Ziel ist es unter anderem, verbindlich zu bestimmen, mit welchen strukturellen Hürden Kinder und Jugendliche während ihres Aufwachsens konfrontiert werden und welche dieser Hürden Jugendkriminalität fördern können. Ich bin sehr froh, dass es nach der Untersuchungsarbeit im PUA zu der Enquetekommission kommt und dass alle Landtagsfraktionen dieses Vorhaben positiv unterstützen.
Wir haben bei unseren Auseinandersetzungen mit dem sogenannten Foltermord fraktionsübergreifend feststellen müssen, dass das Thema Jugendgewalt viel grundsätzlicher angegangen werden muss, als es in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss möglich ist. Dabei sind wir zu dem Schluss gekommen: Dieses Thema gehört auf die Agenda der politischen Diskussion, und zwar in einem Forum, in dem außerhalb der tagespolitischen Auseinandersetzungen fraktionsübergreifend und umfassend nach Lösungsmöglichkeiten gesucht werden kann.
Denn spätestens nach der schrecklichen Tat in der Siegburger JVA darf dieses Thema kein Randthema mehr bleiben. So haben wir uns dafür entschieden zu untersuchen, wie die Rahmenbedingungen und Unterstützungssysteme ausgestaltet werden können, um Straftaten von Kindern und Jugendlichen möglichst früh begegnen zu können.
Dass die Prävention der wichtigste Bereich ist, darüber sind wir uns offensichtlich auch schon zu Beginn dieser Arbeit einig; das ist sehr schön. Wir wollen damit einen Beitrag leisten, dass sich unsere Gesellschaft in NRW aufgrund der Enquetearbeit mit dem Thema öffentlich auseinandersetzt. Neben der Beschäftigung mit den strukturellen Risikofaktoren wird sich die Kommission auch um
Möglichkeiten kümmern, wie Maßnahmen der Erziehung und Strafe delinquenter Jugendlicher besser ausgestaltet werden können.
Meine Damen und Herren, die im gemeinsamen Antrag formulierten Ziele stellen eine extrem große Herausforderung für die Kommission dar. Ich bin aber überzeugt, dass die Kommission der Aufgabe gerecht werden kann, wenn sich die Mitglieder fraktionsübergreifend für eine zielführende Arbeitsweise entscheiden, die von gegenseitiger Wertschätzung getragen ist. Das wünsche ich der Kommission. Nur so sind die grundlegenden Weichenstellungen für eine zukunftsweisende und erfolgreiche Präventionspolitik in NRW zu erzielen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Löhrmann. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Müller-Piepenkötter das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Einrichtung einer Enquetekommission ist ureigene Angelegenheit des Parlaments, die durch die Regierung nicht zu bewerten ist. Erlauben Sie mir trotzdem, meine Freude und meinen Dank für diesen besonders wertvollen Beitrag zur Jugendkriminalitätsprävention und -bekämpfung zum Ausdruck zu bringen.
Die Bewältigung alarmierender Erscheinungen der Jugendgewalt und Intensivkriminalität ist eines der zentralen kriminalpolitischen Anliegen, denen die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen seit Beginn der Legislaturperiode einen Schwerpunkt ihrer Aufmerksamkeit widmet. Im Zentrum stehen Konzepte für den Umgang mit Jugendkriminalität. Dabei wird uns nur eine breite gesellschaftliche Diskussion mit präventiven Ansätzen in die Lage versetzen, der zunehmenden Kriminalität eines Teils unserer Jugend Herr zu werden.
Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung mit Beschluss vom 28. März 2006 eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Justizministeriums und des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration eingerichtet. Aufgabe dieser Arbeitsgruppe ist es, einen gemeinsam getragenen Katalog präventiv wirkender Maßnahmen zu entwickeln, die dazu beitragen, der Kinder- und Jugendkriminalität zu begegnen.
Die IMAG hat hierzu das 20-Punkte-Programm „Stopp der Kinder- und Jugendkriminalität“ erarbeitet. Am 7. November 2006 wurde das Programm im Kabinett beschlossen. Ich möchte beispielhaft einige Punkte nennen: die Intensivierung der Arbeit mit gefährdeten Jugendlichen, Früherkennung sowie Abbau von Gewalt in Schule und Familie, Aufbau und Weiterentwicklung von Familienzentren oder auch die Verhinderung von Tatgelegenheiten durch städtebauliche Maßnahmen.
