Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Auch die kommunalen Spitzenverbände haben während der Anhörung gesagt: Ja, wir haben eine Mehrbelastung. – Allerdings hat niemand gesagt – niemand, auch kein Einzelkommunalvertreter, der geladen war –, dass sein Rat, seine Bezirksvertretung oder sein Ausschuss auch nur einen Beschluss nicht hätte fassen können. Nichts!

(Unruhe)

Ich komme jetzt noch einmal dazu, wie das Ganze aufgehängt werden soll.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Torsten, ich ver- stehe dich kaum! Hier ist so ein Gemurmel! – Zurufe von der CDU)

Das ist doch nicht schlimm. Die Kolleginnen und Kollegen können das ja hinterher im Protokoll nachlesen. Ich würde ungern anfangen, so zu brüllen, wie ich das gerne auf der Südtribüne tue. Das fände ich dem Hohen Haus nicht angemessen.

Kommen wir also zu Verankerung. Sie wollen diese gesetzliche Regelung nicht einfachgesetzlich, sondern in der Landesverfassung verankern. Da soll dieser Zulässigkeitsmaßstab quasi aufgehoben werden. Das ist von der Mechanik her möglich. Der Landesgesetzgeber kann alles Mögliche in die Landesverfassung hineinschreiben.

Ich finde immer noch spannend, dass wir Großbetriebe der Grundstoffindustrie wegen ihrer monopolartigen Stellung – das steht in der Verfassung – verstaatlichen müssen. Finde ich super. Entspricht vielleicht nicht in allen Auswirkungen dem Grundgesetz, aber haben wir in der Verfassung stehen.

Das können wir auch in die Verfassung hineinschreiben. Kein Problem. Entwickelt halt genauso viel Wirksamkeit: keine. Diese Regelung wird – wenn nicht schon der Verfassungsgerichtshof in Münster – spätestens das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kippen, ganz egal, ob Sie sie einfachgesetzlich verankern oder in der Verfassung.

Im Endeffekt geht es schließlich darum, hier den Ernstfall der Demokratie zu proben.

(Christian Dahm [SPD] schüttelt den Kopf.)

Doch, Herr Dahm. Sie müssen nicht den Kopf schütteln. Genau darum geht es. Es geht eben nicht darum, von der Einfachheit her zu denken: „Ich bin eine große Partei; deshalb muss hier alles nach meinen Wünschen laufen“, sondern vom Staatsvolk aus zu denken: Was möchten die Wählerinnen und Wähler? – Sie möchten immer weiter vertreten sein durch immer mehr verschiedene Gruppen und Parteien. Dem ist Rechnung zu tragen. Das müssen wir abbilden. Nur weil das ein bisschen schwieriger wird, können wir nicht sagen: Wir beschneiden euch damit.

(Zurufe von der SPD)

Das hat übrigens in Bielefeld dafür gesorgt, dass sie inzwischen eine sehr stabile Mehrheit mit den „komischen Piraten“ haben. Schöne Grüße an Michael Gugat. Das funktioniert hervorragend. Da können Sie bei Ihren SPD-Kollegen einmal nachfragen.

Übrigens, Bielefeld: Herr Nettelstroth, das ist inzwischen so aufwendig geworden, dass Sie Ihr Ratsmandat selbst neben der umfangreichen Landtagstätigkeit wahrnehmen können. An der Stelle: Hut ab! Scheint ja richtig aufwendig zu sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich für meinen Teil muss sagen: Ich würde das tatsächlich nicht schaffen. Aber Herr Nettelstroth kann da halt mehr.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Sie wollen mir doch hier nicht persönliche Dinge nachsagen? Nein. Kann ich mir nicht vorstellen.

(Zurufe von der CDU und von Hans-Willi-Körf- ges [SPD])

Danke schön, Herr Körfges.

(Unruhe)

Kollege Wedel hat es schon angesprochen: Sie kommen nicht einmal auf die Idee, mildere Mittel anzudenken. Sie wollen weder eine Verkleinerung der Räte und der Gremien – Kollege Körfges hat es erwähnt – haben noch sonstige Möglichkeiten aus der Geschäftsordnung – Kollege Wedel hat das alles benannt – nutzen. Das wollen Sie alles nicht. Sie sagen immer: Das geht nicht. Wir brauchen mehr Menschen in der Kommunalpolitik. – Schaue ich mir andere Bundesländer an, sehe ich, dass sie in den Gremien sehr wohl mit viel weniger Menschen auskommen.

