Zur Wahrheit gehört aber auch – und damit komme ich zu Ihnen, liebe Landesregierung –, dass die CDU mit dem Grundanliegen, das sie mit diesem Antrag verfolgt, verdammt nochmal recht hat. Die Zahlen steigen ja nicht erst seit gestern. Außer ein paar medienwirksamen, aber ansonsten völlig sinnfreien Aktionen und Kontrollen und dem Verteilen von irgendwelchen Flyern an offenen Fenstern kommt von Ihrer Seite seit Jahren gar nichts. Seit Jahren legen Sie die Hände in den Schoß und hoffen darauf, dass es bald vorbei ist. Ich kann Ihnen aber garantieren: So schnell wird das nicht vorbei sein. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Also ist doch die Frage: Was können wir machen? Wir können und müssen sicherlich über einige Punkte in diesem Antrag reden – aber viele wichtige Dinge fehlen, und einige sind natürlich Quatsch.
Als Beispiel nenne ich mal die Schleierfahndung. Genau dazu haben wir doch gerade einen Antrag in der Beratung, zudem es sogar noch eine Anhörung gibt. Frau Schäffer hat es gerade gesagt: Wenn Sie in diesem Antrag nun schreiben „Die Schleierfahndung ist super“, nehmen Sie das Ergebnis der Anhörung doch im Prinzip schon vorweg. Dann hätten Sie den Antrag doch gar nicht zu stellen brauchen, das ist totaler Quatsch – ganz abgesehen davon, dass wir bei diesem Thema ohnehin nicht zusammenkommen werden, weil die Schleierfahndung schon dem Grunde nach völlig absurd ist.
Ich bin allerdings positiv überrascht, dass die Appelle zu mehr Schutz der eigenen Wohnung durch die Bürger in Ihrem Antrag besser wegkommen, als Sie es gerade in Ihrer Rede formuliert haben. Da ist schon ein Widerspruch. In Ihrem Antrag führen Sie aus, dass es eigentlich ein guter Baustein ist, und gerade haben Sie gesagt, das sei völliger Quatsch. Ich finde, dass die Antragsformulierung besser ist; denn bei
diesen Delikten und bei der derzeitigen Steigerungsrate wird Prävention – damit meine ich in diesem Fall die technische Prävention – das einzige Mittel sein – wirklich das einzige Mittel! –, das effektiv helfen wird.
Ich frage mich beispielsweise – und das ist eine Forderung, die mir in diesem Antrag fehlt –, warum es in NRW noch immer möglich ist, in Neubauten oder auch in Altbauten, bei denen die Fenster und Türen ohnehin ausgetauscht werden müssen, diese ohne erweiterten Einbruchsschutz einzubauen. Das Baurecht muss angepasst werden, sodass einbruchhemmende Technik zwingend vorgeschrieben ist. Das kostet auch gar nicht so viel mehr. Ich habe meine Fenster erst vor Kurzem selber renoviert und habe das entsprechend berücksichtigt: Die Mehrkosten waren äußerst gering.
Was mir in diesem Antrag auch fehlt: Warum sollen nicht auch die Versicherungsgesellschaften bei diesem Thema ihren Beitrag zu mehr Sicherheit leisten, zum Beispiel mit Nachlässen auf Hausratversicherungen, wenn einbruchhemmende Technik verbaut wurde?
Nach dem aktuellen Einbruch-Report des GDV sind die Versicherungsleistungen für Einbrüche von 280 Millionen € im Jahr 2007 auf 490 Millionen € im Jahr 2014 gestiegen, also um 210 Millionen € innerhalb von sieben Jahren. Das heißt, auch die Versicherungen würden dadurch eine Menge Geld sparen. Also müssen wir sie mit ins Boot nehmen.
Kurzum: Der Antrag ist nicht gänzlich schlecht. In der Form, wie er jetzt ist, können wir ihm aber nicht zustimmen. Daher freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist immer so eine Sache mit den statistischen Vergleichen, Herr Lürbke und Herr Kruse: Man kann Dinge objektiv miteinander vergleichen, man kann Äpfel mit Birnen vergleichen, man kann auch Äpfel mit U-Booten vergleichen – und man kann sich den wohlmeinenden Ausschnitt aus einer Statistik aussuchen, weil es gerade so schön in die eigene Argumentation passt. Eine objektive Darstellung der Fakten ist das aber noch lange nicht.
Herr Kruse, warum haben Sie eigentlich nicht folgenden Ausschnitt aus der Statistik genommen? Von 2010 bis 2015 sind in Nordrhein-Westfalen die Einbruchszahlen um 39,3 % gestiegen, im Bund um 37,7 % – das haben Sie gerade so zitiert – und in
Bayern um sage und schreibe 67,3 %. – Sie sehen, man kann eine Statistik immer lesen, wie man sie lesen will.
Tatsache ist: Wohnungseinbrüche sind ein Kriminalitätsphänomen, die uns wirklich Sorgen machen und beschäftigen. Tatsächlich sind nur 4,3 % aller Straftaten, die in Nordrhein-Westfalen begangen werden, Einbrüche und Einbruchsversuche. Aber sie prägen in erheblichem Maße das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger.
Das ist ein Phänomen – Herr Kruse, Herr Lürbke, nehmen Sie es bitte zur Kenntnis – nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Das ist ein Phänomen auch in allen anderen Bundesländern und in fast allen Staaten Westeuropas.
Das hängt sehr viel damit zusammen, dass wir es mit international agierenden Banden zu tun haben, die international Einbrüche begehen – heute in Duisburg, morgen in Hannover, übermorgen in Brüssel und überübermorgen in Amsterdam –, die zwischen den Grenzen hin- und herreisen. Und solange das Armutsgefälle in der Europäischen Union so ist, wie es ist, wird es für Menschen immer einen Anreiz geben, hierher zu kommen und Einbrüche zu begehen.
Ganz im Gegenteil: Wir stemmen uns dagegen – übrigens nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in den anderen Bundesländern. Wohnungseinbruchsdiebstahl ist ständiges Thema in der Innenministerkonferenz.
Nun ist es nicht so, dass dort einer sitzt und sagt, er habe die alles lösende Idee, sondern wir versuchen in der Tat immer, Stück für Stück unsere Konzeptionen den Tätern und deren Verhalten anzupassen.
Ich komme noch einmal auf diese ständigen Vergleiche zurück, mit denen Sie, Herr Lürbke und Herr Kruse, versuchen, Nordrhein-Westfalen in puncto Sicherheit schlecht aussehen zu lassen. Was mich daran aber noch viel mehr ärgert – während Ihres Redebeitrags vorhin habe ich mehrere Dutzend Urkunden für Polizeibeamtinnen und -beamte unterzeichnet, als Ehrung für 40 Jahre Dienst für das Land Nordrhein-Westfalen –: Ich finde es beschämend, welch geringe Wertschätzung und welche Respektlosigkeit Sie gegenüber der Arbeit dieser Beamtinnen und Beamten an den Tag legen.
(Lutz Lienenkämper [CDU]: Es geht um ein Si- cherheitsrisiko für das Land, und Sie reden von Respektlosigkeit! Das ist unanständig! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Eine Unverschämt- heit! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)
Die Arbeit der Polizei in diesem Land permanent schlechtzureden ist gegenüber diesen Beamtinnen und Beamten einfach unverschämt.
Im Übrigen nehme ich einfach einmal zur Kenntnis, dass Sie die Sicherheitspolitik ganz offensichtlich erst in der Opposition für sich entdeckt haben. Während Ihrer Regierungszeit sind Ihnen dazu zwei Dinge eingefallen: keine Konzepte und der Abbau von 480 Planstellen bei der Polizei in Ihrer Regierungszeit, meine Damen und Herren. Das war Ihre Antwort in der Sicherheitspolitik, als Sie die Verantwortung getragen haben.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ver- einzelt Beifall von den PIRATEN – Wider- spruch von der CDU und der FDP)
Herr Minister, machen Sie uns doch bitte einmal deutlich, wo Sie dafür sorgen, dass Polizisten den ihnen gebührenden Respekt erhalten. Während meiner Zeit in diesem Landtag habe ich noch keinen Minister erlebt, der seine Polizei so rigide dargestellt hat wie Sie etwa im Untersuchungsausschuss.
Ich habe in sechs Jahren Dienstzeit vieles an Kritik von Ihnen einstecken müssen, weil ich mich vor die Polizei gestellt habe.
Herr Kruse, ich weiß nicht, welcher Referent bei Ihnen diesen Antrag zusammengeschrieben hat. Gehen wir doch einmal etwas konkreter auf Ihre Vorschläge ein.
„Predictive Policing“ ist der Versuch, mittels Datenerhebung aus dem Anlass und dem Umfeld von Einbrüchen ein Bild zu gewinnen, wo möglicherweise zukünftig Einbrüche begangen werden könnten. Es gibt international faktisch zwei Produkte einer solchen Software: in Bayern wird eine erprobt, wir erproben eine andere.
Es gibt auch international keinen Hinweis darauf, dass dies nachhaltig trägt. Trotzdem, Herr Kruse, müssen wir es ausprobieren. Jede Chance muss genutzt werden.
Wir erproben diese Software zurzeit in Köln und in Duisburg. Wir werden es auf drei weitere Behörden ausweiten. Wir wollen die Erkenntnis gewinnen, ob dies tatsächlich ein brauchbares Mittel ist, um gegen Wohnungseinbruchsdiebstahl vorzugehen. Wenn es das ist, dann garantiere ich Ihnen, Herr Kruse, dass wir es flächendeckend einführen werden. Aber diese Erkenntnis muss erst einmal wachsen, das muss erfahren werden.
Sie fordern die Verdopplung der Ermittlungskommission – lageunabhängig und rein schematisch, egal, ob Einbrüche in einer Stadt geschehen, in einer Behörde geschehen usw. – Herr Kruse, das ist wirklich kein guter Vorschlag – genauso wenig wie die sogenannte Schleierfahndung. Unsere Ressourcen dafür zu verwenden, verdachtsunabhängig beispielsweise im grenznahen Raum oder an Flughäfen jeden Bürger und jede Bürgerin zu kontrollieren heißt doch nur, unsere Polizeibeamtinnen und -beamten dort abzuziehen, wo verdachtsbezogene Personalkontrollen schon längst stattfinden.
Das heißt, das würde die Einsatzfähigkeit der Polizei zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls nicht erhöhen, sondern – ganz im Gegenteil – schwächen.
Ich glaube, dass wir noch eine andere Chance haben – das habe ich auf der letzten Innenministerkonferenz mit den Kollegen vereinbart –: Diesen international agierenden Banden müssen wir mit einer internationalen Arbeit der Polizei begegnen. Wir brauchen eine noch bessere länderübergreifende Zusammenarbeit mit Niedersachsen und RheinlandPfalz, aber vor allem auch mit den Niederlanden und Belgien.
Es ist eine Entwicklung, dass wir hier Banden haben, die in den Niederlanden und in Belgien einbrechen, aber genauso gibt es eine Wechselwirkung von dort. Wenn wir wirksam dagegen vorgehen wollen, dann geht es nur, indem wir Informationen, Daten und Erkenntnisse noch besser zwischen diesen Ländern austauschen.
Ich finde, in Ihrem Antrag kommt die Frage viel zu kurz, was eigentlich Opfer bei diesen Einbrüchen erleben.
Ich habe vorhin schon gesagt, dass sie nur 4,3 % aller Straftaten in Nordrhein-Westfalen ausmachen, aber in hohem Maße prägend sind für das Sicherheitsgefühl der Menschen. Der materielle Schaden ist in der Regel übersichtlich; die allermeisten haben eine Hausratversicherung, die den Schaden abdeckt. Entscheidend ist das Eindringen in die Privatsphäre, in die eigene Intimsphäre durch andere. Mir haben Opfer gesagt, das Schlimmste für sie sei gewesen, dass ein Fremder ihre Wäsche durchwühlt habe. Die wurde noch nicht einmal gestohlen. Allein das Berühren durch Fremde prägt das Sicherheitsgefühl dieser Menschen enorm.