Ja, klar. Herr Körfges, ich nehme doch nur die Zahlen aus dem Verfassungsschutzbericht. Wenn sie falsch sind, gehen Sie zu den Autoren des Berichts. Schauen Sie sich diese Zahlen doch ganz simpel an.
Ich möchte Ihnen hier einmal eine Zahl nennen. 289 rechtsextremistischen Gewalttaten stehen 401 linksextremistische Gewalttaten gegenüber. Das ist die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen. Noch nie war die Zahl der linksextremistischen Taten bei uns im Vergleich zu den rechtsextremistischen Taten fast doppelt so hoch.
Aber das alles ist heute nicht unser Thema. Wir fragen danach: Was kann wirklich getan werden? Was muss getan werden? Wenn wir den Verfassungsschutzbericht betrachten, erkennen wir bereits an der Seitenzahl, wie die Gewichtung ist. Die Darstellung stimmt. Die Beobachtung ist akribisch. Die Analyse ist aus meiner Sicht genau.
Wenn wir aber einen Blick in den Bericht werfen und uns fragen, was darin zur Bekämpfung und zu dem steht, was wir tun wollen, dann kommt genau das, was Herr Körfges sagt: Wir wissen es nicht so recht. Wir wissen es wirklich noch nicht so recht.
Sie propagieren das Prinzip Wegweiser als eine Situation. Wenn Sie sich einmal die Zahl der Betroffenen ansehen, die in den Rechtsradikalismus abdriften, die bisher bei uns mit Straftaten erfasst sind, dann werden Sie merken: Die Zahl steigt rapide. Gemeinsam mit den Salafisten betreuen Sie im Projekt
Nein. Warum? Weil Sie warten. Sie warten, dass die kommen. Welcher Extremist ist denn bereit, zu Ihnen zu kommen, um sich sagen zu lassen: „Hör bitte damit auf“? Wo ist die Prävention? Wo zeigt dieser Staat: „Wir sind handlungsfähig“?
Betrachten wir ein wenig die Phänomene. Täter werden immer jünger. Das haben Sie auch gerade gesagt. Was tun wir denn dagegen?
Was hatten wir hier für eine mühsame Debatte, dass der Verfassungsschutz auffällige junge Menschen mittlerweile ab 14 Jahren erfassen darf. Tolle Situation! Aber es ist nur ein kleiner Schritt.
Wir merken, dass viel Gewalt und Gewaltbereitschaft bei allen vorhanden sind. Und wo treffen sie sich? Im Internet. Heute zeigt sich, dass da keine Organisation da ist. Menschen, die sich radikalisieren möchten, stellen etwas ins Internet und warten darauf, dass sich andere melden. Und das tun die. Das wissen die Dienste heute. Und wenn sich eine Gruppe gefunden hat, dann kappt sie sich ab und kommuniziert nur noch verschlüsselt.
Herr Körfges, Sie sprechen von Personal. Wo haben Sie dem Verfassungsschutz als Land bzw. als Regierung die Möglichkeit gegeben, hierauf zu reagieren? Wo sind die Stellen?
Wo sind die Stellen für die Spezialisten, die in der Lage sind, diese Situation im Internet zu erforschen? Wo haben Sie angeboten, dass Sie Spezialisten brauchen?
Frau Schäffer, Sie sind eine Traumtänzerin. Ihre Welt existiert nicht in der Realität. Das müssen wir hier einmal ganz deutlich sagen.
Machen wir ein Stückchen weiter. Wo sind die Programme, mit denen Sie die jungen Menschen erreichen wollen, die deutlich machen: „Wir haben keine Perspektive, und wir radikalisieren uns“?
Wenn Sie den Bericht hochhalten und auf das Aussteigerprogramm verweisen, frage ich: Wie viele nehmen daran teil? Wie viele haben Erfolg? Beim Sikh-Tempel in Essen wurde ganz deutlich, dass zwei von denjenigen, die versuchten, den Sikh-Tempel mit einem Terrorangriff zu zerstören, in Ihrem
Programm sind. Ist das der Erfolg, auf den Sie hinweisen? Wir warten auf ein ganzheitliches Programm.
Nächster Punkt: Wo sind die Integrationsprogramme, mit denen Sie die Gefährdeten holen wollen – ohne Schulabschluss, ohne Arbeitsplatz, ohne Ausbildung und letztlich mit dem Eindruck: „Diese Gesellschaft will uns nicht“? Wo tun Sie etwas für diese Menschen? – Nirgendwo.
Wir fordern von Ihnen seit Langem ganz simpel ein Integrationsprogramm. Was haben Sie uns vorgelegt? Ein Gesetz.
Das Programm sollen wir gemeinsam erarbeiten. Das ist doch die Situation, vor der wir stehen. Deswegen fordert die FDP zu Recht und mit unserer Unterstützung ein Programm, wie wir hier wirklich vorgehen wollen.
