Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

Dass Sie das möglichst niedrig hängen sollten, hat Frau Stotz schon gesagt.

Ich stelle fest: Die schwarz-gelbe Schulpolitik ist so von völliger geistiger Umnachtung geprägt,

(Lachen von CDU und FDP)

dass CDU und FDP sogar dieses wahrlich blasse Licht

(Ralf Witzel [FDP]: Unverschämtheit!)

für einen kräftigen Sonnenstrahl halten

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist unverschämt!)

und deshalb eine Aktuelle Feierstunde beantragt haben,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Bei der keiner von der Union mitfeiern will! – Manfred Pal- men [CDU]: Frechheit!)

Meine Damen und Herren, mir ist angesichts dessen, was da passiert, nicht zum Feiern zumute!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie feiern sich für eine Studie, die nach schönen Worten in Gesetzestexten sucht. Und da kann ich mich den Autoren dieser Studie nur anschließen: Der schönen Worte wird diese Landesregierung

nimmer müde. Sie betreiben eine Politik der Blendung und Verblendung, weil Sie die Reformprozesse, die in anderen Bundesländern laufen und notwendig sind, erst gar nicht anpacken.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Ralf Witzel [FDP]: Niedersachsen! Die sind zurückgeru- dert, weil sie gescheitert sind!)

Frau Sommer, Sie müssten es doch wissen, und Sie wissen es im Grunde ganz genau: Auch schönster Schmuck braucht einen Körper, um glänzen zu können.

So ist das auch in der Schulpolitik in NordrheinWestfalen: Schöne Worte in Gesetzestexten werden schnell zynisch, wenn sie der Realität widersprechen. Hören Sie auf mit der Politik des schönen Scheins. Das ist Blendwerk.

Meine Damen und Herren, der Durst nach guter Bildung in Nordrhein-Westfalen ist viel zu groß, als dass wir es uns leisten könnten, solchen Fata Morganas weiterhin hinterherzulaufen. Wer so gut sein will wie diese Landesregierung, meine Damen und Herren, der hat ganz einfach keinen Ehrgeiz.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Löhrmann. – Als Nächstes spricht Frau Ministerin Sommer.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war fast wie in der Schule: Es gab für fünf Fächer Zeugnisse mit Noten. Ein sehr leistungsfähiger Schüler heißt Bildungspolitik in Nordrhein-Westfalen, und der schaut sich – daran finde ich erst einmal gar nichts Negatives, Frau Stotz – um und freut sich darüber, dass er offensichtlich der Beste seiner Klasse ist – und das trotz eines „Befriedigend“ zwischen vielen Einsern und Zweiern. „Die Drei muss beim nächsten Mal weg“, denkt der Schüler, und so könnte die Geschichte ihren Lauf nehmen und von der großen Motivation erzählen, die davon ausgeht, wenn man Leistung bestätigt bekommt.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie sind die Schulministerin! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Märchentante!)

Wir sind aber nicht in der Schule. Am 27. Mai wurden die Ergebnisse der bundesweiten Studie in Berlin veröffentlicht, und Nordrhein-Westfalen führt die Spitzengruppe vor allem in den Bereichen „Bildungspolitische Ziele“ und „Qualitätssicherung“ an – und dies fast genau nach drei Jah

ren der Amtsübernahme durch die Regierungskoalition,

(Beifall von CDU und FDP – Hannelore Kraft [SPD]: Sie haben nicht zugehört!)

drei Jahre nach der seinerzeit längst fälligen schulpolitischen Bildungsreform in NordrheinWestfalen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie können nur bis drei zählen!)

Welche Gründe waren ausschlaggebend für diesen hervorragenden Platz?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Frau Stotz hat die Gründe aufgezählt!)

