Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

(Zuruf von Minister Karl-Josef Laumann)

Das ist aber ein Pflegekonzept. Es ist zwar umstritten. Nach diesem Gesetzentwurf wird es aber nicht ausgeschlossen; denn ein Träger kann sagen: Mein Pflegekonzept ist die Pflegeoase ohne Rückzugsmöglichkeit, weil das für diese Zielgruppe richtig ist. – Deswegen muss im Gesetz klargestellt sein, wer entscheidet, was ein Pflegekonzept ist und was nicht. Sonst kann ein Träger nämlich hinterher unter Umständen sagen: Im Gesetz ist aber von einem Pflegekonzept die Rede. Drei Pflegeprofessoren bestätigen, dass die Pflegeoase richtig und wichtig ist. Daher habe ich einen Rechtsanspruch darauf, eine Einrichtung mit Großraumzimmern zu betreiben.

Und das kann nicht sein. Ich glaube auch nicht, dass Sie als Minister so etwas wollen. Ich sage ja nur: Der Teufel steckt im Detail. Lassen Sie uns in Ruhe – auch mit Vertretern von Trägern – klären, welche Gefahren und Risiken worin liegen.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Karl- Josef Laumann: Genau so machen wir es!)

Zum nächsten Punkt Mitbestimmung: Herr Dr. Romberg hat gesagt: Wir wollen die Mitbestimmung ausbauen. – Das möchten wir auch. Mitbestimmung halten wir für wichtig. Was jetzt im Gesetzentwurf steht, ist für mich aber nicht unbedingt ein Ausbau der Mitbestimmung. Bisher war ja seit 2001 bundesgesetzlich geregelt, dass die Vertreter und Vertreterinnen der Heimbeiräte bei den Vergütungsverhandlungen mit am Tisch sitzen können. Diese Regelung haben Sie nicht übernommen.

Das ist aber ganz wichtig. Denken Sie nur daran, dass jeder Mieter die Möglichkeit hat, bei Mieterhöhungen gegen seinen Vermieter vorzugehen. Wenn der Heimbeirat nicht mehr mit am Tisch sitzen darf, sondern der Träger gemeinsam mit den Kommunen und den Kassen den Betrag aushandeln kann, hat er nach dem Motto „Friss oder stirb – pack deine Sachen und zieh aus oder akzeptiere die Summe“ hinterher keinen Spielraum mehr. Deswegen ist es immens wichtig, die Vergütungsverhandlungen hier wieder mit aufzunehmen.

Man kann auch nicht einerseits von mehr Mitbestimmung sprechen und andererseits gerade einen so substanziellen Punkt herausnehmen. Auch da glaube ich nicht unbedingt, dass das Ihre Hal

tung ist. Wir können diesen Punkt ja im Rahmen des Verfahrens wieder aufnehmen. Das ist für die Beteiligten ganz wichtig; denn Mitbestimmung heißt, dass jemand auch mit über die Summe reden kann, die seine Unterbringung und Versorgung kostet.

Letzter Punkt: Die neuen Wohnformen sind uns ein wichtiges Anliegen. Mit diesem Anliegen sind wir seit Jahren unterwegs. Ich finde es richtig, zu versuchen, die Gratwanderung zwischen Sicherheit auf der einen Seite – also einer Schutzfunktion für die Menschen, die sich nicht selber gegen Ausbeutung und schlechte Bedingungen schützen können – und Selbstbestimmung auf der anderen Seite hinzubekommen. Hinter Ihren Vorschlag, das daran zu koppeln, wie viele Verträge mit ambulanten Anbietern in einem Haus abgeschlossen worden sind, würde ich allerdings einmal ein Fragezeichen setzen.

(Minister Karl-Josef Laumann: Kennen Sie etwas Besseres?)

Darüber müssen wir im Verfahren diskutieren.

Ich finde, wenn selbstbestimmt in einem Haus in einer Wohngemeinschaft sechs Leute, sieben Leute oder zehn Leute wohnen, die diesen einen Anbieter wollen, weil er vor Ort der Beste ist, dann ist das kein Heim. Das ist hier aber nicht geregelt. Es ist kein Heim. Ich finde, die Frage ist: Sind die Selbstbestimmung und das Wahlrecht des Einzelnen wirklich gegeben? Das kann ich nicht an der Anzahl der Verträge mit ambulanten Anbietern festmachen. Wir könnten fragen: Wie viele von uns haben in einem bestimmten Bereich denselben Anbieter?

(Minister Karl-Josef Laumann: Sie reden ja fast wie die Wohlfahrtspflege!)

Deswegen gibt es aber keinen Zwang, bloß weil man sich in einem bestimmten Bereich für den Besten entscheidet.

(Minister Karl-Josef Laumann: Sie reden ge- rade wie die Wohlfahrtspflege!)

