Protokoll der Sitzung vom 11.05.2016

Deshalb möchte ich Sie fragen: Welche Erwartungen hat die Landesregierung, haben Sie als Eigentümer an Ihre Landesunternehmen, damit Kunstschätze lückenlos in sämtlichen Unternehmen in NordrheinWestfalen, die dem Land gehören, wieder wertschätzend, fachgerecht und sicher behandelt und aufbewahrt werden? Werden Sie als Landesregierung, als Eigentümer diesbezüglich etwas veranlassen? Oder sind entsprechende Ansprachen schon erfolgt?

Herr Witzel, ich bin Ihnen erst einmal dankbar dafür, dass Sie differenzieren zwischen meiner persönlichen Zuneigung zu Kunst und Kultur und der Rolle, die ich als Finanzminister und auch als Aufsichtsperson in landeseigenen Unternehmen habe, wenn es darum geht, wie beispielsweise Kunst aus Unternehmen übertragen wird. Das war ja der eigentliche Kernpunkt der Auseinandersetzung im letzten oder vorletzten Jahr.

Ich kann nur sagen: Natürlich erwarte ich, dass man mit Kunstwerken entsprechend sensibel umgeht.

Es bestärkt mich aber auch ein Stück in meiner eigenen Einschätzung, dass hier durch die Ereignisse der letzten Jahre – explodierende Preise für Kunstwerke, aber gleichzeitig auch das Bekanntwerden von Künstlern – die ursprüngliche Absicht, die mit dem Kauf von Kunstwerken verbunden war, und die Vorstellungen in Bezug auf das, was heute in diesen Unternehmen lagert, enorm auseinandergegangen sind.

Das heißt: Ich muss diesen Unternehmen gegenüber auch erst einmal konstatieren, dass sie plötzlich zu wertvollen Kunstwerken gekommen sind, was sie ursprünglich nie bewusst angesteuert haben. Das hat

möglicherweise dazu geführt, dass in diesen Unternehmen dieses Bewusstsein nicht von einem auf den anderen Tag entstanden ist.

Gleichzeitig muss ich auch darauf hinweisen, dass es das, was dann an Unfällen passiert ist, bis hin zum Diebstahl, ja nicht nur in einem der Öffentlichkeit gehörenden Unternehmen gibt. Vielmehr kennen wir das auch aus weltbekannten Museen und wissen aus den unterschiedlichsten Bereichen, dass es in diesem Punkt natürlich auch kriminelle Tätigkeiten gibt.

Das ist eindeutig ein krimineller Akt, der ganz offenbar auch nicht von irgendjemandem völlig wahllos begangen worden ist, sondern schon ziemlich ausgefeilt vonstattengegangen ist.

Deswegen ist – zumindest soweit mir im Moment bekannt – die Versicherung auch nicht an dem Punkt, dass sie sagt, Lagerung und Sicherung seien nicht sachgemäß erfolgt. Vielmehr ist hier etwas passiert, was in weltberühmten Museen auch schon passiert ist. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Sie spielen möglicherweise darauf an, dass im Zuge von Renovierungsarbeiten Kunstgegenstände beschädigt worden sind. – Auch das ist etwas, was im Grunde genommen nicht passieren darf. Aber wir alle kennen den Umgang mit der berühmten Badewanne von Beuys, der sicher so nicht beabsichtigt und gewollt gewesen ist. Ja, das gibt es auch. Das ist etwas, was man nicht nur bedauern muss, sondern wo man sagt: Das darf nicht passieren; ihr müsst alle Vorkehrungen treffen, um den Schaden möglichst wiedergutzumachen, aber erst recht, um künftige Schäden zu vermeiden.

In dem konkreten Fall der „Marilyn“ in Aachen handelte es sich um einen Druck in einer Serie, der tatsächlich noch ergänzt werden konnte. Es konnte ein weiterer Druck gekauft werden, sodass dieser Schaden am Ende im Prinzip wieder behoben werden konnte.

Aber deswegen kann ich nur wiederholen: Ja, ich bin mir des Wertes dieser Kunst bewusst.

Der Schluss ist, dass wir uns gemeinsam an einen runden Tisch gesetzt und überlegt haben, wie man es übereinander kriegt, gleichzeitig Kunst zu bewahren und zu schützen und den Belangen dieser Unternehmen Rechnung zu tragen, die die Kunst nicht einfach abgeben können. Für eine solche Abgabe müssen wir Regeln finden. Da sind wir gemeinsam ein ganzes Stück weitergekommen, finde ich.

