Wir hatten eine Anhörung zu diesem Gesetz, die in die parlamentarische Geschichte eingeht. Herr Kollege Brockes hatte nämlich zwischenzeitlich den Vorsitz bei der Anhörung übernommen. Und siehe da, die Anhörung war noch nicht zu Ende, ja noch nicht einmal zur Hälfte durchgeführt, als wir eine Presseerklärung von Herrn Brockes auf den Tisch bekamen. Aus ihr ging hervor, die Anhörung sei gut gewesen und die Sachverständigen hätten den Gesetzentwurf der schwarz-gelben Koalition unterstützt. Zu dem Zeitpunkt waren die Kirchen noch nicht einmal zu Wort gekommen. Das zeigt, wie Sie mit den Interessen der Menschen in diesem Land umgegangen sind. Es zeigt, wie Sie diese Interessen ignorieren.
Dazu gehörte unter anderem die Meinung der Kirchen zu den Samstagen mit einer Öffnungszeit von 24 Stunden. Ich erinnere mich sehr gut daran. Dazu gehörten die Feiertags- und Sonntagsruhe, die von Ihnen ignoriert wurde. Das wurde von den Kirchen vorgetragen. Dazu gehörte im Übrigen die Allianz für den freien Sonntag. Das wurde schon einmal erwähnt. Es hat eine hervorragende Eröffnungsveranstaltung gegeben. Der damalige Arbeitsminister Laumann hat dort gesprochen. Es war eine Podiumsdiskussion für das Frühjahr dieses Jahres angekündigt. Man teilte mir mit: Herr Schmeltzer, wir müssen diese Podiumsdiskussion leider absagen, weil sich die Koalitionsfraktionen dieser Diskussion verweigern. – Warum eigentlich? Ich hätte diese Diskussion mit Ihnen wie hier im Hause jederzeit auch gerne in der Öffentlichkeit geführt.
Unzählige Diskussionen gab es zum Sonn- und Feiertag. Die Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage seit 2005 hat sich vervielfacht. Teilweise hat sich die Zahl verdoppelt. In Köln sind es mittlerweile über 60 Sonntage.
Bevor gleich damit argumentiert wird: Der runde Tisch mit den Kirchen in Köln ist zwischenzeitlich längst aufgekündigt.
Das Verwaltungsgerichtsurteil von Arnsberg aus dem Jahr 2007 wurde trotz einer intensiven Debatte von Ihnen ignoriert.
Die Belange der über 300.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – davon in der Tat 70 % Frauen – wurden von Ihnen ignoriert. Die Einwände bezüglich des sozialen Lebens dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Vereinen, Verbänden und Gewerkschaften, aber natürlich auch in der eigenen Familie, wurden von Ihnen ignoriert.
Das Ausbluten der klassischen Einzelhandelsfachgeschäfte in der Innenstadt, die nicht mit diesen großen Ketten mithalten können, wurde von Ihnen ignoriert. Sie haben eben die Filialisten angeführt. Diese können sich das leisten. Der klassische kleine Einzelhandel hingegen kann mit deren Ladenöffnungszeiten nicht mithalten, weil er durch längere und ausgedehnte Öffnungszeiten zusätzliche Energiekosten und Personalkosten hat. Die Fachkräfte, die er eigentlich vorhalten will, kann er gar nicht mehr finanzieren.
Deswegen ist es recht zynisch, wenn Sie sich darauf berufen, es seien viele Arbeitsplätze geschaffen worden. Was denn? Ich will Ihnen das an einem Beispiel aufzeigen. Vor wenigen Monaten war ich auf einer Tagung des Einzelhandelverbandes in meiner Region. Die Vertreter des Einzelhandels sagten mir zu meiner Stadt Lünen – einer 90.000Einwohner-Stadt, also nicht gerade ländlicher Raum, aber auch keine mit Köln vergleichbare Stadt –, dass sich die die Gruppe der Beschäftigten des Einzelhandels zu 75 % aus Minijobbern zusammensetzt. Das sind 400-€-Jobber.
Darauf sind Sie stolz? – Sie sind der Förderer des Lohndumpings. Sie sind der Förderer der prekären Beschäftigung und letztendlich der Förderer der Tatsache, dass die Menschen zu diesen Arbeitszeiten arbeiten müssen.
Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass Sie den von uns thematisierten Gartenbaumarkttourismus an Sonntagen ignoriert haben. Da ist jeden Sonntag ein Kommen und Gehen. Wenn Sie argumentieren, diese Märkte verkauften Blumen, dann stellen Sie sich einmal davor. Ich habe mir einmal den Spaß gemacht. Es kommt nicht ein Mensch mit Blumen heraus. Sie öffnen Tür und Tor dafür, dass die Menschen, die dort an der Kasse sitzen – keine Fachkräfte –, nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
Das alles ist Ihre typische Politik. Diese haben wir lange erlebt. Wenn es in den Diskussionen einmal heikel wurde, wurde – wie in vielen Kleinen Anfragen – auf die Zuständigkeit der Kommunen verwiesen. Das haben Sie immer geschickt hinbekommen. Sie haben den Schwarzen Peter ganz schnell in die Kommunen geschoben. Das haben wir an vielen Stellen Ihrer Politik der letzten fünf Jahre erlebt.
Jetzt sagen Sie: Evaluation brauchen wir nicht mehr – das ist gerade aus dem Redebeitrag des Kollegen Clauser hervorgegangen –; das Gesetz hat sich bewährt. Die Menschen haben das akzep
tiert. – Wir werden das in zukünftigen Diskussionen sehen. Das kann nur ein schlechter Scherz von Ihnen gewesen sein.
Wir werden darüber eine Diskussion im Ausschuss haben. Ich freue mich wie immer auf Diskussionen über Ladenöffnungszeiten. Das Gesetz hat noch Bestand. Der Minister wird sich mit absoluter Sicherheit zu einem angemessenen Zeitpunkt und nicht, wenn Sie es möchten und irgendwelche Leute in der Presse etwas verlautbaren, äußern. Dazu hat er gleich schon Gelegenheit.
Wir werden uns an den § 14 halten. Wir werden uns aber auch an das halten, was wir hier fünf Jahre lang vertreten haben. Wir werden uns ebenso an das halten, was uns in den Anhörungen und vielen Zuschriften vorgetragen wurde. Und eines können Sie gewiss sein: Wir halten uns an unseren Koalitionsvertrag. Und darin steht das Passende dazu. – Herzlichen Dank.
Danke, Herr Schmeltzer. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Schneckenburger.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Brockes, ich glaube, wenn Sie nur näherungsweise so viel Zeit aufwenden würden, um Ihre daniederliegende FDP vielleicht wieder über die 5-%-Hürde zu bringen, wie Sie Zeit zubringen, um in grünen Archiven nachzuforschen, dann könnten Sie vielleicht auch Erfolg haben.
Eines darf ich Ihnen aber sagen – da hilft Ihnen auch die ganze Anbiederei bei der grünen Jugend nicht, selbst wenn Sie deren Pressemitteilungen auch noch lesen –: Die werden Sie ganz sicherlich nicht aufnehmen.
Lieber Herr Brockes, die FDP – der Kollege hat das eben schon angesprochen – hat offensichtlich vor, das Ladenöffnungsgesetz in Nordrhein-Westfalen in Stein zu meißeln. Anders kann man Ihren Antrag nicht verstehen.
Die Schizophrenie besteht darin, dass Sie einerseits ein Ladenöffnungsgesetz auf den Weg gebracht haben, in dem steht, dass Sie es spätestens nach fünf Jahren evaluieren, auswerten und schauen wollen, was eigentlich in Nordrhein-Westfalen passiert ist. Das hat auch eine gewisse Konsequenz; denn das sind ja auch die ersten Erfahrungen mit solchermaßen deregulierten Ladenöffnungszeiten.
Andererseits stellen Sie sich jetzt hier hin und sagen: An das FDP-Ladenöffnungsgesetz – es trägt ja eine sehr deutliche gelbe Handschrift – darf überhaupt nichts kommen.
Das macht überhaupt keinen Sinn. Es ist übrigens auch in der Sache verkehrt. Und unlogisch ist es am Ende auch noch.
Das Ladenöffnungsgesetz hat eine ganz klare gelbe Handschrift. Sie haben in Nordrhein-Westfalen damit Neuland betreten. Die Formel 6 mal 24 ist eine FDP-Formel, die in dieser Radikalität nirgendwo in der Bundesrepublik umgesetzt worden ist wie in Nordrhein-Westfalen. Nirgendwo hat die FDP sich in diesem Maße durchgesetzt. Und ich muss schon in Richtung der Kolleginnen und Kollegen von der CDU – es sind jetzt überwiegend nur Kollegen da – sagen: Es hat mich schon gewundert, dass Sie da alles haben passieren lassen, Herr Laumann. Ich spreche Sie an dieser Stelle noch einmal ganz direkt an. Wie ist es zum Beispiel mit dem Sonntagsschutz?
Frau Schneckenburger, verzeihen Sie die Unterbrechung. Lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Brockes zu?
Ich lasse die Zwischenfrage von Herrn Brockes gerne zu, aber ich möchte erst einmal zu dem Punkt Sonntagsschutz zu Ende ausführen.
Herr Laumann, wie hält es die CDU in NordrheinWestfalen eigentlich mit dem Sonntagsschutz? Sie haben in der gemeinsamen Regierungszeit mit dieser FDP zugelassen, dass der Sonntagsschutz in Nordrhein-Westfalen im Bereich des Ladenöffnungsgesetzes fast komplett geschleift wurde.
Es wundert mich schon, dass es konservativchristliche Politik der CDU in Nordrhein-Westfalen ist, den Sonntagsschutz in Nordrhein-Westfalen wirklich mit Füßen zu treten. – Herr Brockes, bitte.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schneckenburger, dass Sie mir die Möglichkeit zur Zwischenfrage geben. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie mit Ihrer Position bei den Grünen das, was der Kollege Klocke in einer Pressemeldung geäu
ßert hat, was durch das neue Ladenöffnungsgesetz an Freiheiten und an Lebensqualität gewonnen wurde, nicht unterstützen, sondern es rigide einschränken wollen?
Lieber Herr Brockes, ich weiß ja nicht, wie Sie es in Ihrer Fraktion handeln. Mir kommt, wenn Sie so fragen, ein Verdacht. Wir führen eine offene Debatte. Wir evaluieren das Ladenöffnungsgesetz, so wie Sie es in Ihrem Gesetz vorgeschrieben haben. Wir prüfen genau, welche Auswirkungen das auf NordrheinWestfalen hat. Und da muss man ganz unterschiedliche Aspekte einbeziehen.
Kollege Klocke hat den Verbraucherschutz sehr weit nach vorne gestellt. Andere Aspekte, die man in der Tat sehr genau in den Blick nehmen muss, deuten darauf hin, dass gerade die Arbeitnehmerinnenfrage ausgesprochen problematisch ist. Kollege Schmeltzer hat das ja schon gesagt. Das wird durch Untersuchungen von ver.di bestätigt.
Was Sie mit diesen Ladenöffnungszeiten geschaffen haben, sind Minijobs, prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Diese haben Sie in NordrheinWestfalen unterstützt und nicht die Schaffung von regulären Arbeitsplätzen.
Warum ist das so? Sie meinen, Sie seien die Partei des Mittelstandes. Sie meinen, Sie seien die Partei, die insbesondere mittelständische Betriebe fördert. Entschuldigen Sie bitte, aber die derzeitigen Erkenntnisse belegen, dass gerade deregulierte Öffnungszeiten dem Mittelstand eher schaden als nützen.
Es sind genau diese mittelständischen Betriebe, die darunter leiden, dass Sie die Tür für die großen Filialisten aufgemacht haben. Gewonnen an Umsätzen haben nämlich – auch dazu gibt es eine bundesweite Untersuchung über die Ladenöffnungszeiten – diejenigen auf der grünen Wiese. Verloren haben die Innenstädte und übrigens auch und gerade die kleinen und mittleren Innenstädte, die Sie vorhin angesprochen haben. Sie haben vorhin darauf abgehoben, dass insbesondere die ländlichen Regionen ein Interesse an längeren Öffnungszeiten haben. Dort ist Kaufkraft abgezogen und auf die grüne Wiese zu den großen Filialisten verlagert worden.
Frau Schneckenburger, Herr Laumann möchte Ihnen auch eine Zwischenfrage stellen. Würden Sie die zulassen?