Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

Dies gilt nicht nur aus humanitären Gründen.

Die Redezeit.

Vielmehr ist es auch integrationspolitischer Schwachsinn, wenn wir den Menschen den Familiennachzug verweigern.

Schließlich dient die Familie ihrer Stabilisierung und trägt zur Integration bei.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Setzen Sie doch einmal Integration im Land um! Das Geld ist doch da!)

Dritter und letzter Punkt: Auch bei den Rückführungen müssen wir uns ehrlich machen. Auch hier führt das ganze Geschwafel, wir würden nicht genug Menschen zurückführen, nicht weiter. Auch hier brauchen wir erst einmal die Verfahrensabschlüsse, und dann brauchen wir eine vernünftige Rückkehrberatung.

Die Redezeit!

Schauen Sie sich einmal die Anzahl der Balkanflüchtlinge an, die nach einer Rückkehrberatung in ihre Heimat zurückkehren. 75 % gehen dann auch freiwillig zurück.

Frau Kollegin Düker!

Wir müssen aber keinen Druck erhöhen und auch nicht abschrecken. Auch hier können wir eine geordnete Rückführung hinbekommen, wenn wir den Menschen ehrlich sagen, was mit ihnen ist, und dies zeitnah tun …

Frau Kollegin Düker, Ihre Redezeit!

(Unruhe – Zuruf: Wie lange denn noch?)

… was der Bund derzeit nicht gewährleisten kann. Dann können wir ihnen auch Brücken in die Heimat anbieten.

Ich plädiere für eine Politik der Ehrlichkeit und der Vernunft. Am besten agiert man in dieser nationalen Herausforderung …

Frau Kollegin Düker!

(Unruhe – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Die hat die Ohren zu!)

… interfraktionell und gemeinsam. Und dafür möchte ich mich heute noch einmal einsetzen, …

Frau Kollegin Düker, das geht nicht!

… damit dies auch geschieht. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für die Piratenfraktion spricht jetzt Frau Kollegin Brand.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Sowohl die Aktualität als auch der NRW-Bezug dieser Aktuellen Stunde sind an den Haaren herbeigezogen.

(Beifall von den PIRATEN)

Natürlich ist es traurig, dass die SPD in Essen gegen Flüchtlinge demonstrieren wollte. Aber unsere Ministerpräsidentin hat sich sofort deutlich dazu positioniert.

(Zuruf von Serap Güler [CDU])

Sie reiten da also ein totes Pferd.

Meine Damen und Herren, wir benötigen keine Scheindebatte über chaotische Koalitionsverhältnisse, wie sie uns hier aufgezwungen wird; denn es gibt genug Probleme in NRW, die wir anpacken und über die wir reden müssen, zum Beispiel in Essen, Köln oder Duisburg.

In Essen explodieren die Kosten für die Unterbringung, weil immer noch auf Zeltunterbringung und Container gesetzt wird. Die Zustände sind verheerend. Dazu werden Flüchtlinge im Essener Norden zusammengepfercht, was dort wiederum zu Problemen führt; ich sage nur: Gettoisierung.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie kennen die Verhält- nisse vor Ort nicht! – Michele Marsching [PIRATEN]: Genau! In Kettwig und Werden sitzen die ganzen Flüchtlinge!)

In Köln dauert es geschlagene vier Jahre, bis Flüchtlinge eine Wohnung erhalten. Auch das führt zu Gettoisierung und verursacht hohe Kosten. Da frage ich mich: Wo sind denn die seit Jahren angekündigten Sozialwohnungen?

In Duisburg werden Flüchtlingsgruppen von Politikern gegeneinander ausgespielt. Zum Beispiel sprechen Ihre Leute von der SPD im Ortsverband davon, sie würden gern ein paar mehr Syrer aufnehmen, wenn sie dafür die Roma loswerden.

(Armin Laschet [CDU]: Das war der Oberbür- germeister!)

Stimmt; das war sogar der Oberbürgermeister.

Das alles führt zu immer größerem Unmut in der Bevölkerung und zu mehr Anschlägen gegen Migranten. In manchen Orten kommt es zu regelrechten Hetzjagden.

Aber wieder einmal geht es heute um Bundespolitik und um halbgare Ideen aus der Provinz – wie die Tageskontingente von Frau Klöckner, die sich voll im Wahlkampfmodus befindet. Gleichzeitig steht die nächste Asylrechtsverschärfung an und ist nur einen Hauch davon entfernt, die Forderung Frauke Petrys von der AfD in die Tat umzusetzen, nämlich die Abschaffung des letzten Restes des Artikels 16a des Grundgesetzes, des Rechts auf Asyl.

