Die Landesregierung hat bei der Konzeption des Gesetzentwurfs breiten Raum für ein Höchstmaß an Konsens zwischen der kreisfreien Stadt, den kreisangehörigen Gemeinden und dem Kreis gelassen. Der Gesetzentwurf entspricht damit weitestgehend der einvernehmlichen kommunalen Willensbildung im Raum Aachen. Zu Recht wurde in den Expertenstellungnahmen betont, dass in den vorgelegten öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen eine große Zahl schwieriger Sachthemen im Konsens der kommunalen Partner geregelt werden konnte. Das ist nicht immer selbstverständlich, aber im Raum Aachen ist es gelungen. Und ich möchte sehr deutlich sagen: Ein solcher
freiwilliger Zusammenschluss einer kreisfreien Stadt mit einem Kreis ist eine beachtliche politische Leistung aller Beteiligten und verdient Respekt, meine Damen und Herren.
Dieser Dank, der damit implizit ausgedrückt worden ist, geht natürlich an die beiden Leitmatadore, nämlich an Herrn Landrat Meulenbergh – ich sehe ihn oben auf der Tribüne – und Herrn OB Dr. Linden, die es trotz unterschiedlicher parteipolitischer Ausrichtung geschafft haben, auch in den Gremien für Mehrheiten zu sorgen. Die Räte und Kreistage haben sich einvernehmlich an der Stelle gezeigt. Das ist in der Tat ein beachtlicher Schritt.
Die Landesregierung hat diesen Prozess der Konsensbildung der beteiligten Gebietskörperschaften wohlwollend begleitet, stellt dies doch ein Musterbeispiel für den Weg der Freiwilligkeit dar, den wir in der GO noch einmal ausdrücklich betont haben.
Mit dem Gesetzentwurf hat die Landesregierung die von den Beteiligten konsentierte, angemessene und tragfähige Lösung für die Bildung der Städteregion Aachen als rechtliche Grundlage herausgearbeitet. Auf dieser Basis kann die Städteregion nunmehr ihr selbst gestecktes Ziel erreichen und den Nachweis nordrhein-westfälischer Innovationskraft erbringen. Diese Kraft kann sich voll und ganz im vorhandenen System der kommunalen Selbstverwaltung entfalten.
Der Gesetzentwurf schafft mit der Städteregion eine neue Konstruktion, aber keine zusätzliche oder neue kommunale Ebene. Vielmehr kann die Region nun eine neue Qualität kommunaler Zusammenarbeit leben, die sich problemlos in unsere kommunale Landschaft einfügt. In diesem Ziel will die Landesregierung die Region bestärken und unterstützen. Lassen Sie uns gemeinsam den Startschuss für eine erfolgreiche Städteregion Aachen geben.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform; das ist die Drucksache 14/6173. Dort empfiehlt uns der Ausschuss, den Gesetzentwurf in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den bitte ich, mit der Hand aufzuzeigen. – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Dann ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen aller Fraktionen des Hauses angenommen und der Gesetzentwurf in der zweiten Lesung verabschiedet.
3 Landesregierung muss endlich „Courage“ zeigen: Schluss mit dem Experimentieren auf dem Rücken der Kinder – Gymnasien brauchen den Ganztag
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD der Kollegin Schäfer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Drei Fragen möchte ich angesichts der Diskussion um das „Turbo-Abitur“ in der heutigen Debatte aufwerfen.
Erstens. Warum haben Sie alle Erkenntnisse anderer Länder wie zum Beispiel Hessen und Bayern, alle Meinungen von Expertinnen und Experten in den Anhörungen zu dem von Ihnen zu verantwortenden Gesetz zum Abitur nach zwölf Jahren in den Wind geschlagen?
Zweitens. Warum gehen Sie in einer so arroganten Art und Weise mit den berechtigten Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern, den Lehrerinnen und Lehrern und den Kommunen um?
Drittens. Warum lassen sich die Landeselternschaft der Gymnasien, der Philologenverband und die Direktorenvereinigung der Gymnasien beim Turboabitur auf diese nachgebesserte Flickschusterei ein?
deren Bundesländern hatte die aufgeladene Diskussion, Herr Solf, um das „G8“ längst begonnen. Das Modell „fünf Jahre Sekundarstufe I und drei Jahre Sekundarstufe II“ legt den überwiegenden Teil der Schulzeitverkürzung in die unteren Jahrgänge des Gymnasiums.