Die nächste Frage kommt von Herrn Kollegen Wedel.

Vielen Dank. – Herr Minister, zu welchem genauen Zeitpunkt ist das Fehlen der Kunstwerke bei der Portigon aufgefallen?

Herr Wedel, hier in meinen Unterlagen steht, dass am 16. Januar 2015 eine Mitarbeiterin der Portigon AG, die mit der ordnungsgemäßen Aufbewahrung der Bilder betraut war, das Fehlen mehrerer Kunstwerke bemerkt hat. Das war am Tag vor dem Wochenende des 17. und 18., an dem dann eine Inventur durchgeführt worden ist – mit der Folge, dass das Fehlen von Kunstwerken festgestellt worden ist. Am 19. Januar 2015 hat die Portigon AG Strafanzeige erstattet. Dann sind sowohl Finanzminister als auch MFKJKS durch die zuständige Polizeibehörde über den Vorgang unterrichtet worden und auch der damalige Vorstandsvorsitzende hat mich als Mitglied des Aufsichtsrats informiert. Der Aufsichtsrat insgesamt ist am 26. Januar 2015 im Rahmen einer außerordentlichen Sitzung über den Vorfall informiert worden. Es war also alles in den zehn Tagen zwischen dem 16. und dem 26. Januar 2015.

Die nächste Frage kommt von Herrn Kollegen Alda.

Danke, Herr Präsident. – Herr Minister Walter-Borjans, wie wurden die zur Bestandsaufnahme und Pflege der Kunstwerke erforderlichen regelmäßigen Kontrollen bei Portigon und bei WestSpiel durchgeführt?

Das kann ich Ihnen jetzt im Einzelnen nicht beantworten. Mir ist versichert worden, dass in Abstimmung mit den Auflagen der Versicherungen, die die Kunstwerke im Übrigen auch sehr zeitnah bewertet haben – sodass man davon ausgehen kann, dass Versicherungswert und Wert weitestgehend übereinstimmen –, alle Vorkehrungen getroffen worden sind. Da ist es dann auch nicht die Aufgabe des Finanzministers oder des Finanzministeriums, jeweils jedes Detail wieder zu überprüfen. Vielmehr war hier klar: Es gibt die im Wert gestiegene Kunst in verschiedenen Institutionen des Landes, die entsprechend aufzubewahren ist. Das, was wir an Berichten hatten, hat diese richtige, sachgemäße Aufbewahrung bestätigt.

Die nächste Frage kommt vom Kollegen Terhaag.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie sprachen eben von Diebstählen und Zerstörungen auch in anderen Museen.

Deswegen interessiert mich die Summe sämtlicher Kunstverluste bei Landesunternehmen unabhängig von der Ursache. Deshalb lautet meine Frage: Welche einzelnen anderen Fälle sind der Landesregierung bekannt, bei denen im Ergebnis Kunstverluste bei Landesbeteiligungen eingetreten sind, beispielsweise durch Diebstahl, Zerstörung oder Entsorgung?

Mir ist kein anderer Fall bekannt, bei dem es um Diebstahl ging.

Bekannt ist der Fall, von dem ich eben gesprochen habe, dass wir das Bild „Marilyn“ aus der Spielbank Aachen beschädigt vorgefunden haben, bzw. dass es in der Spielbank beschädigt vorgefunden worden ist. Bereits 1977 sind zehn kolorierte Siebdrucke für 15.000 € erworben worden, die damals in der Tat als Dekoration dort hingehängt worden sind. 1988 ist ein Siebdruck dieser Serie von einem Haustechniker beschädigt worden.

Dabei muss man sehen: Mir liegt nicht der Wert vor, den der Druck 1988 hatte, aber dieser Wert war definitiv ein anderer als heute. Damals war das mit Sicherheit die Beschädigung einer – wenn auch hochwertigen – Wanddekoration. Deswegen hat man damals festgestellt: Eine Wiederherstellung ist nicht möglich. WestSpiel hat daraufhin die Reihe durch den Kauf eines neuen Drucks vervollständigt. Inzwischen werden die Drucke von Restauratoren begutachtet und befinden sich in einem Kunstlager. Heute haben sie nach gegenwärtigen Schätzungen einen Wert von rund 1 Million €. Aber, wie gesagt, das ist nicht der Fall gewesen, als das Kunstwerk 1988 beschädigt worden ist.

