Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lorth, mir scheint, dass Sie ein wenig beleidigt sind, dass Sie keiner gefragt hat.

(Gerhard Lorth [CDU]: Bitte was?)

Der Eindruck drängt sich auf, dass Sie beleidigt sind,

(Gerhard Lorth [CDU]: Nein!)

dass Sie keiner gefragt hat, als das Modell rein durch die SPD in Berlin durchgebracht wurde.

(Lachen von Ralf Witzel [FDP])

Sie sollten mal mit Ihren eigenen Leuten reden. Herr Pofalla war sehr schnell, als er dem 24,9prozentigen Teilprivatisierungsmodell zugestimmt hat, und Herr Bosbach hat auch zugestimmt. Insofern darf ich Sie bitten, dass Sie zunächst einmal Kontakt mir Ihren Freundinnen und Freunden in Berlin, im Bundestag, aufnehmen, bevor Sie sich hier zu diesem Thema äußern.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Kollege Becker hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Pressemitteilung herausgegeben und mal eben nonchalant verkündet, insbesondere die Bahnhöfe in Mülheim/Ruhr und Paderborn

würden vom Fernverkehr abgekoppelt. Es hat keine fünf Minuten gedauert – das war dem Umstand geschuldet, dass ich gerade mit ein paar SPD-Kollegen zu Gesprächen im Bundestag und bei der Deutschen Bahn AG war –, bis ich herausgefunden hatte, dass dies vollkommen falsch und reine Spekulation ist und jeder Grundlage entbehrt. Das hat keine fünf Minuten gedauert. Ich nehme an, die sieben Seiten, auf denen Sie erklären, was Sie wollen, was Sie nicht wollen oder vielleicht wollen, haben mehr Zeit in Anspruch genommen.

(Christof Rasche [FDP]: Angst schüren!)

Insofern stimmt der Einwurf in der Tat. Da wird Angst geschürt, da werden Behauptungen in den Raum gestellt, die nicht belegbar sind.

Ein Problem mag natürlich auch sein, dass es dem Kollegen Lorth ähnlich geht wie dem Kollegen Becker von der Grünen-Fraktion, der auch nicht dabei war, als es um die Teilprivatisierung der DB AG ging. Seine Partei ist allerdings

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

seit 1998 in den Prozess eingeschaltet. Denn 1998 hatten die grüne Bundestagsfraktion und die grüne Partei Ministerämter innegehabt und hätten diesen Prozess in ihrem Sinne begleiten können. Dies scheint mir nicht der Fall gewesen zu sein, denn sonst hätten Sie ja jetzt nicht so einen Antrag stellen müssen.

Die Große Koalition hat einen guten Wurf hingelegt. Ich darf behaupten, die SPD hat hier eine deutliche Handschrift hinterlassen. Es ist klar, dass Sie das juckt, und das verstehe ich auch. Möglicherweise geht es den Kollegen von der FDP auch so. Herr Rasche ist auch schon ganz nervös.

(Zuruf von der FDP)

Herr Becker, da hätte ich wirklich eine Bitte: Wir müssen uns als Verkehrspolitiker davor hüten, irgendwelche Duftmarken in die Welt zu setzen, nur um einen kurzfristigen Effekt zu erzielen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Langfristig, ganz langfristig!)

Das sollten wir nicht tun. Mobilität ist natürlich wichtig. Deswegen dürfen wir von hier aus auch nicht möglicherweise falsch zu verstehende Signale in die Welt setzen wie etwa, dass uns die Anbindung von Mülheim/Ruhr und Paderborn nicht mehr wichtig wäre. Das kann nicht sein und deswegen sollten wir damit verantwortungsvoller umgehen, als Sie das getan haben.

Es gibt aber auch viele Punkte, die ich in dem Antrag gar nicht schlecht finde: Der Verweis auf das Land Nordrhein-Westfalen und die Verantwortlichkeit der Landesregierung ist natürlich richtig. Denn ganz viele Kollegen von Minister Wittke haben die Kürzungen der Regionalisierungsmittel durch eigene Mittel aufgefangen. Das war eine Vereinbarung, die Herr Wittke leider für Nordrhein-Westfalen nicht eingehalten hat. Wir wissen natürlich seit der Diskussion von heute Morgen um die stark steigenden Energiepreise, dass wir jetzt gerade einen starken öffentlichen Personennahverkehr brauchen. Darauf sind die Leute angewiesen.

(Beifall von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Deswegen ist der Hinweis richtig, dass das Land seiner Verantwortung gerecht werden muss.

Völlig zu Recht stellen Sie – und das wird noch der weiteren Ausgestaltung der Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG obliegen – die Frage, wie denn dort personelle und organisatorische Verquickungen zu handhaben sind. Wenn sich Herr Mehdorn vorstellt, er könne Chef der Holding und zusätzlich Chef der Unterfirmen sein, halte ich das schlichtweg für eine Variante, die so nicht richtig ist, sondern da muss mehr Transparenz her. Wir wollen endlich die Transparenz, die es bisher leider nicht gibt und die zum Teil auch Sie einfordern.

(Christof Rasche [FDP]: Was sagt Herr Tie- fensee dazu?)

Daher ist es richtig, noch einmal den Netzzustandsbericht sowie die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung einzufordern. Aber genau das, Herr Becker, ist wesentlicher Gegenstand des Gesetzgebungsvorhabens, wie Sie sicherlich wissen. In allen Entwürfen stand immer, dass es auf jeden Fall einen Netzzustandsbericht sowie eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung geben soll. – Der Kollege nickt.

