Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Das gilt im Übrigen auch für die Lärmemissionen. Die gerade schon zitierte Untersuchung, die vom damaligen Bundesumweltminister Trittin in Auftrag gegeben wurde, hat erwiesen, dass die generelle Einführung eines Tempolimits von 120 oder 130 km/h zu einer Lärmreduzierung von weniger als 2 dB(A) führen würde und somit keine nachhaltige Wirkung für die Lärmschutzziele hätte. So können wir feststellen: Aus umweltpolitischen Gründen ist die Einführung eines generellen Tempolimits nicht erforderlich.

Ähnlich verhält es sich mit dem Sicherheitsaspekt, der immer wieder angeführt wird. Ich weiß, es ist etwas makaber, wenn man mit Verletzten- und Totenzahlen hantiert, als wären es irgendwelche Sachen. Insofern entschuldige ich mich ausdrücklich dafür, dass ich Zahlen vortrage, die einem eigentlich einen Schauer über den Rücken jagen müssten. Wahr ist allerdings: Die Autobahnen in unserem Land sind die sichersten Straßen nicht nur im Vergleich mit Bundes- und Landesstraßen, sondern Sie sind auch im europäischen Vergleich die sichersten Straßen.

Die Getötetenraten auf Bundes- und Landestraßen lagen im Jahre 1985 bei 27 bzw. 29 und im Jahre 2005 bei 10 bzw. 11 Getöteten je Milliarde Kfz-Kilometer. Diese konnten auf den Autobahnen von fünf Getöteten je Milliarde Kfz-Kilometer im Jahre 1985 auf etwa 2,5 Getötete je Milliarde KfzKilometer im Jahre 2005 halbiert werden.

In Nordrhein-Westfalen entfielen im Jahre 2005 4,8 Getötete auf 100.000 Einwohner. Mit Ausnahme der Niederlande, die 4,6 Getötete je 100.000 Einwohner aufwiesen, schnitten alle anderen im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen genannten EU-Länder mit generellen Tempolimits auf den Autobahnen erheblich schlechter ab als wir in Nordrhein-Westfalen.

Herr Minister.

Zum Vergleich: Dänemark verzeichnet 6,1, Frankreich 8,5, Luxemburg 10,1, Belgien 10,4, Tschechien 12,6 und Polen 14,3 Getötete pro 100.000 Einwohner.

Ein Satz noch, Frau Präsidentin. Dann lasse ich die Zwischenfrage gerne zu.

Diese Zahlen zeigen, meine Damen und Herren, dass mehr Sicherheit auf Autobahnen eben nicht durch ein Tempolimit herbeigeführt wird, sondern nur durch intelligente Bauweise im Straßenbau, durch sichere Fahrzeuge, durch situationsabhängige Tempolimits, wie wir sie heute schon auf einer Vielzahl von Autobahnen in NordrheinWestfalen haben. Denn 33 % der Strecken auf unseren nordrhein-westfälischen Autobahnen sind schon heute mit einer zeitweiligen oder permanenten Geschwindigkeitsbegrenzung versehen.

Herr Minister, Sie haben signalisiert, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Bitte schön, Herr Lehne. Sie haben das Wort.

Herr Minister, teilen Sie mit mir die Auffassung, dass sowohl die grüne Fraktion wie auch die SPD-Fraktion an diesem Thema anscheinend kein großes Interesse haben, da sie sich kaum im Saal befinden?

(Beifall von CDU und FDP – Achim Tütten- berg [SPD]: Das war bei der Rede des Minis- terpräsidenten gestern bei Ihnen genauso! – Dieter Hilser [SPD]: Jedenfalls sind wir nicht eingeschlafen!)

Herr Kollege, ich würde mich als Mitglied einer Regierung niemals dazu hinreißen lassen, das Verhalten von Abgeordneten zu bewerten.

(Beifall von CDU und FDP – Lachen von SPD und GRÜNEN)

Ich bin Ihnen allerdings vor dem Hintergrund der weiteren Diskussion auch in der Öffentlichkeit dafür dankbar, dass Sie mit dieser Wortmeldung deutlich gemacht haben, wie die Präsenz hier im Plenum ist. Denn diese wird normalerweise nicht im Protokoll festgehalten.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, zum Schluss und abschließend: Hinsichtlich dieses Antrags von Bündnis 90/Die Grünen – dies gilt genauso für den Bundesparteitagsbeschluss der Sozialdemokraten in Hamburg; für das, was hier von Herrn

Tüttenberg vorgetragen wurde, kann ich es leider nicht sagen, weil es so schwammig und wenig greifbar war, dass sich jedwede Bewertung verbietet – kann festgehalten werden: Hier wird Sachpolitik durch Symbolpolitik ersetzt. Hier werden Argumente durch Vermutungen ersetzt. Hier wird versucht, ein Thema aufzujazzen, das normalerweise nur im Sommerloch auf der Tagesordnung steht.

