Protokoll der Sitzung vom 16.11.2007

(Beifall von den GRÜNEN)

Das macht er, weil er von seinem Regierungspräsidenten in Arnsberg am Nasenring durch die Arena gezogen wird, der Verkehrsminister sich gegen ihn aufgestellt hat und die FDP bereits öffentlich erklärt hat, sie wolle diese Umweltzonen nicht.

Dann müssen Ausreden herhalten. Die Öffentlichkeit wird in die Irre geführt, wenn argumentiert wird, man könne sowieso keine zusammenhängende Zone installieren, weil die Autobahnen in so etwas nicht zu integrieren seien. Das war von Anfang an klar; das ist keine Neuigkeit. Das sind Scheinargumente, die nicht zu Wahrheit und Klarheit beitragen.

Einen neuen Auftrieb hat die Debatte auch deshalb bekommen, weil ein Gerichtsurteil des Bundesverwaltungsgerichtes jedem einzelnen Bürger, jeder einzelnen Bürgerin das Recht auf Schutz vor Feinstaub, auf Schutz der eigenen Gesundheit zuspricht. Deshalb haben die Kommunen ein explizites Interesse daran, dass tatsächlich ein solch umfassender Plan umgesetzt wird: die Einrichtung einer großräumigen Umweltzone statt Umweltzonenflickenteppiche. Das ist – im Übrigen auch durch Gutachten vom Bundesumweltamt bestätigt – die Maßnahme, die den höchsten Erfolg zur Senkung des Feinstaubs verspricht. Das hat übrigens auch die Anhörung ergeben, die wir dazu im Landtag durchgeführt haben.

Kleine Umweltzonen sind deutlich weniger effektiv. Vor allen Dingen sind sie mit viel mehr bürokratischem Aufwand behaftet. Deshalb können wir nicht nachvollziehen, dass nach der Ankündigung im Frühjahr jetzt nicht gehandelt wird.

Großräumige Umweltzonen haben deutlich mehr Reduzierungen zur Folge. Großräumige Umweltzonen schützen die Menschen wesentlich besser. Eine zusammenhängende Umweltzone verhindert Verkehrsverlagerungen und Umwegfahrten. Eine große Zone verhindert auch die Nachteile für bestimmte Teile der Wirtschaft, weil sie einheitliche Standards setzt. Als Nebeneffekt wird ein Schilderwald vermieden, den man aufstellen müsste, wenn man sich in der Kleinteiligkeit verliert. Nur so kann der Anreiz zur flotten Modernisierung tatsächlich dokumentiert werden. Und nur so vermeidet man unnötige Konkurrenz zwischen den Städten.

Die Ampelkarten, die in diesem Zusammenhang von dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz erstellt wurden, dokumentieren sehr eindringlich – schauen Sie sich das bitte einmal im Netz an; das kann jeder einsehen –, dass wir keine Flickenteppiche der Gefährdung, sondern eine breite Belastung haben, und dass nur mit einer großräumigen Zone dieser breiten Belastung begegnet werden kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Doch statt den obengenannten regionalen Konsens im Ruhrgebiet tatsächlich aufzugreifen und konsequent umzusetzen, lässt sich der Umweltminister seit Monaten vorführen. Was hätte er eigentlich machen müssen? Er hätte die Kompetenz für die Erstellung eines solchen Luftreinhalteplanes an sich ziehen müssen. Das ist Verwaltungshandeln, Regierungshandeln. Er hat aber nicht gehandelt, er hat nicht regiert, sondern er hat die Regierungspräsidenten machen lassen. Wir haben mehrfach gefordert, die lange Leine an dieser Stelle kürzer zu nehmen. Er hat sich aber insbesondere vom Regierungspräsidenten Diegel in Dortmund exemplarisch vorführen lassen. Das spricht nicht für eine starke Position eines Umweltministers, wie er sie eigentlich haben müsste und wie er sie angekündigt hat.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch klarmachen: Die Umweltzone ist ein Instrument, das akut hilft. Es wird aber nicht den dauerhaften Wechsel zu mehr Umweltqualität, zu mehr Gesundheitsschutz in unseren Städten bewirken, wenn nicht gleichzeitig flankierende und begleitende Maßnahmen getroffen werden, um den Umstieg auf öffentliche, auf gesundheitsfreundlichere Verkehrsträger zu fördern.

