Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

Auch da wäre man trotzdem zusammengekommen, weil wir ja dasselbe Anliegen haben. – Aus unserer Sicht machen die Behörden schon sehr viel, und das ist auch gut so. Aber man wäre zum Beispiel an dem Punkt zusammengekommen, zu sagen, dass man dranbleiben muss und gucken muss, wo es noch weitere Bedarfe gibt, etwas zu tun.

Deshalb finde ich es schon schade, dass auf unsere Mail hin, ob man etwas Gemeinsames machen kann, nur „nein“ geantwortet wird, ohne irgendeinen Versuch zu starten, zu gemeinsamen Formulierungen zu kommen. Das bedaure ich; denn das politische Signal, dass wir hier als Parlament gemeinsam gegen die „Reichsbürger“ vorgehen und insbesondere auch bei der „Malta-Masche“ tätig werden und die Betroffenen unterstützen, hätte ich politisch wichtig und sinnvoll gefunden.

Jetzt ist es so, dass wir zwei Anträge haben. Wir werden den CDU-Antrag natürlich ablehnen – etwas anderes haben Sie wahrscheinlich nicht erwartet – und unseren Entschließungsantrag entsprechend annehmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Wedel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verschwörungstheorien erfreuen sich insbesondere im Zeitalter des Internets einer wachsenden Anhängerschaft.

Das Phänomen der sogenannten Reichsbürger fällt im weitesten Sinne auch in diesen Bereich. Personenkreise, die daran glauben, der Bundesrepublik Deutschland fehle es an völkerrechtlicher Legitimation mit der Folge, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1914,1937 oder einem beliebigen anderen Zeitpunkt noch fortbestehe, bezeichnen sich selbst als „Reichsbürger“ und erstellen pseudoamtlich aufgemachte Fantasiedokumente.

Für NRW wird die Zahl der „Reichsbürger“ ausweislich der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage meines Fraktionskollegen Marc Lürbke gegenwärtig auf etwa 200 bis 300 geschätzt. Bundesweite Aufmerksamkeit erhielten die „Reichsbürger“ am 19. Oktober 2016, als in Mittelfranken ein Anhänger jener kruden Überzeugungen brutal einen SEKBeamten erschoss. Dieser Gewaltexzess warf ein Schlaglicht auf das Sammelsurium von Gruppierungen und Personenmehrheiten, die die Bundesrepublik Deutschland und ihr föderales System nicht anerkennen und versuchen, dieses nicht nur mittels Gewalt, sondern auch durch andere kriminelle Verhaltensweisen zu bekämpfen.

Eine derartige Verhaltensweise ist die im Antrag der CDU angesprochene sogenannte Malta-Masche. Bereits durch die Antwort auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag Mitte Oktober 2016 war bekannt geworden, dass „Reichsbürger“ erfundene Forderungen gegen Amtsträger über das Internet in ein Forderungsregister für Handelssachen des US

Bundesstaats Washington eintragen, diese vermeintlichen Forderungen dann an ein von „Reichsbürgern“ betriebenes maltesisches Inkassobüro abtreten und anschließend einen Vollstreckungstitel im automatisierten maltesischen Mahnverfahren erschleichen, der dann theoretisch in der gesamten EU und damit auch in Deutschland zugestellt werden könnte. Dies ermöglicht die europäische Vollstreckungstitelverordnung in Verbindung mit § 794 Abs. 1 Nr. 7 ZPO.

Der CDU-Antrag weist zurecht auf diese Vorgehensweise hin, auch wenn es bisher nirgendwo in der Bundesrepublik zur Zustellung derartiger Titel gekommen sein soll. Soweit durch den Antrag neben Amtsträgern auch „unbescholtene Bürger“ als Opfer der „Malta-Masche“ in den Blick genommen werden, ist daran zu erinnern, dass nach der Vollstreckungstitelverordnung, im Falle, dass Verbraucher Verbrauchergeschäfte tätigen, eine Bestätigung als europäischer Titel nur erfolgen kann, wenn die gerichtliche Entscheidung in dem Mitgliedstaat ergangen ist, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat. Hinsichtlich der Verbraucher ging die „Malta-Masche“ insoweit bereits schon bisher weitgehend ins Leere.