Etwas Ähnliches gibt es im Zusammenhang mit der Skulptur „Lichtregen“ von Heinz Mack, ebenfalls in der Spielbank Aachen. Sie war ein integraler und funktionaler Teil des Gebäudes der Spielbank und ist im Jahre 2003 – auch das ist 13 Jahre her; wir sollten uns wirklich die Wert- und Preisentwicklung der letzten Jahre vor Augen führen – entnommen und entsorgt worden. Damals war diese Skulptur 30 Jahre alt. Man muss klar erkennen: Es handelte sich nicht um eine Stein- oder eine Stahlskulptur, sondern um eine Lichtskulptur, die in Abhängigkeit von der Funktionsfähigkeit zu sehen war. Sie bestand aus Leuchtkörpern, die es nicht mehr gibt, aus einer Technik und einer Lichtsteuerung, die nicht mehr funktionierten. Sie wurde damals als nicht mehr reparabel angesehen und ist deswegen eben auch entsorgt worden.

Dann gab es eine Edelstahlplastik von Max Bill im Kasino Hohensyburg. Es war eine mehrere Meter hohe Spirale, die für die Architektur der Spielbank maßgefertigt wurde. Als dann eines Tages umgebaut wurde, hier aufgrund von Brandschutzvorschriften, war es erforderlich, die Spirale zu demontieren.

Selbst nach Aussagen der Nachlassverwalter von Bill ist dieses demontierte Werk nicht weiter verwendbar gewesen, also auch nicht wieder anderswo montierbar gewesen. Es hat dann auch etwas damit zu tun, wie diejenigen, die die Rechte an diesem Kunstwerk haben, selbst dieses Kunstwerk als noch existent ansehen oder nicht. Die Folge war, dass man das Werk dann sogar in eine Galerie gegeben hat, wo es verwahrt wird. Über den Wert, den das Kunstwerk jetzt in dieser Form hat, darf man streiten.

Man kann sagen: In einem Schadensfall prüfen die Unternehmen – das ist wie in Museen auch –, ob die Behebung des Schadens zwangsweise mit einer Modifikation des Kunstwerks einhergeht. Da muss man im Zweifel den Künstler oder seine Nachlassverwalter fragen. Wenn das so ist und die Restauration nicht möglich ist, weil das Werk dann dem Kunstverständnis entsprechend nicht mehr so ist, wie es einmal war, dann kann es nur entsorgt werden. In anderen Fällen werden Bilder selbstverständlich nicht entsorgt, sondern restauriert.

Die nächste Frage ist die zweite Frage von Frau Kollegin Schmitz.

Herr Minister, Sie haben wieder mehrfach betont, dass die Kunstmarktpreise zuletzt explodiert seien – richtigerweise. Das bedeutet auch, dass die Versicherungswerte bei Weitem nicht mehr die realen Werte abdecken. Selbst wenn für den Kunstraub oder Kunstdiebstahl bei Portigon eine Versicherung eintritt, dürfte die materielle Entschädigung nicht adäquat sein.

Wie bewerten Sie, Herr Minister, in Anbetracht des explodierenden Marktwertes von Picasso und Münter die Aussage der Bank, dass kein finanzieller Schaden entstanden sei?

Mir liegt die Aussage der Bank vor, dass der Versicherungswert 1,1 Millionen € beträgt und dieser Wert vor zwei Jahren erhoben wurde und deswegen nach Aussagen der Bank dem Marktwert in etwa entspricht.

Ich kann Ihnen gerne zugestehen, dass sich auch in den letzten zwei Jahren Kunstpreise erhöht haben. Ob das für diese Werke auch gilt, kann ich Ihnen nicht sagen; dazu bin ich nicht sachverständig genug.

Es ist die Diskussion – die können wir jetzt gerne wiederholen –, die wir an anderer Stelle schon geführt haben, wenn es um den Wert und den Preis von Kunst geht. Im Moment haben wir sicher eine enorme Preisentwicklung zu verzeichnen. Ich weiß

als interessierter Mensch, dass selbst Gerhard Richter der Meinung ist, dass das der Relevanz der Kunstwerke in vielen Fällen nicht mehr entspricht.