(Marc Herter [SPD]: Die Gebietskörperschaf- ten in anderen Ländern sind anders!)

Die Gebietskörperschaften in anderen Ländern sind anders, genau. Aber dafür haben wir in NRW zum Beispiel eine viel größere Mittelebene. Wir geben viele Sache, die eigentlich in den Kommunen angesiedelt werden, in den Landschaftsverband Westfalen-Lippe, in den Landschaftsverband Rheinland und – Mister Ruhrgebiet wird es wissen – natürlich auch immer mehr in den RVR.

Herr Kollege Sommer, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Körfges zulassen?

Immer.

Bitte schön.

(Unruhe)

Vielen Dank, Herr Kollege Sommer, für diese Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. – Ich will bezogen auf Ihre Äußerung zu anderen Bundesländern nachfragen, ob Ihnen die Unterschiede zwischen der nordrhein-westfälischen Struktur der Gemeindegrößen und der nordrheinwestfälischen Gemeindeordnung im Verhältnis zu anderen Bundesländern bekannt sind und ob Sie dann bei Ihrer Aussage bleiben.

(Unruhe)

Vielen Dank. – Ich möchte die Gelegenheit nutzen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie herzlich zu bitten, die Gespräche einzustellen. Dann ist es für den Redner einfacher. Es gibt im Moment wieder ein paar Probleme mit der Akustik. Darauf sollten wir Rücksicht nehmen. – Ich bitte Sie, fortzufahren, Herr Kollege Sommer.

Vielen Dank. – Vielen Dank, Herr Kollege Körfges, dass Sie mir Gelegenheit geben, das weiter zu erläutern. Selbstverständlich ist die einfache kommunale Ebene bei uns an verschiedenen Punkten anders aufgehangen als zum Beispiel in Bayern oder in Hessen.

Gleichwohl haben aber – und da macht das Ganze einen Haken – Aufgaben wieder den Weg von der Kommune in die Mittelverwaltungsebene gefunden. Das haben wir in Bayern zum Beispiel nicht. Da geht es direkt vom Land, von der Landesebene, in die Mittelebene. Bei uns macht es so einen Haken. Ganz einfach.

(Zurufe)

Ist das so weit verstanden worden? Oder soll ich …

(Zurufe von der SPD und der CDU: Nein! Nein!)

Danke schön.

(Zurufe)

Sie wollen sich das alles nicht mehr anhören. Das kann ich verstehen. Sie wollen ja eben nicht die Vielfalt der Meinung haben. Genau das ist ja das Problem.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Genau das ist es! – Beifall von den PIRATEN)

Auch wenn Kollege Mostofizadeh eben „Vielfalt“ oft in den Mund genommen hat: Sie wollen die Vielfalt eben genau nicht leben. Sie wollen Vielfalt verhindern. Sie wollen hier eine Wagenburg bauen. Sie wollen die Wahlbeteiligung weiter absenken. Ihnen ist die politische Legitimation völlig egal. Wir werden dieses Demokratieabbaugesetz weiter bekämpfen.

Es gibt noch eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Hübner. Herr Kollege Sommer, würden Sie sie zulassen?

Ja, sicher.

Bitte schön, Herr Kollege Hübner.

Herr Sommer, vielen Dank, dass Sie die Frage noch zulassen. – Ich bin ein wenig verblüfft über Ihre Einschätzung zu Landschaftsverbänden. Würden Sie mir zustimmen, dass Landschaftsverbände eine kommunale Ebene darstellen, weil das einen kommunalen Zusammenschluss für besondere Aufgaben darstellt?

Bitte schön, Herr Kollege Sommer.

Ja, sicher. Es ist aber eben die Sache, dass die Aufgabenstellung an der Stelle die eigentliche Ratsebene wieder verlässt.

(Zuruf – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Das machen auch nicht nur Ratsmitglieder, und das wissen Sie auch genau. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Hans-Willi Körf- ges [SPD]: Doch!)

Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.