Sie haben keinen Plan, kein Konzept und keine Strategie für die Wirtschaftspolitik in NRW. Sie geben keine neuen Impulse. Sie haben kein belastbares Zukunftskonzept für die WestLB und keine erkennbare Verhandlungsstrategie gegenüber Nokia.
In Ihrer Wirtschaftspolitik verlassen Sie sich ganz auf das Prinzip Hoffnung. Das ist viel zu wenig für unser Land Nordrhein-Westfalen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Frau Kraft, das war eine tatsachenfreie Rede,
(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wie bewerten Sie denn die Rede von Herrn Linssen und Frau Tho- ben?)
Ich werde Ihnen das Punkt für Punkt beweisen. Das geht damit los, dass Sie hier monieren, dass eine Unterrichtung der Landesregierung gemeinsam mit Aktuellen Stunden zu den Themen WestLB und Nokia abgehalten wird.
Ich halte es für nicht vorstellbar, einen Bericht zur wirtschaftlichen Lage abzugeben, ohne auf die beiden Themen einzugehen.
Und das Zweite – nur als ein Beispiel; es kommen noch mehrere – ist: Wie kann man denn wirklich ernsthaft von einer Landesregierung erwarten – wer immer sie stellen mag –, dass sie gut sieben Tage nach einem solchen Ereignis, wie es in Bochum stattfand, über ein fertiges Konzept verfügt, wie es denn weitergehen soll? Ich nehme an, Sie haben heute Zeitung gelesen. Nach viel Lobby-, nach viel harter Arbeit, nach Demonstrationen sagt heute erstmals der Vorstandsvorsitzende von Nokia, dass er für neue Lösungen offen sei.
Ich finde, das ist dieses Haus in seiner Gesamtheit den Menschen schuldig, die die Debatte verfolgen und darauf warten, dass Politik Antworten gibt.
Als ich vor gut sieben Tagen von der Nachricht hörte, dass Knall auf Fall Nokia seine Produktionsstätte in Bochum schließen will, habe ich eiskalte Wut darüber bekommen.
Es ist nicht so, dass uns der Strukturwandel in der Vergangenheit in der Gänze des Landes – ich unterstreiche: in der Gänze des Landes – nicht immer neu gefordert hätte. Ein Strukturwandel ist eine ganz natürliche und normale Erscheinungsform dynamischer Wirtschaften.
Es stimmt einfach, was der Wirtschaftsweise Bofinger – der uns weiß Gott nicht nahesteht, auch mir nicht – zu diesem Thema sagt:
„Dass Arbeitsplätze wegfallen und neue entstehen, ist eine normale marktwirtschaftliche Entwicklung, so hart das im Einzelfall auch ist. Wichtig ist, dass der Saldo zwischen entstehenden und verlorenen Arbeitsplätzen positiv ist. Das trifft auf Deutschland zu. Die deutschen Stärken liegen dabei mehr im Hochtechnologiebereich und der Herstellung von Spezialmaschinen als in einer Massenproduktion von Konsumgütern. Auch das lässt sich am Beispiel Nokia studieren.“
Wenn wir mit Strukturwandel leben müssen, dann kommt es ganz entscheidend darauf an, in welcher Qualität dies geschieht – gesellschaftlich, ökonomisch und politisch. Und das ist es: Es ruft kalte Wut hervor, dass ein Unternehmen Knall auf Fall 2.300 Arbeitsplätze plattmacht – ohne Vorankündigung, ohne den Betriebsrat zu informieren, ohne es mit der Region zu besprechen, ohne Vorbereitung. Das geht nicht! Das tolerieren Sie nicht, das tolerieren wir nicht. Wir sollten den Menschen gemeinsam deutlich machen, dass man so nicht verfahren kann.
Wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft, nicht in einem Turbokapitalismus. Das müssen diese Unternehmen lernen.
Ich richte ein ausdrückliches Lob an den Betriebsrat des Werkes sowie an die Gewerkschaften, die kämpferisch, aber besonnen – das unterscheidet sie von Ihnen –
Wir unterstützen die Bundesregierung ebenso wie die Landesregierung, die dabei sind, alle, aber auch alle Optionen auszuloten, wie man der Region und den Beschäftigten bei Nokia und allen, die damit verbunden sind, nunmehr tatsächlich helfen kann.
Es ist ein gutes Signal, dass der Vorstandsvorsitzende von Nokia heute in mehreren Interviews signalisiert hat, dass er sich mit der Wirtschafts
ministerin treffen wird und dass er in Bezug auf künftige Lösungen für die Region offen ist: für künftige Lösungen für die Region. Darin - verdammt noch mal – liegt doch eine große Chance, die wir im Interesse der Menschen in der Region und all derjenigen nutzen müssen, die jetzt um ihren Arbeitsplatz bangen. Darum geht es, um nichts anderes. Es geht nicht darum, auf billige Weise Punkte zu machen, wie Sie es mit Ihrer Kritik tun wollen.
Wenn Sie in Ihrer Entschließung feststellen – Sie deuteten es vorhin an, Frau Kraft –, die Entscheidung des Nokia-Managements habe die Landesregierung vollkommen unvorbereitet getroffen, dann sage ich Ihnen: Selbstverständlich ist das der Fall. Ich kann Ihnen eine ganze Menge vergleichbarer Vorfälle aus der Vergangenheit nennen – Frau Ministerin Thoben hat darauf hingewiesen –:
2004 hat sich der seinerzeitige Minister Schartau empört über LG Philips geäußert, weil das Unternehmen in Aachen völlig unvorbereitet 1.200 Arbeitsplätze abbauen wollte. Richtigerweise hat sich Ihre damalige Regierung immer neu darüber empört, dass Siemens seine Handy-Produktion in Kamp-Lintfort und Bocholt einstellen will. Diese Krise hat unter Ihrer Ägide begonnen. Ich nenne das Datum 13. März 2004; zu dieser Zeit haben Sie noch regiert. Textilhersteller Steilmann in Wattenscheid, Heizgeräte Vaillant Gelsenkirchen – verfügten Sie damals auch nicht über ein Frühwarnsystem? Verfügten Sie damals auch nicht über ein Konzept zur regionalisierten Wirtschaftspolitik? Um Himmels willen! Und heute tun Sie so, als ob Sie die Weisheit mit einem Schaumlöffel gefressen hätten.
(Lebhafter Beifall von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Damals gab es Aktivitä- ten, heute gibt es nur Sprüche!)