Protokoll der Sitzung vom 17.03.2017

Der Antrag, den Sie stellen, springt zu kurz.

(Zuruf)

Ja, er springt noch nicht einmal. Er soll dem Landesgesetzgeber etwas auftragen. Wenn Sie das, was Sie fordern, durchsetzen wollen, müssten Sie sich an den Bundesgesetzgeber richten, weil man für

die Einführung von Freibeträgen eine Änderung des Art. 105 hinbekommen müsste. Der Landesgesetzgeber kann das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, gar nicht eigenständig durchsetzen, sondern Sie könnten uns höchstens beauftragen, eine Bundesratsinitiative zu machen. – So viel zur Sachkunde,

Die Redezeit.

Wer ist eigentlich der Adressat von solchen Anträgen, das Land oder der Bund? Hier ist es der Bund. Es wäre sinnvoll gewesen, das im Antrag zu berücksichtigen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Bayer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie dürfen ja gerne ein bisschen lästern. Ich bin ja schon froh, dass Sie wieder nüchtern sind.

(Beifall von den PIRATEN – Heiterkeit)

Im Ernst: Um diese Uhrzeit kann die Würde des Hauses schon verletzt werden, wenn man einen Kapuzenpulli anzieht oder wenn man irgendwie Bilder nach außen trägt. Nach 19 Uhr riecht die Würde des Hauses leider nach Alkohol. Ich muss sagen: Ich bin für 0,0 Promille im Plenum und während der Plenartage. Das wäre mal schön.

(Zurufe von der SPD und den Grünen)

Frau Beer, Sie schütteln den Kopf. Aber gucken Sie sich die Sachen von gestern Abend einmal an. Dann können Sie sich für die grüne Fraktion entweder persönlich bei mir entschuldigen, oder Sie ziehen Ihr Fairnessabkommen zurück, das ja eh nur PR ist; denn sonst wird es peinlich.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich weiß, wovon ich rede. Sie waren eben gestern nicht im Plenum.

Aber jetzt komme ich zum Antrag, apropos Fairness. Ich werde auch länger reden als Herr Rasche gestern. Das ist ja ein Wahlkampfantrag, der die Idee transportieren will, dass Menschen mit weniger Einkommen und weniger Vermögen der Zugang zu Immobilieneigentum erleichtert werden kann. Das ist erst einmal nicht unsympathisch.

Dafür soll aber über eine gestaffelte Struktur der Grunderwerbsteuer nachgedacht werden, und der Bund soll an den Mindereinnahmen beteiligt werden. Das ist erst einmal nett gedacht, aber es soll, wie

eben schon bemerkt wurde – vielleicht spielt auch die Abwesenheit der FDP im Bund eine Rolle –, laut Antrag besonders schlimm sein, dass landeseigene Betriebe geltendes Recht für sich beanspruchen.

Noch schlimmer ist aus meiner Sicht, dass die FDP dies als Moralkeule gegen die rot-grüne Landesregierung schwingt. Denn dieses Steuerschlupfloch des Bundes ist ja seit Jahren bekannt und wurde hier im Haus in der Enquetekommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel“ thematisiert, sogar sehr breit behandelt. Sämtliche Parteien, die in den letzten Jahren in Berlin an der Regierung beteiligt waren, inklusive der FDP – also eigentlich alle außer den Piraten –, wissen um die Existenz dieses Steuerschlupflochs und tun seither nichts zu seiner Beseitigung.

Zugegeben, das ist keine einfache Aufgabe, weil Share-Deals nun mal keine Asset-Deals sind. Es mag sein, dass man an größeren Rädern drehen muss, aber daran hat die FDP, zumindest was diesen Antrag betrifft, kein Interesse. Sie macht es sich ganz billig, indem sie Bundesrecht gegen Landesrecht ausspielt.

Sie setzt noch einen drauf, indem sie den Antrag zum Anwalt des kleinen Mannes aufbauscht. Da wird der Umstand des zurückgehenden Immobilienbesitzes in den unteren Einkommensklassen mir nichts, dir nichts zum Ergebnis der Nebenkosten gemacht. Nun, sämtliche Regierungen der letzten Dekaden haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die unteren Einkommensgruppen relativ oder sogar absolut abgehängt wurden. Noch nie war da so wenig Vermögen vorhanden, und noch nie wurde dort so wenig Einkommen erzielt. Daran ist die FDP zu einem guten Stück selbst schuld.

Ich sage deutlich: Nicht der Immobilienbesitz darf die Bedingung für ein auskömmliches Ruhegeld sein, sondern die Rente hat das zu leisten. Das muss klar sein.

Nicht erst seit Schröder oder später Müntefering, sondern schon seit Kohl und den vielen längst vergessenen FDP-Ministern ist keiner Bundesregierung etwas anderes eingefallen, als das Rentenniveau immer wieder zu senken. Und jetzt kommen Sie daher und wollen uns Ihr Märchen verkaufen, dass mit einer Senkung der Grunderwerbsteuer von 6,5 auf 3,5 % das Problem der sozialen Ungleichheit, der Skandal der fortschreitenden Marginalisierung von größer werdenden Teilen der Gesellschaft und auch die Altersarmut zu beheben seien. Das ist an der Stelle sehr dreist. Da zweifele ich sogar die Wirtschaftskompetenz der FDP an. Was heißt „sogar“? Das machen wir öfter, aber an dieser Stelle besonders.

