Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Paul, ich bedauere es ja auch, dass ich die Mittagspause jetzt noch ein bisschen
(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Ich muss auch hierbleiben, ich spreche zum selben Tages- ordnungspunkt!)
Dies ist nicht nur ein guter Tag für das Tariftreue- und Vergabegesetz, weil wir es erfolgreich entschlackt und angepasst haben, sondern es ist auch ein guter Tag für das Land Nordrhein-Westfalen; denn es geht um ein zentrales Kernthema dieser Regierung seit 2010/2012, nämlich gute Arbeit zu gewährleisten.
Mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz ermöglichen wir faire Beschaffungen. Wir hatten vorher ganz häufig die Diskussion: Wie organisiert man Beschaffung? Wie gewährleisten wir, dass die beschaffenden Stellen im Land Nordrhein-Westfalen, aber insbesondere auch in den Kommunen dazu verpflichtet sind – diese Forderungen hatten sie schon selbst –, faire Produkte unter sozial-ökologischen Standards einzukaufen? Das war einer der zentralen Gedanken, weshalb wir das Tariftreue- und Vergabegesetz auf den Weg gebracht haben.
Wir machen es aber auch gerecht. Ich will vor allem in Richtung derjenigen, die das immer sehr stark kritisieren, sagen: Es geht auch um Gerechtigkeit für die Anbieter, die Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben. Es geht darum, dass Chancengleichheit zwischen den Anbietern existiert und auf den Weg gebracht wird.
Es kann eben nicht sein, dass Lohndumping als Instrument genutzt wird, um an öffentliche Aufträge zu kommen. Das ist nicht gerecht, das schaffen wir mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz entsprechend ab. Hier schaffen wir Chancengleichheit insbesondere für die Handwerksbetriebe vor Ort. Das ist uns ganz wichtig.
Gute Arbeit – ich habe es eingangs gesagt – ist die zentrale Idee, die dabei eine Rolle spielt. Wir sorgen dafür, indem wir zum einen den Mindestlohn durch unseren Änderungsantrag nun auf 8,84 € anpassen. Ich hoffe, Sie sehen uns nach, dass wir das sehr pragmatisch lösen. Im Nichtwissen, dass der Mindestlohn bundesweit auf 8,84 € angepasst wird – wir sind noch davon ausgegangen, dass wir dem Wert mit 8,85 € näher kommen –, wollen jetzt keine bürokratischen Hemmnisse erzeugen und gehen daher auf 8,84 € zurück. Das ist der Mindestanspruch.
Zum anderen ist unser Anspruch an gute Arbeit, Herr Minister Duin, dass wir Aufträge am liebsten, wie es die Menschen in Nordrhein-Westfalen erwarten, an tarifgebundene Unternehmen und Anbieter vergeben. Das gewährleisten wir zuallererst. Dabei wollen wir kein Lohndumping betreiben, auch nicht mit einem Mindestlohn – wobei wir uns über die Höhe jederzeit streiten können, ob 8,84 € genug sind, ob 9,50 € oder 12,50 € besser sein könnten, wie wir es aus den Diskussionen kennen –, sondern es geht uns insbesondere darum, dass die tarifgebundenen Anbieter ordentliche Aufträge von der öffentlichen Hand bekommen. Das ist auch gerecht gegenüber denjenigen, die hinter der öffentlichen Hand stehen,
die letztlich die Steuern für die öffentliche Hand zahlen, um den Gerechtigkeitsanspruch gewährleisten zu können.
Ein Punkt ist mir noch ganz wichtig: Die Geschichte des Tariftreue- und Vergabegesetzes begann im Jahr 2012. Wir haben ganz viele Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden darüber geführt, wie man so etwas auf den Weg bringen kann. Bei anderen Gesetzen wird hinterfragt, ob wir in diesem Haus die Konnexität beachten. Ich finde, bei kaum einem Gesetz ist die Konnexität so ernst genommen worden wie bei diesem.
Wir haben letztlich gesagt: Ja, wir sind bereit, 20 Millionen € für die Aufwandsphase, insbesondere für die Einführung von neuen Regularien und das Lernen, zur Verfügung zu stellen. Wir haben auch eine renommierte Unternehmensberatung beauftragt – Kienbaum hat das gemacht, das haben wir uns in der Anhörung entsprechend aufbereiten lassen –, zu prüfen, welche Mehraufwendungen bei den Vergabestellen in den Kommunen angefallen sind und wie das ausgeglichen werden könnte.
