Da, wo eigene Mittel reinfließen – es ist unbestritten, dass das Land auch in soziale, in Präventionsprojekte investiert –, darf man dann, wenn am Ende steigende Armutsquoten stehen, feststellen, dass hier irgendetwas nicht richtig funktioniert. Offenbar kommen die Mittel nicht da an, wo sie gebraucht werden. Offenbar wirken sie nicht so wie beabsichtigt.
Meine Damen und Herren, Wirksamkeit ist ein Begriff, mit dem Rot-Grün eh nichts anfangen kann. Seit Langem fordern wir Sie auf, die familienpolitischen Leistungen zu evaluieren. Dann würden wir ganz genau wissen, wie welche Maßnahmen, wie welches Projekt wirkt, wo es Nachsteuerungsbedarf gibt, wo man Mittel sparen kann und wo man mehr Mittel investieren muss. Das wäre eine vernünftige und kluge Politik.
Frau Ministerin Kampmann, das hätte auch Ihr guter Einstieg in die Regierung sein können, mal ganz ehrlich zu schauen: Was läuft gut, und was läuft nicht so gut? Stattdessen machen Sie da weiter, wo Ihre Vorgängerin aufgehört hat: bei der Politik der Ankündigung. Allerdings werden Sie am Ende daran gemessen werden. Ein Modellprojekt zur Armutsprävention, das Ihre Vorgängerin auf den Weg gebracht hat, das die Ministerpräsidentin durch alle Talkshows geschleppt hat – das wird wohl etwas dürftig sein.
Also, evaluieren wollen Sie nicht, übrigens auch grundsätzlich nicht – das stand sogar im Kinderbildungsgesetz. Da haben Sie sich auch verweigert, was ich als falsch, feige und fortschrittfeindlich empfinde. Aber man könnte ja annehmen, dass Sie dann bei den Dingen richtig Gas geben, die völlig unstrittig sind.
Denn eines wissen wir alle: Die beste Armutsprävention, der beste Weg aus der Armut heraus ist Bildung. Wenn Sie also eine gute Bildungspolitik machen würden, dann wäre das schon die halbe Miete. Aber auch das läuft ja nicht. Noch immer ist die Durchlässigkeit des Bildungssystems schlecht. Wer unten einsteigt, hat kaum Chancen aufzusteigen.
Und dass dann vor einigen Tagen schlechte Zeugnisse von Eltern und Lehrern an die Landesregierung verteilt wurden – wen wundert das denn noch? Eine „Vier minus“ ist aber für ein Land, das Aufstieg will, das Kinder fördern will, das Wohlstand sichern will, viel zu wenig.
Es fängt schon ganz vorne bei den Kleinsten an. Statt alles in Qualität, in beste Bildung zu investieren, haben Sie ein teures Wahlgeschenk gemacht. Herr Scheffler, wer profitiert denn vom beitragsfreien Kindergartenjahr? Das sind doch nicht die armen Kinder. Es geht kein Kind zusätzlich in den Kindergarten. Es ist ausschließlich ein Programm für Besserverdiener in diesem Land.
Herr Scheffler, wenn Sie Kinder gerade aus bedürftigen, aus bildungsschwachen Haushalten fördern wollen, dann müssen Sie endlich einen qualitativ hochwertigen und flächendeckenden Ganztag auf den Weg bringen. Wenn Sie etwas gegen Arbeitslosigkeit, das größte Armutsrisiko, tun wollen, dann müssen Sie den Arbeitsmarkt in Schwung bringen und kein Tariftreuegesetz einbringen. Das wäre eine Maßnahme.
Wenn Sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken möchten, dann müssen Sie dort anpacken. Sie haben es in sechs Jahren versäumt, über 24-Stunden-Kitas, über Rand-Betreuung zu sprechen, um Bedarfe für Alleinerziehende zu berücksichtigen, die diesen Bedarf haben. Eine Krankenschwester hat in Nordrhein-Westfalen keine Möglichkeit, Familie und Beruf zu vereinbaren, weil Sie sich aus ideologischen Gründen dieser Debatte verweigern. So sieht es hier in Nordrhein-Westfalen aus.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sozialen Aufstieg ermöglichen wollen, dann dürfen Sie das auch nicht mit dem Steuertarif verhindern. Herr Hilgers vom Kinderschutzbund hat es angesprochen. Den Abbau der kalten Progression hätten Sie über den Bundesrat einbringen und so gerade kleine und mittlere Einkommen entlasten und damit den Arbeitsmarkt beleben können.
Meine Damen und Herren, das hätten Sie alles tun können. Das alles könnten Sie tun. Und das alles müssten Sie tun. Das ständige Wiederholen Ihres Mantras „Kein Kind zurücklassen!“ hat sich abgenutzt. Deshalb bleibt die Frage richtig und wartet auf eine Antwort: Was für Schlüsse zieht die Landesregierung aus dieser katastrophalen Situation? – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Union fragt heute in der Aktuellen Stunde nach den Schlüssen aus den neuen Kinderarmutsstudien. Ich sage: Ja, wir müssen darüber diskutieren, ausführlich, ernsthaft und mit offenem Visier. Aber vor allen Dingen müssen wir faktenbasiert darüber sprechen.
Herr Laschet, zu den Fakten gehören die Armutsberichte, die die verschiedenen Fachverbände vorgelegt haben. Ich fordere Sie dazu auf, sie einmal ausführlich zu lesen. Aber das wissen wir ja schon aus Ihrer Zeit als Minister. Das ausführliche Studieren von Akten war noch nie Ihre Sache.