Erstens. Die bildungspolitischen Ziele, so die Experten, wurden hervorragend herausgearbeitet. Wir wollen, meine Damen und Herren, dass unsere Schülerinnen und Schüler in allen Schulformen über Allgemeinbildung verfügen, dass vor allem die individuelle Förderung im Mittelpunkt steht, dass es um den Einzelnen und seine Persönlichkeitsentwicklung geht. Unsere Lehrerinnen und Lehrer arbeiten hart daran, dass nicht so viele Schülerinnen und Schüler eine Klasse wiederholen müssen. Bei uns stimmen auch die Vorgaben: Wir haben feste Absprachen mit Eltern- und Lehrerverbänden, die verkürzte Schulzeit am Gymnasium pädagogisch stimmig zu machen.

Zweitens. Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung sind keine leeren Worthülsen. Wir verpflichten alle Schulen zur Qualitätsanalyse. Weil wir einem Kind von Anfang an die Chance geben wollen, seine Stärken zu zeigen, werden unsere Vierjährigen – dafür sind wir gerade von Frau Löhrmann gelobt worden –

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Für das Ziel!)

zwei Jahre vor ihrer Einschulung auf ihre sprachliche Entwicklung getestet und erhalten Förderung. Der „Delfin“ schwimmt, textete eine Fernsehmoderatorin vor wenigen Wochen, als sie die erfolgreiche Förderung eines Jungen nach einem Jahr vorstellte.

Drittens. Ein großes Plus erhält die Bildungspolitik in Nordrhein-Westfalen deshalb, weil es seine Schulen eigenverantwortlich macht. Wir haben diese Thematik bereits mehrfach angesprochen. Führungskompetenzen auf die Schulleitungen zu übertragen, Erfahrungen aus dem Modell „Selbstständige Schule“ auf alle zu übertragen, ist bei uns bereits Wirklichkeit.

Viertens. Kerngeschäft von Schule ist der Unterricht, Gegenstand des Qualitätsbereichs Lehren

und Lernen. Natürlich haben wir dazu die von der Kultusministerkonferenz definierten Bildungsstandards in Kernlehrpläne umgesetzt. Dafür werden wir vom Reformmonitor sehr gelobt. Nach Meinung der Autoren können wir noch stärker werden bei der Erstellung von Förderkonzepten für Lernschwache sowie im Bereich sonderpädagogischer Förderung.

Fünftens. Leider nur ein „Befriedigend“ erreichten wir bei „Schulkultur“. Das spornt uns an. Besser gesagt: Ohne zu wissen, was die Studie aussagen würde, sind wir in vielen Zielsetzungen weit über das hinausgekommen, was die Verfasser festhalten konnten, denn deren Prüfungszeitraum endete bereits Ende des Jahres 2007.

In noch nicht einmal einem halben Jahr haben wir die für gut und richtig befundenen Bereiche ausgeweitet und qualifiziert. Ohne überheblich zu sein oder einer nächsten Studie vorgreifen zu wollen, wäre ein „Befriedigend“ im Zeugnis nicht mehr zu finden. Dessen bin ich mir sicher.

Am 17. Juni wird sich das Kabinett zunächst mit dem Gesetzentwurf zur Stärkung der Eigenverantwortung von Schulen beschäftigen. Das ist ein wichtiger Baustein zum Ausbau von Eigenverantwortung. Weitere Bausteine werden folgen: Schon am 23. Juni werden wir mit Vertretern aus 19 Regionen in Düsseldorf die ersten Kooperationsverträge unterschreiben. Alle Schulen sollen Teil regionaler Bildungsnetzwerke werden.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Auf einmal!)

Alle 54 Kreise und kreisfreien Städte in NordrheinWestfalen sollen lokale Bündnisse eingehen.

Bei „Schulkultur“ machen wir genau das, was uns der Reformmonitor empfiehlt: Wir bauen den Ganztag massiv aus. Im nächsten Schuljahr besuchen über 180.000 Grundschulkinder die offene Ganztagsgrundschule. Das heißt: Jedes vierte Grundschulkind wird bis mindestens 15 Uhr pädagogisch betreut und gefördert.

