Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Kollegen Becker das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitten in den Osterfe

rien hatte der Verkehrsminister für anderthalb Jahre einen sogenannten Probebetrieb am Flughafen Düsseldorf angeordnet und damit statt 40 Flugbewegungen 45 Flugbewegungen im sogenannten Einbahnbetrieb zugelassen. Dazu ist Folgendes festzustellen:

Erstens. Dieses Vorgehen führt zwangsläufig zu mehr Verspätungen, weil erst am Ende des Tages – mit erheblichen Lärmbelastungen verbunden – der nachlaufende Verkehr abgebaut wird.

Zweitens. Das Sicherheitsrisiko wird durch eine dichtere Abfolge der Flugbewegungen deutlich erhöht.

Drittens. Der Probebetrieb widerspricht vier – ich betone: vier – Kapazitätsgutachten, von denen drei vom Flughafen selber in Auftrag gegeben worden sind. Sie alle haben ergeben, dass die maximale Zahl von Flugbewegungen pro Stunde im Einbahnbetrieb bei 37 liegt. Von Herrn Minister Wittke ist dann ein fünftes Gutachten in Auftrag gegeben worden und kam – oh Wunder – zu einem anderen Ergebnis, nämlich dass man im Praxisbetrieb die Grenze von 45 Flugbewegungen ausloten müsse. Deshalb haben Sie den Probebetrieb angeordnet.

Meine Damen und Herren, ein Probebetrieb über anderthalb Jahre hat keinen Sinn. Alle Praktikerinnen und Praktiker wissen, dass Sie innerhalb von ein oder zwei Monaten erproben könnten, was Sie angeblich nur in der Praxis erproben können, wenn Sie den durchgängigen Einbahnbetrieb anordnen würden. Dann könnte man für die gesamte Dauer feststellen, was sich im Mittel tatsächlich pro Stunde bewegen lässt.

Es geht Ihnen aber nicht um den Probebetrieb, sondern wieder einmal darum, die Betriebsgenehmigung Stück für Stück faktisch auszuweiten. An dieser Stelle machen Sie einen – in Anführungsstrichen – „dauerhaften Versuch“ an den Menschen, indem Sie 45 Flüge durchsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dieses Experiment mit den Bürgerinnen und Bürgern machen Sie 500 Tage lang. Ich hatte schon beschrieben, dass dies insbesondere zulasten der Abendzeiten geht. Diese Sichtweise vertreten nicht nur die Grünen oder die Initiativen, sondern auch die Kommunen. In folgenden Kommunen sind Sie durch entsprechende Beschlüsse kritisiert worden: am 10. April 2008 durch einen einstimmigen Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses der Stadt Meerbusch, am 22. April 2008 ebenfalls einstimmig durch den Rat der Stadt Ratingen und am 24. April 2008 durch den Rat der

Stadt Mülheim bei drei Gegenstimmen. Am 15. Mai 2008 hat der Rat der Stadt Krefeld einstimmig den sofortigen Stopp des von Ihnen angeordneten Probebetriebs gefordert. Man höre und staune: Hier stimmten auch die beiden CDU-Landtagsabgeordneten Herr Schittges und Herr Kaiser im Stadtrat zu.

Besonders spannend ist, was Ihr Parteifreund und Landtagskollege Wilhelm Droste aus Ratingen an Sie geschrieben hat. Laut der „Rheinischen Post“ wird er wie folgt zitiert:

„Die Bürgermeister der Nachbarstädte und viele Bürger, die tagtäglich vom Fluglärm betroffen sind, fühlen sich von dieser Entwicklung dennoch überrumpelt. Denn offenbar wurde keiner der Betroffenen vorher in diese Entscheidung eingebunden. Auch die Fluglärmkommission für den Flughafen Düsseldorf wurde nicht informiert.“

Weiter heißt es:

„Vielmehr mache sich unter Ratinger Anwohnern die Enttäuschung breit, dass angekündigte Maßnahmen zum Schutz der Nachtruhe zwischen 23 und 6 Uhr keine spürbaren Ergebnisse für die vom Lärm betroffenen Bürger gebracht hätten, schrieb Droste. Die Glaubwürdigkeit stehe auf dem Spiel.“

