Ingrid Hack

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Vor fast genau zwei Jahren, am 27. Januar 2015, konstituierte sich unter der Leitung von Frau Präsidentin Gödecke die Enquetekommission
zur Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen. Vorangegangen war auf Antrag der SPDFraktion ein von diesem Haus einstimmig gefasster Einsetzungsbeschluss.
Als Vorsitzende darf ich Ihnen heute den Abschlussbericht vorstellen und zunächst einige Anmerkungen zur Arbeit einer solchen Kommission machen.
Sie tagte zwei Jahre lang zu einem umfangreichen Gegenstand von bedeutsamem Interesse. Abgeordnete aller Fraktionen und von diesen benannte Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis tagten gemeinsam, in der Regel nichtöffentlich. Dies kann die Zusammenarbeit über Fraktionsgrenzen hinweg befördern und ebenso den notwendigen Abstand zum tagespolitischen Geschehen schaffen.
Über die in der Kommission gewährleistete Fachlichkeit hinaus kann eine Enquetekommission externes Wissen durch Forschungsaufträge, Vorträge und anderes heranziehen. Ergebnisse ihrer Arbeit sind neben einem Bericht Handlungsempfehlungen, die mittel- und langfristig der Vorbereitung politischer Entscheidungen dienen.
Meine Damen und Herren, der Einsetzungsbeschluss für unsere Kommission enthielt den Auftrag, eine Bestandsaufnahme und -analyse des Familienlebens in Nordrhein-Westfalen vorzunehmen, dabei besonders, unter anderem orientiert am 8. Bundesfamilienbericht, die Zeitbudgets von Familien, aber auch Wünsche von Familien an die Gestaltung ihrer Zeit, die tatsächliche Umsetzung dieser Wünsche und sich daraus ergebende Schwierigkeiten in den Blick zu nehmen.
Zu berücksichtigen waren unbedingt die unterschiedlichen sozialen Lagen von Familien, die unterschiedlichen Milieus, in denen sie leben, die wachsende Zahl von Familienformen, die Familienphasen sowie geänderte bzw. im Wandel befindliche Geschlechterrollen. Der Auftrag der Kommission war also kein geringerer als die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes für eine zukünftige Familienpolitik, deren herausragendes Kennzeichen es sein muss, für die unterschiedlichsten Familien verlässliche Rahmenbedingungen für ihr Familienleben, für die Gestaltung gemeinsamer Zeit bei gleichzeitiger Bewältigung von beispielsweise Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, Betreuungs- und Bildungsaufgaben zu schaffen.
Der Einsetzungsbeschluss sah seinerzeit in drei Bereichen maßgebliche Bedeutung für diese Fragestellungen: auf der staatlichen und kommunalen Ebene, im Bereich der Gestaltung von Erwerbsarbeit und im Bereich der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen.
Zu Beginn dieses so umrissenen Arbeitsprozesses waren weitere Einflussfaktoren festzustellen, die sich auf die gemeinsame Arbeit auswirken sollten. Von Bedeutung war natürlich die ganz eigene Fachlich
keit der von den Fraktionen benannten fünf Sachverständigen, die das höchst umfassende Thema „Familie“ aus fünf ganz unterschiedlichen Fachperspektiven mit verschiedensten Schwerpunkten bearbeiteten.
Natürlich spielten für unseren Arbeitsprozess auch subjektive Erfahrungen und aktuelle Diskussionen eine Rolle. Subjektive Erfahrungen als Familienmitglied macht jede und jeder im Alltag auf vielerlei Art. Die Themen der aktuellen Diskussionen tangieren irgendwann alle Familien. Ich möchte nur einige Beispiele nennen: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Freiräume für Jugendliche, G8/G9, die Inklusion, die Situation der Pflege, die Wohnungsfrage nicht nur in Ballungsräumen, Kindertageseinrichtungen, Entgrenzung von Arbeit. Diese Themen sind sowohl hier im Landtag als auch in der Gesellschaft und in den Medien dauerhaft präsent.
Nach mehreren Monaten intensiver, teils auch strittiger Diskussion um das tatsächliche Arbeitsprogramm – eine bereits beschlossene Fassung wurde verworfen und nach, zugegeben, anstrengenden Debatten durch eine neue ersetzt – einigte sich die Kommission auf sechs Kapitel und dazugehörige Leitsätze, zu denen folglich auch die Handlungsempfehlungen erstellt werden sollten. Anhand dieser Gliederung möchte ich Ihnen nun, soweit das in der Kürze möglich ist, einen Überblick über unsere Arbeit geben, ohne dass ich der anschließenden Debatte vorgreifen möchte.
Strukturelle Rücksichtslosigkeit überwinden, Nachteilsausgleich und Gleichberechtigung für Familien gewährleisten: Die Kommission hat sich ausführlich mit dem Begriff der strukturellen Rücksichtslosigkeit beschäftigt, auch dies nicht unstrittig. Einigkeit herrschte jedoch darüber, dass Familien für ihre Mitglieder aus persönlicher, emotionaler Verbundenheit und eben um der nahestehenden Menschen willen Leistungen vielfältigster Art erbringen, diese aber der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Dafür erfahren Familien nicht die Anerkennung und Würdigung, die ihnen für diese Leistung zustände.
Die Kommission sieht sowohl rechtliche als auch finanzielle Rahmenbedingungen, die für Familien nicht angemessen, sondern oft nachteilig sind. Elternschaft und Familienleben sind zwar nicht mehr nur reine Privatsache – hier sind bereits Fortschritte erzielt worden –, wir benennen aber noch zahlreiche Sachverhalte, die Familienleben nachteilig beeinflussen.
Für einige Familienformen bedingt die mangelnde rechtliche Gleichstellung unmittelbar finanzielle Nachteile. Angesichts der Tatsache, dass der Anteil unverheirateter Paare mit Kindern und die Zahl Alleinerziehender wächst – das sind überwiegend Frauen –, befasste sich die Kommission natürlich auch mit der Frage, welche Rolle die Ehe nach wie
vor für die rechtliche und damit oft auch für die finanzielle Lage von Familien spielt. Es mag keine Überraschung sein, dass hier die Positionen innerhalb der Kommission unterschiedlich waren.
Meine Damen und Herren, finanzielle Herausforderungen bestehen für Familien ab der Familiengründung mit einem oder mehreren Kindern, dann mit beachtlichen Kosten für Betreuung und frühe Bildung, für den Schulalltag und die weitere Ausbildung, zudem für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im weitesten Sinne, also Mobilität, Freizeitgestaltung und anderes.
Zugleich erfahren Familien in der Zeit der höchsten Ausgaben eine Zeit lang oder sogar dauerhaft Einkommenseinbußen durch Reduzierung oder gar gänzlichen Verzicht auf Erwerbsarbeit zugunsten der Familienarbeit. Für 15 % der Paare mit Kindern unter 18 Jahren in NRW bedeutet diese Konstellation relative Einkommensarmut; bei Alleinerziehenden ist die Zahl deutlich höher.
Bei unterschiedlich hohen Familieneinkommen ist zudem der Anteil für die Bildungsausgaben höchst unterschiedlich. Einkommensschwächere Familien geben einen deutlich höheren Teil ihres zur Verfügung stehenden Geldes dafür aus als einkommensstärkere. In der Kommission sind dazu unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen worden, die beispielweise Gebühren für Bildung und die Kindergrundsicherung betreffen.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle greife ich in meiner Berichterstattung dem Schluss des Ihnen nun allen vorliegenden Berichtes vor.
Unterschiedliche Interpretationen über die Adressaten unseres Berichtes durchzogen die gesamte Arbeit. Sollte es nur an das Land gerichtete Empfehlungen oder auch solche an die Bundesebene geben? Bei der Erstellung der Handlungsempfehlungen war klar, dass manche Veränderungen nur durch bundesgesetzliches Handeln in Gang gesetzt werden können. Zu den dann erstellten Empfehlungen an die Bundesebene haben sich die CDU-Fraktion und der Sachverständige der FDP-Fraktion, Herr Prof. Bonin, einer Bewertung enthalten. Dies ist natürlich auch im Bericht so dokumentiert.
Zum ersten Kapitel möchte ich noch zwei Punkte unserer Arbeit herausgreifen:
Die Kommission stellt fest, dass unterschiedliche Familienformen steuer-, sozial- und zivilrechtlich unterschiedlich behandelt werden, obwohl ihre Angehörigen als Familie leben und füreinander ebenso Verantwortung, Fürsorge und vieles mehr erbringen. Hier kann durch rechtliche Änderungen mehr Gleichstellung und damit ein Nachteilsausgleich erreicht werden. Beispielsweise entscheidet immer noch der Familienstand der Erwachsenen, die gemeinsam für Kinder Verantwortung übernehmen, darüber, ob sie
dadurch steuerliche Entlastung erfahren, und nicht die Tatsache, dass sie sich um Kinder kümmern.
