Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Meine Damen und Herren, hier gibt jemand Ratschläge und tut so, als ob er mit den Problemen überhaupt nichts zu tun hätte. Das ist wirklich ein weiterer Fall von politischer Fahrerflucht.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist nicht nur Fahrerflucht, sondern der Flüchtige geht anschließend auch noch zur Polizei und beklagt sich über den Schaden. Rot-Grün hat die

Finanzen unseres Landes und die des Bundes vor die Wand gefahren.

Dass wir einen erheblichen Schaden haben, dass wir unser Land reformieren müssen, das wird ganz aktuell in einer Studie der BertelsmannStiftung deutlich. Das kann jeder nachlesen unter „www.bertelsmann-stiftung.de“: Bei Wachstum und Beschäftigung liegt Deutschland auf Platz 21 von 21 untersuchten OECD-Ländern.

Prof. Meffert hat bei der Vorstellung - die Studie wird alle zwei Jahre vorgestellt - festgestellt: Seit dem Jahre 2000 herrscht Alarmstufe Rot bei Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. - Das sind doch die Probleme, die wir angehen müssen.

Auch das Steuersystem ist Teil dieses Problems. Natürlich gibt es viele andere Punkte. In diesen Tagen diskutieren wir über Lohnnebenkosten, über Arbeitsrechtsfragen und über vieles andere. Aber auch die Steuerpolitik muss eine Rolle dabei spielen, von Platz 21 wegzukommen und wieder eine Position zu erreichen, die Deutschland, den Menschen und ihrem Fleiß angemessen ist.

Wenn man von außen betrachtet, wie das deutsche Steuerrecht aussieht, wird es besonders deutlich. Ich habe aus meiner eigenen früheren beruflichen Erfahrung in einem ausländischen Unternehmen noch deutlich vor Augen, wie die Mitarbeiter des ausländischen Mutterunternehmens kamen und fragten: Wie ist das denn mit euren Steuern? - Die hören dann zunächst einmal von Steuersätzen von 40 %,

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Die gibt es gar nicht mehr!)

kriegen einen Schreck und bekommen dann gesagt: Moment, das muss ja gar nicht so bezahlt werden. Denn es gibt die und die und die und die Abschreibungsmöglichkeiten, Möglichkeiten, Betriebsausgaben abzusetzen, die in anderen Ländern vielleicht nicht existieren, also müsst ihr hinterher weniger bezahlen.

Dann kommt die berechtigte Frage zurück: Wollen wir hier eigentlich unseren Geschäften nachgehen, oder wollen wir Steuerberater kennen lernen? - Wir müssen wieder dafür sorgen, dass die Unternehmer ihren Geschäften nachgehen können. Das generiert Steuern. Das bringt unser Land voran. Das ist keine Steuerberaterbeschäftigungsaktion.

Rot-Grün, meine Damen und Herren, schafft das nicht. Das haben wir auch in der heutigen Debatte erlebt. Vielleicht liegt das daran, dass Sie Eichel im Kreuz haben. Rot-Grün bewegt sich nicht. Wir

haben ein Konzept, das zum 1. Januar 2007 umgesetzt werden soll, das einfachere Lösungen bringt. Wir wollen ein Steuersystem, das niedrigere Sätze hat, die dann aber auch bezahlt werden müssen. Das ist etwas, was den gut Verdienenden nicht zugute kommt - denn die haben heute eben viele Möglichkeiten, die auf dem Papier hohen Sätze nicht für ihr gesamtes Einkommen zu bezahlen -, sondern sorgt für größere Steuergerechtigkeit.

Für größere Steuergerechtigkeit sorgt auch die Einführung eines wesentlich höheren Grundfreibetrages, der dazu führt, dass es gerade nicht zu der Benachteiligung der schwächer Verdienenden kommt. Im Gegenteil: Viele Familien mit zwei Kindern, die über ein doch schon erhebliches Einkommen verfügen - das kann man ja ausrechnen -, müssen in Zukunft überhaupt keine Steuern mehr bezahlen. Wo da die soziale Ungerechtigkeit besteht, müssten Sie mal erklären. Das ist nur Polemik, aber keine Sachauseinandersetzung. Sie können das alles im Übrigen in unserem Programm nachlesen.

(Gisela Walsken [SPD]: In welchem denn? - Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Bei Ihnen oder bei Kirchhof? Was gilt denn?)

- Im Programm der CDU für die Bundestagwahl, wobei wir es geschafft haben, für die Umsetzung dieser Konzepte und dieser Programme die Wissenschaft mit einzubinden.

(Gisela Walsken [SPD]: Ja, das haben wir gesehen!)

Häufig ist es so - in der Vergangenheit ist es eigentlich immer so gewesen -, dass diejenigen, die sich mit Politik beschäftigt haben, eher despektierlich über die Wissenschaft geredet haben und umgekehrt auch. Jeder war in seinem Gatter. Die Einladung von Angela Merkel ist, die Gatter zu öffnen und zu mischen, Leute von dem einen in das andere Lager zu holen. Wir sind stolz darauf, dass wir einen der profiliertesten Wissenschaftler in diesem Bereich dafür gewonnen haben, aus dem Gatter Wissenschaft herauszukommen und in der Politik mitzumachen. Wir sind stolz darauf, dass Paul Kirchhof bei uns mitmacht.

(Gisela Walsken [SPD]: Fragen Sie mal die Kollegen!)

Er muss hier nicht von Frau Löhrmann verteidigt werden.

(Beifall von der CDU)

Paul Kirchhof wird als Bundesfinanzminister dazu beitragen, dieses Programm zum 1. Januar 2007

umzusetzen. Wir erwarten von einem so profilierten Mann, dass er nicht sein übriges Wissen, seine ganzen Bücher, alles das, was er wissenschaftlich zu dem Thema beigetragen hat, anschließend vergisst. Wir werden mit ihm weiter darüber diskutieren und ringen. Er kann einbringen, was er sonst noch für richtig hält und wo das System denn weiterentwickelt werden soll.

Meine Damen und Herren, wir können doch froh sein, dass das so ist, dass es Impulse von außerhalb der Politik gibt. Die SPD scheint da unter einem Trauma zu leiden. Liebe Frau Kollegin Walsken, Sie leiden unter dem Schiller-Trauma. Der letzte Professor, der letzte namhafte Wissenschaftler, den Sie gewinnen konnten, in der Politik mitzumachen, war Karl Schiller 1966, der nach kurzer Zeit entnervt davongelaufen ist.

(Gisela Walsken [SPD]: Der Kirchhof ist ja jetzt schon platt!)

Wenn wir diese Konzepte umsetzen, werden wir dafür sorgen, dass es klare Linien gibt, auf die man sich verlassen kann und die von dem Verzetteln, vom steuerrechtlichen Hin und Her wegkommen, das in den vergangenen sieben Jahren in Berlin an der Tagesordnung war. Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich aus der, wie ich finde, sehr interessanten Drucksache des Bundestages 15/1548 zitieren, in der angesichts der unzähligen Änderungen allein im Einkommensteuerrecht gefragt wird, ob es denn auch einzelne Paragraphen im Einkommensteuergesetz gibt, die in dieser laufenden Legislaturperiode - also in den vergangenen drei Jahren - mehr als einmal verändert worden sind. Ich möchte Ihnen Punkt 9 der Antwort in dieser Drucksache vorlesen:

„Ja, mehrfach geändert wurden folgende Vorschriften: § 1a, § 2, § 2a, § 3, § 3c,“

(Gisela Walsken [SPD]: Was ist das?)

“§ 4, § 4d, § 5, § 5a, § 6, § 6a, § 6b, § 7, § 7g, § 8, § 9, § 9a, § 9b, § 10, § 10a, § 10b, § 10c, § 10d, § 12, § 13, § 13a, § 14a, § 15, § 16 …“

(Demonstrativer Beifall von SPD und GRÜ- NEN - Lachen von CDU und FDP - Gisela Walsken [SPD]: Schön, sehr schön!)