Nein, ich rede nicht wie die Wohlfahrtspflege, sondern ich rede wie die Wohngemeinschaften, und zwar wie viele Wohngemeinschaften und viele der Beteiligten in Wohngemeinschaften, die heute funktionierende Konzepte haben. Ich rede wie die neuen Wohnformen. Ich finde, dass es wichtig ist, diese selbstbestimmten Wohnformen von Menschen, die sich zusammengeschlossen haben, ein Konzept haben und sich ganz bewusst und absichtlich für einen Anbieter entscheiden, zu erhalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da rede ich nicht wie irgendwer, sondern da rede ich so, wie es meines Erachtens die Vernunft gebietet.

(Zuruf von Minister Karl-Josef Laumann)

Die Auseinandersetzung, den Diskurs können wir dann in der Anhörung führen. Daran können Sie als Abgeordneter teilnehmen. Ich werde auch die Betroffenen aus den Wohngemeinschaften einladen. Deren Bewohner und Bewohnerinnen sprechen für sich und nicht für irgendeinen Verband.

Wenn Sie sagen, dass Sie bereit dazu sind, dass wir das Ziel erreichen und den Weg dahin gemeinsam zu finden, dann werden wir sicher einen spannenden Prozess im Interesse der Betroffenen vor uns haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Karl- Josef Laumann: Das ist nicht so einfach! – Barbara Steffens [GRÜNE]: Wir wollen es ja auch nicht einfach!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Es gibt zwar keine weiteren Wortmeldungen mehr, aber noch viel Diskussionsbedarf.

Wir sind am Ende von Tagesordnungspunkt 2 und kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung Drucksache 14/6972 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend –, an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration, an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform, an den Ausschuss für Bauen und Verkehr sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer ist für diese Überweisung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.

Wir kommen zu:

3 Zugangshemmnisse von Frauen mit Behinderungen zum Mammographie-Screening beseitigen

Antrag

der Fraktion der SPD

Drucksache 14/6949

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Frau Dr. Boos das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle

gen! Brustkrebs ist in der gesamten westlichen Welt die häufigste Todesursache bei Frauen zwischen dem 30. und dem 60. Lebensjahr. Je nach Altersgruppe schwankt diese Zahl zwischen 11 und 14 % aller Todesfälle. Brustkrebs ist dazu mit einem Anteil von 28 % unter den Krebsneuerkrankungen die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Über 10 % aller Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Das sind in Deutschland ca. 57.000 Neuerkrankungen im Jahr.

Die Letalität, also die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Erkrankung tödlich endet, liegt bei knapp 30 %. Glücklicherweise müssen aber aufgrund neuer medizinischer Behandlungsmethoden immer weniger Frauen an Brustkrebs sterben, und dies, obwohl die Zahl der erkrankten Frauen in den letzten Jahren zugenommen hat. Grund der erhöhten Erkrankungszahl sind auch neue medizinische Methoden, die für ein früheres Erkennen gesorgt haben.

Klar ist: Wenn Brustkrebs eine so extrem verbreitete Krankheit ist, sind auch nicht nur ansonsten gesunde Frauen davon betroffen, sondern eben auch viele Frauen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. In Nordrhein-Westfalen leben fast eine Million Frauen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen. Es gibt dabei ein ganz weites Spektrum der Art der Behinderung, zum Beispiel an Rheuma erkrankte Frauen, sehbehinderte Frauen, Epileptikerinnen, Spastikerinnen usw. Auf diese Frauen möchten wir mit diesem Antrag einmal mehr das besondere Augenmerk richten.

Die Frage also, wie auch bei diesen Frauen nicht nur für optimale Behandlungsmethoden, sondern auch für eine möglichst gute Prävention gesorgt werden kann, ist deshalb besonders wichtig. Zugangshemmnisse und -barrieren erschweren für die Betroffenen den Zugang zum MammographieScreening. Hierbei handelt es sich um eine Untersuchung an speziellen Röntgengeräten.

Nun hat das Netzwerkbüro von Frauen und Mädchen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen NRW nachgeforscht und eine ganze Reihe von Problemen beim Mammographie-Screening festgestellt. Die Geräte an sich sind dabei noch ein eher kleines Problem, da festgestellt wurde, dass bei 61 von 65 Mammographiegeräten in NRW die räumliche und technische Ausstattung so ist, dass auch Frauen im Rollstuhl problemlos an der Untersuchung teilnehmen können.

Bei anderen Behinderungen sieht das aber viel schlechter aus. So ist es bei Frauen mit Hörbe

hinderungen dringend notwendig, dass eine Dolmetscherin für die Gebärdensprache für die Untersuchung eingesetzt wird. Für gehörlose Frauen ist es außerdem oft schwieriger, schriftliche Informationen zu verstehen, da die Gebärdensprache einer anderen Grammatik als die Schriftsprache folgt. In Zusammenhang mit medizinischen Fachbegriffen ist dies eine ganz hohe Barriere für die Untersuchung.