Jenseits dieses Fragenkreises erscheint der Antrag allerdings überholt. Am Tage des Antragsdatums, dem 6. Dezember 2016, berichteten sowohl „Tagesschau“ als auch „n-tv“ auf ihren Internetseiten, das Auswärtige Amt habe sich mit den maltesischen Behörden auf eine Lösung des Problems der „MaltaMasche“ verständigt. So habe es darauf hingewiesen, dass künftig jeder Versuch eines „Reichsbürgers“, das maltesische Mahnverfahren auf die geschilderte Weise zu missbrauchen, direkt an das Auswärtige Amt gemeldet werden solle.

Sodann werde man auf eine Strafverfolgung nach maltesischem Recht hinwirken. – Auch nach dortigem Recht ist nämlich das schlüssige Behaupten, Inhaber einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Forderung gegen eine dritte Person zu sein, als Betrug strafbar. Bei reinen Auslandssachverhalten war bisher lediglich auf eine Strafverfolgung verzichtet worden. Das soll sich dem Auswärtigen Amt zufolge jetzt ändern.

Neu ist das Vortäuschen vermeintlicher Forderungen durch „Reichsbürger“ im Übrigen auch nicht. Schon in den vergangenen Jahren war versucht worden, das deutsche automatisierte Mahnverfahren für die Durchsetzung erfundener Forderungen zu nutzen. Der Antrag besitzt unseres Erachtens deshalb nicht die richtige Zielsetzung. Aus Sicht der Freien Demokraten müssten stattdessen Sachaufklärung und Prävention im Vordergrund stehen, um von der „Reichsbürger“-Bewegung ausgehende Gefahren für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung beurteilen und vermeiden zu können.

Das umfasst die Beobachtung durch den Verfassungsschutz, die Aufnahme in polizeiliche Melde- und Erfassungssysteme, strenge Zuverlässigkeitsüberprüfungen für „Reichsbürger“, die als legale Besitzer erlaubnispflichtiger Waffen registriert sind, sowie Präventions- und Aussteigerprogramme.

Einem solchen Antrag hätten wir zustimmen können, dem vorliegenden hingegen nicht.

Zum Entschließungsantrag nur so viel: Er bestätigt, dass sich der CDU-Antrag erledigt hat. Das Auswärtige Amt und die Landesjustizverwaltungen haben das Notwendige veranlasst.

Angesichts der im Übrigen zutreffenden Sachverhaltsschilderung werden wir uns zu diesem Antrag enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Wedel. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Schatz.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da stehe ich wieder, zweimal hintereinander. Ich möchte Ihre Geduld zu diesem Antrag nicht überstrapazieren, auch angesichts dessen, dass wir jetzt nun einmal Weihnachtszeit haben.

Natürlich ist das Thema „Reichsbürgerbewegung“ allgemein ein wichtiges Thema. Das dürfen wir nicht kleinreden. Wir haben es da häufig nur mit seltsamen Menschen zu tun, mit Verschwörungstheoretikern, aber leider eben auch nicht weniger häufig mit gefährlichen Menschen, mit Gewalttätern, mit Rechten und Ähnlichem.

Allerdings – das hat Herr Wedel gerade richtig dargestellt, und, ich glaube, er war sogar so ziemlich der Einzige außer mir jetzt, der das dargestellt hat – ist der Antrag schlichtweg überholt.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das steht in unse- rem Entschließungsantrag drin!)

Deswegen ist die Frage: Warum stellen Sie überhaupt noch einen Entschließungsantrag dazu? Warum reden wir überhaupt heute darüber? Warum wurde der Antrag nicht zurückgezogen? Diese Diskussion hätten wir uns wirklich sparen können.

(Beifall von den PIRATEN)

Denn so wichtig das Thema auch ist, dieser konkrete Antrag ist einfach Quatsch.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Richtig!)

Die Bundesregierung hat sich sehr deutlich geäußert, dass es keine Ansprüche gibt, dass diese nicht durchgesetzt werden können und dass es bisher auch noch überhaupt keine Vollstreckung gegeben hat.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Optendrenk?

Ja, bitte, sehr gerne.

Das ist nett von Ihnen. – Bitte schön, Herr Kollege Dr. Optendrenk.

Herr Kollege, wären Sie so nett, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir uns natürlich angesichts der Medienlage der letzten Tage die Frage gestellt haben, ob er wirklich überholt ist? Ich hatte in meiner Rede darauf hingewiesen, dass wir uns zusätzlich zu unserem Antrag Informationen aufgrund der Medienlage geholt haben und zu der Überzeugung gekommen sind, dass der Sachverhalt entgegen der Medienberichterstattung und der Behauptung der Koalitionsfraktionen nicht erledigt ist, weil das Problem eben noch nicht umfassend gelöst ist. Ansonsten hätten Sie natürlich recht, dass er erledigt wäre. Aber vielleicht folgen Sie nicht so willenlos den Koalitionsfraktionen.