- Ich freue mich, bereits mit ersten beiden Zeilen so viel Begeisterung ausgelöst zu haben, und erspare vor allen Dingen auch mir das Vorlesen der übrigen acht Zeilen. So viele Paragraphen im Einkommensteuergesetz sind mehr als einmal in dieser kurzen Legislaturperiode verändert worden.

Meine Damen und Herren, das ist unangemessen. Wir müssen alles dafür tun, dass wir ein ver

lässlicheres und ein besseres Steuerrecht bekommen, damit es uns wirtschaftlich wieder besser geht, damit wir von diesem Platz 21 in der Bertelsmann-Studie wieder wegkommen und nach vorne blicken.

Das bringt höhere Steuereinnahmen, mehr Geld, das unbedingt gebraucht wird, um die Zukunft unseres Landes zu gewinnen. Deutschlands Chancen müssen genutzt werden, meine Damen und Herren. Das geht mit Rot-Grün nicht! - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Klein. - Für die FDP-Fraktion spricht Frau Freimuth.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Aspekt der plötzlich aufkommenden Sorge um die Landesfinanzen hat der Kollege Klein bereits hinreichend Stellung genommen. Ich finde, diejenigen, die im Glashaus sitzen, sollten vorsichtig sein beim Steinewerfen;

(Beifall von der FDP)

denn Sie waren es, die uns über 110 Milliarden € Schulden hinterlassen haben, aber nicht nur uns - das wäre ja noch zu verschmerzen -, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern und insbesondere den nachfolgenden Generationen, die unter dieser Verschuldung nachhaltig leiden werden und sie abtragen müssen. Das ist unverantwortlich.

Der Antrag, den Sie heute eingebracht haben, ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Zunächst einmal enthält er mit der Forderung, dass man nun endlich zu einer gerechten Besteuerung kommen müsse, das Eingeständnis, dass bislang eine solche nicht gegeben ist. Das ist eindeutig das Eingeständnis des Versagens der rot-grünen Bundesregierung auch in der Steuerpolitik.

Sie fordern vollmundig die Kirchhof-Liste ein. Ich will zwar nicht unfair sein, aber dann hätte ich gerne die Eichel-Liste, die im Augenblick durch die Gegend geistert.

(Beifall von FDP und CDU)

Ich wüsste gerne, und zwar noch vor dem 18. September, an welchen Stellen Sie streichen wollen. In der Liste, die im Augenblick kursiert, ist von Einsparungen in Höhe von 30 Milliarden € überwiegend im sozialen Bereich die Rede. Es

wäre doch interessant, dazu einige Erläuterungen zu hören.

Frau Freimuth, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Walsken?

Später vielleicht. Zunächst möchte ich meine Ausführungen zu Ende führen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Könnte unange- nehm werden!)

Im vorgelegten Antrag wird darüber hinaus die Umstellung auf einen einheitlichen Steuersatz für unsozial erklärt, weil auf viele soziale Wohltaten verzichtet werden müsse. Meine Damen und Herren, wenn man das mit der Realität der Politik vergleicht, muss man sich allen Ernstes die Frage stellen, ob uns nicht gerade die Politik dieser rotgrünen Bundesregierung in den letzten sieben Jahren in die Nähe einer unsozialen Gesellschaft gebracht hat, einer Gesellschaft mit nach offiziellen Angaben mehr als fünf Millionen Menschen ohne eine bezahlte Beschäftigung und einer fast gewerbsmäßig organisierten Schwarzarbeit.

Ist das nicht viel unsozialer als alles das, was Sie infrage stellen? Nach meiner Überzeugung wird uns eine gute Wirtschaftspolitik in Kombination mit einem transparenten und modernen Steuerrecht, das auf gesunden wirtschaftlichen Prinzipien basiert, an dieser Stelle weiterbringen. Sie ist in keiner Weise inhuman oder unsozial.