Protokoll der Sitzung vom 05.10.2016

Die Stärkung der Abgeordnetenrechte haben wir drin. Alles klar.

Stellung der Landesregierung haben wir geschafft.

Eine Regelung zur Funktion der Opposition steht im Einsetzungsbeschluss. Aber das haben wir leider nicht geschafft.

Stärkung des Parlaments in Angelegenheiten der EU. Jawohl, da haben wir was drin.

Wahl des Ministerpräsidenten: Entschuldigung, das ist eine Besonderheit in Nordrhein-Westfalen, die wir uns als starkes Land erhalten sollten? Als einziges Bundesland in der ganzen Bundesrepublik muss der Ministerpräsident, die Ministerpräsidentin ein Abgeordneter, eine Abgeordnete des Landtags sein. Welchen Sinn macht diese Regelung? Wenn Sie, liebe CDU, doch immer so gern auf Bayern schauen und sagen, wie toll das da ist, dann frage ich Sie: Wo steht denn diese Regelung in der Verfassung in Bayern?

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Gar nicht! Gibt es da gar nicht! )

Haben wir nicht geschafft.

Dann haben wir die Kommunalverfassungsbeschwerde, das Quorum für die abstrakte Normenkontrolle. Da haben wir sogar einen Kompromiss gehabt. Aber am Ende ist auch das nicht drin.

Und die Regelungen zur kommunalen Selbstverwaltung: Ja, auch da hatten wir einen Kompromiss, und auch das ist nicht mit hineingekommen.

Übrig bleibt ein kleines Paketchen, und alles nur Regelungen, die das Parlament betreffen, und null Regelungen, die den Bürgern, den Bürgerinnen das Leben hier in diesem Land besser machen.

Den großen Fehler, den wir in dieser Verfassungskommission gemacht haben, ist in der allerersten Sitzung passiert, und das ist der Satz: Alles hängt mit allem zusammen. – An diesem Satz ist die Verfassungskommission gescheitert.

(Beifall von den PIRATEN)

Alle Eingaben von Bürgern, die Neues in die Verfassung gebracht hätten, sind nicht einmal richtig zur Diskussion gestellt worden, sondern sind abgebügelt worden.

Da ist das kommunale Wahlrecht für Nicht-EUAusländer aufgenommen, diskutiert worden, aber wir sind nicht einmal zu einer Art Kompromiss gekommen. Es wurde sich nicht aufeinander zubewegt, trotz der Zuschriften von fast allen Integrationsräten des Landes.

Da sind die Zuschriften der kommunalen Spitzenverbände einfach ignoriert worden. Bis zuletzt – noch in dieser Woche – hat mich ein Brief der kommunalen

Spitzenverbände erreicht, doch bitte diese Regelungen aufzunehmen. Es gab einen Kompromiss. Man hätte dafür eine einzelne Lösung finden können. Aber selbst auf die Kolleginnen und Kollegen aus den eigenen Parteien, die in der kommunalen Familie organisiert sind, wird nicht gehört. „Alles hängt mit allem zusammen“, das ist am Ende leider gescheitert.

Wenn ich den Kollegen Engstfeld höre, der von den Änderungen enttäuscht ist und sagt: „Wir werden weiterkämpfen“, dann sage ich: Die Parlamentszeit hier ist nicht vorbei. Vieles von dem, wo wir eigentlich einen Kompromiss hatten, könnten wir sogar noch schaffen. Aber das, was wir hier erreicht haben, ist peinlich für diesen Landtag, das ist peinlich für dieses Land. Da ist das Parlament an sich selbst gescheitert. Wir werden dieser Regelung nicht zustimmen. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Jetzt spricht der fraktionslose Abgeordnete Schulz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und daheim! „Klarmachen zum Ändern!“ – damit sind die Piraten, damit bin ich 2012 angetreten. Wir hatten im Jahr 2012 – ich glaube, es war die dritte Sitzung dieses Hauses in dieser Legislaturperiode – einen Antrag gestellt. Da sollte kraft Gesetzes in die Verfassung die Möglichkeit aufgenommen werden, dass die Bürgerinnen und Bürger über die Verfassungsänderung abstimmen mögen. Dieses Gesetz bzw. diese Verfassungsänderung ging auf in der Verfassungskommission, die letztendlich – wie wir heute lesen müssen – nichts bzw. nicht viel und vor allen Dingen nichts Wesentliches im Hinblick auf Partizipation der Menschen in diesem Land an dem verfassungsmäßigen Zusammenleben ändert.

Veränderung der politischen Kultur auf der einen Seite, weg von einer Kultur der Bevormundung durch Gesetze, auf der anderen Seite hin zu einer Teilhabe des Bürgers an politischen Prozessen, den Entscheidungsprozessen und auch den vorangegangenen Meinungsbildungsprozessen findet leider nicht statt. Und sie findet auch nicht mit dieser Änderung der Verfassung statt, wie wir heute schon von verschiedenen Rednern hören konnten.

Wir sind aufgerufen, nicht nur eine Politik für Menschen zu machen, sondern wir alle haben uns in die Bücher geschrieben, eine Politik mit den Menschen zu machen. Nur das – und nur das – ist Partizipation. Nur dies führt zu einer eindeutig besseren Akzeptanz von Politik und dazu, dass Menschen nicht sagen: „Die Politiker hören nicht auf uns“, sondern sagen:

„Politik hört auf uns“. Diese Chance hat diese Kommission, hat dieser Landtag mit der heutigen zweiten und dritten Lesung vertan.

Natürlich haben wir die Möglichkeit der Volksentscheide, der Volksbegehren, aber die Quoren sind einfach noch zu hoch.

Wir haben nicht die Individualverfassungsbeschwerde. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Voßkuhle hat die Individualverfassungsbeschwerde als „Identitätsmerkmal“ des Landes Nordrhein-Westfalen bezeichnet. Diese Chance ist kläglich vertan.

Auf Seite 102 des Berichts der Verfassungskommission steht in Bezug auf die Individualverfassungsbeschwerde:

„Eine Verständigung zwischen den Fraktionen konnte nicht gefunden werden, da dieser Punkt mit den politischen Punkten Quoren, Wahlrecht, direkte Demokratie und der Schuldenbremse verknüpft war und insoweit keine Gesamtlösung gefunden werden konnte.“

Es hat den Anschein, dass wesentliche gewichtige Änderungen der Verfassung des Landes auf dem Altar parteipolitischer Eitelkeiten geopfert wurden. Der Landtag verpasst zu Beginn des 21. Jahrhunderts und im 70. Jahr seines Bestehens eine große Chance zum Ändern. Das finde ich ausgesprochen bedauerlich. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Wir sind damit am Ende der Aussprache der zweiten Lesung zur Verfassungsänderung.

Ich komme zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 16/13041, den Gesetzentwurf in der Drucksache 16/12350 in der Verfassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung in der Drucksache 16/13041 und nicht über den Gesetzentwurf.

Wer der Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt in der zweiten Lesung um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Piraten. Ich frage nach Enthaltungen. – Der fraktionslose Abgeordnete Schulz und der Abgeordnete der CDUFraktion Holger Müller. Ich stelle fest, dass damit in zweiter Lesung mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Gesetzentwurf Drucksache 16/12350 in der Fassung der Beschlüsse des Hauptausschusses Drucksache 16/13041 angenommen ist.

Wir kommen dann zur dritten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP Drucksache 16/12350 „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen“. Ich weise auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Hauptausschusses Drucksache 16/13041 zur zweiten Lesung hin. Für die dritte Lesung ist eine weitere Aussprache nicht vorgesehen. Und da jetzt Kolleginnen und Kollegen den Raum betreten, wäre ich allen Kolleginnen und Kollegen, die abstimmungsberechtigt sind, sehr dankbar, wenn Sie sich hinsetzen würden, weil wir uns in der dritten Lesung einer Verfassungsänderung befinden.

Ich rufe die Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/12350 in der Fassung nach der zweiten Lesung auf. Da das Beratungsverfahren hiermit abgeschlossen wird, handelt es sich um eine Schlussabstimmung nach § 76 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung. An dieser Stelle weise ich noch darauf hin, dass nach Art. 69 Abs. 2 unserer Landesverfassung für eine Verfassungsänderung die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Mitglieder des Landtages, das heißt von mindestens 158 Abgeordneten, erforderlich ist.

Wer in der dritten Lesung dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Piraten. Wer möchte sich enthalten? – Ein Kollege der CDU und der fraktionslose Abgeordnete Schulz.

Gemäß § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung kann ich damit ausdrücklich festhalten, dass mindestens zwei Drittel der gesetzlichen Mitglieder des Landtages dem Gesetzentwurf Drucksache 16/12350 in der Fassung nach der zweiten Lesung zugestimmt haben. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/12350 in dritter Lesung angenommen und mit der erforderlichen Mehrheit verabschiedet worden.

