Protokoll der Sitzung vom 12.03.2008

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass es bei 265 Wochenstunden bleibt. Wir begrüßen die Beschlüsse der KMK. Wir haben in den letzten Jahren auch in anderer Rolle immer deutlich gemacht, dass 265 Stunden unser Ziel sind, weil wir eben kein Billig-Abitur wollen.

Es ist bemerkenswert, wie sich die Redner der Opposition hier heute verhalten, zumal die Grünen in der letzten Legislaturperiode gejammert haben: Was sollen diese starren Vorgaben der KMK? Sie haben hinterfragt, wofür wir überhaupt die Vorgabe von 265 Stunden brauchen. Das ginge nach Ihrer Meinung damals alles anders und billiger in der Umsetzung, wenn es diese Regularien in der KMK nicht gäbe. Heute weinen Sie Krokodilstränen über einen vermeintlichen Qualitätsverlust. Es ist lächerlich, was Sie hier aufführen.

(Beifall von FDP und CDU)

Wir sagen ausdrücklich: Wir brauchen natürlich eine Lehrplananpassung. Wir können und müssen Redundanzen beseitigen, die in den Plänen vorhanden sind. Wir machen aber eine qualitätsorientierte Oberstufenreform – fünf Abiturfächer in Nordrhein-Westfalen –, damit das Abitur nicht weniger wert ist als in Süddeutschland, wo das seit vielen Jahren bereits selbstverständlich ist.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, es gibt auch weniger Abwahlmöglichkeiten. Zu Ihrer Regierungszeit konnten Schüler, bevor sie das Abitur abgelegt haben, in Klasse 13 Fächer wie Deutsch, Englisch oder Mathematik abwählen. Das war Ihre Philosophie von Qualitätssicherung.

(Ute Schäfer [SPD]: Quatsch!)

Wenn wir jetzt sagen, diese Fächer sind nicht nur bis zum Ende der Schulzeit verpflichtend, sondern sie sind ausdrücklich mit einer erhöhten Stundenzahl als Kernfächer vorgesehen, dann ist das richtig und verbessert die Allgemeinbildung der jungen Menschen in unserem Land.

(Beifall von der FDP – Sigrid Beer [GRÜNE]: Sie stehen mit dem Rücken zur Wand!)

Wenn Sie hier stehen und über den Ganztag Ihre Krokodilstränen vergießen, meine Damen und Herren von der Opposition, dann schauen Sie sich einmal Ihr eigenes Versagen auf diesem Feld an. Sie haben aus ideologischen Gründen den Ganztagsvorrang der Gesamtschulen eingeführt und dort für eine nahezu hundertprozentige Abdeckung gesorgt und sich für alle anderen Schulformen in diesem Land nicht interessiert.

(Sören Link [SPD]: Wer hat denn die Offene Ganztagsgrundschule eingeführt, Herr Wit- zel? Wer war das denn? – Zuruf von Hanne- lore Kraft [SPD])

Warum? – Weil Sie künstlich Nachfrage produzieren wollten. Frau Schäfer hat dankenswerterweise in der letzten Plenarsitzung gesagt, dass das ein ganz wichtiger Grund ist für die Nachfrage und Anmeldung bei den Gesamtschulen. Nicht wegen der pädagogischen Überzeugung der Eltern, sondern aufgrund der Gesellschaft, in der es immer mehr Alleinerziehende gibt, in der es immer mehr Doppelverdiener-Haushalte gibt, ist es notwendig, Ganztagsressourcen zu suchen, die Sie bewusst

(Ute Schäfer [SPD]: Warum haben Sie denn den Ganztagszuschlag an den Gesamtschu- len abgeschafft?)

zu Zeiten Ihrer Verantwortung Gymnasien und Realschulen vorenthalten haben, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Deshalb ist es ausdrücklich richtig, wenn wir mehrstufig vorgehen. Wir haben jetzt mit dem Aufbau der Ganztagshauptschulen angefangen, weil es dort zu den Gesamtschulen hin die größte Schnittmenge von der Schülerklientel her gibt. In den nächsten Jahren müssen selbstverständlich auch zusätzliche Angebote für die Gymnasien und Realschulen folgen – über die bereits praktizierte Hilfestellung über das 13-Plus-Programm hinaus. Das ist für uns selbstverständlich.

Wir haben zu Beginn der Legislaturperiode gesagt, wir wollen in dieser Legislaturperiode in der Sekundarstufe I an Hauptschulen 50.000 zusätzliche Plätze schaffen. Diese Zahl haben wir heute

bereits erreicht. Wir werden fast das Doppelte mit 86.000 Plätzen am Ende der Legislaturperiode erreicht haben. Das sind ganz konkrete Erfolge zur Verbesserung der Unterrichtssituation in unserem Land für mehr Qualität in den Schulen und für bessere Angebote für unsere Schüler. An diesem Kurs werden wir weiter festhalten.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält die Fraktionsvorsitzende, Frau Löhrmann, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Was haben wir jetzt gerade in dieser Aktuellen Stunde erlebt? Haben wir Regierungsfraktionen und eine sehr aufmerksame Landesregierung erlebt, die sich mit den Problemen der Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien ernsthaft auseinandersetzen und mit uns überlegen, was man besser machen muss? Haben wir das erlebt? – Ich behaupte Nein.