Nach kurzer Zeit liefen Elternverbände Sturm gegen diese überstürzt eingeführte Verkürzung ohne entsprechende räumliche und ohne entsprechende fachliche Unterstützung.
Frau Kollegin Schäfer, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Frau Kollegin Kastner würde gern eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu?
Frau Schäfer, würden Sie in Ihrer Rede bitte meine Frage mitbeantworten, warum Sie in Ihrer Zeit als Ministerin das Abitur nach acht Jahren zwar beschlossen, in Ihrer verbleibenden Regierungszeit aber keinerlei Vorkehrungen für die Umsetzung getroffen haben?
Alle, die eine Ahnung davon haben, was die Auswirkung der möglichen Verdichtung des Lernstoffs angeht, haben Sie in den Anhörungen frühzeitig darauf hingewiesen, dass man eine Schulzeitverkürzung nur – Frau Kastner! – mit einem begleitenden Ganztag umsetzen kann.
Zwölf statt 13 Jahre Lernzeit, das bedeutet Ganztag statt Halbtag. Das war der Unterschied zu Ihnen. Nachdem Ihr erster Befreiungsschlag in diesem ganzen Theater „Samstag ganz Ganztag“ gelautet hatte, Frau Ministerin, haben Sie gemerkt, dass Sie einen bildungspolitischen Superflop in Nordrhein-Westfalen gelandet haben. Dann haben Sie erst einmal gar nichts mehr getan.
Abgesehen davon, dass alle Anträge der SPD zur Einführung des Ganztags von Ihnen, Frau Kastner, und von Ihrer Fraktion abgelehnt worden sind, haben Sie nichts weiter unternommen – außer dass die Ministerin kurz nach den Haushaltsberatungen in der Presse darüber fabuliert hat, sie fände es auch sinnvoll, den Ganztag einzuführen, sie müsse aber erst einmal den Ministerpräsidenten fragen.
Das hat aber auch nicht wirklich zu einer Beruhigung der Menschen im Lande und an den Schulen geführt. Als das Thema in NordrheinWestfalen immer höhere Wellen schlug, Frau Kastner, da trat der Pressesprecher der Ministerin auf den Plan. Er hatte diesmal keine 100-€-Frage parat, nein, er hatte eine Billiglösung für das ganze Land NRW parat.
Er verwies auf die Zuständigkeit der Kommunen und sagte wörtlich in der „Westfälischen Rundschau“ vom 26. Januar 2008:
„‚Es muss ja nicht gleich immer eine Mensa gebaut werden.’ Ein ‚paar Tische und Stühle zusammenrücken’ und einen Essenslieferanten bestellen. ‚Das reicht doch auch.’“
Sekundiert wird er von seiner Ministerin, die den ernst gemeinten Vorschlag macht, die Verlage sollten in den Schulbüchern fett drucken, was die Kinder wirklich zum Abitur lernen müssten. Das wäre eine wunderbare Hilfe bei der Lernstoffverdichtung.
Allen Eltern, Bildungsfachleuten, Lehrern, Schülerinnen und Schülern müssen diese Aussagen schlicht wie blanker Hohn in den Ohren geklungen haben. Mit welchem Recht, frage ich Sie, gehen Sie so oberflächlich mit den Menschen im Land um, mit den Kindern und Jugendlichen, die Ihnen angeblich so am Herzen liegen?
Das Ergebnis Ihrer Politik, das sehen Sie jetzt bei den Anmeldungen zu den Gesamtschulen und zu den Gymnasien. Wir sind gespannt auf die letzten Zahlen. Was hören wir aus der Fläche des Landes? Ich kann es konkret, Frau Beer, für Paderborn sagen: An zwei Gymnasien sind die Anmeldezahlen dramatisch zurückgegangen, an einer der Gesamtschulen ist die Anmeldezahl auf 374 gestiegen. Diese Schule kann aber nur 174 Kinder aufnehmen und muss 200 Eltern sagen, dass sie ihre Kinder nicht aufnehmen kann.
Wissen Sie, warum die Eltern die Anmeldung an dieser Schulform wünschen? Weil sie den Ganztag in der Grundschule gewöhnt sind und weil sie eine Bildungszeit für ihre Kinder haben wollen, die ihnen ein Abitur in Ruhe und mit Vernunft ermöglicht. Darum melden sie die Kinder an den Gesamtschulen an.