- Wir „hinterlassen haben“? - 4 Milliarden € soll Ihr Kirchhof kosten, Herr Kollege! Aber es ist nicht so schlimm, wenn Sie das nicht verstehen; ich erläutere es Ihnen gerne.
Was ist Ihnen bisher eingefallen? - Neue Schulden, ungedeckte Schecks auf die Zukunft. Ich behaupte einmal, Herr Kollege Schittges, Sie haben bis heute kein Konzept. Stattdessen sagen Sie - das ist doch leicht -: Ich kann keine verfassungsmäßigen Haushalte mehr vorlegen.
Einen politischen Offenbarungseid, die finanzpolitische Kapitulation, meine Damen und Herren, nenne ich das, was Sie uns bisher vorgeführt haben. Wir warten hoch gespannt auf nächste Woche Mittwoch, hoch gespannt auf den Nachtrag, ob Ihnen da noch etwas Neues einfällt.
Aber der Finanzminister oder vielleicht auch Herr Schittges befinden sich mit ihrer Unwissenheit in guter Gesellschaft. Denn es ist klar geworden, dass Frau Merkel offensichtlich auch nicht gerechnet hat, was das, was Ihr Bundesschattenfinanzminister oder Tandemminister will, denn kostet.
Der Kurzzeitstar der Kanzlerkandidatin hat - das behauptet er zumindest - diese legendäre Liste, nach der er 400 bis 500 Steuervergünstigungen - dazu kursieren unterschiedliche Zahlen - zu Fall bringen will.
Selbst CDU-Politiker - ich schenke mir jetzt die Aufzählung derer, die ich hier gerne zitieren würde, denn dafür reicht die Redezeit nicht - schütteln den Kopf. Ich nehme nur einmal den CDUFraktionsvize im Bundestag, der gemeint hat: Ich gehe davon aus, dass, wenn Paul Kirchhof sagt, dass er diese Liste hat, er sie auch hat und dann auch umsetzen will.
Meine Damen und Herren, ich schließe mich dem an und gehe meinerseits davon aus, dass das, was Frau Merkel auf ihren Wahlkampftouren propagiert: „Ich sage vor der Wahl, was wir nach der Wahl tun!“, auch für die „Giftliste“ von Kirchhof gelten wird.
Sollte sie sie kennen, frage ich mich, warum sie die Öffentlichkeit nicht über den Inhalt informiert. Ich glaube nicht, dass die Kanzlerkandidatin wirklich genau weiß, was ihr Schattenminister vorhat. Es ist interessant zu lesen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ zu Herrn Kirchhof berichtet:
„Zum Rätselraten, was Angela Merkel über die Streichliste wisse, sagte Kirchhof, sie müsse die Liste im Moment nicht kennen, da es zunächst auf das Wahlprogramm der Union ankomme.“
Meine Damen und Herren, wir stochern im Nebel. Trotzdem gibt es findige Journalisten, die gegraben haben. Deshalb will ich aus der Liste nur we
- Streichung des Sparerfreibetrags, - Streichung der Pendlerpauschale, - Steuerpflichtigkeit der Übungsleiterpauschale, - ersatzlose Streichung der Behindertenpauschbeträge, - Streichung der Kinderbetreuungskosten, - Steuerpflichtigkeit von Mutterschaftsgeld und Krankengeld.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, Kirchhofs steuerpolitische Totalrasur folgt dem Motto: „Ungerecht gegenüber - fast - allen ist auch gerecht!“ Und das machen wir nicht mit, meine Damen und Herren.
Es ist immer wieder beachtenswert, wenn man nachliest, wie sich Paul Kirchhof gegenüber den Medien äußert. Sehenswert war das, was er wenige Stunden nach seiner Nominierung im Fernsehen gesagt hat: Ihn ins Kompetenzteam zu holen sei eher eine programmatische als eine personelle Aussage. Die Union habe sich nicht für eine Person entschieden, sondern für das Programm, dass diese Person entwickelt habe.
Und die „Bild“-Zeitung legt nach und zitiert: „Entscheidend ist, dass am 1. Januar 2007 diese Reform“, aus der ich Ihnen gerade wenige Punkte genannt habe, „im Bundesgesetzblatt steht.“
Meine Damen und Herren, das ist die Wahrheit. Ich bin erschrocken darüber, das diese Punkte von der Union entgegen dem Motto: „Ich sage vor der Wahl, was ich hinterher will!“, bis jetzt nicht deutlich gemacht wurden. Ich bin genauso erschrocken darüber, dass Sie hier so tun, als würden diese Dinge gar nicht existieren.