Ich möchte ein weiteres Beispiel anführen: Nur leibliche erwerbstätige Eltern können die sogenannten Kinderkrankentage in Anspruch nehmen. Nicht verheiratete Patchwork-Mütter oder -Väter – dieser Begriff hat sich aus unserer Sicht gegenüber dem Begriff der Stiefeltern inzwischen durchgesetzt – kümmern sich ebenso um das erkrankte Kind, haben aber nicht die Möglichkeit der Arbeitsfreistellung.
Die Kommission ist darüber einig, dass es neben den Einflussfaktoren „soziale Lage der Familie“ und „Familienform“ ein weiteres Element geben kann, das die Familiensituation maßgeblich beeinflusst: erhöhter Sorgebedarf. Er besteht beispielsweise bei Alleinerziehenden, Mehrkindfamilien und Familien mit behinderten Familienmitgliedern. Er äußert sich vielfältig sowohl in größeren finanziellen Anforderungen als auch in größerem organisatorischem und zeitlichem Aufwand, der für einen gelingenden Familienalltag erbracht werden muss. Die Kommission hat dazu eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, ganz überwiegend einhellig.
Ein weiterer Abschnitt lautet: Milieu- und sozialraumspezifische Vor- und Nachteile ausgleichen. Hier befassten wir uns mit dem direkten Lebensumfeld von Familien, dem Sozialraum und den in NordrheinWestfalen ganz unterschiedlichen Kommunen – unterschiedlich, was Größe, Ressourcen, Umgang mit demografischen Veränderungen, Segregationserscheinungen und anderes angeht. Dies betrifft nicht nur die Unterschiede zwischen Stadt und ländlichen Kommunen. Die Kommission vergab dazu einen Gutachtenauftrag an das Institut Arbeit und Qualifikation.
Wir konnten feststellen, dass sich die genannten Unterschiede natürlich auf die Möglichkeiten der Kommunen auswirken, Familiengerechtigkeit als Anspruch oder sogar Leitlinie für kommunales Handeln zu betrachten und demzufolge mehr oder weniger familiengerecht zu agieren. Unter Familiengerechtigkeit auf kommunaler Ebene verstehen wir die Schaffung von – jeweils in für Familien passender Quantität und Qualität – Wohnraum, Betreuungs-, Bildungs- und Beratungsangeboten, Freizeit- und Mobilitätsmöglichkeiten, Quartiers- und Nachbarschaftsstärkung sowie das Ausschöpfen der auf kommunaler und sozialräumlicher Ebene vorhandenen Möglichkeiten, Familien- und Erwerbsarbeit in Einklang zu bringen.
Die Untersuchungen der Kommission bestätigten einmal mehr, dass es für lokale Familienpolitik überhaupt keinen Sinn macht, sich am aus welchen Werten auch immer errechneten kommunalen Durchschnitt zu orientieren. Handlungsleitend – auch darin ist sich die Kommission einig – müssen die Ergebnisse kleinräumiger Betrachtungen sein.
Wir richten hier eine Reihe von Empfehlungen an die Kommunen, nicht ohne auch die Möglichkeiten zu benennen – und ihre Umsetzung zu empfehlen –, die das Land beispielsweise bei der Wohnraumförderung, der Quartiersentwicklung, der Weiterentwicklung von Partizipationsmodellen und anderen quartiersstärkenden Maßnahmen hat.
Keine Einigkeit herrschte hingegen bei der Empfehlung, mit der Umsetzung familienunterstützender Infrastrukturmaßnahmen jeweils dort zu beginnen, wo die soziale Situation am schlechtesten ist.
Ein weiteres Kapitel heißt „Zeit für Familie: Herausforderung moderner Familienpolitik“. Die Kommission vergab zu dieser Fragestellung einen Gutachtenauftrag an Herrn Prof. Dr. Mückenberger zu „Familialer Zeitpolitik“. Wir befassten uns auch hier mit dem viel zitierten Spagat – so nenne ich es einmal –, den erwerbstätige Mütter und Väter täglich vollziehen müssen.
In dieser Frage besteht die größte Differenz zwischen den Wünschen von Müttern und Vätern und der gelebten Realität. Zeit für Familie, für gelingenden Familienalltag bedeutet gemeinsame Zeit für Rituale, für Unterstützungsleistungen, für das schlichte Erleben familiärer Beziehungen. Sie bedeutet aber auch Zeit für einen großen Teil der Leistungen, die ich eingangs erwähnte, von denen die gesamte Gesellschaft profitiert: Betreuungs- und Bildungsleistungen in der Familie, Pflegeleistungen, Erziehungs- und Sozialisationsarbeit.
Zugleich aber erleben Väter und Mütter in der Regel, dass sie in ihrer Erwerbsarbeit nur als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrachtet werden, ohne Rücksicht auf ihre familiären Rollen, Zusammenhänge und Verpflichtungen. „In der Regel“ heißt, dass es inzwischen durchaus eine Reihe von familienbewussten Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gibt, sie aber bei Weitem nicht die Mehrheit stellen. Eine der vier öffentlichen Anhörungen, die die Kommission durchführte, diente der Untersuchung dieser Frage. Die Kommission ist sich darüber einig, dass die Arbeitswelt familiengerechter werden muss und nicht die Familie arbeitsweltgerechter.
Meine Damen und Herren, wir befassten uns mit der Ausgestaltung haushaltsnaher Dienstleistungen, mit den Anforderungen an Mobilität von Müttern, Vätern, Kindern und Jugendlichen – diese unterscheidet sich nämlich sehr stark – sowie mit den Möglichkeiten, vor allem auf kommunaler Ebene zeitpolitisches Handeln für Familien umzusetzen.
Die Handlungsempfehlungen für diesen Themenkomplex an die Kommunen betreffen zum Beispiel, möchte man meinen, recht einfach umzusetzende Veränderungen von Öffnungszeiten familienrelevanter Einrichtungen. Es gibt aber auch Empfehlungen
an das Land, zum Beispiel den flächendeckenden Ausbau von haushaltsnahen Dienstleistungen zu prüfen. Das geht bis hin zu einer Reihe von an die Tarifpartner, öffentlichen und privaten Arbeitgeber gerichteten Empfehlungen zur stärkeren Berücksichtigung familiärer Belange der Beschäftigten. Ich möchte betonen: Das Land als Arbeitgeber bedenken wir bei diesen Empfehlungen auch ganz ausdrücklich.
Ein weiteres Kapitel lautet „Teilhabechancen und Handlungsoptionen von Vätern und Müttern erweitern, Fürsorge- und Erwerbsarbeit gleichberechtigt balancieren, um Wahlfreiheit zu realisieren“. Wir untersuchten in diesem Abschnitt die bereits hinlänglich bekannten Schwierigkeiten von Müttern und Vätern, ihre Teilhabe an allen gesellschaftlichen Bereichen zu sichern, dies in partnerschaftlicher Aufteilung und nach möglichst freier Entscheidung zu vollziehen.
Die Kommission sieht die Politik in der Pflicht, die Wahlmöglichkeiten für Familien zu erweitern und ihnen dadurch mehr Entscheidungsfreiheit zu geben. Wir untersuchten mehrere Arbeitszeitmodelle, die geeignet sind, die gewünschte Balance zu verbessern, und befassten uns mit verschiedensten Einrichtungen der familienunterstützenden und -beratenden Systeme, die zum Beispiel für eine Stärkung elterlicher Kompetenz und damit auch für ein Mehr an Teilhabe sorgen. Entsprechend beziehen sich die Handlungsempfehlungen auch auf diese Bereiche.
Wurde damit die Perspektive von Müttern und Vätern in Familien eingenommen, so befassten wir uns im nächsten Kapitel mit den Entwicklungschancen und Teilhabemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Wir betrachteten sie in ihren Familien, aber auch in ihrem von zahlreichen Faktoren geprägten Lebensumfeld. Die Kommission thematisierte den unmittelbaren Zusammenhang der materiellen, gesundheitlichen, emotionalen, kulturellen und anderen Ressourcen von Familien mit dem gelingenden Aufwachsen von Kindern und war darüber einig, dass die Lage im Sozialraum, in dem Kinder aufwachsen, von zentraler Bedeutung für das Gelingen oder Erschweren dieses Prozesses ist.