Für Frauen mit einer geistigen oder einer Lernbehinderung ist der Zugang zur Untersuchung oftmals noch schwieriger und stark abhängig von der Atmosphäre in der Praxis. Geduld und Einfühlungsvermögen des Personals sind hier die entscheidenden Stichworte. Beides ist dringend notwendig, um die eher unangenehme und belastende Untersuchung überhaupt möglich zu machen. Vielen positiven Beispielen, bei denen die technisch geschulten Angestellten und natürlich die Ärztinnen und Ärzte mit viel Engagement auf die Betroffenen eingehen, stehen hier auch negative Fälle entgegen, in denen der Stress dann so groß wurde, dass er bei den Frauen sogar zu Selbst- und Fremdaggressionen führte.

Den Bedürfnissen von Frauen mit Behinderungen entgegenzukommen, ist ein wichtiger Schritt für den Erfolg des Mammographie-Screenings. Neben den baulichen Voraussetzungen für einen barrierefreien Zugang ist dabei die Schulung des medizinischen Personals an erster Stelle zu nennen und hierbei die besondere Berücksichtigung von Frauen mit Behinderungen. Der Umgang der Ärztinnen und Ärzte mit den Patienten ist sicherlich ganz wesentlich, um den Zugang von Frauen mit Behinderungen zu Vorsorgeuntersuchungen zu verbessern. Weiterhin sind Informationsmaterialien zu nennen, die leicht verständlich sind und auch zum Beispiel Frauen mit einer geistigen Behinderung erreichen. Für Gehörlose ist außerdem ein fachlich geschulter Gebärdensprachdolmetscher wichtig.

Wir wollen mit unserem Antrag einen weiteren Schritt dahin machen, dass die Brustkrebsvorsorge in NRW noch verbessert werden kann. Wie schon am Anfang dargestellt, müssen immer weniger Frauen an dieser Erkrankung sterben, da sie in einem früheren Stadium auch besser behandelt werden können.

Gerade für Frauen mit Behinderung gilt es hier, die vorhandenen Zugangshemmnisse und Benachteiligungen zu beseitigen. Ich würde mich freuen, wenn diese Initiative, auch über die SPDFraktion hinaus, Zustimmung finden würde. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Boos. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Monheim.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Brustkrebs – das hat meine Vorrednerin sehr deutlich gemacht – ist nach wie vor die häufigste Krebserkrankungsart von Frauen in den westlichen Industrieländern. Nach Angaben des Robert-Koch-Institutes erkranken jährlich nicht nur etwa 55.200 Frauen, sondern es sterben 18.000 Frauen – trotz aller Vorbeugung, trotz aller Therapien.

Dabei gilt es als anerkannt, dass Brustkrebs zu 90 % heilbar ist, wenn der Tumor in einem frühen Stadium erkannt wird und die Patientinnen die Chance haben, eine spezialisierte Behandlung zu erfahren. Um eine möglichst frühe Diagnose zu erreichen, kommt dem Mammographie-Screening für Frauen in der am stärksten von Krebserkrankungen betroffenen Altersgruppe, von 50 bis 69 Jahren, eine besondere Bedeutung zu. Darum ist es wichtig, durch Information und eine anhaltende öffentliche Diskussion Frauen zu sensibilisieren und zu motivieren, dieses Vorsorgeangebot zu nutzen.

Vor diesem Hintergrund ist das Anliegen des SPD-Antrags, den wir heute diskutieren, dass auch Frauen mit Behinderung am Mammographie-Screening teilnehmen, absolut berechtigt und wird auch von uns unterstützt.

(Zustimmung von Annette Watermann-Krass [SPD])

Die Darstellung jedoch, Frau Dr. Boos, die in diesem Antrag zum Ausdruck kommt, dass die Teilnahme – ich zitiere aus Ihrem Antrag- „häufig durch Zugangshemmnisse und Barrieren erschwert“ wird, wird der tatsächlichen Situation so nicht gerecht und entspricht auch nicht den Umfrageergebnissen, die das „NetzwerkBüro Frauen und Mädchen mit Behinderung und chronischer Erkrankung in NRW“ in einer umfangreichen Recherche ermittelt hat. Sie selbst haben eben zitiert, dass die überwiegende Anzahl der Screeninggeräte in Ordnung ist und dass – ich zitiere – eine Screening-Mammographie bei behinderten Frauen problemlos durchgeführt werden kann. Das ist auch nicht verwunderlich; denn die Anforderung an Barrierefreiheit war ein explizites Auswahlkriterium im Rahmen der Ausschreibung für Screeningeinheiten.

Ein Teil der eingesetzten Geräte – ich komme auf Ihren Hinweis auf die unterschiedlichen Arten von Behinderungen zu sprechen – verfügt darüber hinaus über besondere ergonomische Merkmale und Justierungsmöglichkeiten, um damit für Frauen mit Behinderung zur Verfügung zu stehen.

Bemängelt wird in dem vorliegenden Antrag auch, dass die mobilen Mammographiegeräte, die sogenannten Mammamobile, für Untersuchungen im Rollstuhl nicht geeignet sind. Das ist aus technischen und baurechtlichen Gründen in der Tat kaum möglich. Dafür wird aber von den verantwortlichen Ärztinnen und Ärzten ein Shuttleservice zur nächstgelegenen behindertengerechten Screeningeinheit angeboten.