Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das habe üb- rigens ich gesagt!)

Ganz im Gegenteil: Es ist wichtig, dass Menschen hier im Landtag gegenüber den Politikerinnen und Politikern ihre Interessen vortragen können, dass Sozialverbände, Gewerkschaften oder auch Initiativen Zugang nicht nur zum Parlament, sondern auch zu einzelnen Abgeordneten haben.

Wichtig ist dabei aber etwas anderes – darauf hat die Kollegin auch hingewiesen –: Wir brauchen Transparenz darüber. Da sind wir mit der Zielrichtung Ihres Antrags sehr einig. Die Transparenz ist besonders

dann wichtig, wenn Vertreterinnen der Regierung direkt und unmittelbar angesprochen werden und wenn diese Kontakte stattfinden. Wir sind sehr dafür, dass diese Kontakte dann transparent gemacht werden, damit der Austausch klar ist und auch klar wird, woher dieses Ansinnen kommt. Da sind wir sehr nah bei Ihnen.

Allerdings sind wir auch sehr dafür, dass wir das differenziert diskutieren. Ihr Antrag bietet dafür keine besonders gute Grundlage. Deswegen ist es vernünftig, wenn er an den Hauptausschuss und die anderen beratenden Fachausschüsse verwiesen wird.

Ich möchte an dieser Stelle noch auf etwas anderes hinweisen. Mir macht es schon Probleme, wenn ich mir einige Kolleginnen und Kollegen anhören muss, die Politik als Ware verkaufen, die vom Markendesign in der Politik sprechen und die eher Designsprache benutzen, die also auf die Marke Politik setzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Ihre Partei scheint da besonders anfällig zu sein.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Als letzten Punkt möchte ich ansprechen – schließlich ist das hier im Landtag gar nicht furchtbar lange her; es war im Jahr 2010 vielleicht auch nicht ganz wahlunentscheidend –, dass die CDU sich damit einen Namen gemacht hat, dass man sich den Zugang zu Ministerpräsident Rüttgers – damals firmierte das unter „Rent-a-Rüttgers“ – auf Parteitagen offenbar in einem Konzept erkaufen konnte.

Das sind Auswüchse, liebe Kolleginnen und Kollegen die wir ausdrücklich nicht haben wollen. Deswegen setzen wir uns für Transparenz ein.

Dass Interessenvertretung auch nicht eins zu eins sinnvoll ist, sehen wir unter anderem am VWSkandal. All das, was dort vorgetragen worden ist, all das, was angeblich zu mehr Vertretung der Interessen der Firmen führen sollte, war ein kurzfristiger Erfolg, weil die Normen so gemacht worden sind, wie sich VW das vorgestellt hat. Der volkswirtschaftliche Schaden, der entstanden ist, ist, glaube ich, weitaus größer als das, was durch Transparenz und mehr Diskussion in der Öffentlichkeit hätte eintreten können.

Ich will auch nicht verschweigen, dass ich es einigermaßen merkwürdig finde, wenn beispielsweise Eckart von Klaeden erst die Interessen im Bundestag vertritt und dann wenige Monate später Autolobbyist werden kann.

Alle diese Dinge können wir als Politikerinnen und Politiker nicht gutheißen. Daher ist dieser Antrag sinnvoll. Deswegen stimmen wir auch der Überweisung ausdrücklich zu.

Entschuldigen Sie, Herr Kollege. Würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Krückel zulassen?

Bitte.

Herr Kollege Mostofizadeh, wenn Sie den Kollegen von Klaeden ansprechen, frage ich Sie: Ist es für Sie ein Unterschied, ob zum Beispiel Arbeitnehmervertreter in Ministerien wechseln – wie das im Bundesarbeitsministerium bei vier Parlamentarischen Staatssekretären der Fall ist, die dort ihre Interessenarbeit als Ex-Gewerkschafter fortsetzen – oder ob Leute aus der Politik in die Wirtschaft wechseln?

Herr Kollege Krückel, vielleicht hätten Sie jetzt auch Ross und Reiter nennen können. Dann wäre das transparenter gewesen.

