Nach der Rede der Schulministerin juckt es einen aber doch in den Fingern, zu fragen: Wo sehen Sie eigentlich Ihre Verantwortung, Frau Ministerin?
Es ist leicht, auf die Eltern und die Erzieherinnen und Erzieher zu verweisen. Sie machen sich hier einen schlanken Fuß. Das ist auch sicherlich alles richtig. Ich will jetzt nicht die Beispiele wiederholen, die Herr Jarzombek dankenswerterweise auch aufgeführt hat. Es gibt eine Vielzahl von Ratschlägen und Broschüren. Alleine von der LfM hat es schon mehrere Buchreihen zum Thema Medienkompetenz gegeben. Es gab unsere gemeinsamen Initiativen im Landtag. Ich könnte Ihnen von Elterninitiativen wie zum Beispiel FLIMMO berichten. Sie tun nichts anderes, als Eltern zu beraten, wie sie zu Hause die Medienkompetenz gemeinsam mit ihren Kindern nach vorne bringen. Das gibt es alles.
Eben wurde schon gesagt, wir haben kein Erkenntnisproblem. Wir haben ein Umsetzungsproblem. Dieses Umsetzungsproblem liegt dort, wo gelehrt und gelernt wird. Das ist die Schule, und das ist der Kindergarten.
Wir alle wissen: Es gibt in dieser Gesellschaft leider Eltern, die nicht in der Lage sind, ihren Kindern auf dem Weg zur Medienkompetenz das richtige Werkzeug mitzugeben. Wir wissen doch um die Probleme der Jugendhilfe. Wir können die schrecklichen Ereignisse der letzten Wochen, bei denen vernachlässigte Kinder aus Wohnungen geholt wurden, nicht ignorieren. Das wissen wir doch alles. Wir sind gegenüber den Kindern in der öffentlichen Verantwortung, tätig zu werden. Die öffentlichen Einrichtungen sind gefragt. Insbesondere die Schule ist gefragt, Medienkompetenz als ihr Thema zu begreifen und als integralen Be
standteil in den Unterricht einzubringen. Ich meine, eine Schulministerin hätte zu diesem Thema sprechen müssen.
Die Aktuelle Stunde kennt keine Beschlusslage und keine Antragsform. Ich hoffe, wir können darüber hinausgehen und bei dem Thema wieder zu Gemeinsamkeiten kommen. Dies muss handlungsorientiert geschehen im Hinblick darauf, welche Anforderungen wir an die Landesregierung stellen, die zur Lösung des sehr gravierenden Problems in diesem Lande erforderlich sind. Ich hoffe auf eine breite Unterstützung aller Kolleginnen und Kollegen im Landtag und in der Umsetzungsphase auch vom Ministerium. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Diese Studie belegt eindeutig: Die Probleme unseres Schulsystems werden nicht durch die hundertste Wiederauflage der Schulstrukturdebatte gelöst. Im Gegenteil!
Nicht das Schild über der Eingangstür einer Schule entscheidet über den Bildungserfolg, sondern insbesondere der gesamtgesellschaftliche Kontext, vor allem aber die Situation in jeder einzelnen Familie.
Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse der Studie zu den PISA-Verlierern leider nicht besonders überraschend. Sie bestätigen nur das, was von erfahrenen Lehrerinnen und Lehrern und von engagierten Eltern seit Jahren beobachtet wird: Der unkontrollierte Medienkonsum verschlechtert nachhaltig die Bildungschancen. Je mehr Medienkonsum und je gewalttätiger die Medien, desto schlechter sind die Bildungsergebnisse.
Die Studie verdeutlicht, dass wir dieses Thema nicht weiter ignorieren dürfen. Diejenigen, die es ohnehin besonders schwer haben, fallen weiter zurück. Wir dürfen uns die Antwort aber nicht leicht machen. Wir können sie auch nicht einfach auf die Schule abschieben.
Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens über einen aufgeklärten Mediennutzer. Es hilft uns überhaupt nicht, die Medien zu verteufeln – Frau Sommer hat es angesprochen – oder deren An
wendung zu tabuisieren. Wir brauchen die aufgeklärten Eltern, die aufklärenden Lehrer und die kritischen Schülerinnen und Schüler. Das geht nur in einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung. Es nutzt kein Schwarze-Peter-Spiel – Frau Beer, Ihre Zwischenbemerkung ging eben in diese Richtung – und keine Position der Verunglimpfung oder Beschämung.
