Protokoll der Sitzung vom 01.12.2016

(Beifall von den PIRATEN)

Wir meinen: Den Einrichtungen sollte ab 2017 endlich wieder die volle Fördersumme zur Verfügung stehen. Außerdem ist es allerhöchste Zeit, dass eine systemische Stärkung der Weiterbildung angegangen wird. Dies haben uns in der letzten Woche die Teilnehmer der Weiterbildungskonferenz auch mit auf den Weg gegeben. Und bevor Sie fragen: Selbstverständlich werden wir dazu auch noch Haushaltsänderungsanträge stellen.

Ich komme jetzt zu einem Bereich, der gerade ganz kurz angesprochen wurde, nämlich zur Bildung in der digitalisierten Welt.

Ich mache es ganz kurz: Das Pflichtfach Informatik haben Sie abgelehnt. Hier hätten wir uns gewünscht, dass Sie die Studienplätze für Informatiklehrer massiv ausweiten.

Der von Ihnen hochgelobte Medienpass hat kaum eine Verbreitung in den weiterführenden Schulen gefunden; in den Grundschulen sieht es etwas anders aus – okay.

Nach Auffassung von Frau Ministerin muss das Lehrpersonal nicht einmal umfänglich gesondert geschult werden, wie sie es im letzten Schulausschuss gesagt hat. Hinsichtlich der Datenschutzfragen zum Beispiel bei „Bring your own device“ hört man nichts, weiß man nichts. Ich glaube, um dieses Thema macht man einen dicken Bogen. Da bin ich gespannt.

Breitbandanschlüsse im Gigabitbereich sind an unseren Schulen Mangelware. Darauf kommen wir gleich noch: Schule 2020.

Ich glaube, es gibt bei der Bildung in NRW kaum einen Bereich, über den so viel geredet wird und bei dem anschließend mehr Verwirrung herrscht als vor der Debatte. Kaum einer trennt im Bereich der digitalen Bildung zwischen Kompetenzen, neuen Inhalten, Methoden und den infrastrukturellen Voraussetzungen. Es ist gesagt worden und bei einigen tatsächlich inzwischen angekommen – bei Weitem aber nicht bei allen, wenn ich an unseren Antrag „Bildung hoch vier“ denke –: Digitalisierung beginnt im Kopf. Das ist allerdings schwierig, wenn man, wie die Landesregierung, an dieser Stelle den Kopf in den Sand steckt.

Noch zu keinem Zeitpunkt habe ich hier Debatten über die immer wichtiger werdenden Soft Skills gehört. Wer schon bei den Hard Facts keine konkreten und verpflichtenden Elemente festlegen will, der tut sich da schwer.

Wir haben uns dieses Themas schon zu Beginn der Legislaturperiode angenommen, während Sie – das ärgert mich immer noch – immer nur abgewehrt haben. Als wir in den Landtag gekommen sind, hat die Frau Ministerpräsidentin von der Politik der ausgestreckten Hand gesprochen. Wir haben immer wieder Vorschläge gemacht. An keiner Stelle ist man mit uns in den konstruktiven Dialog gegangen. Hätte man das damals getan, dann wären wir um einiges weiter und müssten nicht bis zum Schuljahr 2018/2019 warten, bis die Pläne der Landesregierung in Trippelschritten greifen – und das nicht einmal umfassend. Dann, meine Damen und Herren, hätten Ihre Kinder und Enkelkinder, vor allem aber die Kinder und Jugendlichen, die von Haus aus nicht so viel Unterstützung erfahren, eine realistische Chance, nicht die Bildungsverlierer in der digitalisierten Welt zu werden.

Zum Thema „Gute Schule 2020“: Hier so zu tun, als sei dieses Konzept das Allheilmittel der Bildung, halte ich für maßlos übertrieben. „Gute Schule 2020“, die Ausstattung der Gebäude, ist wie alles andere ein Zahnrädchen, das zwar sehr wichtig ist, aber es ist nur eins von vielen und wird nicht automatisch zu besserer Bildung führen.

Die Redezeit.

Ein letzter Satz an die liebe Kollegin Sigrid Beer: Es gibt auch bei den Grünen „Irre“. Meines Wissens haben nämlich die Grünen in Velbert das Programm „Gute Schule 2020“ auch abgelehnt. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper. – Jetzt spricht der fraktionslose Abgeordnete Schulz.

So ist es. Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Beer, „postfaktisch“ ist das internationale Wort des Jahres, das neue „Ätsch, ich bin oder weiß es besser.“ Fakt ist: Nordrhein-Westfalen hinkt in der Bildungspolitik deutlich hinter anderen Bundesländern her. Dabei ist zu bemerken: Bildungsföderalismus führt zu Chancenungleichheiten, die überall zu spüren sind.