Wenn Sie es ausführlich lesen würden, dann könnten Sie feststellen, dass die Kinderarmut seit dem Jahr 2006 angestiegen ist. Wir wissen – ich erinnere mich ungern an diese Zeit –, dass die Regierungsverantwortung in den Jahren 2005 bis 2010 leider in den Händen von CDU und FDP lag. Das sind die Fakten. Diese Wahrheit können Sie hier nicht einfach unterschlagen.
Wir müssen über die grundlegenden Ursachen von Kinderarmut reden. Dazu fordere ich die Union auf. Der Bericht sagt sehr eindeutig, dass es – wen wundert es? – die materielle Armut der Familien ist.
Meine Damen und Herren, wir müssen doch über die Lösungswege diskutieren, die uns die Fachleute in dem Armutsbericht aufzeigen. Da ist nachzulesen, dass die Einkommen das zentrale Mittel für Teilhabe- und Verwirklichungschancen darstellen. Daraus leiten die Fachverbände vier Hauptforderungen ab.
Das sind die großen Stellschrauben, die uns die Fachverbände hier aufgeben. Darüber brauchen wir eine ernsthafte Debatte, meine Damen und Herren.
Ich frage: Wie stehen Sie denn genau zu den Lösungsansätzen der Fachverbände? Ich frage Sie auch: Wo sind die Initiativen der starken NRW-CDU, die doch sozialer sein will als andere in NordrheinWestfalen und natürlich als die Ellenbogenpartei FDP? Wo ist denn der Druck, den Ihre zahlenmäßig
starke Landesgruppe in Berlin macht? Wo sind die Initiativen der von Ihnen geführten Bundesregierung gegen Kinderarmut? Vor allen Dingen frage ich Sie ganz konkret – das sind Sie uns heute Morgen wie immer schuldig geblieben, Herr Laschet –: Wo sind denn die Aktivitäten der CDU-Fraktion, der größten Oppositionsfraktion hier im Landtag? Wo sind Ihre Konzepte? Wo sind Ihre Lösungsvorschläge?
Meine Damen und Herren, wer über die Armutsberichte diskutieren will und über solche Fragen und die Lösungen schweigt, der führt keine ernsthafte Debatte, sondern nur Scheingefechte.
Dabei ist das Thema sehr wichtig und brennend aktuell. Ja, es ist nicht hinnehmbar, dass in einem der reichsten Länder der Welt Kinder in Armut aufwachsen müssen; denn die Kinder können aus eigener Kraft nichts an ihrer prekären Lage ändern. Nur zu oft – das wissen wir – müssen sie ihr Leben lang die Folgen tragen. Weil wir die Zusammenhänge kennen, steht die Bekämpfung der Kinderarmut ganz oben auf der Prioritätenliste der rot-grünen Koalition.
Seit dem Jahr 2010 – vielleicht hören Sie mal zu, wenn Sie sich nicht mehr erinnern – haben wir eine ganze Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht.
Mit dem Zweiten KiBiz-Änderungsgesetz haben wir wie schon mit dem Ersten das korrigiert, was Sie als Familienminister in der Kitalandschaft an verbrannter Erde hinterlassen haben, Herr Laschet. Das ist die Wahrheit.
Wir haben speziell für die benachteiligten Kinder die plusKITA geschaffen. 45 Millionen € nehmen wir zusätzlich in die Hand, um den Kindern mehr frühe Bildung und Förderung zu ermöglichen. Wir finanzieren den Gebührenerlass in der Familienbildung für benachteiligte Familien. Wir haben das Modell „Kein Kind zurücklassen!“ auf den Weg gebracht, um gemeinsam mit den Kommunen Präventionsketten aufzubauen. Wir haben 2013 das Handlungskonzept gegen Armut und soziale Ausgrenzung beschlossen. Im Sommer 2015 hat NRW das Programm „NRW hält zusammen“ gestartet, auch hier mit dem Schwerpunkt Armutsbekämpfung.
Dann haben wir noch ein Weiteres gemacht, um die Fehler der Bundesregierung auszumerzen: Wir haben die Schulsozialarbeit mit 47 Millionen € weiterfinanziert. Ihre Bundesregierung hat sich geweigert, das fortzuschreiben.
Das alles sind wichtige und notwendige Maßnahmen, die aber in der Tat langfristig wirken. Wie hat sich die CDU verhalten, als wir diese Maßnahmen für die Kinder, für die benachteiligten Familien beschlossen haben? PlusKITA – NRW-CDU ist dagegen. Unser Haushaltsantrag zur Beitragsfreiheit der Familienbildung – NRW-CDU ist dagegen. Stattdessen fordern Sie – das ist besonders bitter –, dass 20 % aller freiwilligen Leistungen in der Familienhilfe gestrichen werden. Das ist Ihre Politik gegen Familien und Kinder. Das ist nicht hilfreich, sondern durch solche Maßnahmen wird die Kinderarmut noch weiter wachsen.
Meine Damen und Herren von der Union, beim Kampf gegen die Armut haben Sie weder im Bund noch im Land etwas zu bieten. Sie sind hier nicht nur bei null, Sie sind tief im Minusbereich. Gerade deswegen finde ich es ganz schön mutig, um nicht zu sagen, tollkühn, dass Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Ich fordere Sie auf: Kochen Sie nicht auf dem Rücken von Kindern und Familien Ihre parteipolitischen Süppchen. Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen. Das ist der Weg.
Nur so können wir die Kinderarmut wirkungsvoll bekämpfen. Zu diesem gemeinsamen Weg lade ich auch die CDU-Fraktion sehr herzlich ein. – Ich danke Ihnen.