Eine starke Ablehnung von Muslimen seitens der deutschen Bevölkerung ist danach nicht selten. Die Aussage, dass die muslimische Kultur in die westliche Welt passt, wird von knapp 75 % der Deutschen abgelehnt. Muslime erleben hier in Deutschland auch, dass ihr Glaube und ihre Religiosität nicht respektiert werden. Sie haben Angst, ihre kulturelle und religiöse Identität zu verlieren, und haben den Wunsch, mehr an Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden. Hinzu kommt, dass sich in Deutschland lebende Muslime diskriminiert fühlen – hauptsächlich in Schulen, Universitäten, am Arbeitsplatz und bei der Wohnungssuche.
Wenn man dies alles zugrunde legt, verfestigt sich fast der Eindruck, dass wir als Aufnahmegesellschaft Abweisungstendenzen zeigen. Warum sollten sich Menschen mit Migrationshintergrund in eine Gesellschaft einbürgern, wenn diese Gesellschaft sie anscheinend nicht haben will?
Eine Einbürgerungsoffensive sollte darum neben den Ausländerinnen und Ausländern die deutsche Aufnahmegesellschaft in den Blick nehmen. Ziel muss es sein, unsere Gesellschaft als eine – ich wiederhole es immer und immer wieder – Einwanderungsgesellschaft zu gestalten, die sich auf Menschen mit Migrationsgeschichte aus unterschiedlichen Herkunftsländern und unterschiedlichen Glaubens einlässt und ein Klima schafft, in dem Integration ohne Assimilation möglich ist – eine Einwanderungsgesellschaft, in der man gerne lebt, zu der man gerne gehört und dies auch durch Einbürgerung gerne dokumentiert. Ich freue mich auf die Beratung in den Ausschüssen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Tillmann. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Prof. Dr. Dr. Sternberg zu Wort gemeldet.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zu der großen Bedeutung des vorliegenden Berichts hat mein Kollege Solf vorhin Wichtiges gesagt; deshalb nur ein paar ergänzende Bemerkungen.
Frau Asch, wenn Sie versuchen, zu isolieren, und sagen, ein Laschet mache noch nicht die CDU, dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass die CDU eine wirklich aktive Integrationspolitik betreibt.
Wenn wir diesen Bericht lesen, dann merkt man auch: Integration ist keine Sache, die durch Gewährenlassen oder durch Wegsehen gelingt. Integration ist ein Prozess, der gestaltet werden muss und der Unterstützung verdient.
Bei der Zuwanderung ist es wichtig, dass wir nicht nur die Ausländer und die Zuwanderer unmittelbar in den Blick nehmen, sondern wirklich die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, so wie das dieser Bericht tut. Dieser Bericht zeigt uns, dass die Verhältnisse sehr viel differenzierter und pluraler sind, als man das vielleicht bisher angenommen hat.
Denn auch die zugrunde liegenden Untersuchungen wie die Milieustudie von Sociovision zeigen uns eine Gesellschaft, die auch in Bezug auf die Zuwanderer sehr viel bunter ist, als man vielleicht
glaubt. Die Lebensstile der Menschen – so heißt es in der Studie – seien keineswegs deckungsgleich mit ihrer Herkunftskultur. Man kann also nicht von der Herkunftskultur auf ein Milieu schließen; man kann das auch umgekehrt nicht tun.
Identitäten, meine Damen und Herren, sind eben nicht eindimensional. Menschen des gleichen Milieus verbindet in unserem Land sehr viel mehr untereinander als sie mit ihren ehemaligen Landsleuten aus anderen Milieus verbindet.
Im Moment bildet sich in unserem Land eine Elite von gut ausgebildeten, hoch integrierten und selbstbewussten Deutschen mit einer Herkunftsgeschichte heraus, die sie keineswegs mehr völlig prägt. Einige Menschen sind sogar assimiliert. Assimilation ist eben kein Verbrechen, Herr Erdogan. Die Forderung nach, ein Zwang zur Assimilation wäre unerhört; das tut niemand. In diesem Land ist Integration gefordert.
Integration ist ein Prozess unterschiedlicher Aneignungen auf dem Boden des für alle geltenden Grundgesetzes. Diese Integration wird gefordert. Alles andere kann sich daraus in unterschiedlichen Formen entwickeln.
So verstehen sich übrigens auch die meisten untersuchten Migrantenmilieus, die zum größten Teil um Integration bemüht sind und sich als Teil der pluralen deutschen Gesellschaft verstehen. Sie wollen sich in die Mehrheitsgesellschaft einfügen, ohne ihre sozialen und kulturellen Wurzeln zu vergessen. Dieses Ergebnis ist nicht gerade eine Unterstützung der These von Parallelgesellschaften, die wir so gar nicht haben.
Der Einfluss religiöser Faktoren wird als angebliches Hemmnis bei der Integration genannt. Er wird aber überschätzt, denn religiöse Überzeugungen sind kein Hemmnis, sondern eine Hilfe zur Integration. Mit einer geklärten Identität auf allen Seiten ist Dialog viel besser möglich als durch Multi-Kulti-Gerede.
Man sollte festhalten: Auch das religiöse Leben dieses Landes ist längst viel bunter. Nicht zuletzt die Kirchen und Religionsgemeinschaften unterstützen Integrationsleistungen.
Überraschend ist beim Bericht vielleicht, dass die Integration gerade auf dem Lande funktioniert. Insofern werden in dem Bericht einige Vorurteile widerlegt.
Insbesondere mit Blick auf die Muslime besteht im Moment allerdings ein Problem. Wie können eigentlich Menschen anderer Religion in diesem Land, insbesondere Muslime, ihren Glauben leben, ohne an die Herkunftsnationalität ihrer Eltern gebunden zu werden? Mir scheint, das ist ein sehr wichtiges Problem in der Debatte über den Islam in Europa und in Deutschland und über die Möglichkeit, den islamischen Glauben bei uns zu leben.
Meine Damen und Herren, ich halte es nicht für gut, Fremdenfeindlichkeit herbeizureden. Frau Asch, es ist nicht gut, jede Problemlage sofort in die Ecke von Rechtsradikalismus zu rücken. Dadurch werden unter Umständen diese rechten Milieus erst geschaffen.
Man muss diese Dinge sehr ruhig angehen und sie ruhig diskutieren. Man muss Problemlagen und Menschen, die Probleme sehen, ernst nehmen.
Der Bericht zeigt, dass Integration inzwischen sehr viel besser gelingt. Dabei ist die Kultur ein wichtiger Faktor. Wir haben mit unserem Antrag vom 22. August 2006 „Künstlerisch-kulturelle Bildung stärken – soziale Integration fördern“ und mit unseren Etatergänzungen unter der neuen Titelgruppe „Kulturelle Integration“ die Anstrengungen auf diesem Gebiet deutlich forciert.
Aber das alles ist dynamisch. Wir befinden uns in einer dynamischen Situation. Im Moment verändert sich viel. Menschen mit einer asiatischen Zuwanderungsgeschichte interpretieren die klassische europäische Musik; Menschen mit einer türkischen oder russischen Zuwanderungsgeschichte schreiben deutsche Literatur und sind Comedians oder Regisseure.
Meine Damen und Herren, wir werden auch weiterhin Integration in Nordrhein-Westfalen mit unterstützenden und mit fordernden Elementen gestalten. Dank an Minister Laschet! Dank an Thomas Kufen für den Bericht! Dank an die Arbeit aller, die sich des Themas Zuwanderung annehmen, insbesondere auch an diejenigen, die als Integrierte die wichtigsten Faktoren für die Integrationspolitik in diesem Land sind.
Meine Damen und Herren, einem Land, in dem es sogar gelungen ist, Rheinländer und Westfalen zu integrieren, wird es auch gelingen, die vor uns liegenden Aufgaben zu bewältigen. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Sternberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Beer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Damen und Herren! Herr Solf hat den Wandel bei der Betrachtung von Integration und Migration zutreffend beschrieben. Und auch der Integrationsbericht bleibt leider auf der Beschreibungsebene.
Ich würde mir von einem offensiven Integrationsminister wünschen, dass er sich in verschiedene Belange einmischt. Herr Laschet, Sie haben im Integrationsbericht sehr zutreffend und plastisch die Situation in unserem Schulsystem dargelegt. Sie legen dar:
Mehr als 9 von 10 Gymnasiastinnen und Gymnasiasten sind weder Ausländerinnen und Ausländer oder Aussiedlerinnen und Aussiedler.
Ich frage einmal andersherum, Herr Laschet: Wo in dieser Gesellschaft und in diesem Schulsystem lernen die Schülerinnen und Schüler am Gymnasium eigentlich die unabdingbar notwendige interkulturelle Kompetenz? – Sie können sie in der Schule nicht erlangen. Wo bleibt der Integrationsminister eigentlich, wenn der Ministerpräsident erklärt, die Hauptschule sei die Schulform für die praktisch Veranlagten und für die Kinder mit Zuwanderungsgeschichte? Das kann Ihnen doch nicht egal sein!
Schließlich müssen Sie den Fakt zur Kenntnis nehmen, dass individuelle Förderung zwar im Schulgesetz steht, dass die Realität hingegen anders aussieht. Fakt ist, dass zum Beispiel die Zahl der ausländischen Schülerinnen und Schüler ohne Hauptschulabschluss unter dieser Landesregierung sogar gestiegen ist.
Dass die mangelhafte Durchlässigkeit zementiert ist, kann Ihnen doch auch nicht egal sein! Wo bleiben Sie und wann gehen Sie gegen die Benachteiligung der Migrantinnen in diesem Schulsystem auf die Barrikaden? Herr Laschet, ich
Ich vermisse Sie auch bei einem anderen Punkt. Ich würde Sie gern einladen, zu den Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss zu kommen. Über ein Jahr vor dem Ablaufen der Frist Ende 2009 nach der gesetzlichen Bleiberechtsregelung gemäß §§ 104 a und b wird vom Innenminister Nordrhein-Westfalens im März 2008 ein Ausländer-raus-Erlass auf den Weg gebracht. Wissen Sie das eigentlich? Wissen Sie eigentlich, dass zum 31. August personenscharf mitgeteilt werden soll, aus welchen Gründen der Aufenthalt der bisher geduldeten Personen noch nicht beendet werden konnte?
Das ist die Integrationsrealität. Sie begegnet uns in den Petitionsverfahren. Ich darf Sie bitten, einmal zu uns den Petitionsausschuss zu kommen. Darüber müssen wir reden, und darüber müssen Sie ebenfalls mit Ihrem Ministerkollegen offensiv reden.
Restriktiver wird auch die Frage der Einbürgerung in diesem Land behandelt. Wenn Sie meinen, dass die Einbürgerung ein solcher Wert ist, dann müssen Sie auch dagegen kämpfen, dass die Hürden immer höher gelegt werden. Sie müssen dafür in die Bütt gehen, sie müssen dafür stehen, dass die Restriktionen zurückgefahren werden. Auch da vermisse ich Sie an der Seite derjenigen, die in die Gesellschaft wirklich hineinwachsen wollen. Dieses Feld lassen Sie leider sträflich unbesetzt.
Also hoffe ich, dass wir nicht nur auf der beschreibenden Ebene bleiben, sondern dass Sie auch in der Operationalisierung und in der Offensive stärker werden. Wir werden mit Ihnen daran arbeiten und Sie stetig mahnen.