Nun gut, wir haben zwar jetzt schon Spätherbst bzw. den frühen Winter, aber trotzdem glaube ich, dass dieses Thema nicht geeignet ist, um im Zusammenhang damit in populistischer Art und Weise, wie es der Antrag der Grünen und der Bundesparteitagsbeschluss der Sozialdemokraten getan haben, die ernsten Komplexe „Sicherheit auf unseren Straßen“ und „Schadstoffreduzierungen im Straßenverkehr“ zu diskutieren. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir zu einer sachlichen Argumentation zurückfinden und nicht so tun, als könnten wir mit einfachen Lösungen schwierige Sachverhalte angehen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Redner hat Herr Kollege Hilser für die Fraktion der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind vielleicht nicht alle Abgeordneten der SPD anwesend,

(Lachen von CDU und FDP)

aber im Gegensatz zu Ihrem Kollegen, der gestern während der Rede des Ministerpräsidenten einschlief, ist von den Anwesenden niemand eingeschlafen.

(Beifall von der SPD)

Ich äußere mich jetzt noch einmal zum Antrag von CDU und FDP, weil zu befürchten ist, dass dieser Antrag beschlossen wird.

Ich halte zunächst einmal als Resümee fest: Dieser Antrag ist unterirdisch schlecht – genauso schlecht wie die Halbzeitbilanz des Fachministers Wittke.

(Beifall von der SPD)

Dies werde ich jetzt anhand von zwei Teilbereichen begründen. – Sie argumentieren zunächst zu Recht, dass unter ökologischen Aspekten ein Tempolimit auf Autobahnen nur geringfügig wirke. – Das ist rich

tig. Alle Ergebnisse weisen einen Beitrag von etwa 2 % zur Emissionsreduktion aus. Das ist insoweit richtig.

Nur: Der Kollege Brockes hat diese 2 % beklatscht. Insofern frage ich mich, wie verschwindend gering eigentlich der kommunale Einfluss der FDP ist. Denn Sie liegen dort auch bei 2 %. Also: geringfügig und verschwindend gering.

(Beifall von der SPD)

Dann zum Thema Verkehrsfluss auf Autobahnen/Kapazitätsfrage: Wie viele Autos bringe ich pro Zeiteinheit auf die Autobahn? Das ist eine ganz entscheidende Frage für die Zukunft. Da gibt es eine Untersuchung aus Brandenburg, die ganz aktuell ist und nicht von 1999 wie die von Herrn Trittin, Kollege Wittke. Diese Untersuchung aus Brandenburg zeigt, dass die Kapazitäten nach Einführung von Tempo 130 eindeutig, und zwar kräftig, angestiegen sind. Ich bekomme also bei einer gleichmäßigen Geschwindigkeit mehr Autos in derselben Zeiteinheit auf die Autobahn. Das ist also ganz eindeutig ein Beitrag zum Verkehrsfluss und für mehr Kapazitäten auf unseren Autobahnen.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Hilser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Burkert?

Ja, sicher.

Bitte, Herr Kollege.

Sie haben gerade von der Kapazitätsaufnahme der Autobahnen gesprochen. Haben Sie auch Zahlen, wie die Aggressivität der Autofahrer bei Tempo 130 zugenommen hat?

Ja, ich kann sagen: Auf dem Autobahnabschnitt in Brandenburg von 64 Kilometern hat die Kapazität um 7.500 PKW zugenommen. Insofern bedanke ich mich für die Zwischenfrage.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Die Frage ist nicht beantwortet wor- den!)

Dann zum entscheidenden Thema Verkehrssicherheit. Deshalb habe ich gesagt: Ihr Antrag ist unterirdisch schlecht. Wenn Sie im Antrag formulieren, eine Geschwindigkeitsbegrenzung trägt zur

Verkehrssicherheit nur unwesentlich bei, dann nenne ich Ihnen einmal Zahlen aus Brandenburg.

Auf einer Strecke von 64 Kilometern gab es bis 2002 keine Geschwindigkeitsbegrenzung, seit 2002 eine Begrenzung auf 130 km/h. Seit ihrer Einführung ist die Zahl der Toten von sechs bis acht pro Jahr auf einen heruntergegangen. Die Zahl der Schwerverletzten auf dieser Strecke ist von 55 auf 29 heruntergegangen. Es gibt also auf derselben Strecke bei derselben zeitlichen Messung ganz eindeutig einen Rückgang von Verkehrstoten und Schwerverletzten. Wenn das kein Argument für 130 ist, weiß ich nicht, was für ein Argument man noch benutzten soll.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Hilser, es gibt noch eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Henke. Wollen Sie die zulassen?

Selbstverständlich.

Herr Kollege, könnte es denkbar sein, dass das von Ihnen geschilderte Beispiel belegt, dass auf dieser Strecke in Brandenburg die Entscheidung für ein Tempolimit von 130 zutreffend und richtig war und einen positiven Effekt hatte, dass daraus aber nicht denknotwendig folgt, dass das auch auf allen anderen Straßen der Fall sein muss?

(Zuruf von der SPD)

Vielen Dank für die Zwischenfrage, Herr Kollege Henke. Gerade deshalb beantragen wir mit unserem Antrag, dass diese Daten für Nordrhein-Westfalen erhoben werden. Genau deshalb!

(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Daher habe ich die Bitte, dass Sie sich schon aufgrund Ihrer Zwischenfrage unserem Antrag anschließen, dass wir auf einer vernünftigen Basis – siehe Brandenburg – dann gemeinsam diskutieren können.

(Beifall von der SPD)