst, denn anders lässt sich nicht erklären, wieso eine Fraktion, die auf ihrer Webseite die geschlechtergerechte Sprache nur in Teilen anwendet und beispielsweise mal von „Mitarbeitern“ und mal von „Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ spricht, einen Antrag unterstützt,
in dem gerade die mangelnde Konsequenz in puncto Anwendung der geschlechtergerechten Sprache beklagt wird.
Es gibt mittlerweile – darauf haben wir auch in den Ausschussberatungen hingewiesen – ein größeres Bewusstsein für die Geschlechterproblematik. Die entsprechenden Regelungen sind schon seit bald zehn Jahren in Kraft. Das Ansinnen der Grünen ist damit eigentlich überflüssig.
Wenn ich auf das zu sprechen komme, Frau Steffens, was Sie gerade gesagt haben, und das lobende Beispiel Bayern, dann gehen Sie mal in das tiefe Bayern. Dort hat die geschlechtergerech
(Beifall von der FDP – Britta Altenkamp [SPD]: Wenn Sie wenigstens Mundart spre- chen würden, dann wäre das alles nicht so schlimm!)
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sprache ist etwas Gewachsenes, sie kann nicht von oben verordnet werden. In der ehemaligen DDR haben wir gesehen, wohin ein Politikversprechen, das den Menschen aufgedrückt wird, führt: zu Floskeln, die niemand ernst nimmt. Wenn wir die geschlechtergerechte Sprache bei den Menschen in diesem Land verankern wollen, dann müssen wir dafür werben. Wir glauben, dass die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen eher geschlechtergerechte Formulierungen gebrauchen, wenn man sie überzeugt, als wenn man es ihnen vorschreibt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Westerhorstmann. – Jetzt hat für die SPD-Fraktion Frau Abgeordnete Boos das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sprache bewirkt viel in unseren Köpfen. Sie hat eine hohe Bedeutung, wenn es um Veränderungen des Denkens geht, und damit auch einen hohen Einfluss darauf, wie wir unser alltägliches Leben in allen Bereichen strukturieren und ordnen. Neue Ideen beginnen immer in den Köpfen, lange bevor sie in die Tat umgesetzt werden, und formuliert werden sie mit unserer Sprache. Nur über dieses Hilfsmittel sind sie der Umwelt verständlich zu machen, ihre Bedeutung kann gar nicht überschätzt werden.
Wenn wir nun also feststellen müssen, dass eine geschlechtergerechte Sprache immer noch nicht hundertprozentig im Landtag angekommen ist, ist das ernüchternd. Und offenbar nicht nur das: Die Idee der Geschlechtergerechtigkeit ist längst noch nicht überall in unserem Leben so verwurzelt, wie ich mir das wünschen würde. Ich möchte das kurz an einem Beispiel deutlich machen, wie es mir in der vergangenen Woche aus meinem direkten persönlichen Umfeld zugetragen wurde:
In vielen Bereichen haben wir in Deutschland einen Mangel an Fachkräften. Sehr oft handelt es sich dabei um Arbeitsfelder, die immer noch als klassisch männlich wahrgenommen werden wie zum Beispiel die technischen Berufe. Meine 16jährige Tochter, die durchaus mit dem Gedanken
spielt, nach ihrem Abitur eine Ingenieurwissenschaft zu studieren, hatte sich um eine Praktikumsstelle in einem technischen Betrieb beworben. In einem ersten Antwortbrief, in dem lediglich eine spätere Entscheidung über die Bewerbung angekündigt wurde, wurde sie bereits mit „Herr Carolin Boos“ angesprochen. Nachdem sie telefonisch klargestellt hat, dass es sich bei ihr um eine weibliche Bewerberin handelt, kam dann einige Zeit später eine Absage, wieder adressiert an „Herrn Carolin Boos“.
Natürlich handelt es sich hier um einen Einzelfall, leider aber meines Erachtens um einen prägenden. Den Fachkräftemangel in technischen Berufen kann man so auf keinen Fall beheben. Mehr Frauen und Mädchen für diese Berufe zu begeistern, könnte dagegen durchaus Abhilfe schaffen.
Dies gilt in ähnlicher Weise für Leitungsfunktionen in vielen Berufen. Hier gibt es einen erheblichen Mangel an Frauen, was auch daran liegt, dass Begriffe wie Professor, Politiker und Chef in unserem Denken eben mit dem männlichen Geschlecht assoziiert werden. Eine geschlechtergerechte Sprache löst nicht alle Probleme, die wir haben, aber sie ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Lösung.