Der Ausbau des Ganztags an den Hauptschulen geht weiter: Demnächst wird rund jede zweite Hauptschule in Nordrhein-Westfalen eine gebundene Ganztagsschule sein. Bis zu 250 Hauptschulen wird ein erweiterter Ganztagsbetrieb ermöglicht, der durch uns auf den Weg gebracht wurde. Wir gehen weit über unsere ursprünglichen Ziele hinaus: Vor einem Monat haben wir eine weitere Ganztagsoffensive – nämlich eine Ganztagsoffensive für die Realschulen und das Gymnasium – beschlossen:

Ab dem kommenden Jahr wird in jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt jeweils eine Realschu

le/ein Gymnasium in eine Ganztagsschule umgewandelt. Im Jahr darauf kommen erneut über 100 Ganztagsschulen hinzu. Mit unserem 1.000Schulen-Programm werden wir in den Jahren 2009 und 2010 ein zusätzliches Investitionsprogramm aus Landesmitteln auflegen, ein Programm zur Umsetzung der Ganztagsinitiative und pädagogischen Übermittagsbetreuung, ein Investitionsprogramm im Umfang von insgesamt 100 Millionen €. Dieses Geld steht insbesondere für Gymnasien und Realschulen, aber auch für Hauptschulen und Förderschulen zur Verfügung. Die Landesregierung stellt im Rahmen der Ganztagsoffensive in den nächsten beiden Jahren zusätzlich rund 175 Millionen € zur Verfügung.

Wir sorgen dafür, dass die Lehrerinnen und Lehrer besser für ihren Beruf ausgebildet werden. Wir reformieren die Lehrerausbildung und rufen damit weit über unser Land hinaus ein positives Echo hervor. Künftige Lehrer sollen schon während ihres Studiums in engem Kontakt zu ihrem späteren Berufsfeld stehen.

Neben der fachlichen Qualifikation werden wir die pädagogische Ausrichtung stärken. Die Ausbildung für alle Lehrämter wird gleich lang sein. Die verschiedenen Lehrämter – zum Beispiel Grundschule und Gymnasium – werden gleichwertig, erhalten aber unterschiedliche Kompetenzprofile. Wir werden die Fachdidaktik ausbauen. Unser Ziel ist die Verbesserung des Unterrichts.

Nach Meinung der Autoren, meine Damen und Herren, können wir noch stärker werden bei der systematischen Erstellung von Förderkonzepten für Lernschwache und im Bereich der pädagogischen Förderung. Auch in dem Zusammenhang kann ich Neues vermelden: Vom kommenden Schuljahr an wird Nordrhein-Westfalen in 20 unterschiedlich großen Regionen völlig neue Wege in der sonderpädagogischen Förderung gehen. Auch das haben die Verfasser in ihrer Studie noch nicht berücksichtigt. Dabei sollen in einem Pilotprojekt Förderschulen zu Kompetenzzentren für sonderpädagogische Förderung ausgebaut werden. Unser Ziel ist es, deren Schülerinnen und Schüler häufiger als bisher wohnortnah und integrativ in Regelschulen zu beschulen.

Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht wundern: Wir sind stolz auf unseren Spitzenplatz. Aber: Nach der Studie ist vor der Studie! Wir blicken nach vorn und arbeiten weiter.

Ich danke an dieser Stelle allen Lehrerinnen und Lehrern unseres Landes. Ich stelle in Gesprächen immer wieder fest, dass sie ihre Aufgabe ernst nehmen. Ihr Beruf ist für sie Berufung. Sie füllen

unsere Reform tagtäglich mit Leben. Die Qualität der Lehrerinnen und Lehrer bringt Qualität in unsere Schulen.

In Nordrhein-Westfalen machen gute Lehrer gute Schule. Wir haben zigtausende davon.