knapp 1.500 minderjährige Migranten mit dem Familienstand verheiratet, fast durchweg Mädchen. Hauptsächlich stammen diese aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Die Dunkelziffer wird sicher um ein Vielfaches höher liegen. Denn die Angaben zum Familienstand erfolgten freiwillig.
Dabei sind diese Frühehen mit gewaltigen Problemen behaftet. Gerade den betroffenen Frauen und Mädchen droht durch den Ehebund ein schweres Schicksal. Viele wissen bei der Eheschließung überhaupt nicht, was dies bedeutet, was auf sie zukommt und können sich dagegen nicht wehren. Hinzu kommt, dass mit der Heirat die notwendige Persönlichkeitsausbildung und Entwicklung abrupt endet. Sie werden ihrer Kindheit von jetzt auf gleich entrissen.
Die individuelle Lebenssackgasse wird sodann immer enger. Vielen droht die soziale Abschottung, damit verbunden natürlich das Ende der Schulausbildung. Es besteht kaum eine Chance auf eine finanzielle Unabhängigkeit. Sie sind oft an den Haushalt gekettet, erleben früh Schwangerschaften, die für manche lebensgefährlich enden. Nicht selten sind
sie zudem Opfer häuslicher Gewalt oder gar sexuellem Missbrauch ausgesetzt. Es ist daher schon fast nicht mehr verwunderlich, dass die häufigste Todesursache von Kinderbräuten weltweit die Geburt ihres Kindes, gefolgt vom Suizid ist.
Wir Liberale akzeptieren solche potenziellen individuellen Leidenswege hier in Nordrhein-Westfalen nicht.
Wir wollen auch keine weiteren Parallelgesellschaften entstehen lassen. Das ist Gift für die Betroffenen, für uns Bürger, für die Wirtschaft und kommt letztendlich auch die öffentliche Hand teuer zu stehen.
Natürlich bedarf es einer rechtlich adäquaten Lösung, was nicht immer einfach ist. Vorschläge, wie diese Lösungen aussehen könnten, haben wir im Antrag unterbreitet.
Internationalen Empfehlungen folgend sollte künftig die Volljährigkeit das für die Eheschließung maßgebende Alter sein. Ausnahmen sind aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur in absoluten Einzelfällen zuzulassen, in denen erkennbar und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Gefährdung des Kindswohls durch die Ehe in Betracht kommt.
Eheschließungen im Inland sollten ausschließlich nach deutschem Recht möglich sein, natürlich vorbehaltlich völkerrechtlicher Verpflichtungen.
In diesem Zusammenhang ist absolut nicht hinnehmbar, dass nach den Aussagen des Bundesjustizministers die Bund-Länder-AG noch bis zum Jahresende Vorschläge sammeln und erst danach in das Gesetzgebungsverfahren einsteigen möchte. Diese Zeit haben wir nicht. Diese Zeit haben auch die betroffenen Mädchen nicht.
„Kein Kind zurücklassen“ darf nicht vor den Türen der Flüchtlingsunterkünfte oder irgendwelcher multikultureller Stadtteile enden. Aber offenbar hat Rot-Grün bisher keine Lösung anzubieten.
ein sehr sensibles Thema. Als ich den Antrag der FDP gelesen habe, habe ich in der Einleitung und in der Ausgangsbeschreibung wahrgenommen, dass sie das Thema mit sehr großen Worten einleitet.
Ein Wort will ich herausgreifen, das ich sehr klar und sehr wichtig finde. Sie sprechen von Deutschland als Einwanderungsland. Wenn ich mir aber jetzt, Frau Kollegin Schneider, Ihren Beitrag hierzu, den Sie gerade hier an diesem Pult gehalten haben, in Erinnerung rufe, stelle ich fest: Zumindest war Ihr Redebeitrag mehr von Populismus als von Interesse an einer ernsthaften sachlichen Debatte geprägt.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Susanne Schneider [FDP]: Wenn das Populis- mus ist, haben Sie den Antrag nicht verstan- den! – Gegenruf von den GRÜNEN: Den Re- debeitrag!)
Frau Kollegin Schneider, bei diesem Thema geht es deutlich um die Frage der Haltung. Darin sind wir uns hier hoffentlich einig. Das habe ich zumindest aus der Integrationsdebatte im Landtag mitgenommen. Es geht um die Haltung gegenüber denjenigen, die bei uns Schutz suchen, und um die Vermittlung unseres Wertekanons.