Er ist der größte Handwerker dieser Regierung; denn egal, wo er hinguckt, hat er nur Baustellen und nirgendwo Erfolge. Das ist der Alltag in NordrheinWestfalen.
Die nächste Situation: Wir wissen, dass die jungen Menschen, die sich heute im Internet radikalisieren und schnell zu Taten kommen, auch weiter in diesen Hinterhöfen radikalisiert werden und dass diejenigen, die auf der Straße Korane anbieten und anbieten, sie zu erläutern, diese jungen Menschen dann in irgendwelche Büros, irgendwelche Wohnzimmer und irgendwelche Gaststätten einladen.
Sie alle sind mit dafür verantwortlich, dass wir diese selbst ernannten Imame öffentlich machen. Der Verfassungsschutz kennt sie. Was tun Sie dagegen? Nichts. Wo wird endlich einmal versucht, sie öffentlich bekannt zu machen? Datenschutzrechtlich ist das kein Problem. Aber wo werden die Namen genannt? Wo sollen Eltern erfahren, welche Gefährder mit ihren Kindern zusammenkommen?
Das wären Ansätze: erstens eine wirksame Personalaufstockung durch Spezialisten, um das Internet zu beobachten und auch zu zeigen, wo angesetzt werden muss;
(Michele Marsching [PIRATEN]: Boah! Ich bin spezialisierter Internetbeobachter! Biesen- bach, you are the greatest! Ich bewerbe mich bei der Landesregierung!)
Jetzt ist meine Redezeit leider zu Ende. Wenn Sie wollen, können wir gleich weitermachen. Ich habe ja die Möglichkeit, ein weiteres Mal nach vorne zu kommen.
Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Schäffer.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer in den letzten Monaten die Presse aufmerksam verfolgt hat, wer sich in den sozialen Netzwerken bewegt hat und wer vielleicht auch einmal einen Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik geworfen hat, kann von dem aktuellen Verfassungsschutzbericht eigentlich nicht überrascht sein. Das macht aber die aktuelle Entwicklung von Gewalt und Hass in unserer Gesellschaft, die wir erleben, nicht weniger dramatisch.
Ein Anstieg der politisch motivierten Kriminalität um insgesamt 28 % im Vergleich zum Vorjahr, eine Verachtfachung der Zahl rechts motivierter Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, ein Anwachsen der gewaltbereiten, verfassungsfeindlichen salafistischen Szene auf 2.700 Personen in Nordrhein-Westfalen, eine Verdoppelung der Zahl der Straftaten im Bereich der politisch links motivierten Kriminalität: Das muss uns allen hier Sorgen machen. Das ist eine Entwicklung, die wir hier so nicht stehen lassen können und mit der man sich beschäftigen muss.
Aber diese Entwicklung der Landesregierung zuzuschreiben, verkennt aus meiner Sicht nicht nur den bundesweiten Trend; ich finde es, ehrlich gesagt, auch arg unterkomplex – auch für die Opposition –, solche Behauptungen aufzustellen.
In Bezug auf den Rechtsextremismus muss man sagen, dass es in Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten eine gewaltbereite Neonaziszene gibt. Wir arbeiten das gerade im NSU-Untersuchungsausschuss sehr gut auf.
Der Rechtsextremismus ist kein Ostproblem; das war er nie. Er wurde hier lange Zeit verharmlost – zu lange.
Rechtsextremismus ist aber auch kein gesellschaftliches Randphänomen. Vielmehr sind rechtsextremistische, rassistische und andere menschenfeindliche Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft vorhanden. Das wissen wir seit Jahren aus Studien. Diese Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft bilden den
Wenn man sich die Zahlen anguckt, ist es interessant, zu sehen, dass die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im vierten Quartal 2014 rasant angestiegen ist. Zeitgleich hatten wir die Demonstrationen von HoGeSa und von PEGIDA, und wir hatten die Radikalisierung bei der AfD. Das sind Zusammenhänge, die man hier auch einmal nennen muss.
Wenn Mitglieder der AfD zum Beispiel den Holocaust leugnen, wenn sie Schießbefehle propagieren, wenn sie gegen schwarze Nachbarn hetzen und wenn sie Flüchtlingskinder vom Regelunterricht ausschließen lassen wollen, schürt das in unserer Gesellschaft Hass, der schnell in rassistische Gewalt umschlagen kann. Das muss man wahrnehmen; das muss man hier so klar benennen.
Wir wissen, dass bei Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte zwei Drittel der Tatverdächtigen den Sicherheitsbehörden vorher nicht als organisierte Rechtsextreme bekannt waren. Das heißt, dass das Potenzial an Personen, die Anschläge begehen können, höher ist als das, was wir im organisierten Rechtsextremismus haben. Das ist besorgniserregend.
Aber der rot-grünen Landesregierung hier Untätigkeit vorzuwerfen, zielt eindeutig ins Leere. Ich vermisse dabei auch die Lösungsansätze der Opposition.