Protokoll der Sitzung vom 07.07.2016

Die Redezeit.

Sie haben dazu gleich die Gelegenheit. Wir sind gespannt. Ich warte sehr gespannt und mit großen Erwartungen auf das, was Sie hier ausführen werden. Ich bitte Sie, dann auch einmal konkret zu werden und sich nicht wieder nur herauszureden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Körfges jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Dr. Stamp, konkret zu werden, scheint ein bisschen problematisch zu sein. Sie haben nämlich an zwei Stellen auf den Verfassungsschutzbericht Bezug genommen – einmal, indem Sie eine Prozentzahl genannt haben, und einmal, indem Sie das Thema Turboradikalisierung angesprochen haben.

Ansonsten war das der übliche Vorgang einer Anhäufung von Vorwürfen, die substanziell nichts mit dem zu tun haben, was Sie heute eigentlich besprechen wollten.

(Marc Lürbke [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)

Herr Lürbke, Sie haben gleich die Gelegenheit, hier auch noch das eine oder andere beizutragen. Ich hoffe, dass sich das dann mehr mit dem Verfassungsschutzbericht beschäftigt als das, was der verehrte Vorredner gesagt hat.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Er hat nämlich nur die übliche Folie genommen, um hier unbelegte Vorwürfe laut zu artikulieren.

Ich sage Ihnen eines – da bin ich bei allen ganz nah –: Ja, der Verfassungsschutzbericht zeigt bedrohliche Entwicklungen auf. Es kann und darf niemanden unberührt lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Extremismus – nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern weltweit, in Europa und in Deutschland, aber auch in unserem Land – erheblich zunimmt. Der Verfassungsschutzbericht belegt dies an einigen Punkten, und zwar in einem auch für mich sehr bedrohlichen Ausmaß.

Dabei kommt zum Beispiel der Tatsache eine hohe Bedeutung zu, dass es offensichtlich zwischen den einzelnen Extremismusphänomenen ganz erhebliche Wechselwirkungen gibt. Dazu hätte ich von Ihnen gerne auch etwas gehört.

Der militante Islamismus und Bürgerkriege zwingen immer mehr Menschen zur Flucht aus ihren Heimatländern. Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund der hohen Zahl an Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, machen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten Stimmung.

Immer häufiger werden Menschen zu Tätern – ja, das ist ein neues Phänomen, lieber Herr Kollege Dr. Stamp –, die sich innerhalb von kurzer Zeit und zum Teil durch neue elektronische Medien selbst radikalisiert haben. Der Vergleich zum Beispiel mit der Radikalisierung der RAF-Terroristinnen und -Terroristen ist nicht nur weit hergeholt, sondern war vollkommen fehl am Platz, Herr Dr. Stamp.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

An dieser Stelle will ich Ihnen ganz deutlich sagen: Ich bin sehr froh darüber, dass viele Menschen die Gelegenheit wahrnehmen, sich öffentlich gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus zu positionieren und sich in erfreulicher Weise davon zu distanzieren.

Es gibt allerdings auch – und ich lege großen Wert darauf, dass wir keinen Unterschied in der Beurteilung der Gefährlichkeit der Phänomene machen – linksextreme Gewalt im Zusammenhang mit der verstärkten Konfrontation.

Das führt dazu, dass Polizistinnen und Polizisten, die Sie hier zu Recht häufig in Schutz genommen sehen wollen, Opfer dieser Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Radikalismusphänomenen werden. Das sind die Menschen, die unsere freie Gesellschaft schützen sollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das können, wollen und werden wir nicht hinnehmen. Für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist klar: Wir dulden keinen politisch oder religiös motivierten gewalttätigen Extremismus, nehmen keine Bestrebungen hin, die das freie und demokratische Zusammenleben in unserer Gesellschaft infrage stellen, und treten dem

mit allen Mitteln einer wehrhaften Demokratie entgegen, und zwar unabhängig davon, welchen ideologischen Hintergrund diese Bestrebungen haben.

(Beifall von der SPD)

Das ist und war Teil unserer Geschichte und unseres Selbstverständnisses.

Mich ärgert besonders, dass bei Debatten über Ursachen und Konzepte immer wieder versucht wird, diese Probleme und Phänomene zu regionalisieren. Das ist natürlich auch eine landespolitische Aufgabe. Aber hier zu suggerieren, man könne dem alleine mit Landespolitik und Landesmitteln entgegentreten, ist nicht nur falsch. Geradezu fahrlässig ist es, wenn in diesem Zusammenhang immer wieder von Wohlfühlzonen, von Hochburgen und von Eldorados für wen auch immer die Rede ist. Davon haben Sie in Ihrem Wortbeitrag Gott sei Dank keinen Gebrauch gemacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist fatal, sich als Demokraten im politischen Wettbewerb um wirkungsvolle Konzepte zur Bekämpfung von Extremismus solcher Ausdrücke zu bedienen; denn damit liefern wir Stichworte für eine Hauptlegende gerade des Rechtsextremismus,

(Armin Laschet [CDU]: Quatsch!)

der immer den handlungsunfähigen Staat in den Mittelpunkt stellt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, daher bitte ich Sie um Vorsicht bei der Wortwahl, wenn es um die Bekämpfung von Extremismus geht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben keinen Masterplan. Wer behauptet, es gebe einen Masterplan oder gar Patentlösungen, der macht den Menschen etwas vor. Aber es gibt viele Maßnahmen, die man sehr differenziert nebeneinander betrachten muss und die zu einem Gesamtkonzept führen.

Dazu zählt zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Wir machen an dieser Stelle eine ganze Menge, und zwar durch Beamtinnen und Beamte in Nordrhein-Westfalen, die sich auch in Landes- und Bundeszusammenhängen einbringen, insbesondere wenn es um den Phänomenbereich Islamismus auf Bundesebene geht.

Oder aber wir entwickeln personenbezogene Auswertungsansätze weiter. Das ist ganz wichtig, um die Leute auf dem Schirm zu haben, die wir gegebenenfalls davon abhalten können, auszureisen, um sich an terroristischen, kriegerischen Handlungen zu beteiligen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen Sie, was man dafür braucht? Personal. Ich komme jetzt nicht umhin – das ist so ähnlich wie mit Cato dem Älteren im Römischen Senat –, das zu sagen, was wir als

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer sagen werden: Von 2005 bis 2010 wurden insgesamt für die Polizei 4.300 Beamtinnen und Beamte eingestellt. Von 2010 bis 2015 betrug die Zahl 8.000. Lieber Herr Kollege Laschet, das macht den Unterschied zwischen sozialdemokratischer Sicherheitspolitik und Ihren Meisterwerken aus.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Wir haben – und da bin ich ganz stolz auf den Beitrag, den meine Fraktion und die Fraktion des Koalitionspartners geleistet haben – insgesamt 85 zusätzliche Stellen für den Verfassungsschutz geschaffen. Diese Stellen werden dringend gebraucht. Ich wäre froh darüber, wenn wir wenigstens an dieser Stelle einen Konsens herstellen könnten.

Fakt ist und bleibt: Es gibt keine Patentlösungen. Statt sich hier aber in pauschaler Verunglimpfung zu ergehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten Sie mit uns gemeinsam nach geeigneten Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtextremismus und Rechtsterrorismus, von religiös bedingtem Fanatismus und auch von Linksextremismus suchen.

Die Redezeit.

Denn eins ist vollkommen klar – ich hoffe, dass wir uns alle da in einer Gemeinschaft befinden –: Alle diese Bestrebungen fordern den demokratischen Rechtsstaat heraus. Wir wollen dieser Herausforderung entgegentreten und sind stolz darauf, dass das in Nordrhein-Westfalen sowohl organisatorisch als auch personell gut hinterlegt ist. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Biesenbach.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Körfges, diese Rede hätten Sie sich schenken können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das waren nun wirklich nichts als leere Worthülsen und Ihr Mantra: Wir können, wollen und werden das alles nicht hinnehmen. – Das kennen wir seit Jahren. Aber es passiert nichts.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Die antragstellende Fraktion hat gesagt: Die Landesregierung muss ein wirksames Konzept zur Terrorismusbekämpfung vorlegen. – Wo war ein Satz in Ihrer

Rede, wo war ein Anhaltspunkt, dass Sie in die richtige Richtung gehen?

Wenn wir den Verfassungsschutzbericht als Frühwarnsystem betrachten, als eine Art Barometer für Radikalisierungstendenzen in der Gesellschaft, dann können wir die Lage doch nur als dramatisch beschreiben. Radikalisierungen und zunehmende Gewaltbereitschaft zeichnen alle Extremismusbereiche aus.

Wenn Sie meinen, wir wären in Nordrhein-Westfalen so gut, dann schauen Sie sich doch nur einmal die Zahlen an. Seit dem Amtsantritt dieses Innenministers hat sich die Zahl der Salafisten bei uns mehr als verfünffacht. Die Zahl der minderjährigen Salafisten in NRW hat sich allein in den letzten beiden Jahren verdoppelt. Bei der politisch motivierten Kriminalität liegen wir an der Spitze. Das ist doch die Situation.

Wenn wir die Entwicklungen im Bereich des Rechts- und Linksextremismus ein wenig näher betrachten, werden wir feststellen, dass es im Bereich des Rechtsradikalismus natürlich auch Extremisten gibt, die Zahlen aber deutlich niedriger liegen als im Bereich des linken Extremismus.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das ist falsch, Herr Kollege! Es geht um die Zuwachszahlen!)

Ja, klar. Herr Körfges, ich nehme doch nur die Zahlen aus dem Verfassungsschutzbericht. Wenn sie falsch sind, gehen Sie zu den Autoren des Berichts. Schauen Sie sich diese Zahlen doch ganz simpel an.