Meine Damen und Herren, die Kirchhof-Diskussion hat es leider Gottes geschafft, das Thema „Erhöhung der Mehrwertsteuer“ völlig in den Hintergrund rücken zu lassen. Wir wissen, dass bei einer Erhöhung um zwei Prozentpunkte alle Arbeitnehmer schlechter als bisher dastehen werden.
Frau Walsken, ist Ihnen bekannt, dass es anonymisierte Steuertabellen gibt, denen zufolge die besten hundert Einkommensbezieher in den verschiedenen Bundesländern in Deutschland keine 15 % Einkommensteuer zahlen, sodass die Absenkung dem Bund bei Wegfall der Sondertatbestände eine viel höhere Einnahmechance bei der Einkommensteuer gewähren würde?
Herr Schittges, das ist nicht nur mir bekannt, das ist breiten Teilen des Haushalts- und Finanzausschusses bekannt. Was hat das aber damit zu tun, dass Sie hingehen und die ganzen Freibeträge streichen? Das müssen Sie mir erklären. Was hat das damit zu tun? Wieso ist Kirchhof die Antwort auf diese Position? Das müssen Sie mir erklären.
Was hat diese Position damit zu tun, dass Sie in der Steuerpolitik ein Modell umsetzen wollen, das großen Teilen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Nachteile beschert? Das müssen Sie mir erklären. Diese Frage ist so logisch, wie sie logischer nicht sein kann.
Mehrwertsteuererhöhung war mein Thema, und ich würde gerne daran anknüpfen. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sollen angeblich um zwei Prozentpunkte sinken. Die Ersparnis beim Arbeitnehmeranteil beträgt aber nur die Hälfte, also einen Prozentpunkt. Das heißt - die Rechnung ist ganz einfach -: Wir werden auch aus dieser Operation weniger Geld zur Verfügung haben, weil die Mehrwertsteuer - hören Sie zu, Herr Minister - für alle um zwei Prozentpunkte steigt.
Wie Frau Merkel das gegenüber ihren Landesfinanzministern umsetzen möchte, bleibt bis heute völlig schleierhaft. Sie haben bereits angekündigt, dass Sie an einer Erhöhung der Mehrwertsteuer partizipieren wollen. Auf Kosten der Arbeitnehmer soll also Geld in die Kassen der Landeshaushalte hineingespült werden. Warum sagen Sie das nicht deutlich? Warum tun Sie so, als ob Sie die Mehrwertsteuer erhöhen, um den Nettolohn zu senken? Herr Minister, diese Fragen möchte ich gerne beantwortet haben. Sie haben ja gleich die Chance, das hier in aller Deutlichkeit zu tun.
Meine Damen und Herren, wir alle wollen ein einfaches Steuerrecht. Einfachheit heißt aber nicht nur, Steuervergünstigungen zu streichen. Einige Steuervergünstigungen sind sogar verfassungsrechtlich geboten. Ich nenne hier nur die doppelte Haushaltsführung. Bei einer Vereinfachung auch in unserem Sinne geht es vielmehr darum, mutige Pauschalierungen und Typisierungen zu wagen, wenn man sie denn vertreten kann und wenn sie gerecht bleiben. Vereinfachung, wie wir sie verstehen, bedeutet auch die Überprüfung aller Steuervergünstigungen, die Unternehmer betreffen und von denen die Radikalvereinfacher selten sprechen.
Ich bin der Ansicht, ein Steuermodell à la Kirchhof in NRW ist nicht finanzierbar. Ich sage Ihnen zum Schluss: Dieses Modell muss endgültig und für alle Zeit vom Tisch. Eine solche Steuerreform kann sich dieses Land und können sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land nicht erlauben. Deshalb: Schluss mit Kirchhof, weg mit diesem Modell! - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Walsken. - Für die zweite antragstellende Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, hat Frau Löhrmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Wochen in Sachen Steuerpolitik in der Tat eine wirklich erstaunliche Entwicklung miterlebt.
Vor gut vier Wochen hat Frau Merkel mit großem Tamtam ihr sogenanntes Kompetenzteam vorgestellt. Einer hat damals allen die Schau gestohlen, nämlich der Professor Paul Kirchhof. Ich muss sagen: Was danach passiert ist, habe ich noch nicht erlebt. Mit der Benennung von Paul Kirchhof brandete eine Welle der Begeisterung durch die
Union. Auch die FDP konnte sich vor Zustimmung gar nicht mehr einkriegen: Eigentlich gehört der Mann doch gar nicht der Union, eigentlich war der einer von der FDP.
„Kirchhof steht steuerpolitisch mit dem, was er bisher vorgelegt hat, genau für das Konzept, das die FDP als Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht hat.“