Familie trägt nicht allein die Verantwortung für das Aufwachsen der Kinder. Dies ist ebenso öffentliche Verantwortung. Und sie darf nicht erst dann wahrgenommen werden, wenn sich Probleme manifestieren, sondern sollte – so ist auch die Auffassung der Kommission – präventiv auf- und ausgebaut werden.
Meine Damen und Herren, während der Arbeit unserer Kommission kam die erste Phase des Projekts der Landesregierung „Kein Kind zurücklassen!“ zum Abschluss. Wir informierten uns natürlich über die aktuellen Erkenntnisse durch Vorträge und anderes in
unseren Sitzungen, ebenso war der aktuelle Familienbericht NRW Gegenstand unserer Beratungen, und aus beiden Dokumentationen sind Erkenntnisse in unseren Bericht eingegangen.
Der letzte Abschnitt unseres Berichts widmet sich ausführlich der Frage der Wirksamkeit von Familienförderung und der dafür erforderlichen Datenlage, der erforderlichen Zusammenarbeit unterschiedlichster Akteure, der erforderlichen Festlegung familienpolitischer Ziele und der Überprüfung ihrer Erreichung. Daraus folgt eine Reihe von Handlungsempfehlungen zum Beispiel zur Verbesserung sowohl der Datenerhebung als auch der kommunalen Praxis familienfreundlichen Handelns.
Meine Hoffnung ist – und ich denke, da spreche ich für die gesamte Kommission –, dass unser Bericht Impulse setzt nicht nur für Diskussionen, sondern auch für Entscheidungen, und zwar hier im Landtag, aber auch in den Kommunen und in den Köpfen und hoffentlich auch Herzen mancher, die Verantwortung für gelingendes Familienleben tragen und mithelfen können, Familien wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluss, meinen Dank an alle zu richten, die in den vergangenen zwei Jahren diese zeitaufwendige Arbeit mitgestaltet und auf vielfältige Art unterstützt haben. Ich nenne die Abgeordneten aller Fraktionen, darunter die stellvertretende Vorsitzende Frau Dr. Bunse, die Obleute Wolfgang Jörg, Walter Kern, Jutta Velte, Ralph Bombis und Dr. Björn Kerbein sowie Daniel Düngel. Mein Dank gilt den Sachverständigen Herrn Prof. Dr. Klaus Peter Strohmeier, Herrn Dr. Stefan Nacke, Frau Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe, Herrn Prof. Dr. Holger Bonin und Herrn Prof. Dr. Holger Ziegler, von denen ich heute einige auf der Zuschauertribüne begrüßen darf. – Herzlichen Dank. Schön, dass Sie hier sein können.
Ohne den großen Einsatz der Referentinnen und Referenten aller Fraktionen, denen ich ganz herzlich danken möchte, wäre unser Bericht ebenso wenig gelungen wie ohne die wertvolle und zuverlässige Arbeit des Kommissionssekretariates, auf das besonders ich mich zwei Jahre lang stützen durfte. Ich danke ausdrücklich Frau Kobsch und Herrn Symalla, Herrn Dr. Hartmann, Herrn Dr. Sandhaus und allen weiteren zuständigen Mitarbeitenden der Landtagsverwaltung ganz persönlich und herzlich. – Ihnen allen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. Danke schön.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Eine Debatte über die Kinderrechte, ihre Achtung und Umsetzung bedarf aus unserer Sicht keines besonderen Anlasses wie etwa Weltkindertag. Dieses Thema steht immer im Fokus der Kinder- und Jugendpolitikerinnen und -politiker. Ich denke, dies ist auch in allen Fraktionen in diesem Hause der Fall.
In der Vergangenheit thematisierten wir hier im Parlament immer wieder unterschiedliche Anträge, die mit unterschiedlichen Instrumenten die zentralen Elemente der Kinderrechte zu verbessern suchten: Schutz, Förderung und Beteiligung.
Wir, die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, legen nun einen umfassenden Antrag vor, der sowohl die rechtlichen Grundlagen und damit die Ausgangslage als auch die bisherigen Maßnahmen zur Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland und NRW aufführt. Und wir benennen weitere notwendige Handlungsschritte für unser Bundesland und bundesweit.
An den Bund richten wir, um nur ein Beispiel zu nennen, zum wiederholten Male die Forderung, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.
Hier in NRW – das ist bekannt – haben die Kinderrechte seit 2002 Verfassungsrang. Ein entsprechendes Bekenntnis auf Bundesebene wäre wirklich ein starkes Signal, vor allem aber wäre es die Schaffung eines Grundrechts für die ganz eigene Lebenssituation von Kindern.
Was haben wir bisher erreicht? – Meine Damen und Herren, beginnend bei der frühen Bildung haben wir in § 13 Abs. 6 Kinderbildungsgesetz die Beteiligungs- und Beschwerderechte des Kindes ebenso wie die Verpflichtung der Träger und der Fachkräfte, diese nicht nur zu achten, sondern aktiv und altersangemessen zu fördern, ausdrücklich dargelegt.
Im schulischen Bereich stellten SPD und Grüne bereits 2010 die Drittelparität in den Schulkonferenzen
der weiterführenden Schulen wieder her – eine deutliche Stärkung der Mitbestimmungsrechte von Schülerinnen und Schülern.
Für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor Ort, also in den Kommunen unseres Landes, gilt, sie ist so vielfältig wie NRW und wird in ganz unterschiedlichen Formen durchgeführt und, wie wir wissen, nicht immer zur Zufriedenheit der Kinder und Jugendlichen. Hier leistet die Servicestelle Kinder- und Jugendbeteiligung NRW wichtige – und das ist zu betonen –, nicht nur ideelle, sondern mit Ressourcen verbundene Unterstützung.
Ein weiterer wichtiger Fortschritt für die Umsetzung der Kinderrechte – vor allem des Beschwerderechts – ist die Förderung der Ombudschaft Jugendhilfe NRW, die nun nach einer Projektprobezeit – so will ich es nennen – mit Landesmitteln arbeiten kann.
In mehrerlei Hinsicht ist der Kinder- und Jugendförderplan, den Rot-Grün mit deutlich mehr Mitteln ausgestattet hat, relevant für die Kinder- und Jugendrechte. In Verbänden, in Jugendzentren, in der offenen Arbeit und an vielen anderen Stellen leben und erleben Kinder und Jugendliche Beteiligung. Sie entwickeln eigene Interessen und erarbeiten ihre Umsetzung.
In den vergangenen Jahren ist zudem mit dem Kinder- und Jugendförderplan die Beachtung der queeren Jugendarbeit deutlich gewachsen und – auch das ist wichtig – mit finanzieller Förderung ausgestattet worden.
All diese Fortschritte, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich habe nur einige Beispiele genannt –, sind das Ergebnis eines tatsächlich größeren Bewusstseins für die Rechte von Kindern und Jugendlichen und für daraus folgende verbindliche und wirksame Maßnahmen.
Die spätestens seit 2015 große Herausforderung, eine Vielzahl von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten nicht nur aufzunehmen, sondern ihnen auch die notwendige und gesetzlich zu Recht vorgeschriebene Versorgung und Betreuung zuteilwerden zu lassen, führte zu einem sehr zügigen Gesetzgebungsprozess für das Fünfte Ausführungsgesetz zum KJHG.
Auch damit wurde den Rechten von Kindern und Jugendlichen schnellstmöglich Rechnung getragen, indem die wenigen zuvor sehr belasteten Jugendämter ihrer Aufgabe nun wieder angemessen nachkommen können.
Meine Damen und Herren, Förderung von Kindern und Jugendlichen ist nicht nur Aufgabe der Kinder-
und Jugendhilfe, nicht nur der Bildungseinrichtungen, sondern aller, die Einfluss auf die wirtschaftliche Lage von Familien nehmen.
Wir sprachen vor Kurzem hier mit sehr unterschiedlichen Auffassungen über die Bekämpfung der Kinderarmut. Unser Antrag legt dazu nochmals unsere Positionen und auch Maßnahmen dar.
Was bleibt zu tun? – Außer der Fortsetzung der erläuterten Maßnahmen betrachten wir zwei Dinge als besonders vordringlich:
Um Rechte wahrnehmen zu können, bedarf es der Information darüber. Das gilt für alle Lebensbereiche – auch für die Rechte von Kindern und Jugendlichen. Wir wollen diese Kenntnisse bei allen Beteiligten deutlich verbessern: bei den Kindern und Jugendlichen selbst, bei den Eltern, bei den Fachkräften und allen weiteren Beteiligten
Ein zweiter Punkt: Wir wollen die Ombudschaften auf kommunaler Ebene deutlich ausbauen und sichern.
Meine Damen und Herren, in den vergangenen Monaten ist durch die aktuelle Situation in unserem Land häufig von Werten die Rede, von unseren Werten, und von Regeln, an die sich alle zu halten haben.
Ich will ganz deutlich sagen: Die Kinderrechte sind ein großartiges Instrument, um diesen Werten Geltung zu verschaffen. Warum? – Mit der Achtung, der Wahrung und der Umsetzung dieser Rechte gelingt es doch von Anfang an, Demokratie zu lernen. Nichts Geringeres erreichen wir, wenn Kinder und Jugendliche ihre Rechte kennen, wenn sie erfahren, dass Beteiligung möglich ist und auch wirkt, und wenn sie Aushandlungsprozesse gestalten können und Positionen und Meinungen erarbeiten.
Noch einmal: Kinderrechte sind nicht nettes Beiwerk, nicht, wie man Neudeutsch sagt, nice to have. Sie sind eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu engagierten und in der Demokratie beheimateten Erwachsenen. Das ist ein ganz wichtiger Anhaltspunkt.
Ich möchte damit schließen und denke, wir werden dieses wichtige Thema im Ausschuss noch weiter vertiefen können. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. Die Zwischenfrage vorhin, lieber Kollege Bernhard Tenhumberg, klappte ja nicht so ganz. Deswegen nutze ich jetzt die Redezeit, die der SPD noch zur Verfügung steht, für eine kurze Entgegnung.
Es ist Symbolpolitik, Leuchtturmpolitik usw. erwähnt worden. Es gab einen längeren Ausflug in die Geschichte von vor ich weiß nicht wie vielen Jahren. Darauf ist die Ministerin gerade schon zurecht eingegangen. Wir haben hier schon einmal in NRW – und ich durfte das miterleben – das „Jahr des Kindes“ erlebt. Das war 2006 und wurde von Ministerpräsident Rüttgers ausgerufen.
Du hast vorhin, lieber Kollege Bernhard Tenhumberg, sehr schön eine zehn Jahre lange Geschichte dargestellt – du hast also zehn Jahre in die Zukunft geblickt. Dann blicken wir jetzt einmal zehn Jahre zurück. Das passt ganz wunderbar.
2006 war nämlich das Jahr, in dem diese Kinder geboren worden sind, über die wir jetzt zurecht reden – und über die ganzen Probleme, die es jetzt gibt.
Wenn es so einfach wäre, könnten wir jetzt die ganze Schuld auf das „Jahr des Kindes“ von Herrn Rüttgers schieben. So einfach machen wir es uns aber nicht. Das nur noch einmal, um zu veranschaulichen, wie verrückt so ein Vergleich ist. Wir wissen immer ganz genau: Es hat viele Ursachen.
Was mich an dieser Debatte ganz besonders gestört hat, ist, dass wir über Kinderrechte und deren Umsetzung verdammt wenig gesprochen haben. Und ich habe es auch nicht erlebt, dass im Vorfeld gründlich zugehört worden ist. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Schon seit Längerem geht es nun in unseren Diskussionen über das in diesem Hause häufig besprochene Thema der geflüchteten Menschen, der Menschen, die Zuflucht suchen in Deutschland und in NRW, nicht mehr nur um die Unterbringung, um das berühmte Dach über dem Kopf.
Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Piraten, haben – ebenso wie alle anderen Fraktionen in diesem Haus, vor allem aber die Organisationen und Flüchtlingsinitiativen in NRW – darauf aufmerksam gemacht, das Wie der Unterbringung zu thematisieren.
Sie, Kolleginnen und Kollegen der Piratenfraktion, fordern nun mehrere Maßnahmen zur Verbesserung der Situation vor allem, aber nicht nur für Frauen in den Gemeinschaftsunterkünften des Landes. Ihr Antrag thematisiert mehrere besonders schutzbedürftige Gruppen, anders als man es durch die Überschrift erwarten könnte. Er stellt Forderungen für mehrere Gruppen von Geflüchteten, deren Situation in Gemeinschaftsunterkünften verbesserungswürdig ist. Dabei – das möchte ich hinzufügen – ist es eigentlich egal, ob es sich um eine Landes- oder eine kommunale Unterkunft handelt.
Wir teilen Ihre Auffassung, dass es hier zu Änderungen kommen musste und – das füge ich hinzu – auch schon gekommen ist. Die Landesregierung – dazu wird Minister Jäger ja nachher etwas sagen – hat diese Problematik bereits erkannt und am 22. Dezember 2015 gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen aus Nordrhein-Westfalen einen mehrere Punkte umfassenden Plan vorgestellt, der das Ergebnis mehrmonatiger Zusammenarbeit der Regierung mit diesen NGOs ist.
Festgeschrieben ist, dass die vorhandenen Standards weiterentwickelt werden, um eine den Bedürfnissen der Asylsuchenden entsprechende Unterbringung zu gewährleisten. Das kann – und wir sehen, das ist auch inzwischen so – die von Ihnen geforderte räumliche Trennung von Unterkünften für besonders Schutzbedürftige sein.
In dieser Vereinbarung sind auch Festlegungen für die psychosoziale Beratung für Geflüchtete ebenso wie für die medizinische Versorgung getroffen, die – auch das haben wir ja in mehreren Diskussionen erläutert – in den zurückliegenden Monaten oft nicht ausreichend war oder auch nicht ausreichend schnell erfolgen konnte.
Die Landesregierung hat seinerzeit vereinbart, ein Fachkonzept zur Erkennung und Berücksichtigung der Bedürfnisse besonders Schutzbedürftiger zu erarbeiten. Darin werden Anforderungen und Erkenntnisse ganz unterschiedlicher Bereiche der Landesministerien zusammengeführt: der Polizeiarbeit, des Gewaltschutzes, der baulichen Voraussetzungen für Unterkünfte, um Schutz vor Gewalt, auch häuslicher Gewalt, zu verbessern bzw. sicherzustellen. Das sind nur einige Beispiele aus diesen Verabredungen in dem Konzept.
Die Entwicklung dieses Konzepts ist ein noch laufender Prozess, unter anderem aber – ich erwähnte es bereits – mit dem Ergebnis, dass es inzwischen Landesunterkünfte mit Bereichen ausschließlich für Frauen und Mütter mit Kindern gibt.
Auch in den Kommunen – so erfahre ich es zumindest bei meinen Gesprächen – werden inzwischen häufig reine Frauenwohnbereiche in den Unterkünften geschaffen, wenn das irgend möglich ist. Das begrüßen wir ganz ausdrücklich.
Wir haben heute Morgen in der Debatte zum Integrationsplan manchmal scharf, manchmal rein sachlich darüber gesprochen, dass wir sehr häufig unterschiedliche Ebenen in unserem Staat für unterschiedliche Sachverhalte verantwortlich machen möchten oder das auch tun.
Ich möchte für diesen Antrag noch ergänzen, dass auch auf Bundesebene inzwischen die Bedürfnisse besonders schutzwürdiger Geflüchteter stärker ins Bewusstsein gerückt sind. Mit einem KfW-Kreditprogramm von 200 Millionen € können von den Kommunen bauliche Schutzmaßnahmen durchgeführt werden.
Und das Bundesfamilienministerium – ich will das nur informatorisch weitergeben und mich nicht mit fremden Federn schmücken; aber ich fand das interessant – führt in Zusammenarbeit mit UNICEF mehrere Maßnahmen durch, die bis zu 300 Unterkünfte betreffen, in denen Schulungen und Mentoringmaßnahmen für Fachkräfte und Ehrenamtliche durchgeführt werden können, die das Thema „Schutz von Frauen und Kindern“ haben. Mit Hilfe von UNICEF werden auch kindgerechte Bereiche in den Unterkünften eingerichtet. Das nur als Beispiel.
Ich bin mir sicher, dass wir mit den erforderlichen Verbesserungen, die begonnen worden sind, bei diesem völlig berechtigten Anliegen einen Schritt weiterkommen und dass nicht nur die Regierung selbst,
sondern auch wir hier im Parlament und die NGOs den Fortschritt und die Umsetzung überprüfen werden.
Deshalb werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Verehrte Kollegen der CDU-Fraktion, Ihr Antrag für die heutige Debatte erwähnt auch – darüber ist schon mehrfach gesprochen worden – das Projekt „Kein Kind zurücklassen!“. In Ihrem Antrag nennen Sie es eine Losung, das der Regierung als Begründung zum Schuldenmachen diene.
Wenn ich Herrn Finanzminister Dr. Walter-Borjans in den vergangenen Jahren allerdings recht verstanden habe, dann folgt die Finanzpolitik nun einem Dreiklang aus Investitionen in Bildung und Prävention, Schuldenabbau und Einsparungen. So weit dazu, wie man die Prioritäten setzen kann.
