Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

Aber man muss auch das Recht genau lesen, lieber Karl Schultheis, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich will daran erinnern, dass wir schon einmal bei einer Lieferung von atomaren Hinterlassenschaften, von atomarem Material ins Ausland hier das Atomgesetz zum Schutze der eigenen Bevölkerung angewendet haben. Das war damals bei den vorgesehenen Lieferungen nach Majak.

Ich will auch darauf hinweisen, dass das bestehende Atomgesetz die Möglichkeit gibt, solche Lieferungen wie die jetzt nach Tihange zu untersagen, wenn eine Gefahr für die eigene Bevölkerung mit der belieferten Anlage verbunden ist. Und genau das ist hier der Fall.

Es gibt entsprechende Rechtsgutachten. Ich teile die Rechtsauffassung dort ausdrücklich. Meine Fraktion teilt sie. Deswegen brauchen wir nicht das Atomgesetz an dieser Stelle zu ändern, sondern wir müssen die Lieferungen mit dem bestehenden Atomrecht beenden. Dazu fordern wir mit diesem Antrag die Bundesregierung noch einmal entschieden auf.

Abschließend: keine Lieferungen mehr aus Deutschland, Abschaltung von Gronau und Lingen. Nur ein endgültig stillgelegtes Atomkraftwerk bietet wirklich die Sicherheit für die Bevölkerung. Und darauf haben die Menschen hier in diesem Land einen Anspruch. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Markert. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Hovenjürgen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Markert, lieber Herr Schultheis! Die Nachricht höre ich wohl, allein … Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass wir den Nebelkerzen nicht folgen, sondern dass wir zusammen mit der FDP einen eigenen Antrag vorlegen.

Wir stehen zu unseren Entscheidungen, zu dem gemeinsamen Antrag, den wir im Dezember, am 1. Dezember letzten Jahres, eingebracht haben. Aber wir können natürlich nicht hinnehmen, dass sich hier insbesondere die SPD aus der Verantwortung stiehlt. Das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesumweltministerium haben diese Transporte, haben diese Lieferungen ermöglicht. Herr Kollege Markert hat dazu etwas gesagt, was man dort durchaus hätte anwenden können. Da bin ich nahe bei Herrn Markert. Diesen Weg hat man nicht beschritten. Insofern sind die Krokodilstränen, die hier heute geweint werden, auch für mich nicht ganz glaubwürdig – insbesondere dann nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man selbst seine Hausaufgaben nicht macht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es reicht nicht, den Belgiern einen Spiegel vorzuhalten und seine eigenen Probleme nicht zu lösen. Die Probleme mit dem Atommüll – mit den Atomkugeln in Jülich – sind nicht gelöst. Sie lagern dort unsicher für die Menschen und mit einem Risikofaktor behaftet, den Sie kennen. Aus koalitionären Gründen wird hier nicht für Abhilfe gesorgt. Das ist scheinheilig, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Markert zulassen, der auf dem Platz von Herrn Rüße sitzt?

Immer gerne.

. Bitte schön.

Lieber Kollege, ich habe zwei Zwischenfragen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Eine geht nur!)

Dann beschränke ich mich auf die eine: Habe ich Sie eben richtig verstanden, dass Sie den Abtransport der Kugeln, das heißt den Verschiebebahnhof quer durch Nordrhein-Westfalen, der Bevölkerung in NordrheinWestfalen tatsächlich zumuten wollen, sich also auch in den nächsten Wochen dafür aussprechen würden, dass es Atomtransporte quer durch Nordrhein-Westfalen zusätzlich zu den ohnehin stattfindenden gibt? – Es wäre sehr interessant, wenn wir das von der CDU so noch einmal hören könnten.

Vielen Dank. – Herr Kollege Markert.

Herr Kollege Markert, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie den rechtswidrigen und für die Menschen unsicheren Lagerungszustand in Jülich bis zum Sankt-NimmerleinsTag beibehalten wollen? Habe ich Sie da richtig verstanden?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann sagen Sie bitte in den nächsten Wochen den Menschen in Jülich, dass Sie sich weigern, rechtssichere Wege zu beschreiten; denn Tatsache ist, dass Sie sich – koalitionär – weigern, Atomtransporte durch Nordrhein-Westfalen zu führen, weil Sie sie für unsicher halten. Lieber Kollege Markert, im Übrigen bin ich gespannt, wie dann, wenn wir ein Endlager identifiziert haben und auch Atommüll transportiert werden muss, aus den jetzt nicht sicheren Transporten sichere Transporte werden. Ich bin gespannt darauf, wie Sie den Quantensprung in der Argumentation durchhalten wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Insofern noch einmal der Hinweis: Man muss in der Politik gerade bleiben, man muss auch real bleiben. Fakt ist: Es reicht, was Verantwortungsübernahme betrifft, für eine Regierung nicht, einen Brief zu schreiben und das Unternehmen aufzufordern, ohne schuldhaftes Verzögern diese rechtsunsichere Lagerung der Kugeln in Jülich zu beenden – wohl wissend, dass Sie, die Landesregierung selbst, es sind, die das Unternehmen daran hindert, diesen Zustand zu beenden. Das nenne ich aberwitzig, scheinheilig und im Übrigen den Menschen und ihrem Sicherheitsbedürfnis in Jülich und Umgebung nicht entsprechend. Das ist unfair gegenüber den Menschen in dieser Region, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU – Zurufe von den GRÜNEN)

Deswegen noch einmal: Wer anderen einen Spiegel vorhalten will, muss im eigenen Handeln gerade bleiben. Ja, die Atommeiler in Belgien gehören abgeschaltet. Auch aus unserer Sicht sind sie unsicher. Deswegen sollte man alle Möglichkeiten nutzen, um dafür zu sorgen, dass das schnellstmöglich passiert.