Das Ganze hat einfach damit zu tun, dass angesichts des derzeitigen Zinsniveaus in vielen Bereichen Investitionen in Kunst getätigt werden, was wiederum dazu führt, dass die Preise enorm steigen. Inwiefern die Preise auf diesem Niveau bleiben oder möglicherweise in einiger Zeit auch wieder abrupt sinken – zumal hier ein Verkauf der Kunst gar nicht vorgesehen war –, kann ich nicht sagen.

Deswegen kann ich auch definitiv nicht sagen, inwiefern hier ein materieller Schaden entstanden ist oder nicht.

Die nächste Frage kommt von Herrn Kollegen Nückel.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, bereits im Jahr 2014 soll es ja laut einiger Medienberichte dazu gekommen sein, dass einige weitere kleine, offenbar gut zu versteckende Objekte bei Portigon gestohlen worden sind. Wissen Sie, um welche einzelnen Objekte es sich handelt, und kennen Sie eventuell den ungefähren Wert?

Tut mir leid. Ich habe die Medienberichte natürlich auch zur Kenntnis genommen, die aber in einer ganzen Reihe von Einzelpunkten nicht zutreffend waren, so zum Beispiel hinsichtlich der Zahl derjenigen, die Zugang zu diesen Räumlichkeiten hatten. Deswegen kann ich auch den Bericht – diesen konkreten kenne ich nicht –, dass es noch weitere kleine Kunstwerke gegeben habe, die abhandengekommen wären, nicht bestätigen.

Die nächste Frage von Herrn Kollegen Wedel.

Vielen Dank. Herr Minister, ist das Ermittlungsverfahren wegen des Diebstahls von Kunstgegenständen zum Nachteil der Portigon zum Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung noch gegen Unbekannt oder mittlerweile gegen konkrete Beschuldigte geführt worden?

Herr Wedel, ich kann es Ihnen nicht genau sagen. Ich meine, gegen Unbekannt, aber das kann ich jetzt nicht mit absoluter Gewissheit sagen. Was ich Ihnen hier sagen kann, ist, dass es in der sehr kleinen Zahl von Zugangserlaubnissen wohl eine Auffälligkeit ge

geben hat, die aber offenbar nicht dahin gehend belegt werden konnte, dass dem Inhaber dieses Zugangstransponders hätte unterstellt werden können, mit der Sache irgendetwas zu tun zu haben.

Die zweite Frage von Herrn Kollegen Alda.

Danke, Herr Präsident. – Herr Minister Walter-Borjans, meine zweite Frage befasst sich mit dem Ermittlungsverfahren wegen der verschwundenen Lithografien von Picasso sowie des Bildes „Das Haus“ von Gabriele Münter bei Portigon. Sie erwähnten soeben schon mehrmals die Ermittlungsverfahren. – Was ist der Landesregierung bezüglich Gründen und Terminen zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens in diesem Fall bekannt?

Dazu kann ich Ihnen nicht mehr sagen als das, was ich eben auch schon gesagt habe, nämlich dass ich die Mitteilung erhalten habe, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt hat, weil man ganz offenbar keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten sah.

Ich als Nichtfachmann, als Nichtjurist kann nur genauso darauf schauen wie jeder andere auch und feststellen: Wenn es doch nur vier Transponder und bei einem eine Auffälligkeit gibt, dann müsste man da doch irgendwie weiterkommen. – Aber da lasse ich mich gerne von denjenigen belehren, die das fachlich besser beurteilen können, dass es offenbar keine weitere Möglichkeit der Sachverhaltsaufklärung gibt.

Umgekehrt kann man allerdings auch nicht sagen, dass damit definitiv das Wiedererlangen dieser Kunstwerke auf alle Zeit unmöglich wäre, denn das haben wir im Zusammenhang mit Kunstdiebstählen immer wieder gesehen. Wenn das nicht gerade jemand ist, der sich ein solches Werk zur alleinigen Ansicht zu Hause hinhängt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann mal jemand auf die Idee kommt, zu sagen: „Hier, das ist ja ein Münter“, nicht ausgeschlossen.

Das sind jetzt wirklich Bewertungen, die über die reine Frage hinausgehen, was die Staatsanwaltschaft zu entscheiden hat, wie sie uns informieren muss und wie Portigon mich zu unterrichten hat.