Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Wir wollten ganz speziell den Schwerpunkt auf die Finanzierung der Zukunft von Bus und Bahn legen, um endlich den Wünschen, Erwartungen und berechtigten Zielen das Totschlagargument der Unfinanzierbarkeit zu nehmen. Das ist uns gelungen.

Wer den Bericht liest, erhält einen Gesamtüberblick, naheliegende Verbesserungsvorschläge und große neue Ideen für innovative Finanzierungsinstrumente – mehr als 161 Ideen, die meist absolut unterstützenswert sind.

Es freut mich besonders, dass wir dabei „Bus und Bahn fahrscheinfrei“ mit dem Finanzierungsmodell Bürgerticket auf Herz und Nieren geprüft haben. Die Diskussionen darum waren lang und tiefgründig. So

wurde das Bürgerticket als einzige Finanzierungsoption im gesamten Bericht sogar einer juristischen Bewertung unterzogen.

Das Fazit ist: „Bus und Bahn fahrscheinfrei“ ist machbar. Das Land hat die Befugnis, dieses Modell rechtlich sauber einzuführen. Damit hat die Politik jetzt ein Instrument an der Hand, das dabei hilft, die Wünsche der Fahrgäste, die Erwartungen und politischen Ziele zu erfüllen und die Finanzierungsprobleme zu lösen. Es ist geeignet, den ÖPNV in eine Zukunft unter veränderten Bedingungen zu führen.

Wichtig dafür ist allerdings, dass es Kommunen gesetzlich ermöglicht wird, dieses und andere innovative Finanzierungsinstrumente auszuprobieren und zu nutzen. Das kann das Land machen. Dass das auf kommunaler Ebene umsetzbar ist, hat meine Fraktion auch außerhalb der Enquetekommission untersucht. Die Umsetzungsstudie für die Praxis stellt meine Fraktion nächsten Montag vor.

Der Tarifdschungel muss ganz weg. Er muss nicht gelichtet, sondern gerodet werden. Denn obwohl die Bürgerinnen und Bürger den ÖPNV bereits zu zwei Dritteln selbst finanzieren, haben sie Eintrittsverbot. Sie dürfen den Nahverkehr erst nach einer Tarif- und Vertriebstortur nutzen.

Wir von der Piratenfraktion finden es unfair, dass die Bürgerinnen und Bürger bereits jetzt schon mit ihren Steuern für den Nahverkehr zahlen, ihn aber gar nicht sofort nutzen dürfen. „Bus und Bahn fahrscheinfrei“ hingegen ist gerecht und smart – smartgerecht.

(Beifall von den PIRATEN)

Das intelligenteste Finanzierungsmodell ist das Bürgerticket. Wenn alle einen geringen Pflichtbeitrag leisten, kann jeder „Bus und Bahn fahrscheinfrei“ nutzen.

(Zuruf von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Das ist keine Spinnerei, sondern das rechtlich und logistisch umsetzbare Mobilitätskonzept der Zukunft.

Das haben wir in unserem Sondervotum vertieft. Hierin erläutern wir ergänzend zum Bericht – in dem, wie gesagt, auch schon eine Menge steht – die Chance, die Rechtslage und die Finanzierungssystematik. Wir wollen damit auch den ÖPNV massiv ausbauen, wie es der Klimaschutzplan und die Kommission der Landesregierung seit Jahren – allerdings erfolglos – empfehlen.

Es geht uns dabei auch um verbindliche Zielwerte und Vorgaben, um die Definition einer ÖPNVGrundversorgung und um den öffentlichen Nahverkehr als kommunale Pflichtaufgabe, für die natürlich das Land finanziell einstehen muss.

Raus aus der Abwärtsspirale, rein in die Aufwärtsspirale! Ein besseres, attraktiveres Angebot bringt auch

mehr Fahrgäste. Pro Fahrgast werden Bus und Bahn billiger. Jeder vom Auto auf den ÖPNV Umsteigende spart der Gesellschaft direkt und indirekt sehr viel Geld.

Einen besonders starken Anstieg der Nachfrage als Initialzündung erwarten wir vom fahrscheinfreien Nahverkehr. Er schafft den Abbau der Hürden für Neueinsteiger: einfach einsteigen und losfahren.

In unserem Sondervotum haben wir auch den Themen „autonome Fahrzeuge“ und „Elektromobilität“ mehr Raum gegeben. Hierbei bleiben die anderen Fraktionen unserer Ansicht nach zu vage, zu beliebig und zu mutlos. Dabei ist das Thema jetzt schon zu dringend, um es nicht aufzugreifen.

An anderer Stelle müssen wir euphorische Erwartungen ein wenig bremsen. Das E-Ticketing, das Rot und Grün als Allheilmittel verkaufen, löst nicht automatisch alle Probleme, im Gegenteil: In Hessen steht das kilometergenaue E-Ticketing für Kundenabzocke, weil es den ÖPNV doppelt so teuer macht und kompliziert ist. In Berlin haben wir den Daten-SuperGAU erlebt.

Ein zusätzlicher Kilometertarif für das E-Ticketing verkompliziert sogar den Tarifdschungel. Das ist doch klar, denn ein zusätzlicher Tarif macht es weder einfacher noch billiger. Den Fahrgästen würde dann zwar ganz bequem Geld abgebucht, nachvollziehen können sie dadurch die Tarife aber nicht.

Ich ziehe das Fazit aus unserer intensiven Befassung. Im E-Ticket finden wir die Lösung auf die Fragen der Enquetekommission nicht. Die Chancen der digitalen Revolution liegen im ÖPNV anderswo. E-Ticketing ist nur „Weiter so“ in digital und passt damit gut ins Portfolio der die Regierung tragenden Fraktionen.

Abgesehen vom RRX und Verhandlungen im Bund um Regionalisierungsmittel ist in dieser Legislaturperiode auf Regierungsebene nicht viel in Sachen ÖPNV passiert. Die Politik der reinen Lippenbekenntnisse habe ich schon oft kritisiert; das muss ich an dieser Stelle nicht wiederholen.

Die CDU interessierte sich immerhin für Fernverkehrszüge im Nahverkehr und hat hierzu einen Antrag eingebracht. Ansonsten haben wir Piraten fast allein den öffentlichen Nahverkehr immer wieder ins Parlament gebracht – nicht nur in unser Wahlprogramm.

(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

Wir mussten die Enquetekommission beantragen, damit die anderen Fraktionen nicht im Abgasdunst der Autolobby und des „Weiter so“ einer autozentrierten Politik einschlafen.

Das ist jetzt nicht einfach nur eine Reaktion auf eben. Vielmehr geht die Kritik ganz generell an SPD, CDU,

Grüne und FDP hier im Landtag, aber auch im Bundestag und in den Regierungen.

Der Job der Piraten als Wecker und Lobbyisten für die Verkehrswende ist allerdings noch nicht beendet. Unsere Unbefangenheit, unser Mut und unser politischer Wille, die Verkehrspolitik auch zu ändern, sind im Parlament in den nächsten fünf Jahren enorm wichtig …

Die Redezeit.

… und werden die Gesellschaft und das Land erheblich weiterbringen. Wir brauchen mehr Lebensqualität und besseren Verkehr. Ich sage an dieser Stelle: Keinen Fahrgast zurücklassen! – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Schlömer.

Danke. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste auf den Rängen! Die Arbeit in der Enquetekommission hat sehr viel Spaß gemacht. Die Diskussionen in den einzelnen Sitzungen waren auch von sehr viel Sachverstand geleitet. Aus diesem Grunde geht noch einmal mein herzlicher Dank an alle diejenigen, die dort mitgewirkt haben.

Bei der Verfassung des Berichtes stellte sich allerdings heraus, dass durch die Definition verschiedener Sondervoten einiges von dem, was vorher so gut gelaufen ist und sich so gut angelassen hat, doch wieder in Vergessenheit geraten ist. Einiges davon konnten wir in den Reden von Herrn Rehbaum und Herrn Nückel hier leider auch hören.

Zum Thema „Finanzierung“ ist Folgendes zu sagen: Herr Rehbaum hat ja dargestellt, dass wir in den kommenden Jahren einen hohen Investitionsaufwand haben werden. Im Gegensatz zur CDU hat sich die SPD-Fraktion aber auch mit der Frage beschäftigt, wie wir das denn finanzieren können. Wenn wir eine Enquetekommission haben, in der wir zwei Jahre lang die einzelnen Aspekte des Nahverkehrs betrachten, ist es meines Erachtens in der Tat notwendig und sinnvoll, auch einmal über den Tellerrand hinauszuschauen und zu überlegen, wie wir etwas finanzieren können.

Ja, Herr Nückel, Ihr Gutachter hat ein entsprechendes Gutachten gefertigt. Darin wurde allerdings nur ein Teilaspekt der ganzen Sachlage dargelegt.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Nach meinem Dafürhalten reicht es nicht aus, sich auf ÖPP-Modelle zu fokussieren. Zwar lässt sich das möglicherweise für das eine oder andere Infrastrukturprojekt ausprobieren. In verschiedenen Fällen ist das aber auch schon geschehen. Leider Gottes waren das keine Erfolgsmodelle. Eine Nutznießerfinanzierung, wie sie von SPD und Grünen vorgestellt worden ist, ist hingegen in anderen Staaten schon erfolgreich ausprobiert worden.

Ich muss mich leider etwas kürzer fassen. Es gäbe da noch viel zu sagen. – Der Tarifdschungel in Nordrhein-Westfalen muss auf jeden Fall nutzerfreundlicher strukturiert werden. Da ist es auch notwendig, alte Grenzen zu überspringen und zu schauen, …

Die Redezeit.

… wie wir das in die Zukunft führen können.

Wir brauchen einen leistungsstarken, qualitativ guten, pünktlichen und – das wurde noch nicht erwähnt – sicheren ÖPNV und SPNV für die Nutzer und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Die Redezeit!

Letzter Satz: Nach unserem Dafürhalten ist das ÖPNV-Gesetz, das wir vorgestellt haben, ein sehr guter Start in die Zukunft des Nahverkehrs. Da haben Sie auch unrecht, Herr Rehbaum: Die Bürgerbusvereine sind mit dem, was wir jetzt angepackt haben, zufrieden. Wir machen da auch noch weiter.

Ich höre die vielen Kommata.

Es gibt mehr Geld für die Finanzierung und auch für umweltfreundliche Techniken, die dann sicherlich noch weiter ausgebaut werden müssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Schlömer. – Jetzt hat Herr Kollege Rehbaum um das Wort gebeten. Offiziell hat er noch 14 Sekunden; das weiß er.

(Jochen Ott [SPD]: 14 Sekunden? – Henning Rehbaum [CDU]: Ich muss auch eine Minute zusätzlich kriegen!)

Ja, genauso viele Kommata im letzten Satz; keine Sorge.

Um in aller Kürze auf meinen Vorredner einzugehen: Ja, wir brauchen eine vernünftige Finanzierung des ÖPNV. Aber diese Nutznießerfinanzierungen sind wirklich auf der einen Seite ein Tropfen auf den heißen Stein und auf der anderen Seite eine unsoziale Angelegenheit. Mietertickets machen Wohnungen teurer,