Die Eltern wollen den Ganztag. Die Eltern wollen das Turboabitur, so wie Sie es eingeführt haben, nicht.
Hätten Sie doch nicht in Bausch und Bogen das verworfen, was wir vorher in Nordrhein-Westfalen vorbereitet und umgesetzt hatten! Wir haben gesagt: Die Sekundarstufe I soll weiterhin bis zur Klasse 10 dauern. – Das war unsere Überlegung. Wir hatten vorgesehen, die 170 Millionen €, die Sie in die Hauptschulen gesteckt haben, auch in den Ausbau aller weiterführenden Schulen zu stecken, und zwar als Anfang des Ausbaus zum Ganztag.
Ich meine September 2004. – Frau Kastner, das waren vorbereitende Überlegungen. Auf ausdrücklichen Wunsch von Bündnis 90/Die Grünen, Herr Lindner, haben wir dann über die Flexibilisierung der Oberstufe nachgedacht und gesagt: zwei oder drei Jahre, je nach individueller Lernmöglichkeit des jeweiligen Schülers und der jeweiligen Schülerin.
Frau Kastner, das war unser Modell. Die Kerncurricula waren ebenfalls in Vorbereitung. Sie haben sich nach der Regierungsübernahme eineinhalb Jahre mit einem neuen Schulgesetz befasst, haben das Turboabitur eingeführt und haben alle anderen Arbeiten ruhen lassen. Das Chaos holt Sie jetzt ein!
Ich habe die Frage nach der Zustimmung der Lehrerverbände, des Philologenverbandes und der Direktorenvereinigung gestellt. Ich persönlich kann nämlich nicht nachvollziehen – das sage ich hier ausdrücklich –, warum die Interessenverbände diese Billiglösung mittragen und nicht mit Vehemenz für einen sorgfältigen Umgang mit der
Das Klima im Land ist in dieser Frage sehr aufgeheizt. Nach der Hessenwahl verstehe ich auch Ihre Nervosität. Machen Sie also endlich ein Angebot, bei dem man von einem pädagogischen Ganztag sprechen kann, und lassen Sie die Kommunen dabei nicht länger im Regen stehen!
Denn das Spiel „linke Tasche, rechte Tasche“, das Sie mit den Kommunen in Sachen Schulpauschale veranstalten, ist höchst unwürdig.
immerhin eine der regierungstragenden Parteien. In der Haushaltsberatung, Herr Lindner, lehnen Sie alles ab, was zum Ganztag hätte führen können.
Dann muss die Ministerin alle berechtigten Vorwürfe aushalten, weil sie nichts getan hat und Sie sie auch nicht unterstützt haben. Und dann stellen sie ihr noch ein Bein und sagen: Nun soll sie mal endlich Courage zeigen! – Und das machen Sie öffentlich in der Presse. Was ist das für ein Umgang innerhalb Ihrer Koalition, frage ich mich da!
(Beifall von SPD und GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Das war eine freundschaftli- che Ermunterung!)
Ja, das wird jeder so gelesen haben. So haben Sie es gemeint. „Sie muss endlich mehr Courage zeigen“ – wissen Sie, das ist eine ziemlich arrogante Art, wie Sie da gerade mit Ihrer Ministerin umgehen. Aber das ist Ihr Problem.
Die zweite Anmerkung bezieht sich noch mal auf das Abitur nach zwölf Jahren: Wir alle und auch Sie argumentieren immer mit dem internationalen Wettbewerb, mit der Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb brauche man in Deutschland das Abitur nach zwölf Jahren. Nun wissen wir ja, dass in vielen anderen Ländern die Erfolge in der Quote und in der Leistung der Abiturienten über denen unserer liegen. In allen anderen europäischen Ländern bis auf Österreich erreichen die Länder dies, indem sie ihre Schülerinnen und Schüler über längere gemeinsame Lernzeiten zum Abitur führen, mit dem Ergebnis, dass die Schere zwischen sozialer
„Gleiche Chancen für alle“ heißt nicht „gleiche Ergebnisse für alle“, sondern heißt für uns vor allem eines: Es muss um die wahre Bildungsgerechtigkeit gehen. Das müssen wir in einem Land, das so groß ist wie Nordrhein-Westfalen, Zug um Zug gestalten. Sie richten schlicht und einfach ein Chaos in der Bildungspolitik dieses großen Landes Nordrhein-Westfalen an. Ihr Schulgesetz holt Sie ein. – Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist heute das dritte Stück in der Serie „schwarz-gelbe Regierungsstümperei“, das wir diese Woche diskutieren: gestern die WestLB, heute schon die Umweltzonen und jetzt mal wieder ein Stück aus der schwarzgelben bildungspolitischen Stümperei, das die Regierung Rüttgers zu verantworten hat. In allen drei Feldern ist deutlich geworden, dass nicht nur Regierungshandeln, Administration und Inhalt so schwierig sind, sondern dass es in diesen drei Punkten auch massive Differenzen zwischen den beiden Regierungsfraktionen in NordrheinWestfalen gibt. Das muss man ganz klar festhalten.
Zum bildungspolitischen Teil möchte ich sehr deutlich sagen: Zum wiederholten Male setzen Sie ein an sich unstreitiges bildungspolitisches Vorhaben in den Sand durch die Art, wie Sie es umsetzen: weil Sie es überhastet und ohne Gesamtkonzept tun,
weil Sie denken „Schnell, schnell, schnell, dann wird es schon gut werden“ und weil Sie ohne Grund Dinge, die vorher anders abgesprochen waren, über Bord werfen, weil Sie von Ihren ideologischen Mechanismen getrieben worden sind.
An diesem Punkt zeigen Sie nach wie vor deutlich – das war bei den Sprachstandserhebungen ebenfalls ein Chaos –, Frau Ministerin und diejenigen, die Ihnen diese Dinge aufschreiben, dass Sie keine Vorstellung haben, wie heute nachhaltiges und vernünf
tiges Lernen im Sinne der Kinder, im Sinne der Gesellschaft und im Sinne der Wirtschaft passieren muss. Wir brauchen doch ein ganzheitliches Konzept von Bildung und Lernen und nicht mehr das Muster „Alle Kinder im Gleichschritt marsch durchs System“. Das ist der entscheidende Unterschied. „Im Gleichschritt marsch durchs System“, so funktionieren Bildung und Schule im selektiven System. Das müssen wir durch verschiedene Möglichkeiten und auch durch eine vernünftige Form der Schulzeitverkürzung aufbrechen. Das haben Sie nicht verstanden, weil Sie sich diesen Entwicklungen der internationalen und nationalen Bildungsentwicklung aus ideologischen Gründen verschließen. Tonangebend an dieser Stelle sind nach wie vor Sie von der FDP, Her Witzel. Da sind Sie die Ursache.
Wissen Sie, was Kinder brauchen? Kinder und Jugendliche brauchen und haben das Recht auf eine gute Bildung, auf eine lebenswerte und lebendige Kindheit und Jugend. Ihre „G8“Stümperei und Ihre überhastete Umsetzung müssen die Kinder, die Eltern, die Lehrerinnen und Lehrer ausbaden. Das macht Kinder zum Teil auch krank.
Ihre Nachbesserungen, Frau Ministerin Sommer, die Sie hastig mit Blick auf die alarmierenden Wahlergebnisse in Hessen gemacht haben, helfen nicht weiter. Das sind kosmetische Notoperationen, die kein bisschen weiterhelfen. Das wird die Kollegin Beer noch deutlich ausführen.
Ich will das Thema Bildungsverständnis noch einmal vertiefen. Die schwarz-gelbe Turboschule bedeutet Fast Food und Wegwerfbildung.
Das Ergebnis wird sein: Mittelmaß und Versagen. Es fehlt die Zeit zum Nachfragen und Üben, es fehlt die Zeit, die kindliche Neugier und auch die produktive Kraft des Fehlers zu nutzen. Das gehört zu einer Schule, die nachhaltige Bildung fördert, doch dazu. Davon merkt man bei Ihnen nichts. Hier wird der Nürnberger Trichter wiederbelebt: Alles oben rein, und dann hoffen wir, dass unten irgendetwas herauskommt, was man schnell abprüfen kann. – Das ist aber nicht nachhaltig, meine Damen und Herren.
Die zeigen nämlich, dass Sie von vernünftiger, zukunftsfähiger Bildungspolitik nichts, aber auch gar nichts verstanden haben.
Ich bin stolz darauf, dass ich parteipolitisch nicht unparteiisch bin, Herr Lindner. Herzlichen Dank für diese Anregung.
Was brauchen wir in dieser Situation? Wir brauchen den Ganztag an den Gymnasien; der muss aufgebaut werden. Wir brauchen eine tatsächliche Entschlackung der Lehrpläne. Wir müssen die Durchlässigkeit wahren. Alle Expertinnen und Experten haben Ihnen gesagt, dass das mit Ihrem System hin und weg ist, dass davon keine Rede mehr sein kann.