Meine Damen und Herren, in der Tat ist es äußerst berechtigt zu sagen, dass die Glaubwürdigkeit des Ministers in Luftverkehrsfragen auf dem Spiel steht. Ich behaupte, er hat sie verloren. Denn immer, wenn es um Lärmschutz geht, ist dieser Minister ein Ankündigungsminister, der sehr schnell behauptet, er würde Verbesserungen durchsetzen, der in der Praxis aber nichts an Verbesserungen durchsetzt. Sie setzen jeweils Verbesserungen zugunsten der Betreiber und Verschlechterungen für die Anwohnerinnen und Anwohner durch.

Am Anfang Ihrer Amtszeit haben Sie versprochen, die Dinge in einem Dialog durchzusetzen. In den Jahren 2005 und 2006 haben Sie noch einmal deutliche Verbesserungen für die Anwohnerinnen und Anwohner versprochen. Nichts, aber auch gar nichts ist davon bisher eingelöst worden. Stattdessen haben Sie nahezu alle Wünsche des Flughafens nach einem Kapazitätsausbau unterstützt.

Herr Minister, ich fordere Sie noch einmal auf, endlich den Menschen und nicht nur dem Flughafen und den Carriern entgegenzukommen. Bewegen sich auf die Menschen zu und machen Sie nicht solche Tricks wie hier mit den 45 Bewegun

gen pro Stunde. Weder sollten Sie 45 Bewegungen wollen, noch wollen es Ihre eigenen Parteifreunde vor Ort. Die einstimmigen Resolutionen zeigen das. Die wollen etwas anderes.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU Frau Kollegin Brüning das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal beraten wir über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der sich mit der Luftverkehrspolitik in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Dieses Mal – wen wundert’s? – geht es um den Flughafen Düsseldorf und um die genehmigte Durchführung eines Probebetriebes, um die erforderliche Kapazität auf der südlichen HauptStart- und -Landebahn zu testen.

Dabei – so muss ich leider feststellen – machen Sie es sich sehr einfach, Herr Becker. Ihre Forderung – so entnehme ich Ihrem Antrag – zielt darauf ab, ein Gutachten erstellen zu lassen, ohne den Probebetrieb abzuwarten. Man könnte heute fast vermuten, dass Sie die Entwicklungsmöglichkeiten des Flughafens beschneiden wollten. Hat nicht auch in Ihrem Sprachgebrauch der Begriff „Probe“ etwas mit ausprobieren zu tun, also erst zu testen, dann über die Ergebnisse zu diskutieren, um dann letztendlich eine Entscheidung zu treffen? – Scheinbar pflegen Sie in Ihrer Fraktion eine andere Vorgehensweise. Dabei stelle ich mir die Frage, was Sie unter einem neutralen Gutachten verstehen. Zu Zeitplänen oder auch Ausschreibungen ist in Ihrem Antrag nichts zu lesen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Gutachten dienen dazu, Entscheidungen vorzubereiten. Ich frage die Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Was ist denn, wenn das Gutachten zu dem Schluss käme, dass 45 Start- und Landevorgänge nicht die Kapazitätsgrenze überschreiten? Stellen Sie das Gutachten dann infrage und fordern ein weiteres Gutachten? – Ich kann mich nicht des Verdachtes erwehren, dass Sie sich hier der Unsitte bedienen und mit Gutachten und Gegengutachten bewaffnet versuchen, politische Entscheidungen hinauszuzögern und politische Entscheidungsträger gegeneinander auszuspielen. Abgesehen davon, dass wir dadurch einer Lösung nicht näher kommen und auch dem Anliegen der Anwohner des Flughafens nicht gerecht würden, sollten wir keine

Emotionen schüren, Herr Becker, sondern den Weg der sachlichen Auseinandersetzung pflegen.

