Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

Das Land fördert darüber hinaus einzelne Partizipationsprojekte, also befristete Vorhaben, in Kommunen oder Einrichtungen mit Mitteln des Kinder- und Jugendförderplans.

Die drei wesentlichen Elemente der Kinderrechte – Schutz, Förderung und Beteiligung – sind ebenso Auftrag und Aufgabe der Landesjugendämter, ganz klar in ihrer Beratungs- und Unterstützungsfunktion für Kommunen und für Träger in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und für Kinder und Jugendliche.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sämtliche Einrichtungen der frühen Bildung, also Kindertageseinrichtungen und Familienzentren, besser gesagt die dort tätigen Fachkräfte, müssen im Sinne dieser drei Elemente der Kinderrechte arbeiten.

Wir durften eine Anhörung zu Ihrem Antrag „Kinderrechte wirklich umsetzen“, sehr geehrte Kolleginnen der Piratenfraktion, erleben, mit dem Sie ja eine besonders geschulte Fachkraft für Partizipation forderten. In dieser Anhörung äußerten die Sachverständigen ganz überwiegend die Meinung, dass dies der umfassend verstandenen Verantwortung aller in der Kinder- und Jugendhilfe Tätigen widersprechen könnte oder widerspräche. Ich will es vorsichtig ausdrücken. Zu leicht könnte alles auf diese eine Kraft abgeschoben oder delegiert werden.

Ich gebe zu bedenken, dass auch das bei einem Landesbeauftragten für Kinder und Jugendliche passieren könnte, sodass die vielfältigen Entwicklungen, die auf unterschiedlichen Ebenen unseres Landes inzwischen passieren, behindert werden könnten.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass inzwischen der – so möchte ich es nennen – Geist der Kinderrechte und ihrer Umsetzung landesseitig zumindest umfassend gedacht wird, ist das jüngste KiBizÄnderungsgesetz. In § 13 Abs. 6 werden ganz ausdrücklich die Beteiligungs- und Beschwerderechte des Kindes dargelegt und somit natürlich auch die Verpflichtung der Träger und der Fachkräfte, diese nicht nur zu beachten, sondern aktiv zu fördern.

Zum Schluss – wir konnten dies im Ausschuss bereits erläutert bekommen und auch diskutieren –: Das Land Nordrhein-Westfalen fördert mit dem jetzt gerade vor fünf Wochen beschlossenen Haushalt für das Jahr 2016, geltend bis 2018, den Verein

Ombudschaft Jugendhilfe e. V., eine Gründung der Freien Wohlfahrtspflege, um diese Arbeit direkt vor Ort in den einzelnen Jugendamtsbezirken zu initiieren und zu unterstützen. Auch das ist aus unserer Sicht ein wesentlicher Aspekt zur Umsetzung und Durchsetzung der Kinder- und Jugendrechte und auch verbunden mit der Bereitstellung von Ressourcen. Das ist kein Papiertiger. Das kostet richtig Geld. Das ist auch richtig so.

Eine zusätzliche zentrale Funktionsstelle halten wir demnach derzeit nicht für förderlich. Darüber werden wir uns im Ausschuss sicherlich austauschen können.

Wir können natürlich gerne überprüfen: Können die von uns hier genannten Beispiele um Weiteres verbessert werden? Kann da zugelegt werden? So will ich es mal salopp ausdrücken. Das sollten wir sicher machen. Insofern werden wir das im Ausschuss besprechen können. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hack. Lassen Sie mich eines kurz sagen: Wir möchten nicht vom Pult aus Einzelne auf der Tribüne grüßen.

(Ingrid Hack [SPD]: Ach, Entschuldigung!)

Das hatten wir so vereinbart. Ich bin sehr dankbar für den Hinweis von Herrn Olejak, der das noch einmal ausdrücklich betont hat. Das gilt aber für die Piratenfraktion dann auch, Herr Olejak: Keine Begrüßung von Leuten am Stream. Wir sind ein Kollegialorgan. Wir sprechen hier zu uns.