Dass die eigene Umweltministerin, Frau Hendricks, die die Situation in Nordrhein-Westfalen kennen müsste, und die eigene Wirtschaftsministerin, Frau Zypries, genau diesen Weg nicht gehen, tut weh. Aber das müssen Sie mit denen erörtern. Wir kritisieren das heftig.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sie sind doch an der Bundesregierung beteiligt!)

Aber wir sagen auch: Kritisieren kann nur der, der selbst in seinem Handeln gerade ist. Das sind Sie nicht.

Wir werden unserem eigenen Antrag zustimmen und uns bei Ihrem Antrag enthalten, damit deutlich wird: Wir stimmen in der Kritik an diesen Lieferungen überein, und wir stimmen auch in der Forderung überein, dass die Atomkraftwerke dort abgeschaltet gehören. Aber wir beteiligen uns nicht an dem Werfen von Nebelkerzen, damit Sie sich hier wieder einmal aus dem Staub machen können.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege, während Ihrer Rede – schon vor langer Zeit, das war ein ganz langer Satz – hat sich Frau Schmitt-Promny gemeldet. Ich wollte fragen, ob Sie diese Frage zulassen.

Herr Präsident, gerne.

Bitte schön.

Herr Hovenjürgen, haben wir eine Große Koalition in Berlin, und gibt es eine Richtlinienkompetenz der Kanzlerin? Gehört das nicht mit zu dieser Fragestellung? Wie, glauben Sie – ich bin Aachenerin –, würden wir in der Region auf Ihre Positionierung heute reagieren? Glauben Sie, dass Sie damit irgendjemanden überzeugen können?

Bitte schön.

Sie kennen den Koalitionsvertrag, gnädige Frau, und Sie wissen auch, dass

die SPD ihre Häuser selbst verantwortet. Es gibt natürlich theoretisch die Richtlinienkompetenz, aber der Koalitionsvertrag überlässt die Verantwortung den jeweiligen Häusern mit ihren jeweiligen Farbstrukturen – um es so zu formulieren. Insofern sage ich: ein guter Versuch, leider nicht zündbar.

(Beifall von der CDU – Zurufe von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Für die FDP spricht Herr Kollege Brockes.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist eine spezielle Form von Dialektik!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin etwas überrascht, dass wir im Landtag über dieses Thema in Form eines Eilantrags diskutieren. Das Thema ist zwar wichtig und richtig, es gehört sich auch, dass es hier behandelt wird, und es besteht da auch gar kein Dissens, aber mich wundert, dass wir einen Eilantrag vorliegen haben, obwohl das Thema bereits vor dem regulären Antragschluss zur Debatte stand und man eigentlich einen ganz normalen Antrag hätte stellen können.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Die Frau Präsidentin hat in der Vergangenheit gesagt, dass sie das ganz streng prüfen werde. Insofern möchte ich an dieser Stelle meine Verwunderung zum Ausdruck bringen.

(Zuruf von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion hätte es im Übrigen begrüßt, wenn der Landtag seine parteiübergreifende Linie aus dem Landtagsbeschluss vom Dezember letzten Jahres beibehalten hätte. Damit hätten wir die Landesregierung gegenüber Berlin stärken können. Aber all das war offensichtlich von SPD und Grünen nicht gewollt. Ganz ungeniert wollten sie das Thema ausschlachten und den Grünen an dieser Stelle Wahlkampfhilfe leisten. Meine Damen und Herren, die Not scheint groß zu sein.

(Beifall von der FDP)

Die Widersprüchlichkeit und Doppelzüngigkeit Ihres eigenen Handelns haben Sie dagegen in Ihrem Eilantrag ganz nonchalant unter den Tisch fallen lassen. Ihren Versuch, Geschichtsklitterung zu betreiben, können wir aber nicht durchgehen lassen. Wir haben zusammen mit der CDU eine Entschließung eingebracht, um den untauglichen Versuch deutlich zu machen.

Auf der Bundesebene fordert SPD-Bundesumweltministerin Hendricks zu Recht die Schließung des Reaktors Tihange. Gleichzeitig sieht sie sich aber

nicht in der Lage, den Transport von Brennelementen dahin zu untersagen. Dass die Menschen hierfür kein Verständnis haben, liegt doch wirklich auf der Hand.

(Beifall von der FDP)