Trotzdem sehen wir als CDU-Fraktion die Belastungen durchaus, denen die betroffenen Bürger ausgesetzt sind. Dafür haben wir großes Verständnis. Dem gilt auch unser ganzes Bemühen. Die Notwendigkeit von Lärmschutz und Lärmreduzierung ist unbestritten. Dies kann zum Beispiel über eine zielführende Gestaltung der Start- und Landeentgelte durch den Flughafen unterstützt werden. Ich nenne nur die Überlegung zu emissionsabhängigen Start- und Landegebühren, wie sie bei allen Flughäfen und bei den Gesellschaften schon an der Tagesordnung sind. Zwar ist es richtig, dass der Luftverkehr am Düsseldorfer Flughafen zugenommen hat. Demgegenüber zeigt sich aber beim Fluglärm eine gegenteilige Entwicklung. Darüber werden wir heute in einem weiteren Tagesordnungspunkt noch im Laufe des Nachmittags sprechen.

Selbstverständlich nehmen wir die Resolutionen der umliegenden Städte sehr ernst. Sie werden ganz sicherlich in unsere Beratungen einfließen. Aber ich sage heute an dieser Stelle ganz klar: Als Landtag Nordrhein-Westfalen haben wir auch Landesinteressen zu vertreten. Dazu gehören die wirtschaftliche Entwicklung, die Struktur, der Standort und ganz sicher auch die Arbeitsplatzsituation am Flughafen. Und gerade bei diesen Faktoren nimmt der Flughafen Düsseldorf eine ganz entscheidende Rolle ein. Wir können zur Kenntnis nehmen, dass in letzter Zeit 3.000 zusätzliche Arbeitsplätze am Flughafen Düsseldorf entstanden sind. Das untermauert immer wieder die Tatsache, dass wir Flughäfen als Jobmotoren sehen können.

Der Antrag wird heute ja nicht abschließend beraten. Er wird überwiesen an den Fachausschuss für Bauen und Verkehr. Dort werden wir uns über die unterschiedlichen Argumente noch austauschen. Ich freue mich auf diese Diskussion im Fachausschuss und bedanke mich fürs Zuhören.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brüning. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Wißen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Brüning, Sie müssen sich nicht bei den Grünen beschweren oder gar bei uns, dass wir ständig das Thema Luftverkehrspolitik/Fluglärmpolitik im Landtag von Nordrhein

Westfalen behandeln müssen. Da müssen Sie sich offensichtlich bei Ihrem Minister, dem Fluglärmminister Oliver Wittke, beschweren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nachdem ich die Berechtigung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anerkannt habe, will ich mich aber auch sofort abgrenzen. Wir als SPD haben in der Tat eine verantwortliche Luftverkehrspolitik für Nordrhein-Westfalen gemacht und werden dies auch weiterhin tun. Wir suchen den Ausgleich der Interessen. Deswegen brauchen wir auch den Ausgleich aller Interessen. Frau Brüning, da ist es dann schon notwendig, dass man sich auch mit den eigenen Parteifreunden vor Ort – Herr Becker hat geschildert, wo überall entsprechende Resolutionen verabschiedet worden sind – einmal auseinandersetzt. Wenn man das sieht, dann kann man nicht mehr von irgendwelchen hyperempfindlichen Grünen oder so reden, sondern muss erkennen, dass ganz viele Ihrer eigenen Leute dabei sind.

(Achim Tüttenberg [SPD]: Doppelstrategie!)

Aber den Grünen kann ich den Vorwurf einer gewissen Inkonsequenz nicht ersparen. Denn auch die Grünen haben nachweislich schon einmal hier im Plenum für Nordrhein-Westfalen gefordert, dass es nur drei oder allenfalls vier Flughäfen gibt. Das ist bei dieser Diskussion natürlich sehr interessant. Denn was passierte denn, wenn es nur drei Flughäfen in Nordrhein-Westfalen gäbe? – Dann gäbe es enorm viel Autoverkehr und vielleicht auch mehr Zugverkehr auf diese drei Flughäfen, und alles Flugaufkommen in Nordrhein-Westfalen, das ja gewaltig ist und auch gewaltige Zuwachsraten hat, würde sich auf diese drei konzentrieren. Ich möchte gar nicht wissen, wie dann die Belastung, auch in Düsseldorf, wäre. Die Grünen werden es jedenfalls nicht schaffen, egal mit welchem Konzept, den größten Flughafen in Nordrhein-Westfalen dicht zu machen. Also: Sie sind hier inkonsequent.