Um darauf zu antworten: Ja, das nehme ich zur Kenntnis. Trotzdem bin ich anderer Meinung,

(Heiterkeit)

weil es nun einmal einfach nicht so ist.

(Zuruf von der SPD: Alle anderen im Hause auch!)

Alle anderen im Hause auch.

Ich habe es gerade gesagt. Bisher gibt es überhaupt keine Vollstreckungen. Es gibt noch nicht einmal einen Anlass, zu sagen, dass es jetzt so schlimm ist und jemand akut in Bedrängnis käme, dass da irgendwelche Zahlungen vorgenommen werden

müssten.

Es gibt auch bereits vonseiten der Bundesregierung Informationsblätter an die entsprechenden Behörden, wie mit dieser Masche umzugehen ist. Es gibt eine ständige Abstimmung zwischen der Bundesregierung und den maltesischen Behörden. Diese haben zugesagt, entsprechend zu handeln. Diese haben auch zugesagt – wie es Herr Wedel gerade richtig gesagt hat –, entsprechende strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten, wenn es wirklich nur ein erfundener Anspruch ist. Denn auch das ist nach maltesischem Recht unter Umständen je nach Sachverhalt strafbar. Vor allem werden sämtliche Ansprüche, die sich nicht auf maltesische Sachverhalte beziehen, von den Gerichten noch einmal eingehender geprüft.

Ihr Antrag sagt ja, der Landtag soll sich dafür einsetzen, dass auf Bundesebene alles getan wird. Aber es

wird ja alles getan. Auch wenn Sie sagen, dass das noch nicht erledigt ist, was ja vielleicht sein mag, aber was soll man denn noch mehr tun? Das ist die Frage. Deswegen ist dieser Antrag nach wie vor überholt. Das ist auch weiter meine Meinung.

Da das heute meine letzte Rede ist, wünsche ich Ihnen auch schöne Weihnachten und einen guten Rutsch. Ich hoffe, wir sehen uns nächstes Jahr hier alle gesund wieder. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Schatz. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Kutschaty.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die „Reichsbürger“-Bewegung“ umfasst mehrere uneinheitliche Gruppen von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern, die sich gerne auch mal selbst als Germaniten oder staatliche Selbstverwalter bezeichnen. Die Mitglieder erkennen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht an und lehnen daher auch jede Art von staatlicher Autorität ab.

Häufig versuchen die „Reichsbürger“ mit einer Vielzahl äußerst umfangreicher und in der Regel auch äußerst unverständlicher Eingaben, behördliche oder gerichtliche Verfahren zu stören. Vereinzelt gehen sie auch dazu über, Amtsträger zu drangsalieren und Verfahren aktiv zu behindern. Zuletzt ist es in Sachsen-Anhalt anlässlich einer Zwangsräumung bei einem „Reichsbürger“ zu einer Schießerei mit drei Verletzten gekommen. In Bayern hat ein „Reichsbürger“ einen Polizisten mittels einer Schusswaffe tödlich verletzt, als die Polizei die Waffe des Mannes sicherstellen wollte. Drei weitere Polizisten wurden bei diesem Einsatz verletzt.

Daher sind wir uns in der Landesregierung allesamt einig, dass gegen die Rechtsverstöße der „Reichsbürger“ schnell, konsequent und nachhaltig vorgegangen und alles unternommen werden muss, damit es erst gar keine Übergriffe geben kann. Ich bin mir sicher, dass auch Sie, meine Damen und Herren, diese Auffassung uneingeschränkt teilen.

Der vorliegende Antrag der CDU greift daher einen Punkt der gesamten „Reichsbürger“-Problematik auf, zugegeben, eine besonders perfide Vorgehensweise der „Reichsbürger“, die sogenannte Malta-Masche, die gerade ja schon von den Vorrednern erklärt worden ist.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat erstmals im Jahre 2015 auf diese Vorgehensweise hingewiesen. Wir haben als Landesregierung daraufhin umgehend die erforderlichen Maßnahmen getroffen. Das Justizministerium, aber auch das Ministerium für Inneres und Kommunales haben