Hermann Otto Solms: „Wenn Kirchhof es würde, wäre mir das lieber, als wenn es manch anderer machen würde.“ - Mit „manch anderer“ meinte er wohl „alle außer sich selbst“.
Und nun, knapp vier Wochen später? Jetzt geht das große Maulen um. Wie bitte? Der will das wirklich, was er immer schon gesagt hat? Aber das geht doch gar nicht. - Herr Präsident, Sie erlauben, dass ich die gleichen Herren erneut zitiere.
„Die FDP verfügt über das beste Steuerkonzept und mit dem Finanzexperten Solms über einen Fachmann, der mir lieber ist als Kirchhof … In Deutschland kann man Reformen nicht vermitteln, wenn sie nicht sozial flankiert werden.“
Es muss ja nicht meine Sorge sein, und Herr Kirchhof muss selber wissen, ob er sich das gefallen lässt. Aber die Art und Weise, wie Union und
Ihre Angriffe gegen den Bundeskanzler an dieser Stelle sind nichts als ein reines Ablenkungsmanöver.
Was sollen die Menschen von diesem Affentheater halten? Erst stellt man Kirchhof auf den höchsten Sockel, den man finden kann, dann, nachdem ein paar Leute mal nachgerechnet haben - Frau Walsken hat das aufgeführt -, merkt man plötzlich völlig überrascht, was Kirchhofs Vorschläge denn genau bedeuten, und dann wird der Star vom Sockel gestoßen und im Heizungskeller versteckt, wie es Joschka Fischer ausgedrückt hat.
Meine Damen und Herren, diese Woche wird es dann noch doller. Plötzlich wird Friedrich Merz wieder ausgegraben. Unser Ministerpräsident behauptet sogar: Der war nie weg, der war immer da. - Herr Rüttgers, dann haben wir das wohl geträumt. Halten Sie die Menschen eigentlich für völlig blind? Fünf Tage vor der Wahl wird uns der weggemobbte Radikalreformer Merz als CoPartner von Kirchhof präsentiert. Ehrlich gesagt: Ich habe herzhaft gelacht. Die beiden passen ja wirklich prima zusammen. Beide sind vom Stamme der Jäger- und Sammlerpatriarchen. Diese Heimchen-am-Herd-Ideologen tun sich ja wirklich nichts.
Herr Rüttgers, in meiner Erwiderung auf Ihre Regierungserklärung habe ich gesagt, Ihr Rollenbild strotze vor Rüschen, Bluse und Faltenrock. - Gegen die beiden sind Sie aber ein echter Frauenversteher.
Diese beiden erfüllten Familienernährer wollen jetzt etwas Supermodernes machen: Job-Sharing im Finanzministerium; denn auch in der Finanzpolitik verstehen sie sich blendend. Ja, wirklich: morgens Vision, nachmittags Politik.
Job-Sharing in der Bundesregierung - das wäre ja wirklich mal eine echte Innovation. Für Visionen habe ich viel übrig; das fände ich wirklich Klasse. Das Dumme bei diesen praxisorientierten Visionären ist nur: Die Dummen bleiben genau diejenigen, die schon bei Kirchhof pur die Dummen sind; denn Steuerreform à la Merz, das ist im Ergebnis doch genau dasselbe: Murks wie bei der Steuerreform à la Kirchhof. Ein Tandem mit zwei Platten, kann ich da nur sagen. Denn Steuersätze runter, alle Ausnahmetatbestände weg - das heißt nun
Da können Sie noch so viel drum herumreden: Das bleibt so, das bleibt extrem ungerecht, und das merken die Menschen.
Die merken auch, dass das Gerede von der Aufkommensneutralität wirklich nichts anderes ist als unlauteres Gerede. Steuersenkungen für alle, das schafft mehr Einnahmen für den Staat. - So mies kann unser Bildungssystem gar nicht sein, dass die Menschen Ihnen den Quatsch glauben würden. Ihre Steuerpolitik heißt: Der Staat geht Pleite.
Was noch hinzukommt: Alle Ausnahmetatbestände weg! - Haben Sie eigentlich einmal überlegt, was das wirklich heißt, Herr Linssen? Ein Beispiel, damit die Dimension dieser Ideologie deutlich wird: Das hieße, Spenden an gemeinnützige Vereine, an Stiftungen usw. wären steuerlich nicht mehr absetzbar. Wissen Sie, was die Konsequenz wäre? Das wäre das Aus für nahezu alle Vereine, Verbände und Organisationen, ohne die unsere Gesellschaft im Sozialen, im Kulturellen, im Sport und auch in der politischen Gestaltung überhaupt nicht überlebensfähig wäre. Das wäre ein Dolchstoß für das Ehrenamt und das bürgerschaftliche Engagement in unserer Gesellschaft, für den Kitt in unserer Gesellschaft.