Ich denke, wir haben einen fairen Kompromiss zwischen den Interessen, die wir alle miteinander haben, die gesellschaftspolitisch begründet sind, und denjenigen, die die Vergaben in den Kommunen durchführen müssen, auf den Weg gebracht. Wir haben 20,4 Millionen € zur Verfügung gestellt, um den Aufwand auszugleichen. Mit der Novellierung nach kurzer Zeit wollen wir es jetzt entsprechend entschlacken, sodass zum Beispiel über das Bestbieterprinzip weniger Aufwand entsteht.
Ich bin meiner Fraktion und auch den Grünen dankbar, dass wir auf die Anmerkungen in der Anhörung in der Art und Weise reagieren, dass wir den Bestbietern die Chance geben, die Unterlagen auch über drei Tage hinaus beizubringen, die nach einer Einführungsphase relativ unbürokratisch jedem Unternehmen, aber auch den Kommunen zur Verfügung stehen.
Ich will zum Ende kommen, weil meine Redezeit abläuft. Insgesamt haben wir einen sehr austarierten Vorschlag vorgelegt. Auch die kommunalen Spitzenverbände haben unser Vorgehen sehr gelobt. Es ist ein gutes Gesetz, und es kommt zu einem guten Ende. Mit einem pragmatischen Entwurf zur Tariftreue und Vergabe, zu gewerkschaftlichen Löhnen werden wir den Weg in den nächsten Jahren beibehalten. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Jetzt kommt das Kontrastprogramm, das wird Sie nicht überraschen. In dieser Legislaturperiode hatten wir hier im Landtag schon häufiger die Möglichkeit, zum Tariftreue- und Vergabegesetz zu sprechen; die unzähligen Debatten im Ausschuss und in Anhörungen zähle ich gar nicht mehr mit.
Man kann mit Fug und Recht sagen, dass wir unsere verschiedenen Positionen deutlich gemacht haben, und sie sind auch an diesem Punkt heute noch einmal herauszustellen.
Das gilt im Übrigen auch für die Positionen der kommunalen Spitzenverbände und der Wirtschaft, deren Kritik in dem ganzen Prozess für dieses Vorhaben schlichtweg vernichtend war.
Sie sprechen sich auch nach der Evaluierung und Novellierung für die Abschaffung des Gesetzes aus. Viel Nebel mit Worten – das haben wir gerade von meinem Vorredner gehört – um nichts finden sie nicht witzig.
Wir lehnen dieses Gesetz auch ab. Das liegt natürlich daran, dass sich seit Beginn der Legislaturperiode hier – das Jahr 2012 ist ja schon als Anfang des Vorhabens genannt worden – die Situation in Bezug auf den Mindestlohn völlig geändert hat. Inzwischen hat sich in der Bundesrepublik Deutschland – Herr Hübner, das ist das, was sich um Nordrhein-Westfalen herum erstreckt, zumindest westlich; dazu gehören wir auch – ein bundesweit gültiger Mindestlohn etabliert, wodurch Länderlösungen einfach obsolet sind.
Der vergabespezifische Mindestlohn, den Rot-Grün ab dem 1. April von unglaublichen 8,85 € auf 8,84 € senken möchte und so an den gesetzlichen anpasst, ist damit auch für NRW bindend – auch ohne das Gesetz, über das wir gerade sprechen.
Neben wirklich marginalen redaktionellen Anpassungen, die Sie jetzt vorgenommen haben, gibt es nur einen einzigen Punkt, den Sie nach der Evaluierung aufgreifen: Das ist die Frist zum Nachweis und für Erklärungen der Bestbieter. Das wird jetzt flexibilisiert. Das vorher von der Landesregierung vorgesehene Verfristen innerhalb von drei Tagen, das von den Kommunen und der Wirtschaft massiv kritisiert wurde, wird jetzt auf drei bis maximal fünf Tage ausgeweitet.
Diese von Ihnen gefeierte Flexibilisierung der Abgabefrist beim Bestbieterprinzip – drei Tage plus noch
zwei Tage im Anschluss – bleibt weit hinter den Forderungen der Sachverständigen und der Menschen aus der Praxis zurück. Erinnern Sie sich bei diesem Punkt an den von Ihnen bestellten Sachverständigen der Stadt Dortmund, der das bestätigte. – Das ist wiederum sehr bezeichnend für Rot-Grün.
Auch die Auswertung der schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen zu den letzten Anhörungen offenbart weiterhin die Schwächen im Vergabebereich des Gesetzes. Das belegt die Kritik an dem Mehr an Bürokratie und zeigt, warum die Verbände weiterhin die Abschaffung fordern.
Ich möchte in diesem Zusammenhang stellvertretend für alle anderen nur auf die Stellungnahme des Verbands GaLaBau NRW in der Anhörung eingehen. Denn sie eröffnet eine für Rot-Grün ganz interessante, aber vielleicht auch unmögliche Sichtweise. Darin heißt es – Zitat –:
„Warum machen wir mit dem Gesetz weiter, wenn keine Wirkung eintritt? Lassen wir das Gesetz doch jetzt auslaufen, und evaluieren wir in vier Jahren noch einmal durch Kienbaum, um zu sehen, was ohne das Gesetz herausgekommen ist.“
(Beifall von der CDU und der FDP – Michael Hübner [SPD]: Was will man denn da evaluie- ren, wenn es ausgelaufen ist?)
Sich als Regierung jetzt selbst dafür zu feiern, dass man angeblich eine Entlastung für unternehmerisch Tätige erreicht hat, ist schon ein bisschen grotesk.
Erst legen Sie den Unternehmen ganz viele dicke Steine in den Rucksack. Dann nehmen Sie nach vielen Protesten – der Minister hat unter diesen auch gelitten – einen Stein oder zwei Steine aus dem Rucksack heraus und sagen: Freut euch über die Erleichterung. – Die vielen anderen Steine, die Sie drinlassen, bleiben dabei unerwähnt. Das ist unredlich und unnötig.
Wir müssen dringend bessere Rahmenbedingungen setzen. Die brauchen wir in Nordrhein-Westfalen, damit die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land endlich so vonstattengeht, dass wir beim Länderranking von den unteren Tabellenplätzen dahin kommen, wohin Nordrhein-Westfalen als stolzes und tolles Land gehört, nämlich weit nach oben.
Die CDU-Landtagsfraktion – das will ich an der Stelle ganz deutlich machen, damit es besonders erwähnt ist – teilt ausdrücklich die sozial- und umweltpolitischen Ziele des Gesetzes. Stichworte sind etwa: Arbeits- und Umweltstandards, Kinderschutz, Frauenförderung und natürlich auch ordentliche Entlohnung,
Dieses Gesetz ist aber der falsche Weg, um die Ziele zu erreichen. Es hat den Effekt eines politischen Placebos. Schaffen Sie es deshalb einfach ab!
Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion lehnt den Gesetzentwurf der Landesregierung und dementsprechend auch den Änderungsantrag von RotGrün ab. Ich bitte um Unterstützung für unseren eigenen Antrag. – Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Bergmann, es ist sehr schön von Ihnen, dass Sie die Ziele des Gesetzentwurfs teilen. Ich weiß auch von dem Kollegen Bombis, dass er die Ziele des Gesetzentwurfs teilt.
Aber es gehören nicht nur Lippenbekenntnisse im politischen Alltag dazu, sondern auch ein politischer Gestaltungswillen. Diesen Gestaltungswillen haben wir in der Form gezeigt, dass wir den Gesetzentwurf auf die Reise geschickt und umgesetzt haben. Wenn Sie die Ziele tatsächlich teilen, würden Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen, weil er die Grundlage für faire Beschaffung und für fairen Handel in der öffentlichen Beschaffungswelt bildet.
Ich finde es bezeichnend von Ihnen, dass Sie einen Halbsatz aus der Anhörung zitieren; Sie beziehen sich auf die Vertreter der Stadt Dortmund.
An diesem Beispiel war sehr eklatant, dass es im Grunde genommen bei Vertretungen, die in Anspruch nehmen, die gesamten Mitglieder zu vertreten – egal, ob es Städtevertretungen oder Unternehmensvertretungen sind –, nicht die Ableitung gibt, dass alles durch diese Meinung gesettlet ist. Denn es war klar herauszuhören, dass gerade die Stadt Dortmund sagt: Wir haben schon immer nach diesen Grundsätzen gelebt.