Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

(Beifall von den PIRATEN)

Dann will ich jetzt doch noch das sagen, was der VBE wirklich herausgefunden hat. Das Erste: Ja, gute Bildung ist nicht billig. Aber wir müssen sie bezahlen.

Was die Situation angeht, die wir jetzt vorfinden, so ist sie, wenn wir jetzt nichts tun, nur der Anfang. Guckt man sich mal an, wie die Altersverteilung in den Grundschulen ist, dann wird deutlich: Wir bekommen in den nächsten Jahren ein riesengroßes Problem, weil wir eine Alterskohorte haben, die in den nächsten Jahren in Pension geht.

Und wenn wir den Lehrerberuf nicht attraktiver gestalten, vor allem im Grundschulbereich, dann werden die Probleme, die wir jetzt schon haben, sehr groß. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass der Lehrerberuf besonders in der Grundschule tatsächlich auch attraktiv ist, sodass junge Menschen den Beruf wählen.

(Beifall von den PIRATEN)

Dazu gehört zum einen, dass wir genügend Schulleiter finden, dass wir die Leitungszeit weiter erhöhen.

Dazu gehören aber auch die Anrechnungsstunden, die in den Grundschulen viel zu gering sind. Das haben Sie auch gerade angesprochen. Die müsste man zumindest an die Sekundarstufe I angleichen, damit diese zusätzlichen Aufgaben, die hier mehrfach angesprochen wurden – wie Sozialarbeit, psychologische Arbeit, Beratung, Zusammenarbeit mit Jugendämtern – erledigt werden können.

Das alles machen Grundschulkollegen im Moment in ihrer Freizeit. Wenn wir da nichts ändern, werden wir die jungen Leute nicht davon überzeugen, dass sie Lehrer werden. Das wird uns nicht gelingen.

Dann möchte ich noch etwas zum Thema Vertretungsreserve sagen. Da muss man sich einmal ansehen, wie die Situation vor Ort ist. Ja, es gibt die Vertretungslehrer. Wenn man mal mit den Personalräten vor Ort spricht: Die Vertretungslehrer sind alle eingebunden in Langzeitvertretungen. Wenn eine Schule jetzt einen kurzfristigen Unterrichtsausfall hat,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Flexible Mittel heißt das!)

dann werden die schon aus Solidarität nicht nach der Kollegin fragen, weil sie wissen: Wenn wir die jetzt anfordern, dann ist die an der anderen Schule nämlich weg. – Das ist das, was mir die Personalräte erzählen. Insofern reicht die Vertretungsreserve da nicht aus.

(Beifall von den PIRATEN – Sigrid Beer [GRÜNE]: Und die flexible Mittelreserve gibt es auch noch!)

Ich weiß, meine Redezeit ist zu Ende. Ein letztes Wort noch: Ich finde, dass sich nicht nur die Landesregierung, sondern dass wir alle zusammen in der Politik uns schwer überlegen sollten, wie wir mit den

Kollegen vor Ort umgehen. Das Stichwort, das wir uns in diesem Zusammenhang einmal durch den Kopf gehen lassen sollten, lautet: Fürsorgepflicht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Hendricks.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Pieper, liebe Monika! Ich bin dir sehr dankbar dafür, dass du heute Morgen in diese Debatte eine deutliche Sachlichkeit hineingebracht hast, trotz all der Fragen, die an etlichen Stellen durchaus berechtigt sind.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Weil ich ja so aufgeregt war in meinem Redebeitrag! Ich Scharfmacher, ich!)

Aber die Sachlichkeit kam heute von den Piraten und nicht von der CDU und auch nicht von der FDP.

Herr Lindner, Sie haben mir freundlicherweise angeboten, dass Sie mir Redezeit abtreten wollen. Das ist angesichts der Tatsache, dass Sie mir gerade eben Redezeit in einem erheblichen Umfang geklaut haben durch ein etwas flegelhaftes Verhalten...

(Zurufe von der CDU und der FDP – Armin La- schet [CDU]: Oh, mein Gott!)

Aber Herr Lindner, dass Sie dann hier hinstellen und erklären, dass wir als SPD sozusagen nicht den richtigen Blick auf Personalräte und Personalversammlungen hätten, das ist einfach falsch. Wir haben das Landespersonalvertretungsgesetz deutlich verbessert, nachdem Sie es geschliffen hatten. Sie haben doch in Ihrer Regierungszeit die Landespersonalvertretung deutlich reduziert!

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Was Sie heute Morgen hier gemacht haben, Herr Lindner, ist schlicht und einfach Realsatire. Sie stellen sich in Stuttgart hin und erklären, die Bildungspolitik gehöre nicht in die Hände der Länder; vielmehr wollen Sie die Bildungspolitik am besten gleich mit nach Berlin nehmen. Wie wollen Sie denn in Berlin noch eine Steuerung für die Länder sicherstellen, wenn Sie beklagen, dass wir schon in NordrheinWestfalen die Steuerung angeblich nicht hinbekämen? Das ist natürlich Unsinn.

Dann haben Sie, Her Lindner, bei der Frage nach den Rahmenbedingungen völlig vergessen, darauf hinzuweisen – was Ihre Bildungspolitiker wahrscheinlich durchaus können –, dass die Rahmenbedingungen für die Grundschule sowie – das will ich auch noch einmal sagen – für die Inklusion in der Tat

verbessert worden sind, und zwar durch die Schaffung von 800 Stellen.

(Zuruf von der FDP: Die Redezeit!)

Dass es bei der Verteilung von Stellen in NordrheinWestfalen derzeit teilweise zu Ungerechtigkeiten kommt, wissen auch wir. Es gibt regionale Unterschiede; das habe ich heute Morgen bereits gesagt. Dabei kann es auch zu Situationen kommen, dass durch eine Festanstellung von Lehrern – was wir ja alle wollen –, die bisher im Vertretungsunterricht gewesen sind, dann am Ende Unterricht ausfällt, weil die Lehrer dort nicht sofort zur Verfügung stehen.

Für diese Fälle haben wir in der Zwischenzeit auch Möglichkeiten geschaffen, pensionierte Lehrer einzustellen oder auf andere Kräfte zurückzugreifen. Auch dieses Instrument müssen die Grundschulen spielen und selbstverantwortlich damit umgehen, um so eine Vertretung vor Ort sicherstellen zu können.

Uns ist es wichtig, dass wir Fehlentwicklungen genau beobachten. Deshalb werden wir uns auch über die Untersuchung, die der VBE durchgeführt hat, mit dem VBE austauschen. Wir haben bereits um einen Gesprächstermin gebeten, weil es in dieser Untersuchung nämlich auch einige Dinge gibt, die wir gerne hinterfragen möchten.

(Zuruf von den PIRATEN: Oh, Sie reden mal mit dem VBE?)

Dazu gehört zum Beispiel die Frage nach dem Förderunterricht. Wir können derzeit nicht einschätzen, wie die Frage gemeint ist und wie sie beantwortet worden ist.

Dazu gehört auch der Zugriff auf den Pool. Auch da ist aus der Umfrage für uns nicht ersichtlich, welche Probleme sich denn tatsächlich dahinter verbergen. Das müssten wir nachfragen.

Heute Morgen ist schon gesagt worden, dass es auch darum geht, wie es mit der Lehrerbesoldung und der Schulleiterbesoldung aussieht. Das haben wir nach den großen Aufwendungen, die wir in dieser Legislaturperiode für den Bildungsbereich getätigt haben, nicht mehr auf die Tagesordnung gesetzt. Wir wissen jedoch, dass wir an dieser Stelle weiterarbeiten müssen. Das haben wir immer wieder gesagt, auch in den Ausschüssen, und darauf hingewiesen, dass wir das Gutachten, das zur Besoldung von Schulleiterinnen und Schulleitern aus dem Arbeitskreis im Ministerium entstanden ist, ernsthaft diskutieren und überlegen, wie wir damit umgehen. Wir wissen, dass wir da etwas tun müssen.

Die Grundschulen sind für die Landesregierung und für uns als rot-grüne Fraktion keine Stiefkinder. Wir haben für die Grundschulen deutliche Rahmenverbesserungen vorgenommen. Es gibt derzeit mehr Stellen in den Grundschulen, als Sie sie in Ihrer Regierungszeit je hatten.

Ich finde es schon ein bisschen bemerkenswert, dass Sie, Herr Laschet, nachdem Sie mit dem KiBiz in Nordrhein-Westfalen die Ungleichheit der Kinder geradezu forciert haben,

(Armin Laschet [CDU]: Was habe ich ge- macht? – Zuruf von den PIRATEN: Es reicht immer noch nicht! – Zurufe von der CDU)

indem Sie nämlich die unterschiedlichen Elternbeiträge nach unterschiedlicher Leistungsfähigkeit der Kommunen festgeschrieben haben, und sich jetzt darüber austauschen, dass...

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Ja, Herr Laschet, Sie haben hier einen Kardinalfehler begangen, den wir so ohne Weiteres nicht rückgängig machen können.

(Beifall von der SPD – Armin Laschet [CDU]: Was denn?)

Das war eine unverantwortliche Gesetzesänderung, die Sie in Nordrhein-Westfalen mit dem KiBiz vorgenommen haben.

(Armin Laschet [CDU]: Kinder zu bilden ist ein Fehler? – Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, Bildungspolitik war lange Jahre...

(Armin Laschet [CDU]: Wo war denn der Feh- ler?)

Darüber können wir uns gerne austauschen, Herr Laschet. – Bildungspolitik braucht Kontinuität; sie braucht Ruhe und Sachlichkeit.

(Fortgesetzt Zurufe von der CDU)

Ich würde mir wünschen, dass diese Sachlichkeit im Ausschuss hergestellt wird und wir uns auch mit den Fragen beschäftigen, die sich aus dem VBEGutachten ergeben, zum Beispiel, warum es einigen Bezirksregierungen besser als anderen gelingt, Schulleiterstellen zu besetzen. Auch das sind Fragen, mit denen wir uns werden beschäftigen müssen. Wir müssen uns dazu austauschen und dann Lösungen finden, die den Schulen tatsächlich weiterhelfen. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. – Für die Landesregierung spricht noch einmal Frau Ministerin Löhrmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eine eifrige und in Teilen hitzige Diskussion erlebt – das ist die Arbeit der Grundschulen auch wert, dass wir darum ringen.