Vor allem strukturschwache und finanzschwache Regionen in Deutschland und auch in NordrheinWestfalen sind benachteiligt und bekommen das zu spüren. Dies auszugleichen, dem dient offenbar das hier in erster Lesung im Rahmen der Haushaltsdebatte vorgelegte Gesetz „Gute Schule 2020“. Dazu möchte ich reden, weniger zur Bildungspolitik im Allgemeinen.

Vor allem die Ausstattungen, die Standards der Schulen sind infolge der Finanzschwäche der Kommunen und angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen sie insbesondere wegen der notwendigen Integration von Geflüchteten und Zuwanderern stehen, ein vorrangiges staatliches Aufgabenziel. Dies in den Griff zu bekommen, dem dient wohl auch das Gesetz. Aber es reicht nicht.

Wir alle wissen, dass sich seit Jahrzehnten gerade im Bereich der Schulinfrastruktur Defizite angehäuft haben. Die 2 Milliarden € mögen ein erster Tropfen auf diesen verdammt heißen Stein sein.

Man muss ganz klar sehen: Wir alle wissen, dass dieses Gesetz einen recht forschen und haushalterisch fragwürdigen Vorstoß der Landesregierung heilen soll. Es folgt letztendlich aber doch dem Selbstzahlerprinzip. Die Kinder, die heute bzw. in den nächsten drei Jahren und auch danach in den Genuss einer verbesserten Schulinfrastruktur kommen, werden die späteren Steuerzahler sein, welche die Zeche jahrzehntelanger Misswirtschaft in dem Bereich zu zahlen haben.

(Beifall von Daniel Sieveke [CDU])

Es sind die heute 16- bis 17-Jährigen, denen dieses Haus – bislang zumindest – das Wahlrecht auf Landesebene verweigert. Sie werden bis 2041 belastet sein und den Anteil der Tilgung, den NRW jährlich aufzubringen hat, zu zahlen haben. Unter dem Strich heißt das: rechte Tasche, linke Tasche. Natürlich ist es ein Notausgang aus der Schuldenbremse, die nun auch das Land Nordrhein-Westfalen einzuhalten hat.

Dieses Diktum deutet letztendlich darauf hin, dass der Landeshaushalt mit jährlich 500 Millionen € mehr belastet sein müsste. Der Abbaupfad des Finanzministers der Neuverschuldung bis 2019, der heute im Übrigen bei dem riesengroßen Bildungshaushalt nicht zugegen ist, wäre in Gefahr. Jetzt müssten die Politiker des Landes erkennen, dass unterlassene Investitionen der vergangenen Jahrzehnte wie ein Bumerang zurückfliegen.

Ich verweise auf einen Beschluss eines Landesparteitags der Piratenpartei, der Bildung zum Ausnahmetatbestand bezüglich der grundgesetzlich geregelten Schuldenbremse erheben wollte. Die Chancen dazu sind noch nicht vertan. Sie wurden allerdings in der Verfassungskommission vertan. Da hätte ein Ansatz gefunden werden können. Er könnte auch im Rahmen eines politischen Antrags hier noch einmal Bedeutung gewinnen.

Unter dem Strich …

Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident, selbstverständlich. – Letzter Satz: Jetzt, fast fünf Jahre nach Beginn der Legislaturperiode, fällt der Landesregierung ein, es müsse etwas für die Schulinfrastruktur getan werden. Heute geriert sie sich mit einem Wahlgeschenk. Wir werden sehen, wann und wie sich das auswirkt. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Schulz. – Nun spricht als nächste Rednerin für die Landesregierung Frau Ministerin Löhrmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Präsident Kennedy hat einmal gesagt: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Nach diesem Grundsatz arbeitet die gesamte Landesregierung, weil sie weiß, wie wichtig dieses Feld für die Gestaltung der Zukunft ist. Das gilt für den Hochschuletat, für den Etat von Ministerin Kamp

mann, aber auch für den Kommunaletat, weil wir neben Bildungspauschale und „Gute Schule 2020“ zum Beispiel auch die Mittel im Gemeindefinanzierungsgesetz immer wieder angehoben haben. Es gehört alles zusammen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Insgesamt beträgt das Volumen des Einzelplans 05 17,87 Milliarden €. Das sind noch einmal 576 Millionen € mehr als 2016. Herr Witzel und Frau Vogt haben eben beklagt, wir hätten die Einsparvorschläge der CDU im Schulhaushalt abgelehnt. Ich sage Ihnen: Ja, wir haben sie abgelehnt, weil wir bei der Bildung nicht sparen wollen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich höre im Moment immer, dass allen überall viel mehr versprochen wird, aber nicht erklärt wird, wo man etwas wegnimmt, wenn man es nicht mit einem Stellenaufwuchs finanzieren will. Die 12.000 Stellen, die Herr Witzel eben beklagt hat, sind in bestimmte Bereiche geflossen; ja, das ist richtig.