Es gibt ja einen engen Zusammenhang zwischen Zinsen und Preisen: je niedriger die Zinsen, desto höher die Preise. Gerade im Immobilienmarkt ist das evident und führt zu den steigenden Preisen, die viele Menschen einfach vom Erwerb ausschließen, und zwar trotz der niedrigen Zinsen.

Ich mache es kurz, kurz wie Rasche sozusagen: Der Antrag ist in der Praxis weder umsetzbar noch in seiner eigenen Filter Bubble logisch. Es ist an der Stelle ein Fehler, deshalb die Ablehnung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Walter-Borjans das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hat den Eindruck, bei der FDP ist Vorwahlkampfhausputz. Da versucht man, alle Themen herauszuhauen, mit denen man irgendwo noch einmal auf die Pauke hauen kann.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das ist doch okay!)

Natürlich ist das okay, aber man merkt das. Gestern war ja hier auch von mangelnder Sorgfalt die Rede, oder Herr Witzel weist bei anderen schon mal auf mangelnde Sachkenntnis hin. Wenn man sich den Antrag anguckt, dann sieht man, dass er schon ziemlich zusammengeschustert ist.

Einmal schreibt man mit Copy-and-paste im ersten Absatz offenbar dasselbe wie auf einer Seite weiter, etwa was die Fast-Verdoppelung des Grunderwerbsteuersatzes angeht. Man redet darüber, dass man eine Verdreifachung der Einnahmen hat, Das kann bei einer Steigerung von 3,5 auf 6,5 % ja nur mit der Menge der Grunderwerbe zu tun haben.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Herr Witzel, Sie sagen regelmäßig, damit sei der Steuerzahler noch mehr belastet worden, als man zunächst gedacht hätte.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie haben doch genug!)

Es ist schlicht ein Mengenthema. Das hat ganz offenbar die Grunderwerbsteuer, die Menge der verkauften Immobilien und vor allen Dingen die damit verbundenen Preise nicht erhöht, es hatte zumindest keinen Einfluss darauf.

(Ralf Witzel [FDP]: Dann haben Sie doch ge- nug!)

Wenn wir uns das Zweite anschauen, stellen wir fest, dass Herr Ellerbrock beispielsweise ganz am Rand erwähnt hat, dass die Nebenkosten auch aus Notargebühren bestehen. Das ist nicht unbedingt das Thema, über das die FDP gerne redet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ralph Bombis [FDP]: Moment, das wurde doch angesprochen!)

Ja, Sie haben es in einem Nebensatz angesprochen. Sie reden auch nicht so gerne darüber, dass eine Belastung vor allen Dingen darin besteht, dass in der Niedrigzinsphase – es ist gerade schon erwähnt worden – Immobilienverkäufer natürlich enorme Preissteigerungen realisieren konnten.

Dann kommen Sie regelmäßig auf die Idee, dass man, wenn sich diejenigen, die verkaufen, eine wirtschaftliche Situation zunutze machen und wenn die Preise steigen, bitte schön die steuerliche Belastung senken soll. Das ist dasselbe wie Ihre Forderung, die Mineralölsteuer sinken muss, wenn die Mineralölkonzerne die Preise nach oben treiben.

(Ralph Bombis [FDP]: Es wäre schon okay ge- wesen, wenn Sie sie nicht erhöht hätten!)

Nebenbei kommen Sie auf die Idee, man könne jetzt einen Freibetrag auf die Grunderwerbsteuer einführen. Das zeigt im Übrigen auch die Sorgfalt dieses Antrags; denn hinten steht plötzlich ein Freibetrag auf die Grundsteuer.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Egal, Hauptsache Frei- betrag!)

Kurz darauf heißt es noch mal „Grundsteuerfreibetrag“. Man hätte das ein bisschen genauer durchlesen und überlegen können: „Was will man denn eigentlich beantragen?“, selbst wenn man einen Schnellschuss abgeben will.

Ganz nebenbei wollen Sie auf ein paar Hundert Millionen Euro verzichten. Das passt sehr gut in Ihre Überlegungen, Steuern zu senken, weil die Quellen sprudeln und man keine Gegenfinanzierung braucht. Wenn die so gern auf Bundesebene versprochene Senkung in Höhe von 15 Milliarden € durchkäme, wäre das allein für die nordrhein-westfälischen Kommunen eine Mindereinnahme von 750 Millionen €. Wozu würde die wohl führen? Sie würde dazu führen, dass die Grundsteuerhebesätze noch einmal nach oben angepasst werden und dass am Ende die Menschen zahlen müssen, von denen Sie sagen, Sie wollten sie entlasten.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Ihr Verständnis von Sozialpolitik durch Steuern hält keiner tieferen Analyse stand.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

In der Sozialpolitik sagen Sie: Wir lassen keine junge Familie zurück und wollen deswegen einen Freibetrag von 500.000 €. – Wer das hört, der weiß, welche Vorstellungen Sie von sozialpolitisch bedrängten jungen Familien haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben es mit einer Steuer zu tun, die nicht auf 6,5 % erhöht worden ist, weil man gesagt hat: Wie weit müssen wir erhöhen, damit wir 400 Millionen €