Angefangen bei der Familienbildung in Familienzentren über die Erwachsenenbildung und die Jugendarbeit bis hin zur Verbraucherberatung und natürlich auch im schulischen Alltag muss über die schädlichen Folgen unkontrollierten Medienkonsums aufgeklärt werden. Beim Kleinkind fängt das an. Auch wenn es manchmal bequem ist: Der Fernseher ist eben kein Babysitter. – Deshalb ist es so gut, dass die Koalition gestern beschlossen hat, zusätzlich mehr als 10.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren bereitzustellen.
In dieser Betreuungszeit gibt es nämlich diese medialen Ablenkungen nicht. Es wird an richtiger Stelle gehandelt. Nur aufgeklärte und informierte Eltern können die erforderlichen Grenzen setzen. Das ist Aufgabe der Weiterbildung und der Familienzentren. Hier geht es darum, Familien zu stärken, zu informieren und zu bilden.
Gerade die erschreckenden Zahlen der teuren und kompletten Medienausstattung bei Kindern aus bildungsfernen Familien belegen, dass das Wecken der Bildungsaspiration der Elterngeneration der entscheidende Schritt zur Verbesserung der Bildungserfolge ist.
Wer PISA-Sieger werden will, muss Beherrscher und eben nicht Opfer des Medienkonsums sein. Deshalb fühlen wir uns in hohem Maße darin bestätigt, mit dem Ausbau des Ganztagsangebots an den Hauptschulen begonnen zu haben.
Die Ergebnisse dieser Studie sind ein Beleg für die Richtigkeit unserer Strategie, die Lust auf Leben und Kreativität zu fördern. Schule muss in Angeboten auch für Anregungen und Alternativen zum Medienkonsum sorgen. Eltern sind in die Pflicht zu nehmen, den Kindern Grenzen zu setzen und für deren Einhaltung zu sorgen.
Wir brauchen verlässliche Informationen über Computersucht und deren Entstehung und vor allem über deren Prävention. Insbesondere gilt das für die offensichtlich besonders gefährdeten Jungen. Es muss über jungengerechte Anforderungen und Angebote nachgedacht werden, um diese nicht in eine Spielsucht abtreiben zu lassen.
Frau Sommer ist herzlich dafür zu danken, dass sie durch die Vorstellung der Pfeiffer-Studie ein Tabuthema auf die Agenda der Öffentlichkeit gesetzt hat. Wir müssen einen öffentlichen Diskurs darüber führen. Ein gesellschaftliches Wegsehen und die totale Kommerzialisierung unserer Freizeit sind Stolpersteine für die Zukunft unserer künftigen Leistungseliten.
Moderne Medien eröffnen aber auch neue Bildungschancen, wenn sie zielgerichtet eingesetzt werden. Mein Kollege Thomas Jarzombek hat es dargelegt. Jeder steht in der Verantwortung. Die Eltern brauchen Unterstützung. Alle Erziehungs- und Bildungseinrichtungen haben hier ein Megathema für die nächsten Jahre.
Diese Landesregierung hat die richtigen Schritte und Maßnahmen auf den Weg gebracht, sei es bei den Familienzentren, sei es im Ganztagsbereich, sei es in der Aufklärungskampagne. Es wäre aber die falsche Antwort, sich besserwisserisch zurückzulehnen.
Zu begrüßen ist nachdrücklich die von Frau Sommer angekündigte Aufklärungskampagne in den Schulen und in der Öffentlichkeit. Wir müssen die Botschaft in jeden Haushalt, in jede Familie, insbesondere in jede Familie mit Kleinkindern tragen. Das ist unsere Aufgabe. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde diese Aktuelle Stunde in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zunächst ist sie bemerkenswert, was das Thema angeht; denn Sie machen hier eine Studie zum Thema, die Ihnen für Ihre konkrete Schulpolitik sehr schlechte Noten ausstellt, die genau das fordert, was Sie in Ihrer Schulpolitik nicht umsetzen.
