Protokoll der Sitzung vom 07.11.2012

Das ökologische Überleben ist die Basis für ökonomisches Leben. Wie in keinem anderen Politikbereich bedeutet falsches Handeln oder gar Nichthandeln in der Ökologie, dass die Folgen unumstößlich eintreten werden. Wir sehen es gerade bei den globalen Zerstörungen, im Bereich der Biodiversität oder beim Klimawandel. Die Natur lässt sich nicht betrügen. Deshalb müssen wir auf sie hören lernen – wir alle zusammen. Das ist eine Jahrhundertaufgabe, meine Damen und Herren.

Weil ich gerade vom Betrügen rede, lassen Sie mich den Schwenk zu den Finanzdienstleistungen machen. Beim wirtschaftlichen Verbraucherschutz setzen wir richtigerweise einen weiteren Schwerpunkt. Das heißt für uns, dass wir weiterhin auf den fortgesetzten Ausbau der Verbraucher/innenberatung über das Netz der Verbraucherzentralen in NRW setzen. Frau Schulze Föcking, zumindest in meinem Wahlkreis, in Neuss, ist ein finanzielles Bekenntnis der CDU nicht erkennbar. Das heißt, Sie halten hier Sonntagsreden für ein gutes Netz der Verbraucherzentralen, und vor Ort stellen Sie die kommunalen Mittel nicht zur Verfügung.

Zudem beobachten wir, dass bei den derzeitigen finanziellen Verwerfungen auf dem Finanzmarkt, der anhaltenden Rentendiskussion, aber auch der wachsenden Armut, insbesondere Altersarmut, viele

Menschen auf der Suche nach möglichst sicheren Finanzprodukten, Geldanlagen und Krediten sind. Vor diesem Hintergrund beobachten wir verstärkt auch unseriöse Praktiken der Anbieter, insbesondere solcher Anbieter auf dem grauen Kapitalmarkt, also dem untypischen Finanzsektor.

Um dem entgegenzuwirken – ich freue mich ganz besonders, dass Klaus Müller, der Chef der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, auf der Zuschauertribüne sitzt –, wollen wir rasch wirksame Instrumente einführen, die es den Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, den Anbietern von Finanzdienstleistungen auf Augenhöhe zu begegnen. Dazu zählen eine einheitliche Aufsicht im Finanzsektor und die Etablierung von sogenannten Finanzmarktwächtern bei den Verbraucherzentralen.

In der Umwelt- und Verbraucherpolitik weist der Haushaltsvorschlag insofern in die richtige Richtung. Wir werden den Minister gerne weiterhin unterstützen getreu dem Motto von Johannes Rau: Sagen, was man tut, und tun, was man sagt.

Es geht um die Vermeidung von Eindimensionalität und eine wirksam und gut arbeitende Umweltverwaltung. An dieser Stelle: Herzlichen Dank all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dort aktiv sind, damit es solche Schweinereien wie bei Envio in Zukunft möglichst nicht mehr gibt, und dass sie, wenn es sie gibt, transparent aufgearbeitet werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Markert. – Für die Piratenfraktion spricht Frau Kollegin Brand.

Simone Brand (PIRATEN) : Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir die Politik Ihres Ministeriums anschaue, Herr Minister Remmel, fällt mir immer wieder die Geschichte vom Hasen und Igel ein: Man hetzt wie wild herum in kleinen und eiligen Schritten, aber der nächste Umwelt- und Verbraucherskandal ist immer schon da. Vorausschauende und nachhaltige Politik sieht nach Meinung der Piraten deutlich anders aus.

Im Bereich des Umweltschutzes, also des Kernbereichs grüner Politik, ist die Bilanz wirklich mager.

Ein tolles Beispiel für bürgerferne und umweltschädliche Politik ist die CO-Pipeline. Die Regierung hechelt den Wünschen der Bayer AG hinterher und genehmigt den Bau einer Pipeline, für die Bürger wegen angeblicher Gemeinnützigkeit sogar enteignet werden müssen. Sie können doch nicht ernsthaft darüber überrascht gewesen sein, dass die Bürger NRWs davon nicht begeistert sind! Trotz allem werden Steuergelder für etliche Gerichtsverfah

ren, Gutachten, Expertenanhörungen in die Landschaft geblasen. Da hätte man mit Sicherheit etwas Besseres machen können, zum Beispiel eine Bürgerbefragung.

Deshalb fordern wir Piraten, diesem Treiben ein Ende zu setzen und den Bau der Pipeline verbindlich zu untersagen.

Aber das ist ja nicht die einzige Pipeline, die bei Ihrem Ministerium für Überraschung sorgte. Völlig unvermittelt stellt man fest, dass eine Kerosinpipeline der Firma Shell in Wesseling, die ja „erst“ vor knapp 70 Jahren gebaut wurde, plötzlich nicht mehr hält, eine Pipeline, die mit Wissen und Genehmigung der Landesregierung unter dem sogenannten Bestandsschutz immer noch weiter betrieben werden darf. Ich mag Seen ja wirklich gerne, aber muss es einer aus Kerosin sein?

Das nächste Umweltproblem, das dieser Regierung auf den Weg springen könnte, ist die Urananreicherungsanlage in Gronau. Aber auch hier kommt die Landesregierung nicht voran. Es reicht nur für die Absichtserklärung, die Urananreicherung irgendwann zu beenden. Ich hoffe nur, dass wir diesmal nicht erst eine Umweltkatastrophe brauchen, bevor die Regierung verbindlich handelt.

Daher fordern die Piraten eine rechtlich bindende Bundesratsinitiative, um die Urananreicherung endlich zu stoppen.

(Beifall von den PIRATEN)

In der Landwirtschaft sieht Ihre Politik auch nicht besser aus. Seit Jahren werden von Ihnen in erster Linie die Interessen von industriellen Tierhaltern, Fleischgroßhandel und Pharmaindustrie bedient. Und was für eine Überraschung, taucht doch glatt der nächste Skandal auf. Wer könnte auch ahnen, dass, wenn man Tiere massenhaft mit Antibiotika vollstopft und auf engstem Raum zusammenpfercht, es am Ende lauter neue multiresistente Keime gibt?

Frau Kollegin Brand, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Markert zulassen?

Nein. – Der Verbraucher steht wieder nur daneben und muss mit den Konsequenzen leben. Auch hier ist Ihre Politik von Nachhaltigkeit weit entfernt.

Ich fand es gerade sehr interessant, dass Frau Schulze Föcking es geschafft hat, sehr lange über Landwirtschaft zu reden, ohne ein einziges Mal Tiere zu erwähnen. Seit zehn Jahren rennt diese Regierung dem Verfassungsziel eines guten Tierschutzes hinterher. In dieser Woche gibt es sogar das Jubiläum. Und was ist daraus geworden? – Wieder einmal kann die Politik mit der Realität nicht mithalten. In diesen zehn Jahren ist die Zahl der

Tierversuche um 1 Million gestiegen. Die Novelle des Tierschutzgesetzes wird Stück für Stück von Frau Aigner wieder kassiert. Und in den Medien erfährt der Verbraucher von unwürdigen Zuständen in der Putenhaltung.

Ziele setzen reicht eben nicht. Man muss sie auch erreichen wollen. Wie lange mag es wohl dauern, bis der nächste Skandal „völlig überraschend“ auftritt?

Ich weiß, Herr Minister Remmel, es muss für Sie sehr schwierig sein, in dieser Koalition grüne Politik zu machen. Ich versichere Ihnen aber: Sie können jederzeit mit der Unterstützung der Piraten rechnen, wenn Sie versuchen, die Tierhaltungsbedingungen in der industriellen Landwirtschaft zu verbessern.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Verbraucherschutz ist ein weiterer Pfad gepflastert mit guten Absichten. In Ihrem Koalitionsvertrag verabreden Sie, die Rechte der Verbraucher zu stärken. Aber wir wissen ja, wie das mit guten Absichten ist.

Vor Kurzem musste der erstaunte Bürger zur Kenntnis nehmen, dass 11.000 Menschen schwer erkrankten, weil sie in Schulen und Kitas mit verseuchten Erdbeeren aus China versorgt wurden.

Man muss sich nicht sehr darüber wundern, keine Spitzenqualität zu bekommen, wenn man mit äußerst knappen Mitteln im Oktober möglichst billig einkauft. Dieser Kelch ist glücklicherweise an NRW vorbeigegangen. Wer jetzt aber glaubt, es würde verbindliche Mindeststandards für die Verpflegung in Kantinen, Schulen und Kitas geben, der irrt. Bestimmt machen die Darmbakterien an der Grenze Nordrhein-Westfalens halt und werden uns nicht weiter belästigen.

Was also stellen wir Piraten uns unter guter, nachhaltiger, bürgernaher Politik vor?

Lassen Sie die einhundert versprochenen Umweltüberwacher nicht nur ein Versprechen bleiben. Schaffen Sie verbindlich mehr Sicherheit für Umwelt und Verbraucher. Reden Sie nicht nur über Verbraucherbildung, sondern tun Sie auch etwas dafür. Gern würden wir Piraten gemeinsam mit Ihnen einen Masterplan „Verbraucherbildung“ entwickeln. Denn nur informierte Verbraucher können die für sie richtigen Entscheidungen treffen.

Dem ungebremsten Einsatz von Medikamenten in der Landwirtschaft muss dringend Einhalt geboten werden. Das ist aber nur möglich, wenn NRW seine rückständige Politik im Bereich der ökologischen Landwirtschaft überdenkt. Andere Bundesländer sind da schon wesentlich weiter.

Die Lebensmittelüberwachung muss deutlich gestärkt werden. Eine flächendeckende Lebensmittelkontrolle im Zusammenhang mit klarer und über

sichtlicher Kennzeichnung sorgt für mehr Sicherheit für den Verbraucher.

Proaktiver Verbraucherschutz muss zu einem Leitziel unserer Politik werden. Die Verankerung des Verbraucherschutzes in der Landesverfassung wäre ein gutes Zeichen in die richtige Richtung.

Tierschutz darf nicht nur ein Etikett sein. Lassen Sie uns zeitnah ein gutes Verbandsklagerecht verabschieden, das es Tierschutzverbänden ermöglicht, den unterbesetzten Behörden zu helfen.

Zu guter Letzt, sehr geehrte Damen und Herren, Herr Minister Remmel: Die Landesregierung rennt wieder einmal so schnell sie nur kann. Kalt erwischt wird sie diesmal davon, dass Menschen doch tatsächlich auch älter werden und plötzlich unvermittelt in Pension gehen – so auch bei der Landwirtschaftskammer.

Ja, Herr Remmel, wir haben das noch nicht abgehakt. Wieder einmal muss die Landesregierung in die Steuerkiste greifen, um mit 10 Millionen € eine Finanzierungslücke zu stopfen – eine Finanzlücke, die nur dadurch auftaucht, weil Sie sich von der Landwirtschaftskammer auf der Nase herumtanzen lassen.

Hören Sie endlich auf, nur zu reagieren. Verzichten Sie bitte auf kurzatmige Affektpolitik und lassen Sie uns gemeinsam an bürgernaher und vorausschauender Politik arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Brand, mit Ihnen will ich anfangen, weil es relativ naheliegt. Auch Ihre Worte mit dem Hasen und dem Igel sind noch in Erinnerung.

Mittlerweile, nach einem guten halben Jahr hier im Landtag Nordrhein-Westfalen, ist es an der Zeit, Ihre Vorschläge bzw. Lösungsansätze etwas kritischer unter die Lupe zu nehmen. Es reicht, um parlamentarisch bestehen zu können, nicht, Probleme nur zu benennen, sondern man muss auch konkrete Lösungen anbieten. Man muss die Lösungen so anbieten, dass sie an den konkreten Problemen ansetzen und nicht irgendwelche Wolkenkuckucksheime skizzieren, die mit der Problemlösung gar nichts zu tun haben.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ich will an dem Beispiel Urananreicherungsanlage in Gronau deutlich machen, worüber wir konkret reden. Allein das Problem zu benennen, reicht nicht.

Sie müssen auch das skizzieren, was wir bereits gemacht haben. Es gibt nämlich aufgrund einer Initiative aus Nordrhein-Westfalen einen einstimmigen Beschluss des Bundesrates, auch diesen Teil der Atomwirtschaft in der Bundesrepublik zu beenden. Der Beschluss wurde, wie gesagt, einstimmig gefasst. Es ist die Bundesregierung, die diesen Beschluss nicht umsetzt. Die Landesregierung kann dazu nun wirklich keinen Beitrag leisten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir müssen hier eine Initiative Richtung Bundesregierung starten. Ich würde mir wünschen, dass Sie an meiner Seite wären.

Auch die Frage der Landwirtschaftskammer muss man richtig verorten. Hier sind in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen worden, die uns heute finanzielle Probleme bereiten. Wir können nicht einer Institution, die immerhin in weiten Teilen die Landwirte berät und auch hoheitliche Aufgaben für uns wahrnimmt, von heute auf morgen den Geldhahn zudrehen, weil die Vorgängerregierung nicht rechtzeitig Vorsorgeleistungen für die Versorgungsempfänger eingeplant hat. Deshalb muss es hier einen Übergang und dann eine endgültige Lösung geben. Die Landesregierung jedenfalls lässt die Beschäftigten und diese Aufgaben nicht einfach im Regen stehen.

Nun aber, und das war der wesentliche Teil der Debatte, zu den Initiativen und Beiträgen der Opposition aus CDU und FDP. Ich muss ehrlich sagen: Ich bin erschrocken, dass Ihnen bei der inhaltlichen Positionierung zum Einzelplan 10, bei dem es um die Zukunft, um die Lebensfragen dieses Landes geht – um Umwelt, Naturschutz, Verbraucherschutz, Klimaschutz –, nichts anderes einfällt, als über Filteranlagen in Schweineställen zu reden oder die Frage der Begleitung der Jagd von Hubertusmessen zu diskutieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)