Wenn Sie hier einen Popanz aufbauen, wie sich die Landesregierung zu verhalten hat, dann ist das ebenso an der Grenze dessen, was man ertragen kann. Das inhaltlich Interessante ist, dass Sie das als Erfolge heruntergebetet haben, was nur deswegen zustande kommen konnte, weil Sie am 9. Mai verloren haben.
Denn die Verhandlungen – das hat der Minister eben ausgeführt – auf der Bundesebene konnten nur so geführt werden, weil Sie als CDU/FDP mit der Wahl am 9. Mai die Mehrheit im Bundesrat verloren hatten. Jetzt erklären Sie uns – das ist schon eine Chuzpe, eine Dreistigkeit –, welche Folgen mit dem Ergebnis verbunden sind. Das ist schon toll.
Der Minister hat richtigerweise dargestellt, dass das Ganze ein relativer Erfolg ist. Durch die Tatsache, dass wir einige Ergebnisse haben reinverhandeln können,
können wir mit manchen Dingen, was das Ergebnis angeht, durchaus zufrieden sein. Bei anderen Themen sehen wir aber durchaus Nachholbedarf; das will ich deutlich sagen.
Wenn Sie mich nicht unterbrochen hätten, wäre ich schon weiter. Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass wir, wenn wir am 9. Mai ein anderes Ergebnis gehabt hätten, jetzt wahrscheinlich an Verhandlungen zwischen der Arbeitsagentur und Frau von der Leyen über Bildungschips, die die Arbeitsagentur rausgeben müsste, teilnehmen würden. Eine völlig sinnlose Vorgehensweise!
Ich erinnere an unsere Anhörung, Herr Löttgen, in der wir dieses Thema behandelt haben, in der die ganze Fachwelt diese Vorschläge abgelehnt hat.
Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang das Thema Mindestlöhne/Leiharbeit. Dazu gibt es auch unseren Entschließungsantrag. Ich will darauf hinweisen, dass heute die Gewerkschaften des DGB zu einem bundesweiten Aktionstag zum Thema Leiharbeit/Mindestlöhne aufgerufen haben,
der heute um 5:30 Uhr – darauf bin ich stolz – vor Tor 1 bei TKS in Duisburg gestartet worden ist. Meinen Kollegen Sören Link habe ich heute schon auf meinem Weg hierhin im Radio gehört, als er interviewt wurde.
Es ist so, dass im Bereich der Leiharbeit, im Bereich der Mindestlöhne nach wie vor dringender Handlungsbedarf besteht. Wir haben in dem Ergebnis erreicht, dass der Tariflohn als Grundlage eines Mindestlohns im Bereich der Leiharbeit gelten soll. Wir haben aber nicht erreicht – das hat der Minister ebenfalls ausgeführt –, dass das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gelten soll.
Wir werden weiterhin an diesem Prinzip arbeiten. Wir haben das in unserem Entschließungsantrag festgeschrieben, weil in der Tat nach wie vor große Ungerechtigkeiten da sind. Es gibt eine Studie des DGB auf Bundesebene, die deutlich macht, wo die Ungerechtigkeiten und die Unterschiede zwischen Leiharbeit und Stammbelegschaften liegen. Ich will das an einigen Beispielen deutlich machen.
Mehr als 10 % der Leiharbeitnehmer – ich rede jetzt über Vollzeitarbeitsplätze und Bruttolöhne – verdie
nen weniger als 1.000 €. Mehr als 50 % der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer erhalten weniger als 1.400 €, bundesweit. Wir haben einen Durchschnittslohn im Bereich der Leiharbeit, der etwas über 1.400 € liegt – immer vollzeitbeschäftigt, brutto –, und im Bereich der Stammbelegschaften, der Tarifverträge liegt er bei etwas mehr als 2.800 €.
Die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer erhalten also etwas weniger als die Hälfte der Löhne, die die Stammbelegschaften erhalten – bei gleicher Beschäftigung und bei Vollzeitarbeit. Das kann man im Grunde nur als gesellschaftlichen Skandal, als dramatische Verwerfung in der Arbeitswelt darstellen – so und nicht anders, meine Damen und Herren.
Die Tendenz ist dabei noch sinkend. Wir haben inzwischen über 92.000 Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, die Aufstocker sein müssen.
Der zweite Aspekt neben dem sozialpolitischen Skandal ist die Tatsache, dass ordnungspolitisch der Effekt eingetreten ist, dass wir als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die geringen Löhne im Bereich der Leiharbeit wieder ausgleichen müssen. Das ist ordnungspolitisch ein Skandal, weil ja Produktivität durch die Arbeit entsteht, wofür die Löhne gezahlt werden sollen, und durch diese absurde, dramatische Verwerfung im Arbeitsmarkt immer mehr Situationen eintreten, in denen wir Steuerzahler das bezahlen müssen.
Darüber hinaus ist es übrigens für die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer auch noch würdelos, dass sie im Anschluss an eine 38,5- oder 40-Stunden-Woche zum Jobcenter gehen müssen, um Aufstockerbeiträge zu erhalten. Das ist der sozialpolitische Aspekt. – Alles das wollen wir nicht akzeptieren, alles das werden wir nicht akzeptieren.
Ich will zu der Entwicklung, der Tendenz der Kosten noch etwas sagen. Für die Aufstocker mussten wir im Jahre 2005 über die Arbeitsagenturen, die Jobcenter, 8 Milliarden € zu zahlen, im Jahr 2009 bereits 11 Milliarden €. Die Tendenz ist im Bereich der Leiharbeit also dramatisch steigend. Das wollen wir und werden wir nicht hinnehmen. Bereits 13,1 % der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sind Aufstocker.
Weil dies so ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann es aus sozialdemokratischer Sicht nur eine Lösung geben, die heißt: Leiharbeit als Instrument für kurzfristige Auftragsspitzen, für plötzliche Auftragseingänge oder plötzliche Personalengpässe einsetzen – und dies mit dem Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ verbinden, neudeutsch: „Equal pay“. Ich neige immer noch zum Deutschen, also: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.
Daher reicht der Kompromiss, der eben dargestellt worden ist, in dieser Sache prinzipiell nicht. Ich ge
be zu, dass 7,60 € – das ist jetzt der Tariflohn – gegenüber vorherigen Bezahlungen mehr ist. Da gab es in der Leiharbeit auch Löhne von 4 oder 5 € in den mit den christlichen – so nennen sie sich – Gewerkschaften ausgehandelten Scheintarifverträgen. Dass konkret für die Leiharbeitnehmerin, den Leiharbeitnehmer 7 € mehr sind als 4,25 €, ist ganz klar. Das ist ein Erfolg, und das ist auch gut so.
Als ich am Montag den größten Betrieb in meinem Wahlkreis besucht habe, die chemische Industrie – da gilt der Tarifvertrag der IG BCE –, erklärte mir der Betriebsratsvorsitzende, dass in der Pause die Kollegen zusammensitzen. Der eine bekommt 13,70 € Tariflohn für die Arbeit, der andere, der schon sehr lange mit ihm zusammenarbeitet, hat jetzt die Perspektive auf 7,60 €. Sie machen dieselbe Arbeit.
Dann diskutieren die auch darüber – er hat es sehr plastisch dargestellt –, dass es jetzt noch einen Bonus gab, weil der Betrieb nach der Wirtschaftskrise wieder richtig gut läuft. Das heißt, die eine Seite im Pausenraum diskutiert darüber, dass man ein paar hundert Euro Prämie bekommt und wie man die einsetzen kann, weil man jetzt privat etwas mehr Geld hat und sich etwas leisten kann. Die andere Seite kaut auf ihrem Butterbrot, bekommt natürlich keine Prämie, sondern erhält 7,60 €.
Das ist ein Skandal. Das muss geändert werden. Das erreichen wir mit dieser Einigung vom 21. Februar, über die wir jetzt diskutieren, nicht. Wir erreichen im Prinzip nur, dass es etwas höhere Löhne gibt. Was wir wollen, ist die Gerechtigkeit „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Das heißt, an meinem Beispiel formuliert: Die Arbeitnehmerin, die Leiharbeiterin ist, müsste eben auch 13,70 € bekommen.
Das ist das Prinzip, das wir durchsetzen wollen, um damit übrigens auch das Interesse der Unternehmen zu verringern, die Leiharbeit als Lohndumping einzusetzen. Ich habe eben gesagt, Leiharbeit ist für Auftragsspitzen, bei plötzlichen personellen Engpässen sinnvoll. Dann kann man ja auch dasselbe bezahlen wie für die normalen Arbeitskräfte, wenn man plötzlich Engpässe hat. Das ist nicht anders einzusehen.
Zur CDA noch einen Satz. Nach dem Redebeitrag von Herrn Löttgen kann man keine Hoffnung haben, dass da positive Entwicklungen eintreten. Die „Rheinische Post“ hat diese Woche etwas anderes vermeldet. Ich bin persönlich ganz gespannt, wie Sie sich gleich bei der Abstimmung über unseren Antrag verhalten, der genau das Thema Leiharbeit und Mindestlohn betrifft. Das ist Ihre Chance, zu zeigen: Wir haben da die Kurve gekriegt, wir unterstützen jetzt den Bereich. – Wir Sozialdemokraten werden Sie bei der Abstimmung gleich genau beobachten. Das kann interessant werden.
Wir werden uns gemeinsam mit den Gewerkschaften einsetzen, die heute den Aktionstag durchführen – den wir übrigens sehr begrüßen; es ist wichtig, dass das Thema breit in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Gemeinsam mit den Gewerkschaften werden wir uns weiterhin für bundesweiten, flächendeckenden Mindestlohn, für die Verwirklichung des Grundsatzes „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und auch dafür einsetzen, dass wir in unserem direkten und indirekten Verantwortungsbereich des Landtags, der Landesregierung die eigene Forderung ernst nehmen, Mindestlöhne einführen und den Bereich Leiharbeit reduzieren.
Dies wird in unserem Entschließungsantrag gefordert. Wir bitten um Ihre Zustimmung. Die Kollegen der CDA sind herzlich willkommen, hier zuzustimmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Bischoff. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Maaßen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Löttgen, ich sage es Ihnen klipp und klar: Wir lassen uns von Ihnen hier nicht den Mund verbieten.
Sie können hier staatstragend oder polternd auftreten – wir stehen zu unserer Verantwortung. Diese Verantwortung zeigt sich nicht dadurch, dass wir die Vermittlungsgespräche verlassen haben, sondern die Verantwortung zeigt sich aus unserer Sicht dadurch, dass wir einem nicht verfassungsgemäßen Geschachere nicht weiter beiwohnen wollten. Deswegen hat unsere grüne Spitze die Vermittlungsgespräche verlassen.
Wir sind der Meinung, dass zentrale Ziele nicht erreicht worden sind. Das ist zum einen die Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze. Dazu wird Frau Kollegin Asch nachher noch ausführlich Stellung nehmen.
Ich beziehe mich hier auf einen der drei sogenannten Körbe, nämlich den Mindestlohn. Nach unserer Auffassung ist auch im Bereich von Mindestlohn und Leiharbeit nicht genügend erreicht worden.
schlossen. Dennoch soll es gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Leiharbeiterinnen weiterhin nicht geben.
Auch beim Mindestlohn gab es kaum Bewegung. Löhne dürfen nicht so niedrig sein, dass Vollzeitbeschäftigte zusätzlich Hartz IV benötigen.