Das will ich noch einmal deutlich machen. Wir hatten das schon mal in der Runde. Wir werden als Präsidium nicht müde werden, das immer wieder zu betonen. Danke für den Hinweis, Herr Olejak. Den nehme ich von Ihnen besonders gerne auf. – Danke, Frau Hack, für Ihre Rede.

(Vereinzelt Beifall)

Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Tenhumberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rechte und Belange von Kindern und Jugendlichen sind hier im Landtag von NordrheinWestfalen schon oft diskutiert worden. Ich nenne nur die Stichworte Familienwahlrecht und Kinderanwalt. Frau Kollegin, Sie haben zu Recht auf die Ombudschaft Jugendhilfe hingewiesen. Wir reden fortlaufend mit den Interessenvertretungen der Jugendverbände. Es haben viele Gespräche stattgefunden. Es ist nach meiner Auffassung zu wenig passiert, jawohl.

(Beifall von Walter Kern [CDU)

Deshalb diskutieren wir auch heute nach wie vor darüber: Wie können Rechte und Belange von Kindern stärker berücksichtigt werden?

Dieser Antrag der Piraten soll dieses Thema erneut aufgreifen. Ich sage es vorweg: Der Antrag ist mir zu wenig. Er ist zu viel bürokratisch gesteuert. Ich möchte mehr.

Meine Damen und Herren, bereits 2010 hat die FDP mit der Drucksache 15/18 unter Punkt 4 festgestellt – ich zitiere –:

„Auf Landesebene existiert allerdings bislang keine institutionelle Einrichtung, die speziell die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an landespolitischen Entscheidungsprozessen fördert und sicherstellt. Der im Jahr 2008 eingeführte ‚Jugendlandtag‘ hat aber gezeigt, dass Kinder und Jugendliche für ein politisches und gesellschaftliches Engagement zu begeistern sind. Er kann daher ein erster Ansatz hin zu einer Öffnung des Parlaments für die selbst zu vertretenden Belange von Kindern und Jugendlichen sein.“

Das deutete schon in die richtige Richtung. Aber es hat sich seit 2010 wieder nichts getan.

(Beifall von der CDU – Dagmar Hanses [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Schreiben vom 4. September 2012 haben sich die Kinder und Jugendlichen auch selber mal an das Parlament gewandt und haben uns geschrieben – ich zitiere auch hier –:

„Eine … institutionalisierte, dauerhafte und wirklich funktionsfähige Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an politischen Prozessen kann aus unserer Sicht nur im Rahmen eines allgemein demokratisch legitimierten Gremiums stattfinden.“

Weiter heißt es:

„Von der Politik gewährte, singuläre und wenig verbindliche Beteiligungsangebote … sehen wir kritisch.“

„Eine Anbindung an ein Ministerium lehnen wir … ab.“

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Die Piraten fordern in ihrem Antrag jetzt, es soll eine unabhängige Stelle sein. Herr Kollege, nennen Sie mir einen Landesbeauftragten, der unabhängig ist, hundertprozentig unabhängig!

(Michele Marsching [PIRATEN]: Hoffentlich Herr Lepper!)

Der ist immer von bestimmten Entscheidungsprozessen aus der Politik gesteuert und nicht selbst gesteuert von Kindern und Jugendlichen.

Meine Kolleginnen und Kollegen insbesondere von den Piraten, wir sind doch schon weiter.

(Dagmar Hanses [GRÜNE]: Doch jetzt auf einmal?)

Wir sind viel weiter, Frau Kollegin.

(Zuruf von Dagmar Hanses [GRÜNE])

Sie können sich sicherlich auch daran erinnern, dass wir aufgrund der vielen Zuschriften von den Jugendverbänden, aber insbesondere auch vom Kinder- und Jugendrat NRW einen Workshop gehabt haben. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht: Wie können Rechte und Belange von Kindern und Jugendlichen stärker im Tagesgeschäft berücksichtigt werden, und zwar in allen Bereichen, in allen Ressorts? Ich finde, dieser Workshop zusammen mit den Jugendlichen hat doch auch für uns Politiker viel gebracht. Ich bin auf diesem Wege viel weiter – das sage ich Ihnen deutlich –, als der Antrag das dokumentiert. Wir sind viel weiter.