Sie sind zum einen für einen funktionierenden öffentlichen Dienst vorgesehen, weil wir auch den brauchen, zum Beispiel um Straßenbaumittel abzurufen, um Lebensmittelschutz zu betreiben, um Lehrerstellen zuzuweisen. Dort war es notwendig, nachzusteuern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind zum anderen für die Schulen und die innere Sicherheit vorgesehen. Darum sind so viele Stellen dazugekommen. Es geht um das Gemeinwohl und um die Interessen der Menschen in unserem Land. Das war und ist richtig, und dafür steht diese Regierung aus großer Überzeugung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu den Einzelheiten: Im Lehrerstellenhaushalt haben wir noch einmal knapp 2.200 Stellen mehr geschaffen. Zudem werden rund 900 Stellen für die Integration Zugewanderter sowie 300 Stellen für die Sprachförderung zusätzlich bereitgestellt. Insgesamt haben wir damit seit 2015 1.500 zusätzliche Stellen speziell für Integration und Sprachförderung geschaffen.

Frau Vogt, ich sage – auch wenn Sie wider besseres Wissen etwas anderes behaupten –: Nur durch Bildung gelingt Integration. Das ist der richtige Grundsatz. Der Ansatz, so viel Integration wie möglich und so viel separate Sprachförderung wie nötig zu gewährleisten, stammt nicht nur aus NRW, sondern entspricht auch dem Ansatz der Kultusministerkonferenz. Auch die OECD forciert diesen Ansatz, weil sie der Meinung ist, dass die Kinder auf diese Weise besser lernen. Es ist richtig, dass wir hier so vorgehen. Es ist nichts gestrichen worden, und es sind auch keine Organisationsformen verboten worden. Das will ich hier noch einmal in aller Deutlichkeit klarstellen, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann komme ich zu dem wichtigen Feld der Inklusion, in dem wir mit diesem Haushalt weitere 700 zusätzliche Stellen einrichten werden. Damit lösen wir unser Versprechen ein, einen intensiven und herausfordernden Umbauprozess anzugehen. Das wird er für jedes Bundesland sein. Auch das heute im Bundestag beschlossene Bundesteilhabegesetz wird einen intensiven Umbauprozess nach sich ziehen. Dass das völlig reibungslos läuft, habe ich von anderen Kolleginnen und Kollegen der KMK nicht gehört. Das gilt auch für Frau Beer, die ehemalige hessische Kultusministerin, die gesagt hat: Das ist ganz leicht. – Vielmehr tragen alle vor, wie schwierig dieser tiefgreifende Veränderungsprozess rund um die Inklusion ist.

Wir haben erklärt, wir gehen das Ganze nach guter Beratung an und steuern nach, wenn wir konkret sehen, wo wir das qualifiziert tun können. Dieses Versprechen löst die Koalition und auch ich ganz persönlich ein. Das ist richtig, und das ist gut so.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir unterstützen das Stellenbudget, die Fortbildung, das Change Management, die Berufskollegs. – Frau Gebauer, Sie haben behauptet, ich deklarierte Schulen zu Schulen des gemeinsamen Lernens. Das ist kein Prozess, in dem die Ministerin Schulen deklariert, sondern die Kommunen und die Schulträger entscheiden darüber vor Ort. In dem Fall setzt der andere Steuerungsmechanismus ein.

(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

Kein Wunder, dass Sie manche Dinge immer wieder anders darstellen, wenn Sie diesen Grundsatz nicht verstanden haben. Ich begreife nicht, wie Sie das nach den vielen Diskussionen immer noch falsch in den Raum stellen können und so die vorhandene Verunsicherung weiter vorantreiben. Wahrscheinlich wollen Sie nicht, dass dieser Weg gelingt. Wir wollen, dass er trotz aller Schwierigkeiten gelingt. Ich danke allen Lehr- und Fachkräften dafür, dass sie den Weg im Interesser der Kinder und Jugendlichen mitgehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen auch eine großen Erfolg nennen: Es gibt meines Wissens keine Petitionen mehr. Eltern müssen das Grundrecht auf gemeinsames Lernen nicht mehr einklagen. Darauf sind wir – bei allen Schwierigkeiten – stolz. Das ist der Gewinn für die Kinder.