Sie beschreiben in Ihrem Antrag sehr ausführlich, was das sein könnte. Ich glaube: Wir haben einen klaren Wertekanon in der Bundesrepublik Deutschland. Er lässt sich relativ einfach an den Grundprinzipien unserer Verfassung ablesen: Demokratieprinzip, Sozialstaatsprinzip und Rechtsstaatsprinzip.
So ähnlich haben das auch viele meiner Kollegen bereits im Deutschen Bundestag formuliert. Ich will einen erwähnen, nämlich meinen Sprecherkollegen, Johannes Fechner, der sehr deutlich gemacht hat, dass die Werteordnung des Grundgesetzes Vorrang hat. Das steht außer Frage.
Meine Damen und Herren, im Mittelpunkt steht aber nicht nur die Frage: „Welche Werte wollen wir vermitteln?“, sondern auch die Frage: „Welches besondere Schutzgut wollen wir vermitteln?“ Hierbei geht es insbesondere um den Schutz von Minderjährigen. Gerade wenn wir über den Schutz und die Stärkung von Mädchen reden, müssen wir das sehr differenziert tun.
Ich will die rechtliche Herleitung zu den Fragen des Familienrechts, die Sie in Ihrem Antrag ausgeführt haben, nicht noch einmal zitieren und wiederholen. Jeder Jurist, der sich mit internationalem Familienrecht befasst hat, weiß, wie komplex das ist. Fragen Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Standesämter, wie kompliziert die rechtlichen Fragen gerade beim internationalen Privatrecht sind.
Aber auch das deutsche Familienrecht ist nicht statisch, sondern es hat sich in den letzten Jahren auch sehr stark gewandelt. Auch diesen gesellschaftlichen Wandel, der im Familienrecht abgebildet wird, sollte
man verstehen. Die aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg, die Sie gerade zitiert haben, zeigt durchaus auf, dass wir jetzt an einem Punkt sind, an dem wir sehr genau eine materielle Prüfung und eine rechtliche Diskussion durchführen müssen.
Der Bundesgesetzgeber muss eine sehr grundsätzliche Frage beantworten, die auch in der Rechtsprechung sehr umstritten ist: Welches Mindestalter muss es für eine Ehe in Deutschland geben? Dazu liegen sehr unterschiedliche Rechtspositionen vor. Das muss in Einklang mit der Frage gebracht werden: Sind das so grundsätzliche Positionen, dass sie gegen den sogenannten Ordre Public verstoßen und damit auch im internationalen Privatrecht zu beachten sind?
Sie sagen, Sie hätten das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg gelesen. Wenn Sie es vollständig gelesen haben, werden Sie merken, dass sich das Oberlandesgericht die Entscheidung in diesem Fall nicht leichtgemacht hat. Sehr ausführlich ist dargestellt worden, dass es nicht um eine Zwangsehe ging, über die zu entscheiden war.
Aber ich will mit Ihnen nicht über eine Einzelentscheidung eines Obergerichts diskutieren, sondern ich will deutlich aufzeigen, dass es hierbei um eine sehr komplexe rechtliche Frage geht. Deswegen ist die Initiative des Justizministers sehr zu begrüßen, dass es ihm gelungen ist, dieses Thema auf der Justizministerkonferenz zu platzieren und eine ausführliche rechtliche Diskussion zu beginnen, die dann auch in diese Arbeitsgruppe mündet. Diese Arbeitsgruppe wird mit Sicherheit Vorschläge vorlegen.
Sie haben dann auch noch – darauf sind Sie gar nicht eingegangen; ich habe das mit meinem Kollegen in der Fraktion diskutiert – eine kirchenrechtliche Frage berührt. Darüber sind Sie etwas hinweggegangen. Sie wissen: Nach der Reform des Personenstandsgesetzes gibt es unterschiedliche Positionen der Evangelischen Kirche in Deutschland und auch der katholischen Kirche. Ich würde zu äußerster Vorsicht in der Diskussion raten. Wir sollten damit sehr sensibel umgehen.
Es gibt noch weitere Aspekte, die zu diskutieren sind. Auch dabei habe ich mich mit den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion ausgetauscht. Es gibt jugendpolitische und frauenpolitische Fragen, die zu diskutieren sind. Wie viele Fälle gibt es tatsächlich?