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Ich rufe auf:

2 Investitionsfähigkeit der Kommunen stärken

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/13024

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat für die antragstellende Fraktion der CDU Herr Kollege Nettelstroth das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Investitionsfähigkeit der Kommunen stärken“ lautet unser Antrag.

Wenn man sich mit diesem Antrag befasst, dann muss man zunächst die Frage stellen, was eigentlich die Ausgangslage hier in Nordrhein-Westfalen ist. Die Ausgangslage in unserem Land ist leider so, dass wir eines der Bundesländer mit der niedrigsten Investitionsquote sind. Bayern und Baden-Württemberg geben 2,5-mal mehr für Investitionen aus als wir. Wir stellen leider auch fest, dass die Investitionskredite abnehmen. Das heißt, in den Kommunen wird weniger investiert, weil die Kommunen andere Leistungen zu erfüllen haben – Sozialhilfe, Jugendhilfe und andere Aufgaben –, die sogar dazu führen, dass die Kassenkredite zunehmen.

Was ist der Grundgedanke unseres Antrags? Der Grundgedanke unseres Antrages ist, dass wir die kommunale Selbstverwaltung, wie sie in Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes aufgeführt ist, ernst nehmen wollen, und zwar, indem wir Entscheidungsprozesse wieder stärker auf die kommunale Ebene vor Ort zurückholen. Das ist gelebte Subsidiarität im Sinne der CDU. Dafür stehen insgesamt fünf Ziele, die Sie in unserem Antrag finden.

Das erste Ziel ist, dass die bisherigen pauschalierten Zweckzuweisungen wie zum Beispiel die Investitionspauschale zur Verbesserung der Altenhilfe und Altenpflege, die Investitionspauschale für die Eingliederungshilfe, die Schul- und Bildungspauschale und die Sportpauschale alle in der allgemeinen Investitionspauschale zusammengefasst werden. Das heißt, das Volumen, das wir bisher in diese verschiedenen Zuweisungsebenen gebracht haben, wollen wir jetzt in ein großes Paket packen und den Kommunen dann zur Verfügung stellen, damit diese selbst priorisieren, welche der einzelnen Maßnahmen vor Ort als die wichtigere eingestuft wird.

Das zweite Ziel ist, diese gemeinsame Investitionspauschale beginnend ab 2017 zu dynamisieren, und zwar durch zusätzliche Landesmittel, die sich am Aufwuchs des GFG orientieren. Das GFG hat gerade in den letzten Jahren immer wieder zugenommen, was auch mit der Steuerkraft zusammenhängt, die durch unsere Bürger erwirtschaftet werden. Das soll dann auch dieser Zulage zugutekommen. Das soll aber nicht dadurch geschehen, dass man womöglich die Pauschale erhöht und dafür die Schlüsselzuweisung reduziert, sondern insgesamt die Summe erhöht, die dafür zur Verfügung steht.

Meine Damen und Herren, ich darf in dem Zusammenhang auch feststellen, dass die Schulpauschale seit 2009 oder die Sportpauschale seit 2007 nicht mehr erhöht worden sind. Diese Dynamisierung führt dann eben auch dazu, dass mehr Mittel zur Verfügung stehen und damit etwaige Sonderprogramme,

die wir am Freitag noch einmal diskutieren, von daher erst gar nicht nötig werden.

Das dritte Ziel, das wir damit verbinden, ist, dass die Zweckbindung der Investitionspauschale weiter zu fassen ist. Das heißt, auch die Deckung des Investitionsbedarfs für Instandsetzung, für Erneuerung, für Erstellung sowie für Erhalt von Einrichtungen und Anlagen der infrastrukturellen Grundversorgung wird möglich. Darüber hinaus können auch Eigenmittel erwirtschaftet werden, die zum Beispiel im Rahmen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes notwendig sind. Das sind die 10-%-Anteile, die notleidende Kommunen teilweise nicht erbringen können.

Das setzt auch voraus, dass das NKF und nachfolgende Regelungen natürlich entsprechend anzupassen sind. Auch das ist ein Wunsch in unserem Antrag, das mit aufzunehmen.

Meine Damen und Herren, unser viertes Ziel ist es, die kommunalen Investitionen im Rahmen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes durch eine

darlehnsmäßige Komplementärfinanzierung durch das Land zu unterstützen. Wir haben die Situation, dass mit Stand 30.06. dieses Jahres bisher nur gut ein Drittel der Komm-Invest-Mittel abgerufen worden sind. Das macht deutlich, dass durchaus viele Kommunen das Problem haben, ihren Eigenanteil von 10 % zu finanzieren. Auch an dieser Stelle wollen wir helfen.