An dieser Stelle möchte ich aber auch feststellen, dass sich schon viel getan hat. Die Frauenbewegung ist älter als die Sozialdemokratie, aber die Sozialdemokratie hat sich um die Frauenbewegung sicherlich verdient gemacht. Mittels Gesetzen wie dem Landesgleichstellungsgesetz und auch durch Veränderungen in der Sprache haben wir schon eine Reihe von Schritten auf einem langen Weg zurückgelegt. Das äußert sich nicht zuletzt darin, dass es heutzutage glücklicherweise nicht mehr oft vorkommt, dass ein Brief zum Beispiel an „Familie Prof. Dr. Klaus Müller“ adressiert ist. Das einkommenssichernde Familienoberhaupt Klaus in der Anrede ist sicherlich mittlerweile überholt.
Aber dennoch war es ein großes Gesprächsthema, dass Angela Merkel selbstverständlich die Bundeskanzlerin ist und nicht die „Frau Bundeskanzler“ oder dass bei Staatsbesuchen im Beisein ihres Ehemannes nicht mehr nur ein Damenprogramm angeboten wurde, sondern ein Begleitprogramm.
Es gibt also noch eine ganze Menge zu tun. Viele Veränderungen sind schon in den Köpfen verwurzelt, aber eben noch nicht in allen.
Auch wenn wir als SPD-Fraktion der Meinung sind, dass der Antrag in einigen Punkten der Begründung ein wenig über das Ziel hinausschießt,
Endlich einmal ein allgemeiner Applaus für mich, auch wenn es nur bei einer Zwischenfrage ist. Vielen Dank.
Frau Dr. Boos, meine Frage lautet: Machen Sie jetzt eine Kehrtwende, wenn Sie diesem Antrag etwas Positives abgewinnen können? Denn im Hauptausschuss haben Sie noch gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen gegen diesen Antrag gestimmt.
Federführend ist der Ausschuss für Frauenpolitik. Dort haben wir so diskutiert, dass wir dem zustimmen werden, Herr Groth.
Ich möchte mit einem Zitat aus einer Rede der ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten Brigitte Speth schließen. Gehalten wurde diese Rede am 10. März 1988. An Richtigkeit und Bedeutung haben ihre Worte nicht verloren. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:
„Sprache hat etwas mit Bewusstsein zu tun. Bewusstsein ändert Sprache, und Sprache ändert Bewusstsein. Wenn Frauen andere Ansprüche an die Strukturen und an die Inhalte der Politik stellen, so muss sich das widerspiegeln in anderen Formen der Auseinandersetzung, des inhaltlichen Streites und auch in der Sprache. Eine Schrägstrich-, Klammer-aufKlammer-zu-Sprache empfinde ich als den Frauen nicht angemessen.“
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe fünf Minuten Zeit und will mich daher auch auf fünf Aspekte beschränken, die dafür sprechen, den Antrag der Grünen abzulehnen.
Erstens. Dass nach Möglichkeit geschlechtergerechte Sprache angewendet werden soll, bezweifelt niemand. Dass geschlechtsspezifische Herangehensweisen wichtig und richtig sind, bezweifelt auch niemand.
Deshalb hat das Land beispielsweise ein Gesundheitspräventionskonzept erarbeitet, das den unterschiedlichen Bedürfnissen beider Geschlechter Rechnung trägt. Auch die von CDU und FDP erarbeitete Initiative „Jungen fördern – ohne Mädchen zu benachteiligen“ zeigt, dass wir die Differenzierung der Geschlechter im Blick haben, aber eher inhaltlich als in solchen Oberflächlichkeiten.
Zweitens. Wie ich gerade schon gesagt habe, setzen wir auf Inhalte und halten uns nicht an Formalien auf. Der heutige Antrag ist doch Beweis dafür, dass die Grünen einen sachlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Frauenpolitik für nicht so wichtig halten.
Das gilt im Übrigen auch für andere Politikfelder. So stellte die grüne Fraktion doch tatsächlich einen Änderungsantrag zum Haushalt 2007 mit dem Ziel, einen Programmtitel zu ändern; Spitzenwissenschaftler sollten um Spitzenwissenschaftlerinnen ergänzt werden. Materielle Dinge spielten in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rolle.
Liebe Frau Steffens, deutlicher können Sie nicht zeigen, dass Sie nicht ansatzweise in der Lage sind, die wichtigen Probleme des Landes zu lösen. Während Sie sich mit männlichen und weiblichen Schreibweisen beschäftigen, packen wir die zentrale Herausforderung bei der beruflichen Gleichstellung von Mann und Frau an, und zwar in Form eines massiven Ausbaus von Betreuungsplätzen für kleine Kinder. Sie führen eine Scheindebatte. Wir hingegen schaffen Fakten, die Frauen tatsächlich weiterbringen.
Drittens. Keinem von uns unterstelle ich, dass er mit seinen schriftlichen oder mündlichen Beiträgen eine geschlechtsspezifische Diskriminierung verfolgt – auch dann nicht, wenn jemand, wie ich