Ach, das war nicht gemeint? Das wollen Sie natürlich nicht? Also doch nicht alle Ausnahmetatbestände weg? Aber dann heraus mit der Liste - mit Ihrer Liste, nicht mit der, die Ihre Leute aus dem Bundesfinanzministerium uns als Eichel-Liste unterjubeln wollen! Noch so eine Unverschämtheit, mit der die Union bewiesen hat, auf welches Niveau sie im Wahlkampf gesunken ist!
Nein, meine Damen und Herren, das passt alles vorne und hinten nicht zusammen. Ihre Politik ist eine Politik, die sich von den Fundamenten unseres Sozialstaates verabschiedet. Das ist nicht der Weg in die notwendige Modernisierung und Erneuerung unserer Sozialsysteme, des Arbeitsmarktes und auch unseres Steuersystems. Ihre Politik ist der Weg in den Abriss der sozialen Marktwirtschaft.
- Ja, das räume ich ein; das gehört dazu. - Aber auf dem schwierigen Weg der Anpassung unserer Gesellschaft an einen extrem verschärften globalen Wettbewerb haben wir, SPD und Grüne, vor allem bei den Kompromissen im Bundesrat mit Ihnen Fehler gemacht. Das haben uns viele übel genommen. Aber Ihre Politik ist schon im Ansatz keine Politik des Ausgleichs. Ihre Politik spaltet die Gesellschaft. Deswegen werden wir bis zum Letzten kämpfen, damit Sie am Sonntag in Berlin nicht die Verantwortung übernehmen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es ja grundsätzlich gut, dass sich hier jemand Gedanken macht um Landesfinanzen und auch um soziale Gerechtigkeit.
Aber dass sich hier ausgerechnet jemand Gedanken um die Landesfinanzen macht - und das in dieser Form -, der die Finanzen in den letzten Jahrzehnten restlos gegen die Wand gefahren hat, das finde ich schon erstaunlich.
Heute die Zukunft der Landesfinanzen beklagen, selber aber 110 Milliarden € Schulden aufgetürmt haben, selber dafür gesorgt haben, dass jeder zehnte Euro aus dem Haushalt für Zinsen ausgegeben werden muss, selber dafür gesorgt haben, dass wir in diesem Land nur noch ganz schmale politische Spielräume haben - das ist schon erstaunlich.
Es geht sogar noch weiter: Im vergangenen Jahr haben Sie 6,9 Milliarden € Schulden aufgetürmt, in diesem Jahr, im Jahr 2005, über 7 Milliarden €, und davon nur 5,2 Milliarden € im Haushalt zugegeben, sodass der Rest jetzt mit dem Nachtragshaushaltsplan aufgedeckt und transparent gemacht werden muss - das zeigt doch, wie Sie in der Vergangenheit mit den Finanzen unseres Landes umgegangen sind.
Angesichts dieser Beträge ist es schon fast grotesk, liebe Frau Kollegin Walsken, wenn Sie über 80.000-€-Beträge - das ist natürlich viel Geld - lamentieren und offensichtlich erwarten, dass die Reden des neuen Ministerpräsidenten noch von den gleichen geschrieben werden, die früher die falschen Reden von Steinbrück geschrieben haben.
Das ist doch wohl Unsinn. Ich glaube, uns wurde heute Morgen im Haushalts- und Finanzausschuss vom Finanzminister ausreichend deutlich gemacht, dass das alles eine sehr vernünftige, eine vorübergehende Maßnahme mit zusätzlichen Leuten ist, die vertretbar ist.
Dann will ich noch einen zweiten Aspekt anbringen: Hier macht sich jemand mit diesem Antrag Gedanken über soziale Ausgewogenheit in Deutschland, der selber durch unnötige handwerkliche Fehler dafür gesorgt hat, dass das Körperschaftsteueraufkommen praktisch komplett weggebrochen ist. Wir hatten üblicherweise rund 25 Milliarden € Körperschaftsteueraufkommen pro Jahr. Im Rahmen der Umstellung zur neuen Unternehmensbesteuerung ist dieses Aufkommen durch dumme handwerkliche Fehler der Bundesregierung so zusammengeschrumpft, dass wir über zwei Jahre sogar ein negatives Aufkommen hatten.
Es ist unsozial, wenn Großunternehmen die Dividenden auskehren, sozusagen von der Steuer völlig freigestellt werden. Und dann hier zu lamentieren, dass eventuell kleine Unausgewogenheiten im sozialen Bereich auftreten könnten - wenn man unsere Programme liest, stellt man fest, dass das völlig daneben liegt -, ist wirklich grotesk und unsinnig.