Es gibt meiner Meinung insbesondere die Frage: Wie stärken wir junge Mädchen? Ein schönes Beispiel aus Bielefeld hat mir die Kollegin Kopp-Herr geschildert, nämlich die Clearingstellen. Das alles sind Fragen. Sie merken: Das ist ein sehr
komplexes Thema. Deswegen bin ich sehr gespannt auf die Diskussion in den Fachausschüssen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist fürwahr ein wichtiges Thema, über das wir heute sprechen. Richtig ist: Man kann diesem Thema in fünf Minuten nicht gerecht werden – und schon gar nicht den Betroffenen. Deswegen ist das ein Einstieg in eine Diskussion. Somit ist auch gut, dass die FDP-Fraktion heute dieses Thema eingebracht hat.
Vielleicht beginnen wir mit einem Grundsatz, auf den man sich verständigen kann, der in Deutschland gelten sollte, nämlich der Grundsatz, dass eine Ehe die freiwillige Verbindung zwischen zwei Erwachsenen ist.
Wenn man sich diesen Grundsatz vor Augen hält, ergibt sich daraus einerseits, dass wir Handlungsbedarf haben, weil wir eben diese fast 1.500 registrierten minderjährigen Verheirateten in Deutschland haben und weil davon rund 360 jünger als 14 Jahre sind. Wir stellen fest, dass rund 40 % davon aus Syrien kommen. Wir haben auch Fälle aus EUMitgliedstaaten wie Bulgarien, Polen, Rumänien und Griechenland.
An dieser Stelle übrigens auch interessant: Ca. 80 % der Betroffenen sind Mädchen, und 20 % sind Jungen. Somit ist die generelle Zielsetzung des FDPAntrags, solche Kinderehen in Zukunft möglichst auszuschließen, richtig und klug.
Die Frage ist allerdings: Sind wir nicht schon ein Stück weiter, als im FDP-Antrag beschrieben? Denn Fakt ist, dass zum Beispiel der bayerische Justizminister bereits vor drei Monaten einen Vorschlag für eine Gesetzesänderung eingebracht hat, der Bundesjustizminister mittlerweile eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einberufen hat und der Gesetzgeber arbeitet.
Vielleicht kann uns zur Orientierung auch eine Stellungnahme der Evangelischen Landeskirche weiterhelfen, hier der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie NRW vom 30. August dieses Jahres. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich:
„Wir fordern, dass in Deutschland nur Ehen volljähriger Personen als solche anerkannt werden dürfen. Eine Ehe ist ein weichenstellender Schritt
für das Leben eines Menschen und umfasst soziale, kulturelle, religiöse und persönliche Aspekte. Kinder und Jugendliche müssen davor geschützt werden, in ihrem jungen Alter bereits solche Entscheidungen treffen zu müssen bzw. durch die Entscheidung von Erwachsenen in eine Ehe gedrängt zu werden.
Mit der Verheiratung von noch nicht volljährigen Personen geht oft ein Missbrauch einher. Die Kinder – zum allergrößten Teil Mädchen – werden unter Druck gesetzt, verfügbar gemacht, misshandelt und gezwungen, sich den Familienstrukturen anzupassen.“
Meine Damen und Herren, damit wird deutlich – die CDU-Fraktion schließt sich dem an –: Kinderehen verletzen elementar das Menschenrecht, und sie sind mit unserem Verständnis von Ehe nicht zu vereinbaren.
Wir müssen allerdings auch berücksichtigen: Wo sind diese Ehen geschlossen worden? Wir reden über im Ausland geschlossene Ehen, oftmals in Kulturen – das müssen wir auch anmerken –, in denen eine durch die Eltern arrangierte Ehe von Kindern oder Jugendlichen gängige Praxis ist und die Unterordnung der Ehefrau unter ihren Mann auch rechtlich festgelegt ist. Somit kann dort von einer freien Entscheidung der Mädchen oder jungen Frauen kaum die Rede sein. Sie wechseln auf Geheiß des Vaters von einer Abhängigkeit in die nächste.
Ob dann der Paragraf „Zwangsehen“ greift und somit auch § 237 Strafgesetzbuch, ist juristisch umstritten, sollte aber in der Diskussion einfach noch einmal thematisiert werden.
Meine Damen und Herren, mit Recht sieht heute bereits das Bürgerliche Gesetzbuch hohe Hürden vor, wenn zum Beispiel einer der Verlobten nicht volljährig ist. Ausnahmen können für Verlobte ab 16 Jahren gemacht werden. Aber auch dann muss ein Familiengericht dies genehmigen. Eine Entscheidung der Eltern reicht dafür nicht aus. Somit sind verschiedene Aspekte zu beachten.