Mir als Justizministerin obliegen im Bereich der tertiären Kriminalprävention besonders die Projekte „Gelbe Karte“, „Staatsanwalt vor Ort“ sowie die sogenannten Intensivtäterprojekte und die ambulante intensive Bewährungshilfe. Ziel der Projekte ist es, schnelle erzieherische Reaktionen zu ermöglichen und junge Kriminalitätseinsteiger frühzeitig abzufangen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen über diesen Maßnahmenkatalog hinaus eine gesamtgesellschaftliche Diskussion, die an den familiären und gesellschaftlichen Ursachen der Jugendkriminalität ansetzt und versucht, diese zu beheben.
Unsere Jugend ist und bleibt das wertvollste Kapital für die Zukunft unserer Gesellschaft. Das Hineinwachsen junger Menschen in solidarische Gesellschaftsformen, das Erlernen sozialen Verhaltens und das Erfahren emotionaler Stabilität sind Grundvoraussetzungen für Selbstbeherrschung, Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen sowie Selbstwertgefühl. Das muss der junge Mensch in Familie, Kindergarten, Schule lernen. Dazu bedarf es der Diskussion.
Meine Damen und Herren, ich danke der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die mit langem Atem diese Initiative verfolgt und schließlich zum Erfolg geführt hat, und der Fraktion der CDU, die die ihr zustehende Enquete für dieses Thema zur Verfügung stellt. Ich danke allen Fraktionen für den fraktionsübergreifenden Antrag zur Einrichtung dieser Enquetekommission zur Erarbeitung von Vorschlägen für eine effektive Präventionspolitik in NRW, denn ich bin mir sicher, dass – ich zitiere Ihren Einsetzungsantrag – „von Ihrer Arbeit eine wertebildende Orientierung für die Gesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen ausgehen kann“. Dafür wünsche ich der Enquetekommission viel Erfolg.
Vielen Dank, Frau Ministerin Müller-Piepenkötter. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am
Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist mit Zustimmung aller vier Fraktionen der Antrag Drucksache 14/6995 angenommen und die Basis für die Enquetekommission gelegt.
Ich eröffne die Beratung und erteile für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Frau Kollegin Düker das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag wollen wir heute auf eine Maßnahme des Bundes hinweisen. Es geht um die Einrichtung einer neuen Abhörinfrastruktur des Bundes mit seinen Behörden Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Bundesamt für Verfassungsschutz, die in Köln zentralisiert werden sollen. Es soll ein Service- und Kompetenzzentrum beim Bundesverwaltungsamt in Köln eingerichtet werden, wo die Telekommunikationsüberwachungseinrichtungen des Bundes zusammengeführt werden sollen. Das heißt, hier soll aus Köln die Überwachung von Mobil- und Festnetztelefonie, E-Mail-Verkehr etc. stattfinden.
Die Neuerung, die dies beinhaltet, ist, dass hier zusammengeführt wird, was aus unserer Sicht nicht zusammengehört, nämlich Abhöreinrichtungen der Polizei und Abhöreinrichtungen der Nachrichtendienste. Wir haben in Deutschland aus gutem Grund das verfassungsrechtlich festgelegte Trennungsgebot, denn Polizei und Nachrichtendienste sollen nicht im Sinne einer geheimen Staatspolizei zusammenarbeiten. Das ist auch gut so.
In einem Konzeptpapier des Bundes wird deutlich, was das Vorbild des Bundesinnenministers ist. Das Vorbild ist die National Security Agency in
den USA, die mit 38.000 Mitarbeiter einer der größten Abhörzentralen der Welt darstellt, oder das Government Communications Headquarters in England, ebenso eine Zusammenführung. Genau das ist es: In diesen Ländern handelt es sich nicht um ein technisches Hilfswerk oder ein Technik-Pool, sondern in England und in Amerika – das sind wohl die Vorbilder von Herrn Schäuble – finden Abhören und Auswertung statt.
Das, was angeblich getrennt bleiben soll – das will man uns weismachen –, wird da zusammengeführt und ist im Übrigen hoch umstritten. Etliche Skandale begleiten die Geschichte dieser Mammutabhörzentralen. Trotz allen Beteuerungen zum Bekenntnis zum Trennungsgebot beim Bund bleiben angesichts der schwierigen Kontrollmöglichkeiten solcher Behörden starke Bedenken bei den Datenschützern. Niemand ist beruhigt.
Hinzu kommt für uns: Es ist ein Baustein eines bedenklichen Umbaus unserer Sicherheitsarchitektur in Deutschland, der von mehr Zentralität, weniger Transparenz und vor allem von weniger Kontrollmöglichkeiten gekennzeichnet ist. Wir sehen bei all diesen sicherheitspolitischen Strukturmaßnahmen, auch was das BKA-Gesetz und andere angeht, die Gefahr, dass einem rechtsstaatliches Gleichgewicht, dass Eingriffsbefugnissen eine sehr effiziente Kontrolle gegenübersteht. Dieses Check and Balance System unseres Rechtsstaats gerät ins Wanken.
Diese Behörde ist ein Baustein davon. Deswegen stimmen wir ausnahmsweise unserem Innenminister einmal zu. Wir finden, wenn er sich schon einmal als Bürgerrechtler outet, dann sollte das auch vom Parlament gewürdigt werden. Er sagt im „Kölner Stadt-Anzeiger“:
Der Aufbau einer Abhörzentrale für Polizei und Geheimdienste widerspricht dem strikten Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Wir halten das nicht für effektiv.
Bravo! Gut gebrüllt, Herr Innenminister! Wir möchten dieses heute würdigen und dem durch das Parlament zustimmen. Wir bedauern sehr, dass es um Sie sehr einsam wird; denn nach dem Entschließungsantrag von CDU und FDP folgen Ihnen Ihre Truppen im Parlament nicht. CDU und FDP haben ausweislich des Entschließungsantrags größtes Vertrauen in Herrn Schäuble. Sie geben ihm Vertrauensvorschuss dahin gehend, dass es bei allem, was da in Köln passiert, wohl schon zum Besten steht. Das tut uns sehr leid.
Sie haben hier aber die Opposition an Ihrer Seite, Herr Innenminister. Wir unterstützen Sie bei dieser Haltung ausdrücklich.
Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Kress das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben sowohl in den Innenminister Schäuble als auch in den Innenminister Wolf größtes Vertrauen. Die Zusammenarbeit ist außerordentlich gut. Diese gute Zusammenarbeit ist die Basis unseres Vertrauens – und umgekehrt.
Frau Düker, ich danke Ihnen ausdrücklich für Ihren Hinweis. Offensichtlich haben Sie alles das, was an dieser Stelle vorgegeben worden ist, falsch verstanden. Aber Sie wollen es ja auch so verstehen. Ich meine, der Grundsatz gilt: Neue Technologien müssen überall dazu führen, dass man Ressourcen bündelt. – Es macht doch auch keinen Sinn, wenn jede Behörde eigene technische Anlagen und eigene Methoden entwickelt. Wir müssen die vorhandenen sicherheitsbehördlichen Kompetenzen zusammenführen, weiterentwickeln und – was wichtig ist – zukunftsfähig machen.
Das wissen Sie als Antragsteller natürlich auch. Sie verfolgen mit Ihrem Antrag ja auch ein anderes Ziel. Sie wollen versuchen, Differenzen zwischen den Koalitionsfraktionen zu konstruieren. Das haben Sie mit Ihrem Wortbeitrag nochmals bestätigt, Frau Düker.
Wie bei vielen vorherigen Versuchen gleicher Art wird Ihnen das auch heute nicht gelingen. Dass es auf der sachlichen Ebene keinerlei Differenzen zwischen den Koalitionsfraktionen gibt, haben wir mit unserem gemeinsamen Entschließungsantrag deutlich gemacht. Da kann man auch nichts hineininterpretieren. Er ist so deutlich formuliert, dass er die von Ihnen getroffene Aussage eigentlich nicht zulässt.
Frau Düker, aufgrund diverser Anfragen und Anträge der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen haben Sie doch auch alle offenen Fragen sehr detailliert beantwortet bekommen. So hat die Bundesregierung schon am 11. März dieses Jahres Ihre kritischen Anmerkungen und Befürchtungen zum geplanten Service- und Kompetenzzentrum für die Telekommunikationsüberwachung absolut widerlegt.
Die Zusammenarbeit und die damit einhergehende Kompetenzsteigerung werden sich ausschließlich auf die technischen Leistungen beziehen. Die Bündelung des technisch-wissenschaftlichen Fachpersonals in dem sehr dynamisch wachsenden Entwicklungsfeld der Überwachungstechnik ist plausibel und auch dringend erforderlich. Der Grundgedanke der Zusammenfassung in einer Service- und Kompetenzstelle beruht darauf, technische Neuerungen zu optimieren und Synergieeffekte als reiner IT-Dienstleister, also in einem Technikpool ohne eigenständige Befugnisse in der Auswertung, zu bündeln.
Gerne verweise ich auf die Ausführungen des Bundestagsabgeordneten Dieter Wiefelspütz, der sich vehement für die schnelle Einführung des Kompetenzzentrums einsetzt und fordert – ich zitiere ihn inhaltlich –: