Protokoll der Sitzung vom 28.11.2012

Gesetz zur Errichtung eines Fonds des Landes Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung des Gesetzes zur Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Stärkungspakts Stadtfinanzen (Stärkungs

paktfondsgesetz)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/176

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kommunalpolitik Drucksache 16/1238

dritte Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile für die Fraktion der CDU Herrn Kollegen Dr. Optendrenk das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mich mit dem Haushalt in dritter Lesung beschäftige, möchte ich zunächst dem Kollegen Körfges – anschließend an die letzte Debatte zum Haushalt – herzliche Grüße von Herrn Weisbrich bestellen. Er hatte im letzten Jahr mit Ihnen über die Frage gewettet, wie der Länderfinanzausgleich am Ende dieses Jahres aussieht, und hat eingestanden, dass er die Wette verloren hat – egal, welche Gründe es sind, darüber haben wir schon diskutiert. Sie waren offensichtlich besser in der Wettervorhersage. Deshalb gibt es nachher in einer schwarzen Verpackung eine Flasche roten Weines mit herzlichen Grüßen von Herrn Weisbrich.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Börschel zulassen? – Bitte schön.

Ich wusste nicht, dass der Kollege Weisbrich aus dem Ostwestfälischen stammt. Sie wissen doch, dass Herr Körfges versprochen hatte, den Wein mit seinem Arbeitskreis zu teilen. Wir sind von einer Kiste ausgegangen und nicht von einer Flasche.

(Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Sind Sie darüber ähnlich enttäuscht wie wir?

Wenn man sich den Haushalt anschaut, dann ist es besser, wenn Sie ihn – und auch den nächsten – sehr nüchtern betrachten.

(Allgemeiner Beifall)

Ich sage aber gerne zu: Für den Fall, dass Herr Körfges Ihnen etwas zu probieren gibt und er Ihnen schmeckt, bekommen Sie von mir noch eine weitere Flasche desselben Weins.

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute am 333. Tag des Jahres 2012 berät der Landtag abschließend den Landeshaushalt für das laufende Jahr. Für Karnevalisten aus Köln und anderswo ist das sicher eine bemerkenswerte Nachricht. Für uns als Abgeordnete, zu denen ich mich zählen darf, ist es eher bedrückend.

Wenn sich dieser Landtag auf Dauer ernst nehmen will, dann darf so etwas nicht mehr vorkommen: ein Haushalt, den die Regierung fast elf Monate lang vollzogen hat, ohne dass es dazu irgendeine wirksame Ermächtigung durch das Parlament gegeben hat. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, was viele als „Königsrecht“ des Landtages bezeichnen, ist von der Landesregierung in den letzten 15 Monaten gleich mehrfach ausgehebelt worden. Der Verfassungsgerichtshof in Münster hat das in deutlichen Worten als verfassungswidrig bezeichnet. Wir haben darüber bereits mehrfach hier beraten.

In den letzten Wochen haben wir dennoch diesen Haushalt – auch wenn er in der Sache fast Makulatur ist – im Parlament beraten, zuletzt am letzten Donnerstag im Haushalts- und Finanzausschuss. Dabei hat der Haushaltsentwurf drei wesentliche Korrekturen erfahren: Zum einen konnte aufgrund eines Sondereffektes im Länderfinanzausgleich die Nettoneuverschuldung im Plan auf 4,26 Milliarden € abgesenkt werden.

Ich darf das einmal in Vergleich zu 2011 setzen: Der Jahresabschluss 2011 wies eine Nettoneuverschuldung von 3,0 Milliarden € aus. Herr Minister, selbst wenn man die 1 Milliarde € für die WestLB jetzt wieder als Sondereffekt bezeichnen will, zeigt das: Die Neuverschuldung sinkt nicht, sie steigt strukturell an. Wie man so die Schuldenbremse 2020 schaffen will, das bleibt bislang Ihr Geheimnis.

Zum Zweiten hat die Koalition endlich die von ihr geplanten Einnahmen aus der Auflösung der Schul- und Studienfonds aus dem Etat gestrichen. Es ist jetzt amtlich: Die von der CDU bereits von Anfang an, auch vom Kollegen Weisbrich, als Luftbuchung bezeichneten Einnahmen von 170 Millionen € bei den Schul- und Studienfonds fließen nicht. Sie waren nie etatreif; das wusste die Landesregierung sehr wohl. Sie hat ziemlich genau versucht, das Parlament dennoch ein Stück weit – im Steinbrück‘schen Jargon – hinter die Fichte zu führen.

Zum Dritten schließlich findet sich nunmehr die WestLB-Milliarde im Haushaltsplan wieder. Herr Minister, das hätten Sie bereits im Dezember 2011 etatisieren müssen, weil Sie gewusst haben, dass Sie diese Ausgabe – in welcher Form auch immer – würden leisten müssen. Da kann man nicht die Landes

verfassung und auch nicht die Landeshaushaltsordnung an die Seite schieben, weil man in Verhandlungen eine Position haben will. Da sind das Recht und auch § 11 Abs. 2 der Landeshaushaltsordnung bindend, der besagt:

„Der Haushaltsplan enthält alle im Haushaltsjahr … zu erwartenden Einnahmen, … voraussichtlich zu leistenden Ausgaben …,

und es war seit Dezember 2011 klar, dass wir bei der WestLB antreten müssen –

… die voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermächtigungen.“

Das heißt: Es war völlig klar, dass dieser Haushalt nicht vollständig war, als Sie ihn eingebracht haben.

Der heute zur Verabschiedung anstehende Landeshaushalt macht eines wirklich deutlich: Diese Regierung wollte nie ernsthaft sparen, und sie will es auch weiterhin nicht. Nordrhein-Westfalen ist das Schlusslicht bei der Haushaltskonsolidierung unter allen Bundesländern. Da hilft es auch nicht weiter, sich ständig hier im Landtag in epischer Breite über den Bundeshaushalt auszulassen. Nur zur Erinnerung: Der Bund wird die Vorgaben der Schuldenbremse bereits 2013 einhalten, Herr Minister,

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

auch wenn Sie sich an vielen Stellen intensiv damit befassen, was die Bundesregierung tut. Wir sollten uns hier im Landtag auf den Landeshaushalt konzentrieren.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ich habe ja Verständnis dafür, dass Ihnen das nicht so ganz angenehm ist; denn Sie flüchten sich lieber auf andere Spielfelder: von Tokio über Washington nach Berlin. Bei dem, was Sie beim Landeshaushalt bisher geleistet haben, habe ich Verständnis dafür, wenn Sie eher die Reise antreten.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vermeintlich präventive Schuldenmacherei ist weder nachhaltig noch verantwortlich. Das merken die Menschen im Lande. Das ist die Achillesferse dieser rot-grünen Landesregierung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die in Ulm erscheinende „Südwest Presse“ hat kürzlich bei allen Finanzministerien eine Umfrage gemacht. Laut dieser Umfrage planen zehn von 16 Bundesländern, bereits vor 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen oder sogar vorher schon zu tilgen.

Ich habe mir die Mühe gemacht, daraufhin die Haushaltspläne aller Bundesländer durchzusehen. Da macht man, Herr Minister, eine ganz erstaunliche Feststellung: In diesem Jahr – also 2012 – schreiben bereits sechs Länder mindestens eine schwarze Null. Einige tilgen sogar Altschulden. Es

sind nicht nur Bayern und Sachsen, sondern auch Sachsen-Anhalt und Thüringen, die eine Tilgung vorsehen. Und es sind Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern, die eine schwarze Null für dieses Jahr anpeilen. Die letztgenannten werden übrigens von Sozialdemokraten mitregiert und gelten mit Ausnahme von Baden-Württemberg trotz aller Finanzhilfen nicht unbedingt als finanzstark. Aber es kommt offensichtlich nicht darauf an, ob sie nun Geber oder Nehmer im Länderfinanzausgleich sind. Bayern und Baden-Württemberg sind Geberländer, die anderen vier sind Nehmerländer. Alle sechs haben die schwarze Null oder tilgen. Daran kann es also nicht liegen.

Ich will Ihnen deutlich sagen, woran es liegt: Diese sechs Länder haben sich den Herausforderungen sowohl des demografischen Wandels gestellt als auch ihre Ausgaben nach den verfügbaren Einnahmen geplant und nicht wie Sie umgekehrt.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Schauen Sie sich einmal diese wunderschöne Tabelle an: Darauf sieht man nämlich – das kann man weder zum Etatvolumen noch zur Größe des Bundeslandes in Relation setzen, sondern das kann man einfach am Sparwillen dieser Regierung deutlich machen –: Diese Regierung spart nicht. Schauen Sie es sich genau an: Nordrhein-Westfalen hat die rote Laterne, und dieses Land hat sie deshalb, weil Sie so regieren, wie Sie regieren.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Sie verschieben nämlich die unbequemen Entscheidungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag und tragen deshalb zu Recht die rote Laterne, und das ist kein so erfreulicher Anlass wie vor einigen Wochen bei Sankt Martin.

Nein, das ist unfair und ungerecht gegenüber den jungen Menschen. Das ist eine schwere Hypothek für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Und wenn wir noch eine dieser Hypotheken ansprechen sollen, dann ist das ganz sicher die Hypothek WestLB. Mit 1 Milliarde € neuem Kapital für die Aufspaltung der Bank ist der Haushalt 2012 belastet worden. In den Folgejahren wird der Steuerzahler vermutlich noch weit höhere Summen für diese ehemalige SPD-Staatsbank bezahlen müssen.

Als Ministerpräsident Johannes Rau, sein Finanzminister Heinz Schleußer und der WestLB-Chef Friedel Neuber ihr Lieblingskind Anfang der 90erJahre zur drittgrößten Geschäftsbank in Deutschland machten, haben sie alle dieses Ende wohl nicht für möglich gehalten. Aber die heutigen Milliardenlasten und die zukünftigen Milliardenlasten sind das Ergebnis genau dieser fatalen Geschäftspolitik der drei SPD-Granden. Sie wollten ein immer größeres Rad drehen, eine SPD-Staatsbank betrei

ben, mitfinanziert aus einem Wohnungsbauvermögen des Landes. Dafür sollte die Bank nur einen symbolischen Zinssatz bezahlen, und andere Banken in Deutschland sollten dann übertrumpft werden; die mussten sich nämlich am Markt teurer refinanzieren.

Wettbewerbsverzerrung nenne ich das, und unzulässige Beihilfe hat man das in Brüssel genannt. In der Folge fielen dann Anstaltslast und Gewährträgerhaftung nicht nur bei der WestLB, sondern auch bei den Sparkassen und bei den anderen Landesbanken, und die Beihilfen mussten zurückgezahlt werden. Die Bank musste sich immer häufiger rechtfertigen und machte immer riskantere Geschäfte.

Ich erinnere daran: 1998 geriet die WestLB in den Strudel der Rubelkrise, weil sie kräftig in Russland investiert hatte. Anschließend wurde in London das Investmentbanking ausgebaut. Da sollte dann mit Fernseh- und Kühlschrankleasing in England, mit Flugzeugleasing in den USA oder mit Projektfinanzierung wie beim Wembley-Stadion Geld verdient werden. – Alles Geschichte, aber sie kostet uns heute und in Zukunft viel Geld. Die WestLB versuchte damals, ein Loch mit dem nächsten zu stopfen.

Ich möchte festhalten: Mit der Integration des Wohnungsbauvermögens in die Bank Anfang der 90erJahre und der Großbankstrategie von Herrn Rau, Herrn Schleußer und Herrn Neuber ist die Schraube völlig überdreht und der unaufhaltsame Niedergang der WestLB eingeleitet worden. Sie, Herr Minister, waren Zeitzeuge,

(Heike Gebhard [SPD]: Sie aber auch!)

und Sie wissen, dass ich recht habe. – Deshalb mutet es schon etwas seltsam an,