Wir brauchen also eine Parallelität von Maßnahmen. Als ersten großen Schritt brauchen wir aber eine solche große Zone, um akuten Schutz zu betreiben. Daneben brauchen wir Initiativen, und zwar nicht Klein-Klein, sondern eine große Initiative zum Umstieg auf den ÖPNV gerade in unserer Kernmetropole Ruhrgebiet. Das muss flankierend passieren.

Statt einen großen Sprung zu wagen, werden hier Regionalisierungsmittel gekürzt. Jetzt soll auch noch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zurückgeführt werden. Wie soll denn das gelingen – das muss die Landesregierung an dieser Stelle erklären –, wenn man nicht zusätzlich in diesen Bereich investiert?

Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Wir brauchen jetzt eine Umweltzone. Weil der Minister nicht agiert, muss der Landtag hieri entscheiden, die Dinge an sich ziehen und den Auftrag erteilen. Es ist den Menschen im Ruhrgebiet nicht zuzumuten, noch ein Jahr zu warten. Denn diese Zeitperspektive liegt vor uns. Während die Menschen in Köln bereits einen solchen Plan „genießen“ dürfen, muss es unser Wille sein, das auch im Ruhrgebiet, so schnell es geht, durchzusetzen. Dazu wären politische Entscheidungen notwendig. Diese Landesregierung ist entscheidungsunfähig. Deshalb muss der Landtag diese Entscheidung auf den Weg bringen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Kress das Wort.

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Alle Monate wieder, lieber Johannes Remmel, kommt Bündnis 90/Die Grünen mit einem politisch motivierten Feinstaubantrag. Und wieder einmal soll politischer Staub zulasten unseres Umweltministers aufgewirbelt werden. Ich stelle fest, dass die Wiedervorlagefristen offensichtlich immer kürzer werden.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Ab und zu eine Antwort, dann würde das aufhören!)

Offensichtlich muss mit solchen Schauanträgen die eigene Klientel bedient werden. Dabei wissen doch gerade Sie, Herr Remmel, dass sich kein anderer Umweltminister, keine andere Landesregierung so intensiv mit diesem Thema beschäftigt wie Eckhard Uhlenberg mit seinem Haus in erfolgreicher Kooperation mit Frau Ministerin Christa Thoben.

Eckhard Uhlenberg hat die Feinstaubproblematik zur Chefsache gemacht und in der Tat – das ist doch unstreitig – auch viel erreicht. Die Luftqualität in Nordrhein-Westfalen hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Industrie und Gewerbe haben sehr große Anstrengungen zur Minderung von Luftschadstoffen unternommen, Anstrengungen, die von der Landesregierung aktiv begleitet werden, damit landesweit die anspruchsvollen europäischen Immissionsgrenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid eingehalten werden.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Europäische Union zurzeit die bestehende Rahmenrichtlinie und fünf weitere Rechtsinstrumente,

darunter vier Tochterrichtlinien, zusammenfasst. Die zweite Lesung wird Mitte Dezember diesen Jahres erfolgen.

Der Tagesgrenzwert bleibt bei 50µg/m3, darf aber ab 2010 an 55 Tagen – bisher waren es 35 Tage – überschritten werden. Der Jahresmittelwert für die PM10-Partikel sinkt jedoch ab 2010 von 40µg/m3 auf 30µg/m3. Das ist gut so und wird gemeinsam von Rat und Parlament vertreten. Die Abstimmungen in den Ausschüssen haben bereits stattgefunden.

Aber was für uns noch wichtiger ist: Die Kommission hat für die zweite Lesung im nächsten Monat gemeinsame Änderungsanträge von den Fraktionen EVP-ED, SPE und ALDE angenommen, Anträge, die aktiv von unserer Landesregierung begleitet und von den Koalitionsfraktionen hier ins Plenum eingebracht und beschlossen wurden. So hat die Kommission unseren NRW-Antrag für Gemeinschaftsmaßnahmen zur chemischen und physikalischen Charakterisierung von Feinstäuben an Entstehungsquellen – das steht jetzt im Anhang XVI a – in den Beschlusstext aufgenommen. Dies gilt vorrangig für Gebiete mit besonders schwierigen Bedingungen wie das Ruhrgebiet und die Beneluxstaaten. Genau das entspricht inhaltlich dem hier im Plenum beschlossenen Initiativantrag von CDU und FDP mit dem Titel „Feinstaubprobleme effizient lösen – NRW als Modellregion für Umweltkompetenz entwickeln“.

(Beifall von der FDP)

Ich danke ganz herzlich unserem Umweltminister Eckhard Uhlenberg, Frau Ministerin Christa Thoben, der Landesregierung, dass sie diese sich abzeichnende Erweiterung der EU-Vorgaben in sehr vielen Gesprächen erreicht haben. Dank gilt in dem Zusammenhang auch den Europaabgeordneten Holger Krahmer von ALDE und Karl-Heinz Florenz von der EVP, die nach vielen Diskussionen hier im Landtag unser Anliegen aktiv begleitet haben. Gerne danke ich auch – das sage ich von Herzen – meinem Kollegen Holger Ellerbrock für viele zielgerichtete interne Gesprächsrunden mit unseren Europaabgeordneten hier im Hause.

Wichtig ist doch, dass das Verursacherprinzip stärker berücksichtigt wird, denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, Feinstaub kennt keine Grenzen und kann nur da vermieden werden, wo er entsteht. Darum ist es gut, dass die EU uns zwei Handlungsebenen vorgibt, nämlich erstens lokale, räumlich begrenzte Strategien – das können lokale Verkehrsbeschränkungen, Umweltzonen sein – und zweitens Strategien zur allgemeinen Absenkung der Feinstaubhintergrundbelas

tung – das haben Sie gerade angesprochen –, unter anderem die Umweltanalytik, die wir fordern.

Beide Handlungsebenen müssen in einem integrierten Konzept zusammenwirken. Lösungsstrategien müssen lokal, regional und überregional angelegt sein. In der Tat gibt es im Ruhrgebiet eine Vielzahl von Flächen mit Grenzwertüberschreitungen. Dort müssen Umweltzonen eingerichtet werden. Daneben gibt es aber auch weniger belastete Areale, in denen eine Umweltzone nicht zu begründen ist. Wir wissen doch alle, dass lokale Lösungsstrategien Wirkung zeigen, aber alleine nicht ausreichen. Darum müssen wir die Zusammensetzung der bisher gemessenen Feinstäube und ihre Quellen bewerten und dann zügig und nachhaltig auf die Probleme reagieren.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Das wurde uns ja auch im Rahmen der Sachverständigenanhörung zum CDU/FDP-Antrag am 13. August 2007 sehr eindrucksvoll bestätigt. Unsere Forderung nach einem langfristigen Ansatz bei Emissionsquellen wurde von allen Experten begrüßt und unterstützt. Das Gleiche gilt für unseren Ansatz Modellregion NRW und damit eingehend die von Minister Uhlenberg eingeleitete Initiative Luftreinhalteplan NRW.

Dass die bereits bestehenden lokalen Planungen zu berücksichtigen und zu integrieren sind, ist doch selbstverständlich. Dabei sind die Zuständigkeiten für die Erstellung der anstehenden Pläne klar geregelt. Die Behörden wissen, was sie zu tun haben, und sind gemeinsam mit dem Minister dabei, den erfolgreichen Weg für eine weitere Verbesserung der Luftqualität im Ruhrgebiet und damit für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes weiterzugehen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist doch alles heiße Luft! Ich habe leider keinen Luft- ballon dabei!)

Die Bezirksregierungen sind verpflichtet, in Gebieten, in denen Überschreitungen festgestellt werden, Luftreinhaltepläne aufzustellen und die erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in den Plänen festzuschreiben.

Dabei darf die Diskussion natürlich nicht zu sehr auf den Individualverkehr verengt werden. Lokale Maßnahmen, die bisher im Ruhrgebiet durchgeführt wurden, wie beispielsweise die zeitweilige Sperrung einer Autobahnauffahrt oder das tägliche Nassreinigen betroffener Straßenzüge, können nur in der Vernetzung mit angrenzenden Maßnahmen Minderungsbeiträge leisten. Insellösungen sind aber notwendig und sinnvoll und grei

fen ja auch an besonders gefährdeten Stellen, an denen die Feinstaubbelastung besonders hoch ist. Sie müssen aber zusammengeführt werden.

Dabei sind Verlagerungseffekte zu beachten. Es macht ja keinen Sinn, wenn durch verkehrslenkende Maßnahmen die Belastungsverteilung vergrößert und die Gesamtbelastung erhöht wird.

Aus der Machbarkeitsstudie „Regionale Luftreinhalteplanung Ruhrgebiet“ hat das MUNLV Maßnahmenvorschläge entwickelt, die zu einem Luftreinhalteplan für das gesamte Ruhrgebiet führen können. Dieser Maßnahmenkatalog enthält eine Vielzahl intelligenter Vorschläge, wie zum Beispiel das „Schwerlastleitkonzept Ruhrpilot“, und muss mit den aufgestellten Luftreinhalte- und Aktionsplänen zusammengeführt werden.

Neben der Feinstaubproblematik müssen wir bei der Luftreinhalteplanung auch die Immissionsgrenzwerte für Schwefeldioxid, Blei, Benzol und Kohlendioxid innerhalb bestimmter Fristen – 2020/2030 – einhalten. Es macht auch keinen Sinn, wenn wir durch lokale Maßnahmen Feinstaub reduzieren und durch die gleichen Maßnahmen den NOx-Austausch erhöhen. Da müssen wir genau hinsehen. Genauer hingesehen habe ich auch bei dem vorliegenden Antragstext.

Lieber Johannes Remmel, ich bin schon froh darüber, dass Sie dieses Mal nicht wieder wie bei Ihrem Antrag in der Vorwoche zur 17. BImSchV ein absolut überhöhtes Gutachten von 1974 zur Grundlage Ihres Antrages gemacht haben. Wenn Sie aber in Ihrem heutigen Feinstaubantrag auf die Städte Köln, Berlin und München verweisen, dann gestatten Sie mir folgende Hinweise:

Erstens: Köln. Der Luftreinhalteplan Köln wurde aufgrund der zu hohen Immissionswerte für Stickstoffdioxid auf den Weg gebracht – nicht, wie von Ihnen suggeriert, für Feinstaub. Ob die Grenzwerte für Feinstaub überschritten werden, wird zurzeit noch überprüft und steht noch gar nicht fest.

Zweitens: Umweltzone Berlin. Eine lokal sehr begrenzte, nicht mit dem Großvorhaben Luftreinhalteplan Ruhrgebiet zu vergleichende Zone innerhalb des Berliner S-Bahn-Ringes mit diversen Ausnahmegenehmigungen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Die Struktu- ren von Berlin sind ja auch anders!)

Drittens: Umweltzone München, die Sie beispielhaft und als vorzeigbar herausstellen. Hier sprechen in der Tat die Münchner Ratsmitglieder der grünen und rosa Liste von dem „umweltpolitischen Münchner Flickenteppich“, da eben nur kleine Tei

le von München in die Umweltzone einbezogen wurden.

Sehr tolle Vergleiche, Herr Remmel. Da sind wir, da ist unsere Landesregierung, unser Umweltminister Eckhard Uhlenberg doch wesentlich weiter.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Wenn null weiter ist!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Direktor der InWEnt-Agentur in Bonn – das ist die Gesellschaft für Internationale Weiterbildung und Entwicklung, hervorgegangen aus der Fusion der Carl-Duisberg-Gesellschaft und der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung, eine Gesellschaft, die mit ihren Programmen jährlich 55.000 Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik erreicht – hat hier im Hause berichtet, immer dann, wenn Studierende und internationale Gäste befragt werden, was sie in unserem Land am meisten fasziniert, dann kommt die Antwort: die saubere Luft. Eine durchaus subjektive Feststellung, die aber durch Messungen, Beobachtungen und Studien im europäischen Vergleich bestätigt wird.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Alles in Ord- nung!)

In der Tat: Wir haben in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Luftreinhaltung viel erreicht, aber es gibt lokal, national und international noch viel zu tun; das ist unstreitig. Wir sollten konstruktiv damit umgehen und es anpacken.

Wir werden den Antrag, wie er vorgelegt worden ist, ablehnen, stimmen aber der Überweisung in den Ausschuss natürlich zu. Wir sollten nach Möglichkeit das Ministerium arbeiten lassen und seine Arbeit nicht mit überflüssigen Anträgen blockieren. – Recht schönen Dank.