Verwechseln Sie also bitte nicht – das ist meine herzliche Bitte – ein Projekt der Landesregierung mit den weiteren zahlreichen Maßnahmen, die wir seit 2010 und danach seit 2012 begonnen bzw. durchgeführt haben, um Kinderarmut zu verringern. Die Debatte bis hierher hat natürlich gezeigt, dass Sie diese Maßnahmen als nicht zielführend für diesen Zweck erachten. Aber mehr, als es immer wieder zu betonen und noch einmal aufzuzählen, können wir nicht.
Verwechseln Sie nicht – das ist meine nächste herzliche Bitte – Investitionen in gedeihliches Aufwachsen von Kindern mit Schuldenmachen. Ich will an die nun, meine ich, zehn Jahre zurückliegende Debatte erinnern, als Ihre Regierung aus CDU und FDP die versprochene Anhebung des Kinder- und Jugendförderplanes nicht durchführte und einen Proteststurm im Lande auslöste.
Seinerzeit waren der Schuldenabbau und das Sparen Ihr vermeintliches Argument. Damals wie heute gilt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Kinder, über die wir hier reden, wachsen jetzt auf und brauchen jetzt Förderung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, allen Maßnahmen und auch dem Projekt „Kein Kind zurücklassen!“
ist gemeinsam, dass kurzfristige Erfolge damit nicht zu erzielen sind. Das haben wir auch nicht erwartet. Prävention wirkt langfristig. Einige Redner haben das auch schon angemerkt. Strukturelle Veränderungen entstehen nicht, indem wir einen Schalter bedienen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kinderschutzbund, der Paritätische und der DGB, auf deren Veröffentlichung Sie sich beziehen, haben sich immer wieder positiv zur vorsorgenden Sozialpolitik in Nordrhein-Westfalen geäußert und uns natürlich – das ist die Aufgabe dieser Verbände – aufgefordert, die Problematik noch stärker anzugehen.
Es wurde kritisiert, dass mein Kollege Michael Scheffler in seiner Rede nichts zur Kinderarmut gesagt habe. Klar ist aber doch: Er hat sich dazu geäußert, wie Kinderarmut entsteht – nämlich dann, wenn die Eltern arm sind.
Ja, das wissen wir. Trotzdem muss man das einmal ableiten – und auch sagen, dass das von Ihnen möglicherweise als indirekte Arbeit aufgefasst wird. Aber die Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt und in sonstigen Bereichen, von denen Erwachsene – Mütter, Väter und Alleinerziehende – betroffen sind, gehören zur Wahrheit dazu. Die Maßnahmen sind geschildert worden. Ich will nur noch einmal den Mindestlohn erwähnen.
Aber Sie haben völlig recht, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Kinderarmut äußert sich nicht nur durch den Mangel an materiellen Gütern, sondern vor allem in Form von Teilhabearmut. Wir sprechen in diesem Hause nicht zum ersten Mal über das gemeinsame Mittagessen in Kita und Schule, über Ausflüge und Klassenfahrten, über die Mitgliedschaft in Sportvereinen oder anderen Vereinen und über den Besuch von Musikschulen und anderen kulturellen Einrichtungen. Der Schwimmbadbesuch, das Schlittschuhlaufen im Stadion und ein Zoobesuch sind nicht möglich. Das ist Kinderarmut. Daran fehlt es Kindern, die in Familien mit der Bezeichnung „arm“ aufwachsen, ganz besonders.
Diese Teilhabearmut bedingt Bildungsarmut. Beides – dazu ist schon einiges gesagt worden – bekämpfen wir in unserem Land seit Jahren mit erheblichen Investitionen vor allem in diese Infrastruktur, die Teilhabe möglich macht und für Kinder und Jugendliche in allen Lebensphasen Beziehungsangebote, Räume und Zeitressourcen ergänzend zum Leben in ihren Familien bereitstellt.
Beginnend mit den Frühen Hilfen, mit denen auch in Nordrhein-Westfalen ein immer dichteres Unterstützungsangebot für Schwangere und junge Eltern aufgebaut wird, setzt sich diese Teilhabe ermöglichende Infrastruktur in den Kindertageseinrichtungen und Familienzentren fort. Auch wenn das nicht auf Ihren
Zuspruch trifft: Es ist erwiesen, dass Kitas und Familienzentren mithelfen, Kinderarmut zu beseitigen.
Wunderbar. Das ist wunderbar.
Wir sind dieser Erkenntnis nicht nur durch die Verdopplung der Mittel für die frühe Bildung seit 2010 gerecht geworden, lieber Herr Laschet, sondern auch – es ist schon mehrfach erwähnt worden – durch die plusKITAs, mit denen Ungleiches endlich auch ungleich behandelt wird.
Diese Maßnahme wirkt. Wir wissen das. Sie erleichtert die Arbeit in den Einrichtungen mit vielen benachteiligten Kindern wirklich spürbar. Sie haben diese Entscheidung ebenso kritisiert und ihr nicht zugestimmt wie – auch das ist jetzt mehrfach angesprochen worden – einer weiteren wichtigen Investition in die frühe Bildung, nämlich der Beitragsfreiheit vor der Einschulung. Sie stellen das regelmäßig im Haushalt zur Disposition.
Das passt aus unserer Wahrnehmung überhaupt nicht dazu, wenn wir sagen: Wir wollen da mehr Teilhabe ermöglichen. – Auch wenn wir es hier gebetsmühlenartig wiederholen, werden wir Sie nicht davon überzeugen. Von dieser Beitragsfreistellung profitieren eben nicht nur die Reichen, die ihr Kind mit dem SUV in die Kita fahren.
Lesen Sie es bitte nach. Das DJI hat es erhoben. Es sind gerade die Eltern mit kleinen und mittleren Einkommen;
denn für sie machen 150 €, 200 € oder 250 € pro Monat im Portemonnaie etwas aus. Davon kann man nämlich dreimal einkaufen gehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist auch schon erwähnt worden, und zwar die Entscheidung unserer Landesregierung und unserer Fraktionen zur Schulsozialarbeit.
Der Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“ ist ebenfalls bereits erwähnt worden.
Außerdem ist das Investment in benachteiligte Quartiere zu nennen. Zwar bekommen – das ist richtig – auch hier die Kinder nicht das ausgezahlt, was wir investieren. Aber wir verbessern den Wohnraum, das
Wohnumfeld, die Freiflächen und die Spielplätze. All das dient Kindern dazu, Teilhabe zu erfahren. Diese Projekte erfolgen ganz oft auch unter Beteiligung dieser Nutzerinnen und Nutzer im Kindesalter.
Ja, ich weiß. Ich komme zum Schluss. – Lassen Sie mich nur noch einmal Folgendes betonen: Richtig angesprochen worden ist, dass wir auf Bundesebene die Hinweise haben, die Kindergrundsicherung einzuführen und den Kinderfreibetrag und das Kindergeld zu einem positiveren Einkommen für die Eltern zu machen. Für die Umsetzung dieser Vorschläge kann ich mit Ihnen gemeinsam gerne werben. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Es ist ein ernstes Thema, aber trotzdem grüße ich ganz herzlich die Karnevalistinnen und Karnevalisten auf der Zuschauertribüne. Da sind auch Kinder dabei. Herzlich willkommen, schön, dass ihr da seid! Dies wollte ich einmal sagen, obwohl es, wie gesagt, ein ernstes und ernstzunehmendes Thema ist, mit dem wir uns hier heute auf Antrag der Piraten beschäftigen.
Die Kinderrechte – Sie haben es gesagt, Herr Wegner – besitzen in Nordrhein-Westfalen seit 2002 Verfassungsrang. Auf Bundesebene setzt sich zumindest meine Partei ebenfalls dafür ein, dass die Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden. Das ist leider immer noch nicht der Fall. Der Verfassungsrang – das will ich all denjenigen sagen, die der Auffassung sind, dass Papier geduldig ist – ist ein nicht zu unterschätzendes Bekenntnis für diese wichtige Frage.
Sie schlagen nun – wir haben es gehört – die Einsetzung eines Landesbeauftragten vor und wollen so unter anderem die Geltendmachung der Kinderrechte in einer Person, in einer Stelle sicherstellen. Seit 2002 ist jedoch unseres Erachtens in Nordrhein-Westfalen vieles zur Umsetzung dieser Verfassungsverpflichtung und natürlich auch der UNKonvention geschehen. Aus unserer Sicht ist die allgemeine Sensibilisierung für das Thema „Kinderrechte“ und seine konkrete Umsetzung auch nachweislich und erfreulich gestiegen.
Richtig ist: Die verfassungsgemäße Aufgabe muss mit Leben gefüllt werden. Das geschieht in Nordrhein-Westfalen seit Jahren an mehreren Stellen, also dezentral und nicht konzentriert auf eine Person oder eine einzige Stelle.
Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: Die Einrichtungen und Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit ebenso wie die Jugendverbände in unserem Land werden landesseitig dauerhaft gefördert. Sie sind nicht nur aus unserer Sicht die ersten und wichtigsten Sachwalter für die Rechte und Interessen von Kindern und Jugendlichen, da sie nur unter aktiver Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen überhaupt agieren können. Sie sind zu Recht selbstverständlich parteiische Interessenvertretungen.
Das Land fördert darüber hinaus einzelne Partizipationsprojekte, also befristete Vorhaben, in Kommunen oder Einrichtungen mit Mitteln des Kinder- und Jugendförderplans.
Die drei wesentlichen Elemente der Kinderrechte – Schutz, Förderung und Beteiligung – sind ebenso Auftrag und Aufgabe der Landesjugendämter, ganz klar in ihrer Beratungs- und Unterstützungsfunktion für Kommunen und für Träger in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und für Kinder und Jugendliche.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sämtliche Einrichtungen der frühen Bildung, also Kindertageseinrichtungen und Familienzentren, besser gesagt die dort tätigen Fachkräfte, müssen im Sinne dieser drei Elemente der Kinderrechte arbeiten.
Wir durften eine Anhörung zu Ihrem Antrag „Kinderrechte wirklich umsetzen“, sehr geehrte Kolleginnen der Piratenfraktion, erleben, mit dem Sie ja eine besonders geschulte Fachkraft für Partizipation forderten. In dieser Anhörung äußerten die Sachverständigen ganz überwiegend die Meinung, dass dies der umfassend verstandenen Verantwortung aller in der Kinder- und Jugendhilfe Tätigen widersprechen könnte oder widerspräche. Ich will es vorsichtig ausdrücken. Zu leicht könnte alles auf diese eine Kraft abgeschoben oder delegiert werden.
Ich gebe zu bedenken, dass auch das bei einem Landesbeauftragten für Kinder und Jugendliche passieren könnte, sodass die vielfältigen Entwicklungen, die auf unterschiedlichen Ebenen unseres Landes inzwischen passieren, behindert werden könnten.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass inzwischen der – so möchte ich es nennen – Geist der Kinderrechte und ihrer Umsetzung landesseitig zumindest umfassend gedacht wird, ist das jüngste KiBizÄnderungsgesetz. In § 13 Abs. 6 werden ganz ausdrücklich die Beteiligungs- und Beschwerderechte des Kindes dargelegt und somit natürlich auch die Verpflichtung der Träger und der Fachkräfte, diese nicht nur zu beachten, sondern aktiv zu fördern.
Zum Schluss – wir konnten dies im Ausschuss bereits erläutert bekommen und auch diskutieren –: Das Land Nordrhein-Westfalen fördert mit dem jetzt gerade vor fünf Wochen beschlossenen Haushalt für das Jahr 2016, geltend bis 2018, den Verein
Ombudschaft Jugendhilfe e. V., eine Gründung der Freien Wohlfahrtspflege, um diese Arbeit direkt vor Ort in den einzelnen Jugendamtsbezirken zu initiieren und zu unterstützen. Auch das ist aus unserer Sicht ein wesentlicher Aspekt zur Umsetzung und Durchsetzung der Kinder- und Jugendrechte und auch verbunden mit der Bereitstellung von Ressourcen. Das ist kein Papiertiger. Das kostet richtig Geld. Das ist auch richtig so.
Eine zusätzliche zentrale Funktionsstelle halten wir demnach derzeit nicht für förderlich. Darüber werden wir uns im Ausschuss sicherlich austauschen können.
Wir können natürlich gerne überprüfen: Können die von uns hier genannten Beispiele um Weiteres verbessert werden? Kann da zugelegt werden? So will ich es mal salopp ausdrücken. Das sollten wir sicher machen. Insofern werden wir das im Ausschuss besprechen können. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gestrige und auch die heutige Debatte in unserem Hause hat – das haben wir alle verfolgen können – die vielfältigen Herausforderungen für alle staatlichen Ebenen thematisiert, die durch die Flucht Zehntausender Menschen nach Deutschland und damit auch nach NordrheinWestfalen entstanden sind, täglich neu entstehen und bewältigt werden müssen.
Dazu gehört zweifellos – das teilen wir völlig, Frau Kollegin Dr. Bunse – die Versorgung und Betreuung der hier ankommenden Kinder nicht nur mit sicherem Obdach, sondern auch mit kindgerechten Betreuungs- und Bildungsangeboten. Ihr Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, macht darauf nochmals aufmerksam und fordert zu Recht die Sicherstellung und den notwendigen Ausbau dieser Angebote ein.
Wie in allen Bereichen, für die das Land NordrheinWestfalen Verantwortung trägt, sind auch in der Kindertagesbetreuung in diesem Jahr Schritte unternommen worden, um für Kinder im Alter von null bis sechs Jahren Kitaplätze zusätzlich zur Verfügung zu stellen bzw. Kommunen und Träger in die Lage zu versetzen, dies zu tun. Auch wir halten die Betreuung und Bildung der Jüngsten in einer Kita für die beste Möglichkeit, sie und ihre Familien zu
unterstützen und vor allem mit der Integration zu beginnen.
Alle Kinder, die zugewiesen in einer Kommune leben – ich drücke das einmal so technokratisch aus; sehen Sie mir das bitte nach – und ein Jahr alt sind, haben einen Rechtsanspruch – Sie haben es erwähnt, Frau Dr. Bunse – auf einen Kitaplatz, egal, woher die Kinder, woher die Eltern stammen. Das Land finanziert – wir sprachen hier bereits sehr häufig darüber – alle von den Jugendämtern angemeldeten Plätze. Seit August dieses Jahres ist auch dank der KiBiz-Änderungen die Finanzierung der unterjährigen Aufnahme von Kindern verbessert. Seitens des Landes steht also der Erweiterung dieses Platzangebotes überhaupt nichts im Weg.
Wie aber in allen Bereichen des alltäglichen Lebens, sei es Wohnen, sei es Schule, sei es Gesundheitsversorgung oder eben der Bereich Kindertageseinrichtungen, zeigt sich natürlich auch hier vor Ort die Herausforderung, die große Zahl Neuankommender in kurzer Zeit in vorhandene Einrichtungen, also auch Kitas, zu integrieren. Natürlich ist es auch im Bereich Kindertageseinrichtungen an vielen Stellen eine Frage von zusätzlichem Raum und von zusätzlichem Personal, die gemeistert werden muss.
Das Land hat – Sie haben es angesprochen und erwähnen es in Ihrem Antrag – 6 Millionen € für die sogenannten Brückenprojekte zur Verfügung gestellt, die mit sehr geringem Aufwand – dafür bin ich sehr dankbar – von den Jugendämtern abgerufen werden können. Diese Mittel werden erwartungsgemäß sehr gut in Anspruch genommen. In meiner Heimatstadt Köln sind beispielsweise verschiedene konfessionelle Träger, aber beispielsweise auch der Kinderschutzbund unter denjenigen, deren Projekte bewilligt wurden. Gerade heute, wenn ich mich recht erinnere, endete die zweite Antragsrunde.
Mit diesen Projekten werden Gruppen ermöglicht, die auf vielerlei Art Kinder im Kitaalter und ihre Mütter und Väter an die ihnen nicht immer vertraute institutionalisierte frühe Bildung heranführen. Sie ermöglichen zudem eine kindgerechte und eine sicherlich auch beruhigende Umgebung, so möchte ich es einmal nennen, für die Kleinsten.
Diese Projekte werden wir erstens weiterführen, zweitens ausbauen, und der Haushalt für 2016 wird dafür einen beträchtlichen Betrag neben dem für die regulären angemeldeten Kitaplätze bereitstellen. Dann ist es an Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, dem Haushalt wenigstens für diesen Bereich – das hoffe ich – zuzustimmen. Das werden wir dann sehen.
Vor dem Hintergrund, dass wir den Antrag heute überweisen, will ich es bei diesen Anmerkungen belassen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Vielen Dank, Frau Schulze Föcking, ich kann mich Ihrem Dank an diejenigen, die den Bericht erstellt haben und daran beteiligt waren, durchaus anschließen. So sollte auch meine Rede beginnen. Das möchte ich ausdrücklich sagen.
