Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

Wir werden das durchsetzen, wenn nicht jetzt, dann in Zukunft. Es wird so kommen, da können Sie versuchen, zu blockieren, so viel Sie wollen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Löhrmann. – Für die CDU-Fraktion spricht Kollege Wilp.

Herr Präsident! Frau Präsidentin!

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim ersten Lesen des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen habe ich mich gefragt: Ist das, was hier vorgelegt wird, ein Kompendium, eine Zusammenfassung von Bildungsaspekten? Beim genaueren Durchlesen stellt man dann fest, dass vieles miteinander vermischt wird, sodass das Ganze eher den Eindruck eines Sammelsuriums vermittelt.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Aachener Erklä- rung!)

Lässt man die ersten Abschnitte des Antrags mit der Situationsbeschreibung einmal weg, drängt sich der Verdacht auf, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit diesem Antrag durch die Hintertür erneut die Schulstrukturdebatte führen will.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Die Hintertür! – Hei- terkeit von den GRÜNEN)

Auf die Sache bezogen bestreitet doch niemand, dass Bildung zu den zentralen Aufgaben heutiger Politik gehört. Die soziale Frage der Gegenwart, so ist gesagt worden, heißt Bildung, und zwar in dem Dreiklang von Bildung, Ausbildung, Weiterbildung. Darauf hat die jetzige Landesregierung seit ihrer Amtsübernahme einen Schwerpunkt ihrer Arbeit gelegt und Enormes geleistet.

Während an vielen Stellen gespart werden musste, wurden im Ministerium für Schule und Weiterbildung die Mittel für die Einstellung zusätzlicher Lehrerinnen und Lehrer deutlich aufgestockt. Rund 5.000 neue Lehrerinnen und Lehrer haben in dieser Zeit ihren Dienst begonnen.

Gleichzeitig wurden im GFG die Mittel der Schulpauschale im Jahre 2008 um 80 Millionen € aufgestockt.

Auch der Arbeitsminister – das möchte ich in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnen – hat den Schwerpunkt seiner Arbeitsmarktpolitik darauf gelegt, junge Menschen arbeitsfähig zu machen. Es sind viele Maßnahmen ergriffen worden: Ich denke an BUS mit 3.600 Teilnehmern, Werkstattjahr mit 4.600 Teilnehmern; wir haben die Ver

bundausbildung und die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung angefangen. Das heißt, jährlich sind hier insgesamt 70 Millionen € eingesetzt.

Ich möchte noch auf den Punkt der Weiterbildung eingehen. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat bisher 130.000 Bildungsschecks für die Weiterbildung von Arbeitnehmern mit einem jährlichen Volumen in Höhe von 14 Millionen € eingelöst.

Das darf man in diesem Zusammenhang alles mit bedenken. Von daher kann sicherlich eine gute Bilanz vorgelegt werden.

Wenn die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihren ersten Abschnitt damit überschreibt „Kommunen nehmen Herausforderungen in der Bildung an“, dann gehe ich davon aus, dass die Kommunen die Zeichen der Zeit erkannt haben und handeln. Denn auch die Kommunen wissen doch, dass Bildung ein Standortfaktor ist, und deshalb engagieren sich viele Kommunen in besonderer Weise im Bildungssektor. Das neue Schulgesetz bietet den Kommunen vielfältige Möglichkeiten, gestaltend mitzuwirken:

Die Kommunen organisieren das örtliche Schulangebot in eigener Zuständigkeit.

(Zustimmung von der CDU)

Das geht von der Einführung der offenen Ganztagsschule, besonderen Förderangeboten, der Ausstattung der Schulen bis hin zu Formen der Zusammenarbeit von Schule und Kommunen, von Schule und Wirtschaft. Die Ausweitung der „Selbstständigen Schule“ auf alle Schulen erweitert den Handlungsspielraum für Schulen und Kommunen beträchtlich. Im Rahmen der Vorgaben des Schulgesetzes sind sie legitimiert, Schulen zu errichten, zu erweitern, zu vernetzen.

Ein Weiteres will ich auch klar sagen: Der demografische Wandel wird einen Rückgang der Schülerzahlen zur Folge haben. Das Schulgesetz bietet eine Reihe von Lösungen an, mit denen flexibel reagiert werden kann.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Löhrmann?

Nein, ich möchte mein Konzept zu Ende vortragen. – Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geht allerdings weit darüber hinaus.

(Zustimmung von Sylvia Löhrmann [GRÜ- NE])

In dem Antrag heißt es: „Die Zuständigkeit für die Schulen soll auch formal kommunal sein.“ Hier liegt des Pudels Kern. Dazu sage ich ganz eindeutig: Dies ist mit der CDU-Fraktion nicht zu machen. Die Festlegung von Schulformen und Schulstrukturen kann nicht in die Zuständigkeit der Städte und Gemeinden gelegt werden.

(Beifall von der FDP)

Das würde das Ende eines landesweit geordneten Schulsystems bedeuten. Wenn wir nicht der Beliebigkeit, dem Durcheinander und letztlich dem Chaos Vorschub leisten wollen, dann muss die Entscheidungskompetenz beim Gesetzgeber, das heißt beim Land, bleiben. Eine andere Lösung kann auch nicht im Interesse der Kommunen, der Eltern und der Lehrerschaft sein, und erst recht nicht im Interesse der Schülerinnen und Schüler. Was würde im Falle des Umzugs eines Schülers geschehen? Würde er dann in den unterschiedlichen Gemeinden auf unterschiedliche Schulen treffen? – Das kann nicht funktionieren.

Über Spielräume innerhalb der festgelegten Schulstrukturen kann man diskutieren. Da muss man nicht einheitlicher Meinung sein. Die Grundlagen der Schulpolitik sind allerdings hier im Landtag vom Gesetzgeber zu legen. Das ist unsere Position. Aus diesem Grunde werden wir – das will ich klipp und klar sagen – dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in dieser Form nicht zustimmen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Angst vor Freiheit!)

Danke schön, Herr Kollege Wilp. – Frau Schäfer hat für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Städte und Gemeinden als wichtigen bildungspolitischen Akteur zu stärken, ist eines der zentralen Anliegen der Bildungspolitik der SPD-Fraktion. Da teilen wir die Meinung von Bündnis 90/Die Grünen. Wir wollen mehr Freiraum und mehr Eigenverantwortung für die Kommunen. Denn Schulen sind nach unserer Meinung wichtige Einrichtungen der Bildungsinfrastruktur, über die die Räte mitentscheiden müssen und sollen.

Die zurückgehenden Schülerzahlen zwingen die Kommunen im Übrigen, genau zu überlegen, wie möglichst viele Bildungsgänge wohnortnah angeboten werden können, um Kindern und Jugendlichen lange Wege und den Kommunen die Kosten dafür zu ersparen. Freiraum und Eigenverantwor

tung können, richtig eingesetzt, die dringend notwendige Qualitätsverbesserung im Bildungssystem sehr positiv beflügeln.

Zurzeit gilt, dass die sogenannten inneren und äußeren Schulangelegenheiten getrennt sind. Auf eine einfache Formel gebracht: Das Land ist für die Versorgung mit Lehrerinnen und Lehrern, die Kommunen sind für die Ausstattung der Schulgebäude und die Schulgebäude selbst zuständig. Noch klarer formuliert: Die Räte dürfen über Gebäude, Tische, Stühle, Tafeln und die Wandfarbe beraten, von der inhaltlichen Arbeit in den Schulen sollen sie aber die Finger lassen. Ein Bild, das nach unserer Meinung schon lange nicht mehr in die Landschaft passt und nicht mehr den bildungspolitischen Realitäten vor Ort entspricht.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie hätten es doch än- dern können!)

Der Kongress – Herr Witzel, nun regen Sie sich nicht auf – des Deutschen Städtetages im November letzten Jahres hat dies eindrucksvoll belegt.

Herr Witzel, spätestens seit der erfolgreichen Einführung der offenen Ganztagsgrundschule gehört diese künstliche Trennung der Vergangenheit an. Jugendarbeit, eine bisher klassisch kommunale Aufgabe, und die bildungspolitische Arbeit in der Grundschule sind in diesem Erfolgsprojekt vernetzt worden. Kommunen und Land arbeiten dabei Hand in Hand. Ich habe das damals verantwortlich, positiv begleitet und hätte das gerne weiterentwickelt. Aber das ist jetzt Ihre Verantwortung.

In vielen Städten und Gemeinden ist der berechtigte Anspruch weiter beflügelt worden, stärker als bildungspolitischer Akteur aufzutreten.

Im Übrigen sind mittlerweile auch Grauzonen entstanden, die in ihren Verantwortlichkeiten geklärt werden müssen. Am Beispiel der Schulsozialarbeit kann man das verdeutlichen. Nach Gesetzeslage müssten die Kommunen diese Aufgabe alleine schultern. Allerdings sind bereits in der letzten Legislaturperiode unter Rot-Grün weit über 300 Sozialpädagogen und -pädagoginnen vom Land eingestellt worden, um die Kommunen bei dieser Aufgabe zu unterstützen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der schwierigen finanziellen Situation in vielen Städten und Gemeinden.

(Beifall von der SPD)

Deshalb ist es überfällig, mit den kommunalen Spitzenverbänden in den Dialog zu treten, die kommunalen und die Landeszuständigkeiten auf den Prüfstand zu stellen und zu überlegen, wel

che Ebene welche Aufgaben am besten lösen und wahrnehmen kann.

Wer es ehrlich damit meint, Herr Wilp, die Steuerung im Bildungssystem zu verändern – davon reden Sie ja sonntags auch, aber montags tun Sie es nicht –, und zwar zugunsten von mehr Dezentralität bei klarer Vorgabe der bildungspolitischen Rahmenbedingungen durch das Land über Kerncurricular und über klar definierte Standards sowie durch den Aufbau der dazugehörigen Unterstützungs- und Beratungssysteme und der notwendigen Kontrollsysteme, der muss anders handeln als diese Landesregierung in NRW und die sie unterstützenden Fraktionen. Sie scheinen ja förmlich Angst davor zu haben, mehr Selbstverantwortung und Eigenständigkeit an die Kommunen zu geben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Bei Ihnen behalten die Kommunen schlicht und einfach eine Zaungastrolle. Diese Rolle als Zaungast haben die Städte und Gemeinden unmittelbar nach Ihrer Regierungsübernahme zu spüren bekommen.

Die Bitte der Kommunen, ihnen die Eigenverantwortung für die Einrichtung und Einteilung von Schulbezirken im Grundschulbereich zu überlassen, haben Sie schlicht ignoriert. Sie haben, ohne mit der Wimper zu zucken, zentral von Düsseldorf aus die Aufhebung beschlossen. Erste Folgen sind unmittelbar spürbar. Wir haben das erste Jahr danach, aber wir werden die weiteren Jahre begleiten und sehen, was passiert.

(Ralf Witzel [FDP]: Alles bestens!)

Sie sind völlig abgehoben, Herr Witzel. Gehen Sie doch einmal in die Städte und Gemeinden. Hören Sie sich einmal in Ostwestfalen um. Ich lade Sie gerne dazu ein. Dann können wir Ihnen das vor Ort zeigen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Machen Sie sich doch lieber einen schönen Tag!)

Auch bei der Auswahl der Schulleitungen haben Sie die Kommunen ein zweites Mal düpiert. Sie standen bei der Auswahl der Schulleitungen quasi erstmals vor der Tür. Nebenbei bemerkt: Das gesamte Verfahren ist zu einer Farce geworden.

Sie haben auch die Möglichkeit von Verbundschulgründungen, die Rot-Grün nach Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden in das Schulgesetz aufgenommen hatte, gekappt und auf ein nicht praxistaugliches Maß reduziert. Die Folgen Ihres unreflektierten Handelns bringen die Kommunen in große Nöte.