Der prinzipielle Einwand, die Länder sollten sich bei der Gestaltung der Bahnpolitik stärker einbringen können, ist sicherlich nicht falsch. In Ihrem Antrag beschreiben Sie aber nicht, wie das konkret zu geschehen hat. Wofür soll das Land konkret verantwortlich sein? Beispielsweise möchte ich nicht, dass sich der Bund seiner Verantwortung aus Art. 87 e des Grundgesetzes entledigt. Dort steht nämlich, dass der Bund die Verantwortung für die Schieneninfrastruktur trägt. Aus dieser Verantwortung sollten wir den Bund nicht entlassen.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Herr Becker, hier sind Sie wahrscheinlich der gleichen Meinung wie ich.

Mein Dank gilt insbesondere unserer Vorsitzenden Hannelore Kraft. Sie hat wesentlich an wesentlicher Stelle …

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Mein Dank gilt insbesondere unserer Vorsitzenden Hannelore Kraft. Sie hat an wesentlicher Stelle mitgewirkt, dass dieses Modell, das auch die Zustimmung der CDU im Bund findet, tatsächlich durchgekommen ist.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Herr Witzel, das gefällt Ihnen nicht. Sie sind marktradikal und wollen das nicht. – Gesichert ist der konzerninterne Arbeitsmarkt. Für 237.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Deutschen Bahn AG ist der Arbeitsmarkt gesichert. Das ist ein Wert für Sozialdemokraten, für den es sich zu streiten lohnt.

Sicher ist auch, dass der Bund seine Eigentumsrechte wahren kann, ein Rückholrecht besitzt und über die Festlegung und Verwendung der Erlöse aus der Teilprivatisierung der DB AG befinden kann. Ich nenne hier nur verstärkte Investitionen in den Nahverkehr, Bundesverkehrswegeplan und – Herr Becker, das sollte ein ganz wichtiger Punkt für Sie als Grüner sein – das Lärmschutzprogramm.

Herr Kollege Wißen, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Lorth von der CDU?

Ja, gerne.

Bitte sehr.

Können Sie mir sagen, wann Herr Hansen seinen Arbeitsplatz als Arbeitsdirektor bei der Deutschen Bahn antreten wird?

Das hat mit diesem Thema nichts zu tun. Ich weiß nur, dass es für Sozialdemokraten darum geht, wie wir Arbeitsplätze von 237.000 Beschäftigten absichern. Ich weiß, dass es einem Teil, sicherlich auch einem Teil Ihrer Fraktion, ziemlich egal ist, was mit diesen Arbeitsplätzen geschieht. Das ist Sozialdemokraten überhaupt nicht egal, weil an den 237.000 Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmern eben auch ganze Familien hängen. Das ist Sozialdemokraten nie egal.

(Minister Oliver Wittke: Einer ist versorgt! - Gegenruf von Britta Altenkamp [SPD]: Wie Sie, Herr Wittke!)

Das Lärmschutzprogramm, Herr Becker, müsste Ihnen doch wichtig sein. Das ist wesentlicher Bestandteil dessen, wofür wir das Geld der Privatisierung ausgeben wollen.

(Gerhard Lorth [CDU]: Deshalb haben Sie unseren Antrag abgelehnt!)

Sie müssten den Leuten, die entlang der Strecke der Betuwe wohnen, dann auch sagen, dass Sie nicht mehr Gelder für das Lärmschutzprogramm wollen. Ich wünsche Ihnen als Grünem viel Spaß, wenn Sie den durch Güterverkehr benachteiligten Menschen erzählen, sie könnten keinen Lärmschutz bekommen, weil das Geld dafür deshalb nicht da ist, weil Sie sich hier verweigern.

Des Weiteren nenne ich das Bahnhofsprogramm und das Innovationsprogramm Forschung und Entwicklung beispielsweise für leisere Motoren und für Bremsen. Darauf möchte ich nicht näher eingehen.

Herr Becker, es fehlt in diesem Antrag einiges. Einiges ist ganz gut, aber es fehlt vor allem Ihre Vision, das, was Sie sich vorgestellt haben. Da hilft – es tut mir um die sachsen-anhaltinischen Kollegen leid – nicht der Hinweis auf SachsenAnhalt. Nordrhein-Westfalen muss sich nicht mit Sachsen-Anhalt vergleichen, schon gar nicht in verkehrlichen Dingen, auch wenn ich vielleicht ein bisschen arrogant klinge. Wir haben hier ganz andere Bedingungen. Wir sind nicht SachsenAnhalt. Das kann nicht unser Modell sein.

Sie sehen, meine Fraktion, die diesen wichtigen Schritt in der Verkehrsdienstleistung vorangebracht hat, wird Ihrem Antrag nicht zustimmen können, Herr Becker. Das tut mir leid.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wißen. – Jetzt hat für die FDP Herr Abgeordneter Rasche das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit vielen Jahren beschäftigen wir uns in diesem Hause mit der Bahnprivatisierung. Heute reden wir über das sogenannte Holdingmodell, auf das sich die schwarz-rote Koalition auf Bundesebene verständigt hat.

Um dieses Modell bewerten zu können, muss man sich noch einmal vergegenwärtigen, was das

ursprüngliche Ziel von Bahnvorstand, Transnet und ihren Unterstützern im Bundesverkehrsministerium war, nämlich ein integrierter Börsengang mit Netz. Union und FDP ist es zu verdanken, dass dieses Ziel nicht erreicht wird. Beim jetzigen Privatisierungsmodell handelt es sich um einen Börsengang ohne Netz, und das ist ausdrücklich zu begrüßen.