In anderen Punkten – das haben Sie sicher auch nicht anders erwartet – unterscheiden wir uns. Das ist auch ganz gut so, weil wir von vielen Bürgerinnen und Bürgern oft hören: Die Parteien wollen doch immer alle das Gleiche. Was sollen wir da eigentlich noch diskutieren?
Die Familienpolitik ist aus meiner Sicht – und an Ihrer Rede hat sich das teilweise auch wieder gezeigt – ein Thema, bei dem wir unterschiedliche Ansichten verfolgen und möglicherweise auch unterschiedliche Ziele und Wege im Auge haben. Zu diesem Zweck ist – Sie haben es ebenfalls erwähnt – die Enquetekommission „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen“ unter anderem auch eingerichtet worden. Aber darum soll es heute konkret nicht gehen.
Wie gesagt: Mein ganz herzlicher Dank gilt Frau Ministerin Schäfer und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus, die diesen Bericht mit ermöglicht haben. Mein Dank gilt auch dem Beirat und vor allen Dingen den Familien, die dazu beigetragen haben, dass wir nun nach 25 Jahren – es ist schon erwähnt worden – wieder eine umfangreiche Information zur Lage der Familie vor Augen haben.
Dies als Lastenheft zu bezeichnen, Frau Schulze Föcking, finde ich ein bisschen unangebracht.
Schließlich handelt es sich um Aufgaben zur Zukunftsgestaltung unseres Landes. So viel Zeit muss sein.
Den mitwirkenden Familien gilt, wie gesagt, mein ganz besonderer Dank. Ich danke ihnen dafür, dass sie sich Zeit für diese Dialogveranstaltungen und die Auseinandersetzung genommen haben. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Probleme, die der vorliegende Bericht benennt: Die größten Probleme von und für Familien sind Zeit und Zeitsouveränität. Es würde aber meines Erachtens dem Inhalt und Umfang des Berichts nicht gerecht, würden wir seine Aussage auf diese eine Thematik beschränken.
Der bereits in unserer rot-grünen Koalitionsvereinbarung festgeschriebene Bericht beleuchtet vielmehr eine Vielzahl von Themen – sie sind bereits angeklungen – des Familienlebens, des Alltags, von Sorgen und Wünschen, von Hindernissen, aber auch von Gelingendem an dem Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Generationen füreinander Verantwortung übernehmen. So lautet auch die Definition, die der Bericht gewählt hat.
Lassen Sie mich nun nur einige wenige Befunde nennen, die aus meiner Sicht deutlichen Veränderungsbedarf – da stimme ich völlig zu – signalisieren. Inzwischen hinreichend bekannt ist, dass viele Mütter den Wunsch haben, ihre Erwerbstätigkeit auszudehnen, wohingegen viele Väter den Wunsch nach kürzerer Arbeitszeit haben. Die Realität sieht aber anders aus. Das ist bereits in der bisherigen Arbeit unserer Enquetekommission thematisiert worden, und es wird uns auch weiterhin beschäftigen.
Der Umsetzung dieser Wünsche stehen jedoch Anforderungen der persönlichen und der familiären Existenzsicherung entgegen, vor allem aber Anforderungen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Väter und Mütter werden am Arbeitsplatz eben nicht in diesen Rollen bzw. Funktionen gesehen, sondern schlicht in ihren Funktionen für den Job, der gemacht werden soll.
Ich will hier ausdrücklich nicht diejenigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ansprechen, die bereits eine ganze Menge in dieser Hinsicht geändert haben.
Aber ich appelliere ganz deutlich an diejenigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die nach wie vor beispielsweise Teilzeit und Führungsposition als ein Ding der Unmöglichkeit betrachten, die nach wie vor ausschließlich Arbeit im Betrieb für den Beweis von Arbeitseinsatz halten und die familienbewusste Arbeitszeitmodelle für – so will ich es einmal nennen – überflüssige Spielerei halten. Besonders Väter mit
Wünschen nach mehr Familienzeit sind von dieser traditionellen Ausgestaltung der Arbeitswelt betroffen.
Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass hier eine Öffentlichkeitskampagne – so wichtig Information und Sensibilisierung an dieser Stelle sind – nicht ausreichend für Veränderung sorgen kann. Spürbare Verbesserungen können meines Erachtens nur verbindliche Regelungen schaffen – sei es in Tarifvereinbarungen, sei es in gesetzlichen Regelungen.
Ich will auf ein weiteres Ergebnis der Familienbefragung eingehen – auch das haben Sie, Kollegin Schulze Föcking, angesprochen –: Zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote für Familien sind denjenigen, die ihrer besonders bedürfen, nicht bekannt und werden von ihnen deshalb auch nicht genutzt. Die Befragung zeigt, dass dies besonders häufig auf Familien mit niedrigem Bildungsstand, Familien mit niedrigem Einkommen und Familien mit Migrationshintergrund zutrifft.
Ich zitiere:
„Es geht darum, mehr Eltern zu erreichen, die zwar Unterstützungsbedarf haben, die Angebote aber nicht von sich aus nutzen.“
Diese Anforderung aus den Eckpunkten müssen wir meines Erachtens sehr zügig umsetzen und die Familienberatungs- und -bildungsangebote verbindlicher aufsuchend gestalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mich freut die Erkenntnis des Berichts, dass die Verbindungen zwischen den Generationen als sehr gut und hilfreich eingeschätzt werden – ich zitiere –, „weshalb ‚von sich auflösender Solidarität zwischen den Generationen nicht gesprochen‘ werden kann“.
Allzu oft – das stelle ich zumindest öfter fest – wird dieser positive Sachverhalt nicht ausreichend gesehen. Er ist aber ein Wert für Familien in unserem Land.
Sehr positiv bewerte ich auch den Umgang des Berichts mit der Frage, ob Familien mit Migrationshintergrund ein besonderes – besser: gesondertes – Augenmerk zukommen soll. Nicht nur angesichts der aktuellen Situation, die zahlreiche Familien unterschiedlichster Herkunft nach Deutschland und damit auch in unser Bundesland führt, ist die Betrachtung ihrer spezifischen Chancen und Bedarfe vorausschauend und absolut angebracht. Auch im Hinblick auf die Geschichte unseres Landes, die zahlreiche Integrations- und Migrationsbewegungen erlebt hat, ist es wichtig, dem gerecht zu werden und ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, ohne dass dies segregierenden Charakter in diesem Bericht oder in unserer Politik haben soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss sei mir eine grundsätzliche Anmerkung erlaubt. Ausgehend von der Zeitproblematik von Familien stelle ich fest, dass Familien ihre Zeit in die Organisation und die Bedarfe anderer einbauen müssen. Nicht Familienzeit bestimmt die Aufteilung des Alltags, sondern vor allem die Zeit für Erwerbsarbeit. Daraus spricht die Wertung, die Familie genießt. Sie ist eben nicht Taktgeber in unserer Gesellschaft, sondern hat sich immer noch nach anderem und anderen zu richten, deren Funktionieren reibungslos erfolgen muss, beispielsweise Produktionsabläufen.
Völlig unterschätzt wird meines Erachtens die Leistung von Familien als Investoren in unserem Land – in Bildung, in Konsum, in Mobilität. Familien investieren in gelingendes Aufwachsen, in zufriedenstellende Lebensgestaltung der erwerbstätigen Generation. Sie erbringen Leistungen für würdiges und gesundes Altern.
Diese – lassen Sie es mich so nennen – Produkte und ihre Wachstumschancen sollten Maßstab für uns sein. Sie sollten die Kennziffern bilden, nach denen wir den Zustand unseres Landes bemessen. Dann kann gelingen, was der Bericht benennt: Familien gestalten Zukunft. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Ich freue mich sehr, heute angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit kurz zu Ihrem Lieblingstitel sprechen zu dürfen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen und Zuhörerinnen, wo auch immer Sie sein mögen, zur Erinnerung: Die Einbringung des Gesetzentwurfes erfolgte am 10. September 2014 ohne Debatte. Die Zeit war ähnlich fortgeschritten wie am heutigen Tag.
Das geplante Gesetz erfüllt die Aufgabe, den an den Universitäten erfolgten Reformprozess, also die
Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge, auch für die Sozialberufe und ihre staatliche Anerkennung nachzuvollziehen. Daneben ist das Gesetz aber auch eine Antwort auf die in den vergangenen Jahren stark veränderte Landschaft der frühen Bildung, auf den großen Ausbau der Angebote, auf die gestiegenen Qualitätsanforderungen an die dort tätigen Fachkräfte und auf erheblich erweiterte Forschungstätigkeit in diesem Bereich und ihre Umsetzung in die Praxis.