Mit Ausnahme des Beitrags von Herrn Kaiser, der wenigstens ansatzweise gezeigt und zugegeben hat, dass es Probleme gibt, haben alle anderen sich dadurch hervorgetan, dass sie eine Mischung aus Ablenkungsmanöver, aus „Angriff ist die beste Verteidigung“ – offensichtlich auch die letzte – und aus Realitätsverweigerung sondergleichen geboten haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zuruf von Sören Link [SPD])

Herr Laschet, Sie haben Frau Beer angegriffen, obwohl sie eine Kinder- und Jugendpsychologin zitiert hat, die auf unserem „G8“-Gipfel lange vorgetragen hat.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Wenn Sie das letzte Mal da gewesen wären, hätten Sie es mitbekommen. Ich habe Sie alle eingeladen, Herr Lindner.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie könnten wissen, dass das eine Wiedergabe der Probleme war, die Kinder und Jugendliche in dieser schwierigen werdenden Zeit haben, die sich bündeln und die Sie durch die Art der Schulzeitverkürzung, wie Sie sie ohne Not durchgeführt haben, verschärfen. Kinder und Jugendliche sind dadurch verschärften Bedingungen ausgesetzt, dass Sie es anders gemacht haben, als wir es vom Grundsatz her angelegt haben.

(Zuruf von Minister Armin Laschet)

Herr Laschet, ich verweise Sie gerne auf den Livestream auf unserer Homepage. Sie können sich das im Original anhören, was uns eine Kinder- und Jugendpsychologin vorgetragen hat.

Die Gäste, die wir bei dieser Veranstaltung hatten, haben diesen Beitrag alle sehr gewürdigt, weil es nicht in erster Linie um Schulpolitik ging, sondern um das, was Sie als Jugendminister auch wissen müssten: Wie wachsen Kinder und Jugendliche eigentlich auf? Welchen Bedingungen sind sie ausgesetzt?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das erweist doch dem, was wir alle wollen, nämlich dass Kinder und Jugendliche bessere Leistungen erbringen, einen Bärendienst. Darum geht es. Sprechen Sie mit Herrn Hurrelmann. Sprechen Sie mit anderen Erziehungswissenschaftlern. Die werden Ihnen alle das Gleiche sagen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Minister Armin Laschet: Reden Sie nicht so pole- misch daher!)

Herr Laschet, Sie sind ja immer nur sachlich. Gerade Ihr Beitrag war schlicht nur sachlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Witzel versucht ebenfalls abzulenken und beschäftigt sich mit der Vergangenheit. Die Idee mit dem Samstagsunterricht wollen Sie gerne aus Ihrem Gedächtnis streichen.

(Ralf Witzel [FDP]: Wo denn?)

Sie wollen nicht mehr wissen, dass Sie damit versucht haben, des Problems Herr zu werden, und dass Ihnen die Schulen eine Quittung sondergleichen erteilt haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD- Zuruf von den GRÜNEN: Permanente Experimente mit Kindern!)

Ich prophezeie Ihnen: Mit dieser Aktuellen Stunde und mit dem mangelnden Problembewusstsein, das Sie hier an den Tag gelegt haben und das insbesondere die zuständige Ministerin an den Tag gelegt hat, ist das Thema noch nicht abgeschlossen. Wir haben Ihnen das schon bei der letzten Beratung über die damals vorliegenden Anträge gesagt.

Ich will Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen, worum Sie sich kümmern müssen. Sie müssen folgende Punkte berücksichtigen, wenn Sie für die Kinder und Jugendlichen in unseren Schulen die Schulzeitverkürzung vernünftig in Gang setzen

und ihr Gelingen sicherstellen wollen. Ich zähle die Kernpunkte noch einmal auf:

Es müssen eine Reduzierung der Unterrichtsinhalte und eine Verankerung in Kerncurricula erfolgen, sodass ein nachhaltiges Lernen und Wissen möglich ist. Entsprechende Unterrichtsmaterialien müssen bereitgestellt werden. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen darauf vorbereitet werden.

(Ralf Witzel [FDP]: Was haben Sie denn für 2005 vorbereitet? Nichts haben Sie vorberei- tet!)

Dass noch nicht alles im Lot ist, das beklagt im Übrigen auch der Philologenverband. Für ihn sind die Hausaufgaben noch nicht gemacht.

Der wichtigste Punkt sind der Umbau und die Ausgestaltung der Sekundarstufe I zu einer echten Ganztagsschule für alle Schülerinnen und Schüler in allen Schulformen, auch am Gymnasium. Es ärgert die Koalitionsfraktionen anscheinend besonders, dass sich Grüne und SPD für die Belange der Kinder an den Gymnasien interessieren; ja, dafür interessieren wir uns, und darum kümmern wir uns. Wir haben auch immer gesagt, dass es uns eben nicht um die Schulform, sondern um die Kinder geht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zuruf von der CDU: Den Satz muss man einrahmen! Das ist enorm!)

Die Umgestaltung des schulischen Alltags durch eine neue Rhythmisierung und individualisierende Lernformen, die Verankerung des Rechts auf eine warme Mahlzeit für alle Schülerinnen und Schüler im Schulgesetz, die Öffnung der Schulen in der Sekundarstufe I in ihrem Umfeld für Kooperationen mit außerschulischen Partnern, die Wahrung der Durchlässigkeit zwischen den Schulformen, die Flexibilisierung von Lernzeiten – das sind nur die wichtigsten Punkte.

Ich kann nur dringend an Sie appellieren – es ist bedauerlich, dass auch der Herr Ministerpräsident dieser wichtigen Debatte nicht folgt, Herr Laschet –:

(Zuruf von der SPD: Acht Wochen Urlaub!)