(Bernd Krückel [CDU]: Ich liefere Ihnen die Namen der Staatssekretäre gerne nach!)

Ja, selbstverständlich; gerne. – Mir geht es aber um etwas anderes. Mir geht es um folgenden Vorgang: Eckart von Klaeden war im Bundeskanzleramt tätig und hat mit dafür gesorgt, dass die EUAbgasnormen verwässert worden sind. Kurze Zeit später wechselte dieser Eckart von Klaeden als Autolobbyist in die Wirtschaft. Das hat einen eindeutig negativen Nachgeschmack. Und das möchte ich hier so nicht haben, Herr Kollege.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich mache da auch keinen Unterschied, ob das jemand von CDU, Grünen oder SPD ist.

Der Antrag, den Sie vorgelegt haben, hat eine wichtige Zielrichtung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten. Er hat allerdings relativ wenig Substanz.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Die CDU sagt, er habe zu viel Substanz!)

Deswegen muss er in die Ausschüsse hinein.

Ich weise noch auf einen anderen Punkt hin. Wir müssen uns auch immer überlegen: Wie viel Aufwand treiben wir mit der Transparenz, und wie viel Nutzen haben wir davon? Wir haben einen hohen Aufwand getrieben, um sehr früh – als erste Fraktion, deutlich vor Ihnen – beispielsweise unsere Einkünfte transparent zu machen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das ist doch kein Aufwand! Das rechnet man einmal aus und veröffentlicht es dann!)

Sie sehr dezidiert bis auf den Euro auszuweisen, ist ein sehr hoher Aufwand. Die Zugriffe, die auf diese Daten genommen werden, sind allerdings eher überschaubar.

Deswegen ist es sinnvoll, wenn sich die Landesregierung in Zusammenarbeit mit den Fraktionen Gedanken darüber macht, wie dieses Register aussehen kann. Mit Ihrem Antrag wird das nicht ausreichend sein. Die Zielrichtung ist richtig. Wir sollten uns Gedanken machen und am Ende des Tages ein vernünftiges Konzept vorlegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Diet- mar Schulz [PIRATEN]: Ihr wollt ja nur einen eigenen Antrag haben! Das ist doch der Punkt!)

Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Freimuth.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lobbying ist Interessenvertretung und gut, richtig und auch notwendig in einer lebendigen Demokratie. Wie gerade schon richtig erwähnt worden ist, geht es eben auch um den Dialog mit der Gesellschaft, auf den jeder von uns hier im nordrhein-westfälischen Landtag, aber auch in allen anderen Parlamenten angewiesen ist.

Durch den technologischen Fortschritt und die mit ihm einhergehende zunehmende Zahl verfügbarer, für eine Entscheidungsfindung regelmäßig notwendiger Informationen sind die Strukturen moderner Gesellschaften, aber auch parlamentarischer Entscheidungsprozesse in den vergangenen Jahrzehnten immer komplexer geworden. Informationen sind die Grundlage parlamentarischer Abwägungen und Entscheidungen – auch bei jedem einzelnen Abgeordneten.

Aufgrund der zunehmend komplexeren zu entscheidenden Sachverhalte verlangen die Entscheidungsnotwendigkeiten oftmals weniger den Generalisten, sondern zunehmend auch spezialisierte Abgeordnete. Und die Informationsbeschaffung erfolgt dann eben auch typischerweise unter Rückgriff auf externen Sachverstand.

Man hat es allein schon in den vergangenen Jahren bei uns im Landtag beobachten können: Die Zahl der Sachverständigenanhörungen und Expertengespräche hat von Jahr zu Jahr zugenommen. Wir fragen immer mehr externe Sachverständige um Rat. Herr Kollege Krückel, ich möchte mir gerne, wie, glaube ich, alle anderen Fraktionen hier im Hause, auch die Freiheit nehmen, die Sachverständigen und Experten einzuladen, die wir dafür für notwendig erachten, und diese nicht davon abhängig machen, ob sie in

ein Register eingestellt sind oder nicht; auch weil die Anhörungen ja öffentlich sind, ist Transparenz gegeben.

Meine Damen und Herren, diese Praxis der Sachverständigenanhörungen ist aus meiner Sicht auch nicht zu beanstanden, auch die individuelle Hinzuziehung von externem Sachverstand nicht, weil die Entscheidung durch die Abgeordneten selbst erfolgt und eben nicht durch die zur Informationsgewinnung herangezogenen Dritten.

Der Antrag der Piraten drückt nicht nur den Zweifel an der Entscheidungssouveränität der Abgeordneten aus, sondern offenbart auch ein massives Misstrauen gegenüber jenen dritten Personen, deren Sachverstand sich das Parlament, seine Fraktionen oder die einzelnen Abgeordneten auch zunutze machen wollen. Es wird nicht unterschieden, aus welchem Grund es zum Beispiel zu einer Kontaktaufnahme oder Kommunikation zwischen den Mitgliedern des Parlamentes oder der Landesregierung und einem Dritten kommt. Die Reduktion auf Kennzahlen berührt das freie Mandat aller Abgeordneten, indem dazu gezwungen werden soll, jeden einzelnen Kontakt mit Angaben zu der Initiative in das Register einzustellen.

Möchte beispielsweise der oder die Abgeordnete sich des vermuteten Fachwissens eines Verbandsvertreters bedienen, wäre der auf Initiative des oder der Abgeordneten angebahnte Kontakt anschließend im Register zu vermerken. Meine Damen und Herren, ich habe dazu in der Tat ein anderes Verständnis der freien Mandatsausübung.

(Dietmar Schulz [PIRATEN] meldet sich zu ei- ner Zwischenfrage.)

Danke, ich möchte gerne in diesem Kontext auch fortfahren, Herr Kollege Schulz.

Ich sehe in dem Antrag der Piraten sicherlich einen sinnvollen Anstoß, hier eine Diskussion darüber zu beginnen, wie nachvollziehbar Partikularinteressen und ihre Interessenvertretungen in den parlamentarischen Entscheidungsprozessen abgebildet werden können, weil wir als Abgeordnete eben den Interessen des Gemeinwohls verpflichtet sind.

Wenn aber die in dem Piratenantrag geäußerte Grundannahme von fremdbestimmten Abgeordneten hier greifen sollte …

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Es geht um die Landesregierung, nicht um die Abgeordne- ten!)

Herr Kollege, dann schreiben Sie es in Ihren Antrag auch ausdrücklich nur so rein!

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das steht da drin!)

Hier geht es nämlich auch um das Parlament und nicht nur um die Regierung. Sie nehmen Anleihen an dem EU-Transparenzregister. Im Unterschied zu dem EU-Transparenzregister sollen die von Ihnen angedachten nordrhein-westfälischen Regelungen pflichtig sein und nicht freiwillig ausgestaltet werden.

Bei der EU-Regelung gibt es im Übrigen für die Kommission, was dann vergleichbar wäre mit der Regierung, auch strengere Verpflichtungen. Dem kann man in der Tat folgen. Allerdings würde, wenn man Ihrem Antrag an der Stelle entsprechen wollte, hier ein bürokratisches Monster entstehen, was wir auch auf der europäischen Ebene nicht haben und für NRW auch nicht wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden das notwendigerweise im Ausschuss weiter und detaillierter diskutieren. Ich glaube, der Antrag der Piraten greift erheblich zu kurz. Das Anliegen, dass wir unsere Entscheidungsprozesse in den Parlamenten stärker den Bürgerinnen und Bürgern erklären wollen, diese besser nachvollziehbar machen wollen, sollte uns einen. Aber der Antrag hier beinhaltet leider keine zielführenden Regelungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Herzlichen Dank! – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Transparenz ist ein Wert an sich, für diese Landesregierung allemal. Wir gehen mit Open.NRW, mit dieser Strategie einen wichtigen Schritt in Richtung Transparenz. Wir haben weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht.