Protokoll der Sitzung vom 17.04.2008

Konkret heißt das: Die gewählten Betreuungsformen der Eltern und die Umsetzung von KiBiz kosten beispielsweise die Stadt Gelsenkirchen real 8 Millionen € im Jahr mehr. Jetzt rechnen wir die 1,9 Millionen € Elternbeitragsdefizit drauf, die fehlen, die Sie, die Ihre Regierung gestrichen haben. Dann sind wir bei 10 Millionen €. Das Land gibt 3,2 Millionen € mehr. Nach meiner Rechnung werden zwei Drittel der Mehrkosten, die durch KiBiz erzeugt werden, von den Kommunen getragen. Die Kommunen tragen die Last, und sie erledigen die Arbeit vor Ort.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn dies alles so richtig ist, wäre alles ja noch gut und schön. Aber dann kommt zur Dreistigkeit der Geschichte hinzu, dass das Land und Sie, Herr Laschet, ca. ein Viertel der Betreuungsplätze U3 im Land bei den Bewilligungsbescheiden unter Haushaltsvorbehalt stellen. Das heißt, Sie versetzen die Kommunen, die jetzt planen müssen, die jetzt konkret mit den Trägern umsetzen müssen, in eine Haushaltslage, in der Sie nicht wissen, ob sie es am Ende des Jahres überhaupt hinbekommen, ob Sie als Nothaushaltsgemeinde vielleicht gar nicht genehmigt bekommen, was Sie da machen.

Denn Ihr Innenminister, Ihr Kollege, verfährt da ganz anders.

(Minister Armin Laschet: Nein!)

Dafür gibt es deutliche Beispiele.

(Minister Armin Laschet: Wo denn?)

Ich kann Ihnen die Beispiele nennen, sogar aus Gelsenkirchen, weil Sie die Beitragstabelle eben besonders gelobt haben. Schauen Sie sich das einmal genauer an! Kennen Sie die Historie noch, wie das entstanden ist?

(Minister Armin Laschet: Die haben erst ein- mal mit 800 € angefangen!)

Kennen Sie die Historie, wie das passiert ist? Kennen Sie sie noch? Das ist ganz einfach: Es gab eine Elternbeitragstabelle in Gelsenkirchen. Gelsenkirchen ist eine Nothaushaltsgemeinde. Dann hat die Kommunalaufsicht gesagt: Ihr müsst die 19 % erreichen – mit euren Elternbeiträgen erreicht ihr die nicht –, sonst bekommt ihr euren Haushalt nicht genehmigt.

(Minister Armin Laschet: Das hat sie nicht gesagt!)

Doch, das hat sie gesagt. Dann hat sie gesagt: Ihr müsst die Beiträge erhöhen. Die Stadt hat sich aus nachvollziehbaren Gründen geweigert und gesagt, sie könne das den Eltern nicht zumuten. Was ist passiert? Die Kommunalaufsicht, vertreten durch die Bezirksregierung, aber veranlasst durch den Innenminister, hat die Beitragstabelle erhöht. Was ist der Effekt an der Stelle? Die Beiträge sinken. Es sind nicht mehr Einnahmen in der Kommune. Daran wird deutlich, in welcher paranoiden Welt sich Ihre Vorstellungen bewegen. Das ist wirklich nicht nachvollziehbar.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Töns, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollege Kastner?

Bitte schön, Frau Kastner.

Herr Töns, ist Ihnen erstens bekannt, dass wir im Kinderbildungsgesetz einen Paragrafen verankert haben, der genau das, was Sie gerade geschildert haben, wieder aus der Welt geschafft hat?

Ist Ihnen zweitens bekannt, dass die Stadt Gelsenkirchen, die vorher sehr wenige U3-Plätze hatte, relativ hohe Anträge beim Minister gestellt hat und alle diese Plätze bewilligt worden sind? Das konnte sie nur beantragen, weil sie sie im Haushalt trotz Haushaltssicherung verankert hat. Ist Ihnen diese Regelung bekannt?

Frau Kastner, diese Regelung ist mir bekannt. Zum einen wird Ihnen sicherlich bekannt sein, dass die Ersatzvornahme, die der Innenminister über die Bezirksregierung vorgenommen hat, auch Ihrer Fraktion außerordentlich peinlich war.

(Marie-Theres Kastner [CDU]: Die ist doch weg!)

Denn sie hat zu keinem Effekt geführt. Deshalb haben Sie sie doch gestrichen.

(Zurufe)

Zum anderen steht dort, dass zumindest ein Viertel der U3-Plätze in Gelsenkirchen unter Haushaltsvorbehalt stehen. Das ist für eine Gemeinde, die bisher noch keinen genehmigten Haushalt hat,

eine außerordentlich schwierige Situation. Das halte ich schon für sehr abenteuerlich.

Meine Damen und Herren, in Nordrhein-Westfalen brauchen wir eine mittelfristige Konzeption für die vollständige Einführung der Beitragsfreiheit für frühkindliche Bildung. Dazu muss das letzte Kindergartenjahr nach meiner Überzeugung schon ab dem 1. August 2008 beitragsfrei sein. Das erwarten die Eltern und die Kinder von einer verantwortungsvollen Landesregierung. Hätten Sie jemals verantwortungsvoll gehandelt, hätten Sie sich intensiver um die frühkindliche Bildung und die Elternbeiträge gekümmert.

Ich will es noch einmal ganz deutlich sagen, Frau Asch: Wenn man Ihrer Argumentation folgen würde, es den Kommunen zu überlassen, die es können, würde man genau die Nothaushaltsgemeinden bestrafen.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Das haben Sie falsch verstanden! Lesen Sie unseren An- trag!)

Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt hinweisen, Herr Minister: Sie irren ganz gewaltig, wenn Sie sagen, dass die soziale Schieflage in Bezug auf die Elternbeiträge und das Elternbeitragsdefizit zwischen verschiedenen Kommunen nur über das GFG zu lösen ist. Sie sollten in die Landesverfassung schauen.

In unserem Antrag geht es uns um die Kinder und um die Finanzierung der Plätze. Gerade die Kommunen, die es schwer haben, an dieser Stelle zu investieren, aber mehr Plätze einrichten wollen, sollen dazu in die Lage versetzt werden – und zwar ohne Haushaltsvorbehalt, Frau Kastner. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Tenhumberg zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jörg, ich wäre vorsichtig, von Ungleichheit zu sprechen. Denn während Ihrer Regierungsverantwortung gab es eine Ungleichheit bei der U3-Betreuung, indem Sie wenigen Kindern Plätze zugeordnet und viele außen vor gelassen haben.

(Beifall von der CDU)

Das ändern wir. Deshalb ist der Begriff der Ungleichheit völlig fehl am Platze.

Herr Töns, auch Sie sollten vorsichtig sein. Ich bin zu lange im Landtag,

(Zuruf von der SPD: Eben! Zu lange!)

um nicht zu wissen, wer die Personalquoten zulasten der Kinderbetreuung und -bildung verändert hat.

(Beifall von der CDU)

Ich erinnere mich noch an die 440 Millionen DM. Wenn man die Wirklichkeit so verdreht und verkennt, müssen Sie sich nicht wundern, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, wenn Sie zur dritten Volkspartei absacken.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

In unserem Kinderbildungsgesetz ermöglichen wir den Kindern in den Kindergärten optimierte Chancen. Das bestätigen uns die Eltern in vielfältiger Weise. Zum neuen Kindergartenjahr ist die Zahl der Anmeldungen von Kindern zwischen drei und sechs Jahren um ca. 20.000 gestiegen. Das haben die Eltern trotz der Elternbeiträge und trotz des Elternbeitragsdefizitausgleichsverfahrens freiwillig gemacht. Sie haben sich für den Kindergarten entschieden, weil wir durch das KiBiz die Chancen für Kinder erheblich verbessert haben. Das finden die Eltern toll.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben lange davon gesprochen, dass Eltern nur die Betreuungszeit von 25 Stunden buchen würden. Ihre Verunsicherungstaktik, Ihre Strategie ist gescheitert: Eltern wissen es besser und nutzen die erweiterten Möglichkeiten für ihre Kinder. Wesentlich mehr Eltern als bisher haben sich für die längeren Betreuungszeiten entschieden und Ihre Behauptung damit nachweislich widerlegt.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Sie sind auch mit der U3-Betreuung sehr zufrieden. Die Nachfrage nach dieser Betreuungsform wächst. Überwiegend wird eine Betreuungszeit von 45 Stunden gewählt. Wir schaffen neue, bedarfsgerechte Möglichkeiten für Eltern und Kinder, von denen man unter rot-grüner Herrschaft nur träumen konnte.

Im SPD-Antrag steht:

„Kindertageseinrichtungen dürfen nicht als ‚Sparstrumpf’ des Bildungswesens verstanden werden, sondern als die ‚Investitionsbank’, mit der sich große Gewinne durch erfolgreiche Bildungsverläufe erzielen lassen.“

Genau das haben Sie jahrzehntelang nicht gemacht. Sie haben die Bildungschancen unserer Kinder und Jugendlichen vernachlässigt. Wir packen es an und investieren zusätzlich erhebliche Haushaltsmittel für unsere Kinder.

Es ist sehr ratsam, einmal auf das Jahr 2003 zurückzuschauen. Damals regierte noch Rot-Grün, und Frau Schäfer war Ministerin für Schule, Jugend und Kinder. Zum Thema Beitragsfreiheit im Kindergarten erklärte Herr Flessenkemper, den ich schätze, in der Plenarsitzung am 10. April 2003 für die SPD-Fraktion:

„Es gibt bereits heute Kinder, die beitragsfrei den Kindergarten besuchen. Allerdings ist bisher noch niemandem aufgefallen, dass diese Kinder allein aufgrund der Beitragsfreiheit gegenüber anderen Kindern effektiver gefördert werden.“

Die damalige Ministerin Ute Schäfer sagte: