Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

In Ihrem Antrag, in dem Sie sich ja auch selber ein bisschen als Objekt einer Weltverschwörung sehen,

fehlt noch, dass Sie auch auf die Illuminaten eingehen und darauf, was die eigentlich mit den Freihandelsabkommen zu tun haben.

Meine Damen und Herren, im „Economist“ vom 30. Juli 2016 gibt es einen interessanten Artikel mit dem Titel „Drawbridges up“. Dort wird die Hypothese aufgestellt, dass die politische Trennlinie immer weniger zwischen links und rechts verlaufen wird, sondern immer mehr zwischen offen und geschlossen oder, anders ausgedrückt, zwischen weltoffen und protektionistisch. – Der Antrag der Piraten ist der Beweis für diese These.

(Zuruf von den PIRATEN: Das uns vorzuwer- fen, ist schon ein großer Gag!)

Meine Damen und Herren, Freihandel führt zu Wohlfahrtsgewinnen; Freihandel intensiviert Wettbewerb. Und für Unternehmen muss das nicht immer angenehm sein, da sie sich dem Wettbewerb stellen müssen. Aber Verbraucher profitieren von dem Wettbewerb zwischen Unternehmen. Jeder weiß, was passiert, und kann ein Lied davon singen, wenn ein Quasimonopolist oder ein Monopolist bestreikt wird. Wettbewerb führt zu mehr Produktauswahl, zu einer größeren Vielfalt und zu besseren Preis-LeistungsVerhältnissen.

Und Deutschland ist eine Exportnation; das ist eben unter anderem vom Kollegen Kerkhoff schon angesprochen worden. Im Jahr 2015 gab es insgesamt Ausfuhren im Wert von 1,2 Billionen €. Im Industrie- und Dienstleistungssektor hängen 10 Millionen Arbeitsplätze vom Export ab, 10 Millionen Menschen und deren Familien.

Konkrete Zahlen für die Exporte zwischen Kanada und Deutschland allein im ersten Halbjahr 2014: Ausfuhr von chemischen Erzeugnissen für 2,7 Milliarden €; Ausfuhr von Maschinen und Fahrzeugen für 6,4 Milliarden €. Chemie sowie Maschinen und Fahrzeuge sind Kernelemente der nordrhein-westfälischen Wirtschaft. Der Export allein zwischen Nordrhein-Westfalen und Kanada betrug 1 Milliarde € im Jahr 2014.

In diesen Statistiken, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind noch nicht einmal die Zulieferer enthalten, die selber nicht exportieren, sondern den Exporteuren nur zuliefern. Vielfach profitieren kleinere und mittlere Unternehmen.

Ein Exportland, meine Damen und Herren, mit Angst vor Freihandel ist wie ein Fisch mit Wasserallergie.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Dauerschleife gib es die Diskussion über die Schiedsgerichte; Herr Kollege Markert wurde eben – spannenderweise, wie ich fand, vom Koalitionspartner – beim Thema „Wasser“

korrigiert; und ähnliche Dinge. Da wird Politik mit Angst gemacht, um das ganz deutlich zu sagen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Auch der Piraten-Antrag arbeitet, wenn er überhaupt Themen aufgreift, ganz oft mit Worten wie „könnte“, „steht zu befürchten“. Mit diesen Befürchtungen wollen Sie dann Politik machen und die Leute aufbringen. Ich sage Ihnen: Das ist unredlich, das ist unehrlich. Politik sollte nicht mit den Befürchtungen, mit den Ängsten der Menschen spielen, sondern sollte sauber Chancen und Risiken gegeneinander abwägen und das Ganze positiv formulieren.

(Beifall von der FDP)

Eben ist schon vieles angesprochen worden, was die positive Entwicklung angeht beim legitimierten Investitionsgericht, mit einem Berufungsverfahren mit der Möglichkeit, hinterher und während der Verfahren in die Unterlagen zu schauen. Es bleibt beim sogenannten Right to Regulate für die Ebenen.

Anders als behauptet gibt es auch kaum zusätzliche materiell-rechtliche Bindungen für den Gesetzgeber. Einzig der Anspruch für die Inländergleichbehandlung und die Meistbegünstigung führt zu einer Verbesserung für kanadische Investoren hier und umgekehrt für deutsche und europäische Investoren in Kanada. Da geht es um Diskriminierung und Willkür. Da geht es um den Schutz von Eigentum. Das sind doch keine neuen Elemente, die in unser Rechtssystem eingebracht werden, sondern hier schon lang geübte Praxis.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, wirtschaftliche Freiheit – das zeigt ein Blick in die Geschichte – ist oft genug Türöffner zu weiteren Freiheiten: zu bürgerlichen Freiheiten, zu Grund- und Menschenrechten, zu einer Teilhabe, zu Good Governance. Protektionismus und Handelsschranken allerdings bedeuten Isolierung. Da kommen wir zu Unzufriedenheit, zu Armut und Abschottung. CETA bietet uns die Chance, westliche Produktstandards und Arbeitsnormen zu stärken. Es entlastet insbesondere kleine und mittlere Unternehmen von doppelten Zertifizierungen und von Einfuhrkontrollen. Es schafft Arbeitsplätze und Wohlstand.