Wir als SPD tragen wesentliche, auch grundsätzliche Teile des Antrages der Grünen nicht mit. Wir wollen unbedingt einen Dialog mit dem Bürger. Den muss natürlich der Herr Minister führen, aber das hat er offensichtlich überhaupt nicht geleistet.

Herr Kollege Wißen, entschuldigen Sie die Unterbrechung. Möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Ich möchte weiter ausführen. – Wir stehen für eine dezentrale Luftverkehrsstruktur, weil – das wird Sie interessieren, Herr Becker – damit die Belastungen dezentral zu tragen sind. Sie

massieren die Belastungen dann nicht in der Weise, wie es wäre, wenn man

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Ihren Anträgen folgen würde und es nur drei Flughäfen in Nordrhein-Westfalen gäbe, sondern bei einer dezentralen Luftverkehrsstruktur müssten alle die Belastungen tragen.

Aber die CDU – auch darauf ist bereits hingewiesen worden – ist nicht besser. Im Landtag vertreten Sie die industriepolitischen Interessen Nordrhein-Westfalens, fordern also bestimmte Projekte im Energiesektor, zum Beispiel Kohlekraftwerke oder auch den Eisernen Rhein, und vor Ort unterschreiben Sie Listen

(Achim Tüttenberg [SPD]: Und organisieren den Widerstand dagegen!)

und reden in Ihren Räten so, als wenn Sie mit der ganzen Geschichte nichts zu tun hätten. Das ist, gelinde gesagt, nicht in Ordnung.

(Beifall von der SPD)

Wir lassen es Ihnen nicht durchgehen, dass Landtagsabgeordnete, die jetzt gar nicht anwesend sind, die nicht einmal die Traute haben, im Plenum der Debatte zu folgen, vor Ort Petitionen gegen den Probebetrieb des Ministers unterschreiben und den dicken Hermann machen.

(Beifall von der SPD)

Die CDU ist entschieden unentschieden. Das zeichnet sie aus, und das sieht man an der Politik, die sie vor Ort betreibt, im Gegensatz zu der Politik, die sie im Landtag vertritt. Sprechen Sie mit Ihren CDU-Kollegen vor Ort. Holen Sie die Beteiligten an einen Tisch. Das ist ja eigentlich das, was Sie, Herr Minister, versprochen haben. Sie hatten gesagt, Sie wollten Luftverkehrspolitik im Dialog machen. Aus dem Dialog ist offensichtlich ein Monolog geworden – das muss man leider feststellen –, und zwar auf Kosten der Kommunen. Da haben Sie ja die entsprechende Quittung von Ihren eigenen Parteikollegen bekommen.

Frau Brüning, es ist typisch, dass Sie immer auf die Rolle anderer verweisen. Mal ist der Bund für die Vermeidung von Lärm verantwortlich, mal ist es, wie jetzt, der Flughafen. Das geht so nicht. Sie müssen schon zu Ihren eigenen politischen Entscheidungen stehen. Sie müssen Ihre Verantwortung wahrnehmen. Wenn Sie sagen, Sie wollen einen Dialog mit den Kreisen und den umliegenden Gemeinden, dann müssen Sie in diesen auch eintreten.

Sie brauchen ein transparentes Verfahren. Der Minister hat ein objektives Verfahren versprochen. Wir meinen, bevor eine Betriebsgenehmigung erteilt werden kann, muss ein klares, transparentes, objektives Instrument vorliegen. Nur dann kann es zu einer Erweiterung der Betriebsgenehmigung oder zu solchen Probebetrieben kommen. Dann kommt es auch nicht mehr zu solchen Anträgen der Grünen, liebe Frau Brüning. – Danke für die Aufmerksamkeit.