Meine Damen und Herren, wir Piraten bekennen uns zum Asylrecht und zum Grundgesetz und sind damit selbstverständlich auch gegen eine Obergrenze; denn wer das Grundgesetz ernst nimmt, der kann nur gegen eine Obergrenze sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Seit 2012 haben wir hier im Plenum konkrete Vorschläge gemacht, mit denen wir heute ganz anders dastehen würden. März 2013: Antrag zur Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme. November 2014: Verdoppelung des Integrationshaushaltes, um die

Aufnahmegesellschaft zu sensibilisieren. Oktober 2014: Antrag für einen Flüchtlingsbeauftragten und verbindliche Standards.

In unserem Programm bekennen wir uns zu einer Politik aus Sicht der Flüchtlinge, der Menschen, für eine menschenwürdige Unterbringung. Rot-Grün hat immer davon gesprochen, kein Kind zurückzulassen. Etwa 40 % der Flüchtlinge sind Kinder. 30 % sind Frauen. Mit einer solchen Debatte und den Tönen, die heute bei CDU sowie FDP und in Teilen auch bei den regierungstragenden Fraktionen anklingen, lassen Sie gerade auch Frauen und Kinder zurück.

Die Grünen spielen sich immer wieder als vermeintliche Datenschutzpartei auf, fordern nach den Ereignissen in Köln aber mehr Videoüberwachung und eine Intensivierung des Datenaustausches. Sogar die Linken fallen um und fordern im Bund mehr Abschiebung.

So etwas würden wir von CSU und AfD erwarten, aber nicht von Ihnen, verehrte Kollegen von RotGrün; denn am Ende bringt das alles nur Stimmen für die rechtspopulistische AfD und nicht für Sie.

Das mussten wir in Dänemark und zuletzt auch in Polen erleben. In allen diesen Ländern sitzen Rechtpopulisten in der Regierung. Wozu das führt, konnten Sie gestern erst sehen, als in Dänemark eine Verschärfung des Asylrechts beschlossen wurde.

Meine Damen und Herren, Sie selbst haben nach den Vorkommnissen in Burbach und den vielen Schiffsunglücken im Meer den Beschluss „kein Weiter-so“ gefasst. Aber jeden Tag ertrinken weiter Menschen vor unseren Küsten. Damit es wirklich auch der Letzte von Ihnen versteht, wiederhole ich es gerne: Das Asylrecht kennt keine Obergrenze.

Meine Damen und Herren, Sie führen Scheindebatten über Tageskontingente und Obergrenzen. Ich möchte über die Ursachen und Profiteure sowie über die Rolle Deutschlands und speziell NRWs in den Krisen dieser Welt reden – zum Beispiel über Rheinmetall, einen der größten Waffenproduzenten mit Sitz in NRW, der seinen Waffenumsatz jährlich um über 11 % steigert; Waffen, die dank Herrn Gabriel auch in Gebiete wie Saudi-Arabien exportiert werden und dann dort beim IS landen.

Sie reden von den Kosten, die Flüchtlinge produzieren. Ich möchte lieber über Steuerflüchtlinge reden, die die deutsche Bevölkerung jedes Jahr geschätzte 100 Milliarden € kosten. Die Kosten für die Geflüchteten aus Kriegsgebieten machen gerade einmal 10 % davon aus.

Sie reden über sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge aus Südosteuropa. Ich möchte lieber darüber reden, dass die reichsten 10 % der Deutschen 90 % des Privatvermögens besitzen und die Schere zwischen Arm und Superreich immer weiter aufklafft.

Deutschland und NRW – und damit auch SPD, CDU, FDP und Grüne – sind durch diese Politik direkt mit für die Destabilisierung in den Krisengebieten dieser Welt verantwortlich – und montags auf den Straßen Deutschlands. Niemand hier oder bei den Montagsdemos regt sich über diese Probleme auf, sondern alle treten gegen die Ärmsten der Armen. Sie geben diesem Unfug durch diese Aktuelle Stunde auch noch ein Forum. Sie sollten sich schämen!

(Beifall von den PIRATEN)

Zuletzt sage ich: Ja, Herr Dr. Stamp, es ist selbstverständlich, dass wir keine Kinder zurückschicken. Wir lassen sie lieber hier in Deutschland verhungern und erfrieren – wie gestern vor dem LaGeSo passiert. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)