Ich nenne nur das Stichwort – alle wissen aus dem Arbeitskreis und aus dem Ausschuss, dass ich ein starker Fan vom schottischen Modell bin –:

(Beifall von Walter Kern [CDU] eine echte Partizipation von Kindern und Jugendli- chen mit einer Ressortverantwortung, mit Entschei- dungskompetenzen und mit Antragsrechten bzw. mit der Bitte um Behandlung im zuständigen Aus- schuss. Ich kenne die parlamentarischen Regeln, dass die Jugendlichen nicht Anträge im Parlament stellen können, aber sie können uns – an den Aus- schuss, an das Ministerium – wichtige Hinweise ge- ben. Solche echten Beteiligungsmöglichkeiten möchte ich für unsere Kinder und Jugendlichen hier in Nordrhein-Westfalen verwirklicht wissen. Deshalb ist der Antrag ein Rückschritt für mich. Es tut mir leid, dass ich das so deutlich sagen muss. Es ist ein Rückschritt. (Beifall von der CDU)

Wir sind weiter, als CDU auch, und ich glaube, dieses Parlament in der Mehrheit ist auch weiter, als der Antrag hergibt. Trotzdem stimmen wir natürlich der Überweisung an den Fachausschuss zu. Ich hoffe, dass wir nicht alleine die Schritte machen, sondern wir Jugendpolitiker haben uns auch versprochen, wir wollen versuchen, ob wir nicht gemeinsam für Kinder und Jugendliche etwas in diesem Land bewirken können, damit die Zufriedenheit der Jugendlichen, das Glücklichsein und das Fortkommen von Kindern und Jugendlichen besser organisiert, besser gestaltet werden können. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten.

Das ist mein Appell: nicht mit Sonderanträgen diese Gemeinsamkeit zu zerstören, sondern das gemeinsam zu machen und ein Dokument zu setzen, dass man in diesem Parlament auch etwas gemeinsam für Kinder und Jugendliche für unsere Zukunft des

Landes Nordrhein-Westfalen machen kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Tenhumberg. – Für die grüne Fraktion hat nun Frau Kollegin Asch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist gut, dass wir immer wieder hier im parlamentarischen Raum die Debatten führen, wie die Rechte von Kindern auf allen Ebenen berücksichtigt und umgesetzt werden. Die Kollegen haben es schon erwähnt: Wir haben es bereits einige Male getan. Dieser Antrag heute bietet uns auch wieder Gelegenheit, diese Debatte zu führen.

Richtig ist – das haben die Piraten in dem Antrag so beschrieben –, dass die Kinderkommission des Bundestages sowohl an die Kommunen als auch an die Länderparlamente appelliert hat, entweder Kinderbeauftragte oder Kinderkommissionen einzurichten, mit denen sie dann zusammenarbeiten kann.

Im letzten Jahr hat sich im Bundestag die Kinderkommission intensiv mit dieser Frage beschäftigt: Ist das ein richtiges Instrument, Kinderbeauftragte einzurichten? Es gibt viele fachliche Stellungnahmen dazu, die wir tatsächlich auch in unserer Diskussion berücksichtigen sollten. Es hat sich die National Coalition Deutschland gebildet, die darauf aufmerksam macht, dass so ein Kinderbeauftragter oder eine Kinderbeauftragte unabhängig sein soll. Das fordert auch der UN-Ausschuss für die Kinderrechte. Für die Ausgestaltung eines solchen Mandats ist es wichtig, dass es eine rechtliche Grundlage gibt, in der festgeschrieben ist, welche Befugnisse eine solche Stelle hat, wer ihr zuarbeiten muss usw.

In Deutschland ist das Deutsche Institut für Menschenrechte das einzige, das nach den Pariser Prinzipien arbeitet, in denen die Voraussetzungen für eine solche Institution formuliert sind. Dort ist auch die unabhängige Monitoring-Stelle zur UNKinderrechtskonvention angesiedelt. Wir sollten uns hier tatsächlich in Nordrhein-Westfalen fragen, ob wir nicht stärker mit dieser Monitoring-Stelle kooperieren und zusammenarbeiten sollen.