Das Gesetz wird landesweit vergleichbare Abschlüsse einerseits sichern und andererseits den Absolventinnen und Absolventen in einem wesentlichen Maße den so wichtigen Arbeitsmarkt erschließen können.
Dieser Prozess dieser Vereinbarung über einheitliche Standards und staatliche Anerkennungen dauert seit 2008 an und kann aus unserer Sicht nun zu einem wirklich guten Abschluss geführt werden.
In der Anhörung nach der ersten Lesung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wurde das Vorhaben einhellig begrüßt. Zusätzlich wurde aber seitens der Sachverständigen die Einbeziehung der Heilpädagoginnen und Heilpädagogen befürwortet. Dies wird nun im Änderungsantrag vorgeschlagen, den meine Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen heute einbringen.
Im Gesetzentwurf konnte dies noch nicht berücksichtigt werden, da seinerzeit noch kein Qualifikationsrahmen für die Studiengänge für die Heilpädagoginnen und Heilpädagogen vorlag. Dies ist seit November 2014 der Fall, sodass die Ergänzung unproblematisch möglich ist. So viel zu diesem Abschnitt unserer anstehenden Abstimmungen.
Den vorgelegten alternativen Gesetzentwurf der CDU-Fraktion lehnten wir bereits mit den regierungstragenden Fraktionen im Ausschuss ab. Ich will hier nur kurz erläutern, warum wir das getan haben.
Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, schlagen vor, die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen auch in diesem Gesetz zu regeln. Aus unserer Sicht ist dies jedoch völlig überflüssig, da diese Fragen grundsätzlich im Berufsqualifizierungsfeststellungsgesetz geregelt
werden bzw. im Berufeanerkennungsgesetz. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf geht es nun einmal ausschließlich um die staatliche Anerkennung von in NRW erworbenen Abschlüssen.
Mit Ihrem Vorschlag, in § 8 auch die Absolventinnen der staatlich anerkannten Fachschulen für die Sozialberufe zu erwähnen, verkennen Sie außerdem ein weiteres Mal die Aufgabe dieses Gesetzentwurfes. Es geht um Studienabschlüsse.
Sie beabsichtigen – ich zitiere –, die Bedeutung der fachschulischen Ausbildung nicht hinter die hochschulische zurücktreten zu lassen.
Nochmals: Dieses Gesetz zur staatlichen Anerkennung regelt Fragen von Studienabschlüssen und hat keineswegs die Aufgabe, bereits bestehende staatliche Anerkennungen zu bewerten oder – salopp gesagt – für besser oder für schlechter zu erklären. In diesem Sinne werden wir abstimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer -drei sind noch auf der Tribüne. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDUFraktion, der Überschrift Ihres Antrages können wir folgen. Wir freuen uns natürlich auch darüber, dass Sie dieses für unser Land wichtige Thema der Personalgewinnung unter dem Vielfaltsaspekt federführend in unserem Ausschuss, im Integrationsausschuss, verhandeln wollen, ist es doch der Ausschuss, der die Umsetzung des § 6 des Teilhabe- und Integrationsgesetzes, in dem die weitere interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung festgeschrieben ist, parlamentarisch begleitet und auch kontrolliert.
Die Tatsache, dass Sie sich konstruktiv mit der Frage der Personalgewinnung für das Land auseinandersetzen, unser Land als wichtigen Ausbilder und Arbeitgeber sehen, hebt sich auch wohltuend davon ab, dass seitens Ihrer Fraktion bei anderen Gelegenheiten des Öfteren, zuletzt beispielsweise bei der Haushaltseinbringung im vergangenen Plenum, Nordrhein-Westfalen schlechtgeredet wird und versucht wird, es als Trägerin der roten Laterne in sämtlichen Bereichen darzustellen. Das bedeutet ja im Gegenzug, dass es auch eher nicht erstrebens
wert ist, in Nordrhein-Westfalen eine Ausbildung zu machen oder beschäftigt zu sein.
Im Vorgriff auf die noch zu führende Ausschussdebatte will ich Ihnen einige unserer Kritikpunkte und Fragen zu Ihren Überlegungen, wie Sie die Personalgewinnung voranbringen möchten, nennen:
Die anonymisierte Bewerbung – so führen Sie in Ihrem Antrag aus – werde – ich zitiere – „gern als zielführend dargestellt“ für das Ziel, Menschen mit Zuwanderungsgeschichte im Landesdienst zu beschäftigen. – Sie kritisieren das Verfahren – was wir gerade noch einmal von Frau Güler gehört haben – sowie das entsprechende Pilotprojekt und erwecken wieder einmal den Eindruck, die Landesregierung beschränke ihre Maßnahmen ausschließlich auf dieses Instrument. In Ihrem Antrag unterstellen Sie die Konzentration auf die anonymisierte Bewerbung als isolierte Einzelmaßnahme.
Sowohl das Expertengespräch, das der Integrationsausschuss dazu führte, als auch die Auswertung im Ausschuss sowie der zweite Umsetzungsbericht zur Landesinitiative, der uns als Drucksache 16/1310 vorliegt, machen nun deutlich, dass dem nicht so ist.
Die anonymisierte Bewerbung eignet sich insbesondere für den Bereich der Ausbildung, für die Besetzung hochspezialisierter Stellenprofile jedoch nicht. So ist das Fazit aller Bewertungen.
Es wäre schön, wenn Sie das einfach zur Kenntnis nehmen und dann auch noch in politische Anträge umsetzen würden. Wir sehen damit einen Teil Ihrer unter Punkt 1 genannten Forderungen als erledigt an.
Der genannte Umsetzungsbericht schildert auch die bisherigen Maßnahmen, die Sie unter Punkt 3 Ihres Antrages trotzdem noch einfordern: die Schulung und Fortbildung zum Thema interkulturelle Kompetenz. Diese wird eben nicht mehr separat vorgenommen, sondern erfolgt, wie von Ihnen gewünscht, im Rahmen von Pflichtfortbildungsveranstaltungen von Nachwuchsführungskräften und erreicht somit deutlich mehr Zuständige, und dies verpflichtend.
Im letzten Absatz Ihres Textes fordern Sie, dass Personalmarketingmaßnahmen nicht ins Blaue hinein geplant und durchgeführt werden dürfen. Dazu kann ich nur sagen: Danke für diese Binsenweisheit.
Sie schlagen zudem vor, das Land möge Verbundinitiativen verschiedener Behörden und Kommunen fördern und fordern. Abgesehen davon, dass Sie dies – warum auch immer – nicht in den Beschlusstext Ihres Antrags übernehmen, hätte auch hier ein Blick in den Umsetzungsbericht, den ich schon genannt habe, weitergeholfen.
Bestandteil der Landesinitiative „Mehr Migrantinnen und Migranten in den öffentlichen Dienst“ ist der Baustein „Partnerinitiative“, dem inzwischen
15 Kommunen, Kreise und Behörden und Institutionen angehören.
Sie alle sind eine Selbstverpflichtung eingegangen, in ihren Arbeitszusammenhängen interkulturelle Öffnung, interkulturelle Kompetenz und die Sensibilisierung dafür mit umfangreichen Organisationsprozessen weiterzuentwickeln.
Wir werden uns im Ausschuss sicherlich gerne mit den Fragen beschäftigen, ob nun flächendeckend im ganzen Land, also von jeder Einrichtung, die von Ihnen gewünschte eignungsdiagnostische Norm gleichermaßen notwendig und sinnvoll einsetzbar ist und ob dies zu den von Ihnen gewünschten Zielen führt. Und wir werden uns sicherlich auch darüber unterhalten müssen, wie aufwendig die Qualifizierung ist und wie hoch die damit verbundenen Kosten sind. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe verbliebene Zuschauerinnen und Zuschauer! Es ist unseres Erachtens immer grundsätzlich richtig und wichtig, Kinderrechte zu thematisieren, sich über ihre Beachtung und ihre Verbesserung Gedanken zu machen.
Wir teilen auch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Piratenfraktion, Ihre Einschätzung, dass es ein wichtiger und richtiger Schritt war, die Kinderrechte in der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens zu verankern. Wir teilen allerdings nicht Ihre im Antrag erhobene Forderung nach einer geschulten Fachkraft für Kinderrechte in allen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Warum? Ähnlich zielführend – ich muss es leider so ausdrücken – wäre eine Forderung nach Erzieherinnen und Erziehern oder sozialpädagogischen Fachkräften in allen Einrichtungen.
Wenn Sie in den aktuellen Lehrplan für die Fachschulen des Sozialwesens schauen, finden Sie folgende Zielbeschreibung für die Ausbildung: