Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

Uns geht es nicht darum, bestimmte Teile der Betrachtung abhängig davon auszusparen, wer wann Regierungsverantwortung hatte. Uns interessiert jedes Regierungshandeln jeder rot-grünen und jeder schwarz-gelben Landesregierung in NordrheinWestfalen. Und wenn Herr Steinbrück massiv in ei

ner rot-grünen Regierung begann, das Offshoregeschäft der WestLB auf- und auszubauen, dann wird das beleuchtet.

(Beifall von der FDP)

Wenn die schwarz-gelbe Landesregierung nach ihrem Amtsantritt nicht sofort jedes Geschäft aufgelöst hat und bestimmte Gesellschaften weiterexistiert haben, dann wird auch das selbstverständlich beleuchtet. Genauso wird wiederum eine rot-grüne Landesregierung – sie ist seit 2010 im Amt und muss sich dafür verantworten, was sie getan hat – beleuchtet.

Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss, bitte.

Ich habe ja noch etwas Redezeit aus der letzten Runde.

Das weiß ich nicht. Es steht nicht bei mir auf dem Zettel. Entschuldigung!

Deshalb habe ich noch etwas Zeit. – Vielen Dank, Herr Präsident!

Nicht mehr lange!

Deshalb erwarte ich von Ihnen, Herr Finanzminister, dass Sie mindestens die Maßstäbe, die Sie verbal in der Auseinandersetzung mit Privaten anlegen, auch für den öffentlichen Bereich gelten lassen.

(Beifall von der FDP)

Eigentlich wünsche ich mir – das erwarte ich auch von Ihnen –, dass vonseiten der öffentlichen Hand noch ein bisschen mehr Seriositätsanspruch gewahrt wird. Nicht das, was gerade noch so eben durch die Rechtsordnung gedeckt ist, sollte das Kriterium sein. Vielmehr sollte Kriterium sein, dass auch öffentlich so vorbildlich gehandelt wird, wie man es sich idealerweise von allen wünscht. Da haben Sie in diesem Landtag noch einen Aufklärungsbeitrag zu erbringen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Witzel. – Nun ist als nächster Redner Herr Kollege Abel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Optendrenk und Herr Witzel, Sie haben das Thema „Steuervermeidung“ ja ganz schön vermieden.

Zumindest in Ihrem ersten Beitrag, Herr Dr. Optendrenk, haben Sie das ja noch nivelliert. Dann aber haben Sie in Ihrem zweiten Beitrag einen Gegenstand ausgebreitet, zu dem Sie sagten, dass das alles ganz furchtbar sei. Also so ganz kongruent sind Ihre Beiträge dazu nicht.

Ich habe in meinem Beitrag eben darauf hingewiesen, dass es hier in diesem Hause nicht akzeptiert werden sollte, dass es inzwischen als normal gilt, wenn Schiffe deutscher Reedereien auf den Weltmeeren unter anderer Flagge fahren. Und ich habe gesagt, die machen das vor allem, um Standards zu entgehen.

Wenn mir dann auf Facebook Ihre Trolle von der FDP vorwerfen: „Was tun Sie eigentlich, damit diese Firmen nicht ins Ausland gehen? Was tun Sie eigentlich gegen zu hohe Steuern?“, zeigt das ganz genau das Problem, das wir hier in der Debatte haben.

Es geht bei den Panama Papers nicht darum, dass Nico Rosberg und Mercedes es sich nicht leisten können, normal zu versteuern, wie sich das gehört. Es geht bei der Debatte um Steuergerechtigkeit und Steuerhinterziehung nicht darum, dass Lionel Messie von Barca es sich nicht leisten kann, ganz normal in Spanien zu versteuern. Es geht darum, dass sich die Leute, die über Vermögen verfügen und Zugang zu Beraterfirmen haben, mit Offshorefirmen aus den ganz normalen Verpflichtungen, die für Bürgerinnen und Bürger eines Landes bestehen, herausstehlen. Darum geht es, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Und es geht darum, was wir dann als Bundesrepublik Deutschland tun. Wenn wir dem „SPIEGEL“ Glauben schenken wollen, gehört Deutschland – neben Irland, Malta, Zypern, neben den ganzen Niedriglohnländern – zu den Ländern, die sich in den letzten Wochen und Monaten mit Händen und Füßen gegen die Einführung eines Transparenzregisters gewehrt und versucht haben, die Umsetzung der 4. EU-Geldwäscherichtlinie auf Arbeitskreissitzungen zu verhindern. Das waren Ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble und Ihr Staatssekretär Michael Meister.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Machen Sie doch endlich Ihren Einfluss geltend! Sie sind der größte Landesverband. Sie haben einen Staatssekretär in diesem Hause. Handeln Sie endlich! Denn wenn wir nicht handeln, dann treiben wir den Extremisten die Stimmen zu. Ich habe keine Lust, dass es dann als akzeptiert gilt, dass 2017 hier eine AfD sitzt. Handeln Sie endlich! Sie haben die Möglichkeiten dazu. Wir fordern Sie in diesem Antrag dazu auf. Wir wollen jetzt auch etwas sehen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten das auch.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Abel. – Als nächster Redner auf der Liste ist für die Landesregierung der Finanzminister, Herr Dr. Walter-Borjans, gemeldet.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Wenn ich einmal von den etwas bedenklichen Zwischenrufen absehe, muss ich eines feststellen: Wir sind mittlerweile in dieser Debatte wenigstens so weit, dass wir wohl alle nicht in Zweifel ziehen, dass mit den Panama Papers und auch schon mit den Ermittlungsergebnissen in den Jahren davor etwas zutage getreten ist, das dringend angegangen werden muss.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Hier werden Hunderte von Milliarden vorenthalten, die wir dringend gebrauchen könnten, um Ehrliche zu entlasten und gleichzeitig trotzdem dazu beizutragen, dass der Staat mit dem, was Wirtschaft und Menschen in diesem Staat erwarten können, finanzierbar ist. Das muss angegangen werden. Daran besteht – ich habe es ja auch am Anfang gesagt – zumindest in der Rhetorik schon einmal kein Zweifel mehr. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist: Dann müssen wir allerdings gemeinsam nicht nur Punkte aufstellen, sondern sie auch umsetzen. Und – das können Sie gerne als Eigenlob bezeichnen – Nordrhein-Westfalen kann in den letzten Jahren eine Menge Taten vorlegen, die nicht bloß Punkte sind, die irgendwo gefordert worden sind. Es kann aber auch eine Menge Punkte vorlegen, die gefordert worden sind und bei denen die Taten da, wo sie gebraucht worden wären, nämlich auf der Bundesebene, beim Bundesfinanzminister und beim Bundesfinanzministerium, nicht zustande gekommen sind.

Sie haben heute schon einmal Herrn Kubicki zitiert. Ich sehe ihn ja gelegentlich schon einmal, wenn wir über diese Punkte diskutieren. Fragen Sie ihn einmal, was er sagt, wenn er am Rande darauf angesprochen wird, ob die Verteilung unter seinen Kunden, was die Parteinähe angeht, eigentlich eine in Deutschland sehr repräsentative ist oder ob da seine Klientel vielleicht etwas mehr vorkommt. Dann wird er Ihnen ganz ehrlich sagen: Das ist locker 80 zu 20 verteilt.

Da stellt man sich doch die Frage: Kann es sein, wenn mit einer solchen Verzögerungstaktik verhindert wird, dass wir gegen manipulierte Kassen vorgehen, dass vielleicht auch Überlegungen dabei sind, wem man nicht auf die Füße treten will?

Wenn diese Vermutung falsch ist, sollten Sie sich hierhin stellen und sagen: Wir gehen gemeinsam dagegen vor. Es ist egal, zu wem jemand mehr neigt. Wir wollen diesem Treiben ein Ende setzen, weil wir auch eine Menge Ehrliche unter unseren Anhängern

haben, denen wir das nicht zumuten wollen. – Dann lassen Sie uns das gemeinsam machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Witzel, ich finde es ja schön, wenn Sie sagen, wir sollten nicht immer gucken, wer jetzt wann und wo gerade Verantwortung getragen habe, wenn wir uns darauf verständigen können, dass wir, die wir hier sitzen und hier reden, eindeutige, klare Positionen haben. Dann versuchen Sie nicht, Glaubwürdigkeit zu zerschießen. Ich bin niemand, der deswegen, weil irgendwo unter SPD-Ägide – oder CDU- oder FDP-Ägide – irgendetwas gemacht worden ist, was eine Schweinerei war, nichts tun wollte. Dann lassen Sie uns das angehen. Aber Sie haben es hier immer in diesen Zusammenhang gebracht.

Nehmen wir doch zum Beispiel wieder die Stadt Köln und ihre Messe. Diese Entscheidung der Firma in den USA ist 2001 gefallen. Sie ist nicht gefallen, als dieser Finanzminister in Köln Verantwortung getragen hat. Sie ist auch unter einem andersfarbigen Oberbürgermeister getroffen worden. Es hat auch nicht der Finanzminister oder der Ministerpräsident Peer Steinbrück massiv in Offshore investiert, sondern er war zu dieser Zeit Finanzminister und Ministerpräsident. Es geht nicht darum, dass man heute sagt: Hätte man da vielleicht schon einmal diese Frage stellen können?

Wir wissen doch alle gemeinsam, dass offenbar lange Zeit die Frage oder auch die Größenordnung dieses Komplexes bei den Banken überhaupt nicht bekannt und bewusst war. Das werfe ich auch nicht Menschen anderer parteipolitischer Orientierungen in der damaligen Zeit vor. Aber dann müssen wir jetzt sagen: Lassen Sie uns handeln.

Wenn es wirklich so ist, dass wir die Ehrlichen nicht auch noch bestrafen wollen und dass wir nicht einen Unterschied zwischen der Arbeitswelt und der Kapitalwelt machen wollen, frage ich mich zum Beispiel: Wie gehen wir denn dann damit um, dass Bundesfinanzminister Schäuble sagt: „Die Abgeltungsteuer von 25 % auf Kapitalerträge war eine Notlösung“? Sie war übrigens eine Notlösung von Peer Steinbrück. Er sagt sogar, dass sie zu diesem Zeitpunkt richtig war, weil es in der Tat nach der Regel „Lieber 25 % von X als 42 % von nix“ besser war, überhaupt jemanden zur Steuer zu veranlagen.

Wenn wir aber international einen automatischen Informationsaustausch haben, dann können wir die 42 % eben auch von X und nicht von nix kriegen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Dann herrscht zwischen Kapitalzinsverdienern und Arbeitseinkommensverdienern Augenhöhe. Warum bezahlen die Höchstverdienenden in dieser Republik denn nahe an 25 %? Weil sie ihre Gehälter in Divi

denden und in Kapitalerträgen ausbezahlt bekommen. Da findet auch kein automatischer Informationsaustausch statt. Das müssen sie gar nicht angeben; denn die 25 % werden als Quellensteuer abgezogen, und damit hat es sich.

Der Bundesfinanzminister hat das erkannt. Er kann sich in seiner Fraktion nicht durchsetzen. Ich habe ja selber mit am Tisch gesessen, als wir diese gemeinsamen Gespräche geführt haben. Ich weiß doch, wer ihm da reingegräscht ist.

Dann sollten wir gemeinsam alle hier in diesem Haus, die es ernst nehmen, ihn dabei unterstützen, das umzusetzen, und ihn dann aber auch beim Wort nehmen und überprüfen, ob er es wirklich so gemeint hat.

Noch eine Anmerkung zum Thema „Koelnmesse“! Da kann ich sogar sagen: Das habe ich vorher übersehen. Ich muss Sie nicht vertrösten. Ich habe sogar einen Hinweis in meinen Unterlagen gehabt, was denn damit ist, weil wir natürlich auch gefragt haben: Wie sieht es denn in diesem Zusammenhang aus? Da steht, wie gesagt: Im Jahr 2001 – wohlgemerkt: im Jahr 2001 – ist die Entscheidung getroffen worden. – Ich glaube, dass bei international tätigen Messen die Tatsache, dass die Büros in den Ländern haben, in denen sie tätig sind, zu den Tatsachen gehört, bei denen man sagen kann: Ja, da kann es sein, dass man diese Adresse wirklich braucht. – Das muss nachgewiesen werden. Ich habe nichts gegen die Beweislastumkehr. Ich habe nichts dagegen, wenn man sagt: Das müsst ihr uns aber wirklich genau belegen!

In diesem Fall ist es so, dass die Tatsache, dass es im Staat Delaware eine umfassende Rechtsprechung zu gesellschaftsrechtlichen Fragen gibt, 2001 dazu geführt hat, diese Niederlassung zu bilden. Im Übrigen: Man hat nicht die Steuergesetze des Staates Delaware in Anspruch genommen, sondern versteuert wird am wirklichen Firmensitz der Messe in Chicago/Illinois zu den dort geltenden Bedingungen.

So etwas ist auch nicht herausgekommen etwa durch Panama Papers, weil es vorher verschwiegen worden wäre, sondern das war offen, genauso wie auch die Beteiligungen der WestLB offen waren und den Anlass geben, das auch genau zu überprüfen.

Ich kann noch einmal sagen: Wir haben einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Ich werde jeden Beitrag dazu leisten, Licht da hineinzubringen, ob diese Firmen auch möglicherweise für etwas anderes genutzt worden sind. Wenn sich da jemand strafbar gemacht hat, dann ist es schnurzpiepegal, ob es sich dabei um jemanden handelt, der für eine Beteiligungsgesellschaft des Landes tätig war, oder um irgendjemanden sonst.

Wenn wir uns darauf verständigen können, dass die, die hier sitzen, es ernst meinen, und dass die, die hier

sitzen, nicht nur reden, sondern handeln wollen, und dass da, wo wir es selber in der Hand haben, wir es auch tun und uns nicht gegenseitig zerschießen, dann lassen Sie uns damit weitermachen! Dann sind wir auf dem richtigen Weg. Dann hat sich diese Runde hier heute Morgen sehr gelohnt. – Ganz herzlichen Dank.