Wir wollen die unbefriedigende Betreuungssituation, insbesondere für die unter Dreijährigen gemäß der bundesgesetzlichen Vorgaben ausbauen.
Wir werden durch eine Veränderung des Gesetzes über die Tageseinrichtungen für Kinder die Kommunen in die Lage versetzen, ein entsprechendes Angebot in den frei werdenden Kindergartengruppen zu schaffen. Wir werden die Kommunen von möglichst vielen Bau- und Betriebsstandards befreien. Damit schaffen wir Schritt für Schritt eine Steigerung der Betreuung von unter Dreijährigen von heute 2,8 % auf 20 %.
Sie verweisen in Ihrem Antrag auf das Tagesbetreuungsausbaugesetz. Sie sprechen von geschaffenen rechtlichen Rahmenbedingungen, verschweigen aber, dass die in dieser Diskussion angedachte Finanzierung über die sogenannten Einsparungen in Hartz IV eine Luftnummer sind. Wir werden hier deutlich die Hilfe des Bundes einfordern.
Ferner fordern Sie mehr Möglichkeiten, frei werdende Kindergartenplätze für unter Dreijährige zu nutzen. Warum haben Sie das in der Vergangenheit so wenig getan?
Im Gegensatz zu Ihrer Regierungszeit sind wir da schon erheblich tätig geworden. Ich bin sicher: Wir werden auf diesem Weg Stück für Stück weiter gehen.
Sie verweisen in Ihrem Antrag auf die Verpflichtung der Kommunen, und das passt eigentlich nicht zu der Aussage von Frau Hack, die gesagt hat: Wir werden die Kommunen unterstützen. -Sie haben das in Ihrem Antrag so deutlich als Auftrag der Kommunen formuliert, dass man daraus entnehmen muss, dass Sie es machen wie bisher
nach dem Motto: Wir beschließen ein Gesetz und schaffen eine Verantwortung, und die Kommunen sollen zahlen. - Genau das wollen wir nicht.
Als Sie in der Opposition Anträge gestellt haben, kam aus Ihren Reihen - ich habe das hier häufig gehört - die Frage: Woher nehmen Sie das Geld? An welcher Haushaltsstelle soll das verankert werden? Ich frage mich, warum Sie sich jetzt nicht selber mit der gleichen Elle messen. So weit sind Sie anscheinend noch nicht. Ich denke, Sie müssen noch einiges nachlesen. Oder aber ich muss daraus schließen, Sie wissen sehr genau, dass Sie Ihre Forderungen so, wie Sie sie gestellt haben, gar nicht finanzieren können. Vermutlich haben Ihre Haushälter in der Fraktion, die ja über den Schuldenberg dieses Landes am besten Bescheid wissen, Ihnen dies schon so gesagt. Dieser Antrag ist also Wahlkampf und Populismus.
Jetzt lassen Sie mich noch auf einen anderen wesentlichen inhaltlichen Unterschied zum Thema Tagesbetreuung der unter Dreijährigen eingehen. Sie fordern in Ihrem Antrag 80.000 Betreuungsplätze weitgehend in organisierten Kindertagesstätten oder Gruppen.
Meine Damen und Herren, wir werden weitere Tagesbetreuungsplätze für unter Dreijährige schaffen. Das haben wir so gesagt, und das werden wir auch tun. Wir werden dies aber nicht nur in Einrichtungen tun, sondern auch über ein Mehr an Tagesmüttern und Tagesvätern. Wir sind davon überzeugt, dass dieses Angebot im Sinne der Kinder notwendig und richtig ist. Ich verweise hier auch auf die amtierende Bundesfamilienministerin Schmidt:
Betreuung durch Tageseltern zeichnet sich durch große Flexibilität im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus. Aber für mich ist noch wichtiger: Betreuung durch Tagesmütter und Tagesväter ist in vielen Fällen eine gute Lösung für Kinder unter drei Jahren, weil für diese Kinder eine Unterbringung oder eine Betreuung in Gruppen pädagogisch manchmal nicht sehr sinnvoll ist.
Die Vermittlung von qualifizierten Tageseltern wollen wir an die Familienzentren anbinden. Das hat etwas mit unserem Anspruch an Qualität und Verlässlichkeit zu tun. Daran werden wir nach Kräften arbeiten. Jedoch lassen wir uns von Ihnen auch durch diesen Antrag nicht unter Druck setzen. Für uns gilt der Grundsatz: Qualität vor Schnelligkeit. Schaufensteranträge wie der Ihrige bringen uns nicht aus diesem Konzept.
Mit Ihrem Antrag beschreiben Sie ein wichtiges Thema für diese Legislaturperiode. Die Antwort, wie es umgesetzt werden soll, bleiben Sie uns
aber an vielen Stellen schuldig. Wir werden unsere Vorstellungen finanziell untermauern müssen. Dies können wir aber erst solide und belastbar tun, wenn die Eckdaten des Haushaltes vorliegen. Deshalb freue ich mich, wenn der Antrag überwiesen wird und wir in den Fachausschüssen im Sinne der Kinder und sicherlich auch der Eltern diskutieren können. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht wirklich überraschen, dass ich die Zielsetzung des Antrags im Wesentlichen unterstütze, unter anderem schon deshalb, weil er nichts anderes beschreibt als die von der alten Landesregierung zu Beginn dieses Jahres abgestimmten Ziele zur Betreuung unter dreijähriger Kinder.
Die neue Landesregierung hat sich diese Ziele zu Eigen gemacht und verkauft sie jetzt als ihre eigenen. Ob und in welcher Form nun die Umsetzung kommt, werden wir in Zukunft sehen. Ich stelle also fest: Große Übereinstimmung über alle Fraktionen hinweg, die alte und die neue Landesregierung haben identische Ziele.
Wenn es nun diesen gemeinsamen Konsens gibt, warum dann dieser Antrag? Klarer Fall: Der Wahlsonntag steht vor der Tür, und es ist eine letzte Gelegenheit, im Parteienwettbewerb noch einmal Profil zu zeigen. Das allerdings wird mit dem Antrag nicht erreicht. Ich sage deutlich: Das, was der Antrag inhaltlich bietet, ist mir zu wenig und zeugt eher von einer gewissen Profilschwäche.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können nicht dabei stehen bleiben, in trautem Einvernehmen lediglich die Quantität der Versorgung festzulegen, sondern wir müssen Qualitätsstandards festschreiben und damit klar definieren, in welcher Form und mit welchen Angeboten die notwendige Betreuung von 20 % erreicht werden soll.
Durch die vorgesehene Überweisung an den Fachausschuss bietet sich immerhin die Möglichkeit, darüber zu diskutieren und das Thema zu vertiefen. Wir müssen es auch vertiefen. Wir wer
den intensiv darüber beraten müssen, wie hoch der Anteil der institutionellen Plätze, das heißt der in Kitas neu eingerichteten Plätze sein muss, wie viel von Tagesmüttern abgedeckt werden soll und wie zum Beispiel die Betreuung in Spielgruppen, die keinem Vater und keiner Mutter eine Berufstätigkeit ermöglichen, auf die 20 % angerechnet wird.
Wir werden die Landesregierung daran messen, ob sie das gemeinsame Ziel mit qualitativen Angeboten umsetzt oder ob sie letztlich auf Schmalspur- und Billigangebote ausweicht. Es muss, meine Damen und Herren, ganz zentral um die Frage gehen, wie wir ein bedarfsgerechtes Angebot realisieren können. Das reine Beschwören einer gemeinsamen Kraftanstrengung - so erfreulich es ist, dass wir hier zumindest an diesem Punkt gemeinsam angekommen sind -, reicht nicht aus. Stecken wir also die Beschwörungsformeln weg und reden wir über Lösungen.
Bündnis 90/Die Grünen vertreten eine klare und eindeutige Position. Wir wollen einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab einem Jahr.
Denn wir wissen - das haben die Erfahrungen im Kindergartenbereich deutlich gezeigt -: Nur mit diesem einklagbaren Rechtsanspruch wird das gesteckte Ziel auch tatsächlich erreicht werden. Das ist die grüne Position. Ich gehe davon aus, dass Sie diese wie so viele andere unserer Positionen in diesem Bereich früher oder später übernehmen werden, spätestens in zwei, drei Jahren, wenn es wieder auf Wahlkämpfe zugeht.
Erinnern wir uns: Schon zum Ausbau der institutionellen U-3-Betreuung mussten wir viele im Hause tatsächlich zum Jagen tragen, Frau Kastner. Sie wurden getrieben von Eltern, Arbeitgebern und Grünen sowie von den veränderten gesellschaftlichen Realitäten. Wir wissen, dass sich gerade in der CDU bis heute viele schwer damit tun, diese veränderten Realitäten anzuerkennen: die Realität, dass sich Familie und die Erziehung von Kindern heute vielfach in anderen Settings als in der traditionellen Familienstruktur vollzieht, die Realität, dass junge Mütter schon sehr bald nach der Geburt wieder in den Beruf zurückkehren wollen, und die Realität, dass für viele - nicht nur für alleinerziehende Mütter - schlicht die ökonomische Notwendigkeit zur Rückkehr in den Beruf besteht.
Kinder zwei Jahre alt sind. Diese Fixierung auf Zweijährige, die sich auch im Antrag findet, haben wir immer für verfehlt gehalten. Denn das Entscheidende für das Angebot ist der Bedarf. Der Bedarf muss sich an den Bedürfnissen der Kinder und der Eltern orientieren. Der ist vielfältig und setzt nicht erst für Zweijährige ein. Schon heute werden in den Einrichtungen die Kleinen ab vier Monate betreut. Warum soll diese Möglichkeit erst für Kinder ab zwei Jahren ausgebaut werden?
Der Kinder- und Jugendbericht konstatiert auch, dass Babys schon sehr früh in Einrichtungen betreut werden können. Aber nicht nur das: Sie öffnen sich damit auch sehr früh für außerfamiliäre Bildungsprozesse. Auch das müssen wir nutzen. Außerdem: Was meinen Sie, wie viele Jugendämter froh wären, könnten sie Babys oder Kleinkinder aus Problemfamilien schon sehr früh in Einrichtungen unterbringen, und zwar möglichst in Form einer Ganztagsbetreuung?
Leider - aber das hier nur am Rande - fehlen die Begriffe „Ganztag“ und „Bildung“ in Ihrem Antrag völlig. Aber das sei Ihnen verziehen; vielleicht verbergen sie sich ja hinter dem allgemeinen Begriff Qualität.
Abschließend noch einmal der Appell, dass wir uns beim Ausbau der U-3-Betreuung von den guten Erfahrungen bei der Einführung des Rechtsanspruchs für Kindergartenkinder leiten lassen sollten. Das war ein harter Weg - das wissen wir alle -, aber es ist für die U-3-Betreuung der einzige Weg, den Erfolg zu garantieren und dort anzukommen, wo wir hinwollen, nämlich zur bedarfsgerechten Betreuung der Kleinen in hoher pädagogischer Qualität mit dem Anspruch auf Bildungsvermittlung und nicht zuletzt zu Betreuungszeiten, die auf die Elternwünsche abgestimmt sind.
Vielleicht gelingt es mir, Sie in den Ausschussberatungen von diesem Weg zu überzeugen. Ich freue mich auf die gemeinsamen Beratungen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist völlig klar, dass die Intention, die mit diesem Antrag verbunden ist, vom ganzen Haus - von der alten Koalition wie wohl auch von der neuen Koalition - geteilt wird. Darüber gibt es hier keinen Dissens.
Ich will ausdrücklich sagen, dass die FDP die Ziele unterstützt, die mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz des Bundes verbunden waren. Wir haben uns im Deutschen Bundestag bei diesem Gesetz auch nur deshalb enthalten, weil die Finanzierungsseite des Bundes - ich will das einmal diplomatisch ausdrücken - „ungeklärt“ war und immer noch ist. Darin war vorgesehen, wie Sie wissen, die sogenannten Einsparungen aus Hartz IV den Kommunen zur Verfügung zu stellen, um so dem bedingten Rechtsanspruch des Tagesbetreuungsausbaugesetzes gerecht werden zu können.
Jetzt sieht es so aus, dass wir nicht von Einsparungen durch Hartz IV ausgehen müssen, sondern zumindest teilweise von Mehrausgaben. Insofern will ich sagen: Die Geschäftsgrundlage des Tagesbetreuungsausbaugesetzes ist noch nicht gegeben. An der Stelle wird möglicherweise eine neue Bundesregierung zu anderen finanziellen Bestimmungen kommen müssen.
Im Übrigen will ich ausdrücklich betonen, dass das Tagesbetreuungsausbaugesetz eben nicht von einer Bedarfsdeckung von 20 % ausgegangen ist. Das war im Referentenentwurf zwar so vorgesehen, ist aber nicht in dieser Weise ins Gesetzblatt gekommen. Das Tagesbetreuungsausbaugesetz geht nur von 230.000 Plätzen aus, die bundesweit geschaffen werden sollen, und nicht von 20 %.
Es ist der nordrhein-westfälische Generationen- und Familienminister gewesen, der für die Koalition hier feststellt hat, dass 20 % der unter Dreijährigen mit einem Betreuungsangebot erreicht werden müssten. Das ist eine Konkretisierung, eine politische Zusage, die in Nordrhein-Westfalen und nicht auf Ebene des Bundes getroffen worden ist.
Das muss hier zur Klarstellung einmal gesagt werden. Da verhilft Ihnen bei der Einschätzung der tatsächlichen Lage und der Ausgangslage ein Blick ins Gesetzblatt, Herr Jäger. Das zum Konsens.
Einen Dissens gibt es in diesem Haus bei der Frage der institutionellen Kinderbetreuung. Der ist offensichtlich, und den müssen wir miteinander fachlich ausdiskutieren.