Wer wie die Piraten CETA, TTIP und ähnliche Abkommen quasi religiös ablehnt – ich habe Ihnen das in der letzten Debatte schon gesagt – stellt sich protektionistisch auf die gleiche Stufe wie die FPÖ, der Front National, wie die AfD und Donald Trump.

Herr Kollege, würden Sie eine Frage des Kollegen Markert zulassen?

Bitte sehr.

Herr Präsident! Lieber Henning Höne, ich wollte kurz eine Frage stellen und dafür ein Zitat bringen.

Es heißt in einem Positionspapier der AöW – Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft –:

Ein ausdrücklicher Ausschluss der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ist hingegen trotz Erklärung der Verhandler und Forderungen des EUParlaments nicht enthalten.

Wie stehen Sie zu dieser Aussage, weil Sie eben gesagt haben, ich wäre widerlegt worden?

Ich verweise auf das Plenarprotokoll und die Aussagen zum Thema „Wasser“ beim Kollegen Töns. Mit dem müssten Sie doch eigentlich enger zusammenarbeiten, als wir das tun.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Redezeit ist auch vorbei.

Wir wollen keine Zugbrücken hochziehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern wir wollen die Dinge offen und optimistisch angehen.

Wir lehnen den Antrag der Piraten ab und stimmen dem Antrag der CDU gerne zu.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Als Nächster spricht der fraktionslose Abgeordnete Schwerd.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Justin Trudeau ist ein gutaussehender Mann: witzig, intelligent, liberal. Man nennt ihn den John F. Kennedy des Nordens. Und Kanada ist ein sympathisches, grünes, weltoffenes Land. Es zieht bei Weitem nicht so viel Hass auf sich, wie das die Vereinigten Staaten tun.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Beides führt womöglich dazu, dass manche Leute glauben, CETA sei das gute Freihandelsabkommen und TTIP das schlechte.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Bitte lassen Sie sich gesagt sein: Das ist nicht so. CETA atmet genau denselben Geist wie TTIP. CETA

stellt genau wie TTIP Wirtschaft, Industrie und internationalen Handel als Primat auf, dem sich Verbraucherschutz, Umwelt, soziale Errungenschaften und öffentliche Daseinsvorsorge unterzuordnen haben. Auch CETA enthält den Investitionsschutz, der es internationalen Konzernen erlauben wird, gegen Staaten zu klagen, wenn diese durch Gesetzgebung ihre Gewinne schmälern. Die gestalterische Freiheit der Legislative wird dadurch eingeschränkt.

(Zuruf von der FDP: Ungleichbehandlung!)

Der derzeitige Zustand wird festgeschrieben. Die Experten reden von einem Lock-in-Effekt. Während alle Menschen und übrigens auch alle nationalen Unternehmen den Rechtsweg einzuhalten haben, erhalten internationale Konzerne ein Sonderklagerecht.

Auch CETA wurde undemokratisch und heimlich hinter verschlossenen Türen verhandelt. Die gewählten Volksvertreter wurden übergangen. Sie dürfen nur über den fertigen privatrechtlichen Vertrag abstimmen. Das ist Postdemokratie. Und, Herr Töns, nachverhandeln ist nicht – das Ding ist unterschrieben.

CETA benachteiligt die Dritte Welt. Das ist wie bei den Grenzzäunen um unseren Kontinent: Während der Handel zwischen den entwickelten Staaten einfacher wird, werden arme Länder ausgeschlossen. Wir vergrößern damit die weltweite Not und die globale Ungerechtigkeit. So schaffen wir neue Fluchtgründe und stärken alte.

Ein modernes Freihandelsabkommen muss, so finde ich, eine soziale Komponente haben; es muss den armen Staaten dieselben Rechte einräumen, wie sie sich die reichen Staaten untereinander geben. Es muss die Ungerechtigkeit zwischen den Ländern abbauen, nicht jedoch verstärken.

CETA greift überdies direkt in die Geschicke unseres eigenen Bundeslandes ein. Das Tariftreue- und Vergabegesetz beispielsweise können Sie direkt in die Tonne werfen, wenn es internationalen Konzernen zusätzliche Kosten verursachen sollte.

(Henning Höne [FDP]: Wegen CETA müssen Sie das nicht!)

CETA stellt also genauso wie TTIP einen Großangriff des Neoliberalismus auf unsere soziale Demokratie dar und muss daher genauso wie TTIP vollständig abgelehnt werden.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Wenn ein internationales Handelsabkommen geschlossen werden soll, dann muss es von Anfang an demokratischen Spielregeln folgen und soziale Standards, die Umwelt und das weltweite Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellen. Nur so geht es.

Am kommenden Samstag werden wieder Zehntausende auf die Straße gehen, um gegen CETA und

TTIP zu protestieren. Hören Sie auf sie! – Vielen herzlichen Dank.