Das hat uns etwas gewundert. Aber noch mehr muss uns wundern, dass, während dies hier thematisiert wurde – mittlerweile haben Sie in Ihren Büros wohl Hinweise bekommen –, von der Regierungskoalition zum Teil nur drei Menschen anwesend waren, zwei weniger als die fünf Mitglieder der Grünen-Fraktion; mittlerweile ist auch einer von uns gegangen. Wenn Sie eine Aktuelle Stunde beantragen, gehen wir doch davon aus,
dass Sie das Thema ernst nehmen und nicht nur mit drei Abgeordneten im Plenarsaal vertreten sind. Offenbar scheint Ihnen das doch gar nicht so wichtig zu sein.
Um einmal auf die Konsense einzugehen: Hier kam immer wieder konsensual, wir müssten in den Familien, bei den Eltern ansetzen. Darin sind wir uns natürlich alle einig. Heute haben es die Eltern immer schwerer – vielen gelingt es zunehmend weniger –, ihren Kindern Grenzen zu setzen, nicht nur, aber gerade auch beim Medienkonsum.
Nun kann es aber doch nicht sein, Frau Ministerin Sommer, Herr Kaiser, Herr Jarzombek, dass wir bei diesem Lamento stehen bleiben und sagen: „Es müsste einmal“, und: „Die Eltern müssen“, und: „Die Eltern sollten“. Das ist keine gestaltende Politik.
Die Frage ist doch: Was folgt für uns als Politikerinnen und Politiker daraus? Was folgt für die Ministerin und im Übrigen auch für den Familienminister daraus? Letzteren vermisse ich hier sehr, muss ich sagen. Sie alle haben betont, es müsse in den Familien angesetzt werden. Dann ist aber, bitte, auch der Herr Familienminister gefragt. Er sollte uns hier einmal darlegen, was er macht, übrigens in Umsetzung unseres gemeinsamen, von allen vier Fraktionen getragenen Antrages aus dem Jahre 2007. Wir erinnern uns: Dort haben wir einen Forderungskatalog formuliert. Er war in großen Teilen an den Familienminister gerichtet.
Ich hätte daher, da wir heute eine Aktuelle Stunde machen und über dieses Thema debattieren, gerne eine Antwort und eine Sachstandsdarstellung des Familienministers gehabt, wie er denn unsere Forderungen aus dem Jahr 2007 überhaupt umgesetzt hat. Aber da kommt nichts.
Es reicht also nicht. Es gibt noch einen weiteren Hinweis. Wenn wir sagen, wir müssten die Elternkompetenzen und die Erziehungskompetenzen insgesamt stärken – da sind wir alle d’accord – und wir müssten die Medienkompetenzen in den Kindertageseinrichtungen stärken – das ist etwas ganz Wesentliches, was Frau Nell-Paul oder Herr Eumann eben gesagt haben –, heißt das natürlich auch, dass wir die notwendigen Mittel dafür zur Verfügung stellen müssen. Doch schauen wir uns einmal den Medienkompetenztag im Landtag an:
Herr Krautscheid, den gibt es nicht mehr; der ist weggekürzt. -Außerdem haben Sie bei der Familienbildung, die sich an die Eltern richtet und neben anderen Aspekten auch zum Inhalt hat, die Medienkompetenz der Eltern zu stärken, massiv gekürzt.
Es reicht also nicht, dass wir hier die Probleme konsensual beschreiben und sagen, wir müssten etwas tun. Meine Damen und Herren, ich fordere Sie auf: Machen Sie in beiden Bereichen ganz konkret etwas!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Studie bestätigt noch einmal in aller Deutlichkeit, dass erhöhter Medienkonsum gerade in jungen Jahren den schulischen Erfolg in hohem Maße beeinflussen und die Schüler darüber hinaus nicht nur psychisch, sondern auch physisch beinträchtigen kann.
So wird deutlich, dass die Kinder in ihrer Zeitnutzung von anderen, zum Beispiel sportlichen Aktivitäten abgehalten werden. Die Folge ist meistens frühzeitiges Übergewicht. Wir wollen, dass sich die Kinder körperlich austoben können und nicht bei ungeeigneten Computerspielen Aggressionen aufbauen.
Die Studie macht darüber hinaus deutlich, in welch hohem Maße unsachgemäße Mediennutzung und bildungsferne Herkunft miteinander verbunden sind. Man könnte auch von einem Kreislauf sprechen, da die Bildungsferne einen erhöhten Medienkonsum zur Folge hat und dieser wiederum zu schlechteren Schulergebnissen führt. Diesen Teufelskreis müssen wir also durchbrechen.